Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M*****, vertreten durch Bruckner & Ullrich-Pansi Rechtsanwälte OG in Leibnitz, wider die verpflichtete Partei P*****, vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Škof, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Vollstreckbarerklärung (20.864,55 EUR sA), über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 23. Mai 2017, GZ 4 R 24/17d-17, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom 24. Juni 2016, GZ 6 E 2207/16z-2, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht erklärte über Antrag des Betreibenden das Versäumungsurteil eines slowenischen Gerichts vom 26. Jänner (richtig:) 2004 für Österreich für vollstreckbar und bewilligte die Forderungsexekution.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verpflichteten Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass der Antrag, das Versäumungsurteil für Österreich für vollstreckbar zu erklären und die Forderungsexekution gemäß § 294 EO zur Hereinbringung von 20.864,65 EUR zu bewilligen, abgewiesen wurde. Den (ordentlichen) Revisionsrekurs ließ es zu, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht mit einem vergleichbaren Fall befasst gewesen sei.
Maßgebliche Bedeutung komme der Auslegung der Übergangsvorschriften des Art 66 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO alt) zu. Gegenstand der Vollstreckbarerklärung sei ein Versäumungsurteil eines slowenischen Gerichts vom 26. Jänner 2004 aufgrund einer am 27. Oktober 2003 eingebrachten Klage. Die Republik Slowenien sei erst seit 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union, sodass die EuGVVO alt erst mit diesem Datum in Slowenien in Kraft getreten sei. Der EuGH lege in seinem Urteil vom 21. Juni 2012, C-514/10, die Bestimmung des Art 66 Abs 2 EuGVVO alt dahin aus, dass sie für die Anerkennung und Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nur dann zum Tragen komme, wenn sie zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung sowohl im Ursprungsmitglied- als auch im ersuchten Mitgliedstaat in Kraft gewesen sei. Da dies hier nicht der Fall sei, müsse der Antrag auf Vollstreckbarerklärung und damit verbunden der Exekutionsantrag mangels einer Rechtsgrundlage und fehlender verbürgter Gegenseitigkeit abgewiesen werden.
Der Betreibende erhob dagegen Revisionsrekurs mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Erstgerichts; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Argumentation des Rechtsmittelwerbers gegen die Entscheidung des Rekursgerichts beschränkt sich auf den nicht näher konkretisierten Vorwurf, es sei „absurd“, Art 66 Abs 2 EuGVVO alt wie das Rekursgericht auszulegen. Dieses habe Art 66 Abs 2 lit b EuGVVO alt außer Acht gelassen und deshalb unterlassen, „entsprechende Feststellungen zu treffen, insbesonders überhaupt zu prüfen, ob es sich beim Titelgericht um ein solches handelt, das aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels II übereinstimmen“, welche Tatsache „jedenfalls“ gegeben gewesen sei.
Der Verpflichtete erstattete eine Revisionsrekursbeantwortung, in der er dem Rechtsmittel (nur) inhaltlich entgegentrat.
Rechtliche Beurteilung
Der Betreibende zeigt mit seinen ohnehin nicht näher begründeten Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil die einzige angesprochene Rechtsfrage bereits durch den EuGH beantwortet wurde. Sein Revisionsrekurs ist daher – ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts – als nicht zulässig zurückzuweisen (§ 78 EO iVm §§ 528a und 510 Abs 3 ZPO).
1. Unstrittig ist, dass Slowenien erst mit 1. Mai 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union wurde und die EuGVVO alt erst zu diesem Zeitpunkt dort in Kraft trat. Sowohl die Erhebung der Klage als auch die Erlassung der Entscheidung, die vollstreckbar erklärt werden soll, lagen daher vor dem Inkrafttreten der EuGVVO alt in Slowenien.
2. Art 66 Abs 2 EuGVVO alt erweitert den zeitlichen Anwendungsbereich dieser VO grundsätzlich wie folgt: „Ist die Klage im Ursprungsmitgliedstaat vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erhoben worden, so werden nach diesem Zeitpunkt erlassene Entscheidungen nach Maßgabe des Kapitels III anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen, [...]“. Nach dem klaren Wortlaut ist also Voraussetzung für eine Erweiterung des zeitlichen Anwendungsbereichs der EuGVVO alt das Vorliegen einer Entscheidung, die nach deren Inkrafttreten erlassen wurde, widrigenfalls die Anwendung der VO außer Betracht bleibt (Oberhammer in Stein/Jonas ZPO22 Art 66 EuGVVO Rz 8; Hess, Die intertemporale Anwendung des europäischen Zivilprozessrechts in den EU-Beitrittsstaaten, IPRax 2004, 374 [376]). Die Rechtsfrage, ob es dazu (nur) auf das Inkrafttreten im Ursprungsstaat ankommt, wofür der
– teleologisch zu erweiternde – Wortlaut zu sprechen scheint (Klauser in Fasching/Konecny² Art 66 EuGVVO Rz 72; mit Hinweis auf 3 Ob 272/06f und 3 Ob 157/07w [jeweils für Titel aus Polen, das ebenfalls erst mit 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union wurde]) – oder auf das Inkrafttreten sowohl im Ursprungs- als auch im Vollstreckungsstaat hat der EuGH bereits – für den Obersten Gerichtshof bindend (RIS-Justiz RS0110582; RS0109951) – beantwortet.
3. In der Rechtssache C-514/10 (Wolf Naturprodukte GmbH./.SEWAR spol. s r.o.; EuZW 2012, 626 [zust Sujecki]) sprach der EuGH mit Urteil vom 21. Juni 2012 aus, dass die EuGVVO für die Anerkennung und Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nur dann zum Tragen kommt, wenn sie zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch im ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war (so auch Klauser in Fasching/Konecny² Art 66 EuGVVO Rz 58 und 72). Das Rekursgericht hat sich an dieser Auslegung des Art 66 Abs 2 EuGVVO alt durch den EuGH orientiert. Seine die Vollstreckbarerklärung ablehnende Entscheidung ist daher nicht zu beanstanden. Ob die weiteren, vom Betreibenden ins Treffen geführten Voraussetzungen nach Art 66 Abs 2 lit a und b EuGVVO alt zutreffen, ist unerheblich.
4. Da in der Revisionsbeantwortung weder auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen noch dessen Zurückweisung beantragt wurde, war sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig. Der Verpflichtete hat seine Kosten daher selbst zu tragen.
Schlagworte
ExekutionsrechtTextnummer
E119831European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00140.17K.1025.000Im RIS seit
17.11.2017Zuletzt aktualisiert am
17.11.2017