TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/13 VGW-042/013/15464/2016

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.10.2017

Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein

Norm

AZG §26 Abs1
AZG §28 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Dr. Helm über die Beschwerde des Herrn Ing. R. M., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 07.11.2016, Zl. MBA ...-S 40165/16, wegen Übertretungen des § 26 Abs. 1 AZG in zwei Fällen, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 01.06.2017, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. Der Beschwerdeführer hat daher gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt:

„Sie haben als Vorstand und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen berufenes Organ der T. AG mit Sitz in Wien, ... zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin für die in der Arbeitsstätte D.-straße, A. beschäftigten Arbeitnehmer

1)       E. H.

2)       Ing. L. Th.

die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetzes insofern nicht eingehalten hat, als über diese in der Arbeitsstätte beschäftigten zwei Arbeitnehmer im Zeitraum zu 1) 01.11.2015 bis 30.11.2015 und zu 2) 01.11.2015 bis 30.11.2015 keine dem §26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz entsprechenden Arbeitszeitaufzeichnungen geführt wurden, da diese mangelhaft geführt worden; es wurden zum einen keine Pausen oder Ruhezeiten ausgewiesen und zum anderen Zeiten aufgezeichnet, die keine Arbeitszeit darstellen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1) und 2) § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetzes (AZG), BGBL Nr. 461/1969 i.d.g.F.iVm § 9 Abs. 1 VStG

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

ad 1.) Geldstrafe von € 400,00, falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag

ad 2.) Geldstrafe von € 250,00, falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden

Summe der Geldstrafen: € 650,00

Summe der Ersatzfreiheitsstrafen: 1 Tag und 15 Stunden

1) und 2) gemäß § 28 Abs. 3 Arbeitszeitgesetzes (AZG), BGBl. Nr. 461/1969 i.d.g.F.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

ad 1.) €40,00,

ad 2.) €25,00

Summe der Strafkosten: € 65,00

als Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren, d.s. 10% der Strafen (mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).

Die zu zahlenden Gesamtbeträge (Strafen/Kosten) betragen daher

ad 1.)€ 440,00, ad 2.) €275,00

Summe der Strafen und Strafkosten: € 715,00

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

Die T. Aktiengesellschaft haftet für die mit diesem Bescheid über den zur Vertretung nach außen Berufenen, M. verhängte Geldstrafe von

1)       €        400,00

2)       € 250,00 und die Verfahrenskosten in der Höhe von

1)       €        40,00

2)       € 25,00 sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs.7 VStG zur ungeteilten Hand.“

2. In seinem form- und fristgerecht eingebrachten Rechtsmittel macht der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsfreund unrichtige und unvollständige Sachverhaltsdarstellung, mangelnde Beweiswürdigung, wesentliche Verfahrensmängel und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Die Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Arbeitsinspektorat S. die Bestellungsurkunde des verantwortlichen Beauftragten vom 01.06.2015 nicht zugegangen sei; zum Beweis dafür werden in Kopie das Bestellungsschreiben sowie das Begleitschreiben an das Arbeitsinspektorat vom 11.06.2015 samt Aufgabeschein vorgelegt. Weiters sei der Beschwerdeführer bereits nach § 28 Abs. 2 AZG bestraft worden und widerspreche seine zusätzliche Bestrafung wegen Übertretung des § 28 Abs. 1 AZG iVm § 26 Abs. 1 Abs. 1 AZG dem Doppelbestrafungsverbot, worauf die Behörde nicht eingegangen sei. Nicht geprüft worden sei auch der Sachverhalt bezüglich Herrn H. E., bei dem es sich nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers um einen leitenden Angestellten handle, womit er von den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes ausgenommen sei.

Ein Verfahrensmangel wird dahin erblickt, dass weder Herr E. noch der verantwortliche Beauftragte Ta. als Zeugen einvernommen worden sind, und dass die Behörde weder den Beschwerdeführer einvernommen hat noch ihn aufgefordert hat, entsprechende Nachweise für die Funktion des Herrn E. als leitender Angestellter vorzulegen. Ferner sei die Funktion des Herrn E. unrichtig beurteilt worden. Der Beschwerdeführer beantragt daher die Einstellung des Verfahrens.

3. Am 01.06.2017 fand die öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, zu der der Beschwerdeführer St. mit seinem Rechtsvertreter und die Zeugen E. und Ta. ladungsgemäß, die weitere Zeugin W. ohne Ladung, erschienen sind. Das Arbeitsinspektorat S. war durch Herrn Ing. K. vertreten.

Der Rechtsvertreter brachte unter Bezugnahme auf einen bereits vor dem erkennenden Richter verhandelten gleichartigen Fall mit dem verantwortlichen Beauftragten Ta. als Beschuldigten vor, falls dessen Bestellung zum verantwortlich Beauftragten als unwirksam angesehen werden sollte, wäre der davor bestellte Herr Dipl.-Ing. H. Sc. als verantwortlicher Beauftragter zu bestrafen gewesen. Er legte dazu die Bestellung des Herrn Dipl.-Ing. Sc. vom 13.12.2011 vor. Dieser sei aufrecht bei der T. angestellt und seine Bestellung bis dato vom AI nicht beanstandet worden. Er sei Niederlassungsleiter für den gesamten Tiefbau im Bundesland Niederösterreich. Die beiden im spruchgenannten Arbeitnehmer seien daher auch seine Untergebenen, wenngleich nicht direkt, sondern über die Zwischenebene des Dipl.-Ing. Ta..

Weiters wird vorgebracht, dass die Arbeitszeiten sowie die Ruhepausen an den Baustellen, aber auch in der Niederlassung aushingen; deshalb müssten sie aus Sicht des Beschwerdeführers nicht aufgezeichnet werden. Er werde eine Betriebsvereinbarung, aus der hervorgehe, dass die Aufzeichnung der Ruhepausen und Ruhezeiten nicht erforderlich sei, binnen drei Wochen vorlegen. Die Parteien verzichteten sowohl auf die Einvernahme des Herrn E. und des Herrn Dipl.-Ing. Ta. als auch auf die Verlesung der Einvernahme des Herrn Dipl.-Ing. Ta. als Beschuldigter und des Herrn E. als Zeugen in der Verhandlung vom 24.11.2016, GZ VGW-042/013/11569/2016, insbesondere zur Frage der verantwortlichen Beauftragung des Verantwortungsbereichs und der damit verbundenen Befugnisse. Letztlich brachte der Beschwerdeführer St. vor, dass nach der internen Aufteilung nur er für das Personal und damit auch für die Arbeitnehmerschutzbestimmungen verantwortlich sei, die beiden übrigen Geschäftsführer M. und P. hingegen für technische Belange. Er werde auch diese Vereinbarung binnen drei Wochen vorlegen.

Der Vertreter des Arbeitsinspektorates werde innerhalb von drei Wochen bekanntgeben, ob und wann die Bestellung des Dipl.-Ing. Sc. vom 23.12.2011 beim Arbeitsinspektorat für den ... Aufsichtsbezirk eingegangen ist. Einvernommen wurde die stellig gemachte Zeugin Re. W. zur arbeitsrechtlichen Schulung und Ausbildung des Personals im Hinblick auf die Arbeitszeitaufzeichnungen.

Innerhalb der vereinbarten Frist legte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsfreund einen mit 29.11.2007 datierte „Ressortverteilung“ der T. vor, aus der hervorgeht, dass der Geschäftsführer St. für den kaufmännischen administrativen Bereich, das Finanzmanagement, die Projektfinanzierung, des Rechnungswesen, das Controlling, das Personal, den Zentraleinkauf, ferner für IT, Recht, das Immobilien Portfolio und Versicherungen zuständig ist. Der Geschäftsführer M. ist dagegen nur für das Personalrecruiting und das operative Baugeschäft in Österreich ausgenommen Wien, Niederösterreich und Burgenland, in Deutschland, in der Schweiz und Italien verantwortlich, ferner für Baustofftechnologie, Forschung und Entwicklung. Der Zuständigkeitsbereich des Ing. J. P. geht aus diesem Schriftstück nicht hervor, vielmehr sind als zwei weitere Vorstandsmitglieder Su. und Pu. angeführt.

4. Aus dieser vor dem angelasteten Tatzeitpunkt abgeschlossenen schriftlichen Ressortverteilung ergibt sich immerhin, dass der Beschwerdeführer – von der Rekrutierung neuen Personals abgesehen – keine Verantwortung für Personalfragen trägt, insbesondere nicht für die Einhaltung von arbeitszeitrechtlichen Regelungen oder sonstigen Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Das Verfahren gegen ihn war daher spruchgemäß einzustellen.

5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ressortverteilung; Personalrecruiting; keine Verantwortlichkeit für Arbeitnehmerschutzbestimmungen; Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.042.013.15464.2016

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten