Entscheidungsdatum
25.10.2017Norm
ASVG §113 Abs1 Z1Spruch
W209 2142760-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, XXXX, XXXX, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 29.09.2016, GZ: VA/ED-FP-0156/2016, betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG in der Höhe von € 2.300,00 wegen Unterlassung der Anmeldung der Dienstnehmer XXXX, VSNR XXXX, XXXX, VSNR XXXX, und XXXX, VSNR XXXX, vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung nach
Beschwerdevorentscheidung vom 28.11.2016, GZ: VA/ED-FP-0156/2016, zu
Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 29.09.2016, GZ: VA/ED-FP-0156/2016, schrieb die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (im Folgenden die belangte Behörde) dem Beschwerdeführer gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von € 2.300,00 vor, weil er es unterlassen habe, die Dienstnehmer XXXX, VSNR XXXX, XXXX, VSNR XXXX, und XXXX, VSNR XXXX, vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung zu melden. Begründend führte sie aus, dass im Rahmen einer am 07.04.2016 durchgeführten Kontrolle der Finanzpolizei in einem Mehrfamilienhaus in XXXX festgestellt worden sei, dass für die oben angeführte Dienstnehmer die Anmeldung vor Arbeitsantritt nicht erstatten worden sei. Der vorgeschriebene Beitragszuschlag setze sich aus dem Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung in Höhe von €
500,00 und dem Teilbetrag für den Prüfeinsatz in Höhe von € 800,00 zusammen.
2. Gegen den Bescheid vom 29.09.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schreiben vom 14.10.2016 Beschwerde. Diese lautet wie folgt:
"Betr. Bescheid BKNR 510313879 Beitragszuschlag gem. § 113 Abs. 1 Z 1 iVM Abs. 2 ASVG vom 29.09.2016
Sehr geehrte Damen und Herren,
bezüglich des angeführten Bescheides erhebe ich Einspruch.
Die angetroffenen Herren
XXXX, geb. XXXX
XXXX, geb. XXXX
XXXX, geb. XXXX
sind bei und für Herrn XXXX, tätig.
Ich selbst war Mieter bei Herrn XXXX und auf seine Bitte ihm bei der Renovierung behilflich zu sein, habe ich ihm einen guten Bekannten vermittelt. Ich habe ich ihn mit Herrn XXXX einen Landsmann von mir, bekannt gemacht, der dann die beiden Herren XXXX und XXXX organisiert hat. Auf Ersuchen von Herrn XXXX habe ich ihn und die beiden Bekannten aus Wien abgeholt und nach XXXX gebracht; auf die Bitte von Herrn XXXX (XXXX) war ich dann bei der Besorgung von Verpflegung behilflich, da die Herren Verständigungsprobleme hatten. Weitere Details, wie zusätzliche Vereinbarungen mit den übrigen an der Baustelle XXXX, XXXX. angetroffenen Herren sind von Herrn XXXX getroffen worden (die Baustelle gehört Herrn XXXX) und er hatte auch bei Bedarf einen Dolmetscher zur Verfügung. Meine Landsleute haben mich auch informiert, dass Herr XXXX sie in einem leer stehenden Appartement untergebracht hat (XXXX).
Ich habe weder Material noch Werkzeug zur Verfügung gestellt und meine Anwesenheit zum Zeitpunkt des Eintreffens der Kontrolle und mein Engagement ist einfach erklärt: ich war Mieter bei Herrn XXXX und hatte Ursache, da es auch zu Schwierigkeiten bezüglich des Mietobjektes kam, mich etwas verpflichtet zu fühlen und zum Zeitpunkt Ihres Besuchs retournierte ich die Schlüssel des Mietobjektes aus dem ich ausgezogen war und ich hatte außerdem die Bekanntschaft mit Herrn XXXX arrangiert.
Zur Dokumentation meiner Behauptungen: Belegkopien der Zahlungen an Herrn XXXX (Miete), EVN Abrechnungen am Mietobjekt Herrn XXXX, Einbruchsanzeige Polizei am Mietobjekt von Herrn XXXX.
Da Herr XXXX kein "neuer" Unternehmer ist, war es für mich selbstverständlich, dass er sich um die Entlohnung und Versicherungsanmeldung von Mitarbeitern kümmert.
Ich selbst habe einen Handel mit Holzprodukten, Möbel, Fenster, Türen, etc. die in Rumänien gefertigt und nach Österreich geliefert werden. Prospekte anbei. Mein Schauraum befindet sich in XXXX."
3. Mit Schreiben vom 20.10.2016 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass seine Beschwerde kein Begehren enthalte, und trug ihm gemäß § 13 Abs. 3 AVG auf, bis 03.11.2016 mitzuteilen, was mit dem angefochtenen Bescheid geschehen solle, andernfalls seine Beschwerde zurückgewiesen werde. Binnen der gewährten Frist langte keine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 28.11.2016, GZ: VA/ED-FP-0156/2016, wies die belangte Behörde die Beschwerde sodann mit der Begründung zurück, dass der Beschwerdeführer dem Mängelbehebungsauftrag vom 20.10.2016 nicht fristgerecht nachgekommen sei.
5. Auf Grund des rechtzeitigen Vorlageantrages des Beschwerdeführers, in dem dieser vorbrachte, dass er den Mängelbehebungsauftrag auf Grund einer Auslandsreise nicht beheben habe können, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten am 21.12.2016 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Bei einer am 07.04.2016 auf der Baustelle in einem Mehrparteienhaus in XXXX, XXXX, durchgeführten Kontrolle der Finanzpolizei wurden die rumänischen Staatsangehörigen XXXX, VSNR XXXX, XXXX, VSNR XXXX, und XXXX, VSNR XXXX, beim Fliesenlegen und Ausmalen bzw. Saubermachen arbeitend angetroffen, ohne vorher zur Sozialversicherung gemeldet worden zu sein.
Die Liegenschaft, auf der sich die Baustelle befand, steht im Eigentum des XXXX oder einer der Gesellschaften, in denen XXXX oder dieXXXX Holding GmbH (FN XXXX) als (Allein-)Gesellschafter fungiert.
Weitere Gesellschaften, in denen entweder XXXX selbst oder dessen Holding als (Allein-)Gesellschafter fungieren, sind u.a. die XXXX Vermietung und Verpachtung GmbH (FN XXXX), die M.D.H. Haustechnik GmbH (FN XXXX) sowie dieXXXX XXXX GmbH (FN XXXX).
Der Beschwerdeführer, der über eine Handelsfirma für in Rumänien gefertigte Möbel, Fenster und Türen verfügt, hat die drei betretenen Arbeiter vermittelt und auf die Baustelle gebracht.
Nicht festgestellt werden konnte, dass zwischen XXXX bzw. einer seiner Gesellschaften und dem Beschwerdeführer mündlich ein Pauschalhonorar für die von den betretenen Arbeitern zu erbringenden Leistungen vereinbart worden ist.
2. Beweiswürdigung:
Die Betretung unter den o.a. Umständen sowie der Betrieb einer Handelsfirma für Möbel, Fenster und Türen durch den Beschwerdeführer stehen auf Grund der Aktenlage als unstrittig fest.
Den Besitz der Liegenschaft, auf der sich die Baustelle befand, hat XXXX bei seiner Befragung selbst eingeräumt.
Die Beteiligungen des XXXX bzw. dessen Holding ergeben sich aus dem Firmenbuch.
Bei der niederschriftlichen Befragung durch die Organe der Finanzpolizei gaben alle drei betretenen Arbeiter übereinstimmend an, dass XXXX ihr "Chef" sei, dem sie vom Beschwerdeführer vermittelt worden seien.
Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst vor, die Betretenen für XXXX nur "organisiert" zu haben.
XXXX gab gegenüber den Kontrollorganen niederschriftlich an, er habe den Beschwerdeführer beauftragt, Fliesen und Laminat in den Zimmern zu legen sowie auszumalen. Einen schriftlichen Vertrag gebe es nicht. Die Auftragssumme habe € 5.000,-- betragen. Abgerechnet worden sei mit einer Firma XXXX (gemeint XXXX KG, FN XXXX). Der Beschwerdeführer habe erklärt, dass die betretenen Arbeiter in Rumänien versichert seien. Die Arbeiter hätten auch vom Beschwerdeführer bezahlt werden sollen.
Auf der Baustelle wurde auch der rumänische Staatangehörige XXXX, geb. XXXX, angetroffen. Dieser war im Kontrollzeitpunkt bei der Firma XXXX Vermietung und Verpachtung GmbH beschäftigt und gab an, dass die Betretenen für den Beschwerdeführer gearbeitet hätten und von diesem bezahlt worden wären. Einziger Gesellschafter der GmbH ist XXXX.
In dem vom betretenen XXXX im Zuge der Kontrolle ausgefüllten "Personalblatt" gab dieser handschriftlich als Dienstgeber die Firma "XXXX" an. Damit ist zweifelsfrei die XXXX XXXX gemeint, deren einziger Gesellschafter die XXXX Holding GmbH ist, deren einziger Gesellschafter wiederum XXXX ist.
Damit erweisen sich die niederschriftlichen Angaben des XXXX sowie seines langjährigen Mitarbeiters XXXX, wonach die betretenen Arbeiter für den Beschwerdeführer gearbeitet hätten, als unwahr.
Träfen deren Angaben zu und wäre somit nie eine Anmeldung durch XXXX in Aussicht gestellt worden, wäre nämlich nicht erklärbar, wie der betretene XXXX eine der Firmen des XXXX als Arbeitgeber angeben hätte können, zumal der langjährig beschäftigte XXXX seinem Versicherungsdatenauszug zufolge nie bei der XXXX XXXX GmbH beschäftigt war und auch zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht wusste, bei welcher Gesellschaft des XXXX er beschäftigt war, womit auch eine fälschliche Nennung des Arbeitgebers des XXXX durch XXXX zum Schutz des Beschwerdeführers (in Absprache mit diesem) ausgeschlossen werden kann.
Somit erweist sich aber auch die von XXXX behauptete mündliche Vereinbarung eines Pauschalhonorars als unglaubwürdig. Darüber hinaus widerspricht eine derartige mündliche Vereinbarung ohne Zugrundelegung eines – die zu erbringenden Leistungen konkretisierenden – schriftlichen (Werk-)Vertrages durch einen Gewerbebetrieb auch der allgemeinen Lebenserfahrung.
Demgegenüber waren die Angaben der Betretenen sowie des Beschwerdeführers, zumindest was die Frage anlangt, in wessen Auftrag und für wessen Rechnung Letztere tätig geworden sind, frei von Widersprüchen und in sich schlüssig.
Der Umstand, dass XXXX im Zeitraum vom 20.04.2015 bis 31.07.2015 bei der Firma XXXX KG, in XXXX beschäftigt war, kommt – entgegen der Sachverhaltsdarstellung der Finanzpolizei – keine besondere Beweiskraft zu, da der Beschwerdeführer laut Firmenbuch nie an dieser Firma beteiligt war bzw. diese Firme auch sonst nicht in seinem Einflussbereich gestanden ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch einen Senat vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.
Im vorliegenden Fall stellt die Frage der Versicherungspflicht eine Vorfrage dar und liegt somit eine Angelegenheit vor, die auf Antrag eine Senatszuständigkeit unter Beteiligung fachkundiger Laienrichter begründet. Mangels Stellung eines entsprechenden Antrages hat die Entscheidung jedoch mittels Einzelrichter zu erfolgen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
a) Zur Zulässigkeit der Beschwerde
Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat eine Beschwerde zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Die belangte Behörde begründete die Zurückweisung der Beschwerde damit, dass sie entgegen der Anordnung des § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG nicht die Gründe enthalte, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, weswegen der Beschwerdeführer um Behebung dieses Mangels aufgefordert worden sei. Da dieser der Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen sei, sei die Beschwerde gemäß § 13 Abs. 3 AVG als mangelhaft zurückzuweisen gewesen.
Laut den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum VwGVG (RV 2009 BlgNR XXIV. GP, Seiten 4 und 6) hat die Beschwerde die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, das Begehren und die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht wurde, zu enthalten. Diese Angaben seien deshalb erforderlich, weil das Verwaltungsgericht gemäß dem vorgeschlagenen § 27 VwGVG im Prüfungsumfang beschränkt sein solle. Die Anforderungen an die Beschwerde seien demnach höher als die Anforderungen an eine Berufung gemäß § 63 Abs. 3 AVG.
Wie jedoch der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, klargestellt hat, ergibt sich aus dem Bericht des Verfassungsausschusses AB 2212 BlgNR XXIV. GP, S 5, dass die Ansicht in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, wonach die Anforderungen an eine Beschwerde höher seien als die Anforderungen an eine Berufung gemäß § 63 Abs. 3 AVG, vom Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses des VwGVG nicht aufrecht erhalten wurde.
Somit ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass die grundsätzlichen Anforderungen an bei Verwaltungsgerichten eingebrachten Beschwerden gegenüber den Anforderungen des AVG an Berufungen verschärft werden sollten (vgl. VwGH 18.12.2015, Ra 2015/02/0169). Diesem an den Inhalt einer Beschwerde nach § 9 VwGVG angelegten Maßstab (vgl. VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066) genügt es, wenn das Rechtsmittel der beschwerdeführenden Partei vor dem Verwaltungsgericht erkennen lässt, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0037)
Im vorliegenden Fall zielt die im Verfahrensgang unter Punkt I.2. wiedergegebene Beschwerde erkennbar darauf ab, dass die Dienstgebereigenschaft und somit die Rechtmäßigkeit der Vorschreibung eines Beitragszuschlages bestritten wird. Damit lässt die Beschwerde – entgegen der Ansicht der belangten Behörde – auch klar das Begehren erkennen, dass der Bescheid (ersatzlos) aufgehoben werden soll. Für einen Auftrag zur Mängelbehebung bestand damit keine Notwendigkeit, zumal die Beschwerde neben einer ausreichenden Begründung unstrittig auch alle übrigen in § 9 Abs. 1 VwGVG genannten Inhaltserfordernisse erfüllt hat.
Ist die Beschwerde zulässig, wurde sie mit der Beschwerdevorentscheidung aber zurückgewiesen, so hat das Verwaltungsgericht inhaltlich über die Beschwerde zu erkennen (und den Ausgangsbescheid zu bestätigen, zu beheben oder abzuändern), wobei seine Entscheidung auch hier an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt, ohne dass diese explizit behoben werden muss (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).
Das Bundesverwaltungsgericht hat somit im vorliegenden Fall die zu entscheidende Sache inhaltlich zu erledigen und über die Rechtsmäßigkeit der Vorschreibung des Beitragszuschlages abzusprechen.
b) Zur Vorschreibung des Beitragszuschlages
Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.
Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können unter anderem Dienstgebern Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn
1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder
2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder
3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder
4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.
Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a (Abgabenbehörden des Bundes, deren Prüforgane Personen betreten haben) aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf € 500,00 je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf € 800,00. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf € 400,00 herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist als Vorfrage zu klären, ob eine gemäß § 33 ASVG meldepflichtige Beschäftigung der Betretenen vorlag und der Beschwerdeführer als Dienstgeber verpflichtet gewesen wäre, diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.
Als Dienstgeber im Sinne des ASVG gilt gemäß § 35 Abs. 1 ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter anstelle des Entgeltes verweist.
Für die Dienstgebereigenschaft ist wesentlich, wer nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen Gesichtspunkten) aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, wen also das Risiko des Betriebes im gesamten unmittelbar trifft. Maßgeblich sind dabei stets die rechtlichen Verhältnisse, nicht der nach Außen in Erscheinung tretende Sachverhalt.
Aus dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 ASVG ergibt sich, dass sich an der Dienstgebereigenschaft der Person, die das Risiko des Betriebes im gesamten unmittelbar trifft, nichts ändert, wenn sie den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn anstelle des Entgelts ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter verweist. Nicht nur bei der direkten, sondern auch bei der indirekten Stellvertretung ist der vertretene und nicht der Vertreter Dienstgeber (VwGH 07.09.2011, 2008/08/0165).
Für die Beurteilung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, sind in erster Linie die Eigentumsverhältnisse maßgebend. Der Eigentümer arbeitet auf seine Rechnung und trägt typischerweise die Gefahr (VwGH 23.10.2002, 99/08/0157).
Eigentümer der Liegenschaft, auf welcher sich die Baustelle befand, auf der die gegenständlichen Arbeiter betreten wurden, war unstrittig XXXX oder eine in seinem Einflussbereich stehende Gesellschaft. Da gegenständlich keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die Baustelle dennoch auf Gefahr und Rechnung des Beschwerdeführers betrieben worden wäre, zumal den Feststellungen zufolge nicht von der Vereinbarung eines Pauschalhonorars für die von den betretenen Arbeitern zu leistenden Arbeiten auszugehen ist, das u.U. einen solchen Anhaltspunkt für die Dienstgebereigenschaft des Beschwerdeführers bieten könnte (vgl. VwGH 14.02.2013, 2011/98/0115, ist XXXX oder eine der in seinem Einflussbereich stehenden Gesellschaften als Dienstgeber der betretenen Arbeiter zu qualifizieren.
Dies erscheint auch in Hinblick auf die gemäß § 539a ASVG gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise als naheliegend, zumal zwei der Firmen des XXXX die gewerbsmäßige Vermietung und Verpachtung bzw. den Geschäftszweig "Haustechnik" betreiben, während der Beschwerdeführer lediglich über eine Handelsfirma für Möbel, Fenster und Türen verfügt.
Somit scheidet der Beschwerdeführer als Dienstgeber aus. Die bloße Vermittlung von Arbeitnehmern begründet noch nicht die Dienstgebereigenschaft iSd § 35 ASVG (vgl. VwGH 20.04.1993, 91/98/0180).
Daran würde sich auch nichts ändern, wenn der Beschwerdeführer als "Mittelsperson" nach außen hin im eigenen Namen aufgetreten wäre, solange den Dienstgeber – wie vorliegend – das Risiko des Betriebs im Gesamten trifft (vgl. VwGH 17.12.1991, 90/08/0222).
Mangels Dienstgebereigenschaft traf den Beschwerdeführer daher auch nicht die Verpflichtung, die Arbeiter vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, weswegen die Vorschreibung des Beitragszuschlages zu Unrecht erfolgte und der angefochtene Bescheid (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026) ersatzlos zu beheben ist.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Beitragszuschlag, Dienstgebereigenschaft, VersicherungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W209.2142760.1.00Zuletzt aktualisiert am
16.11.2017