TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/30 I403 2174238-1

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Veröffentlicht am 30.10.2017
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Entscheidungsdatum

30.10.2017

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I403 2174238-1/3E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Gambia, vertreten durch die Rechtsanwälte Mag. Josef Phillip BISCHOF & Mag. Andreas LEPSCHI, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.09.2017, Zl. 1001677609/14094102 beschlossen:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer), ein Staatsbürger Gambias, stellte am 12.02.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag stattfindenden Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte er, dass er Gambia verlassen habe, weil er in seinem Dorf gegen die weibliche Genitalverstümmelung eingetreten sei und weil seine Freundin von ihren Eltern zum Schwangerschaftsabbruch gezwungen worden sei; nachdem sie bei diesem verstorben sei, sei der Beschwerdeführer von ihren Eltern mit dem Tod bedroht worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 25.09.2014, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, anderen Cannabiskraut gewerbsmäßig verkauft zu haben. Er wurde wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 und Abs. 4 Z 1 SMG, 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer wurde am 08.06.2017 niederschriftlich durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), RD Wien, einvernommen. Der Beschwerdeführer legte eine Heiratsurkunde nach islamischem Recht vom 10.05.2017 und Deutschkursbestätigungen sowie eine Bestätigung über die A2-Prüfung vor. Seine Ehefrau nach islamischem Recht war als Vertrauensperson bei der Einvernahme anwesend. Der Beschwerdeführer wiederholte Gambia verlassen zu haben, weil er aufgrund seines Einsatzes gegen die weibliche Genitalverstümmelung in seinem Dorf bedroht gewesen sei. Dem Beschwerdeführer wurden Länderfeststellungen zu Gambia übergeben und eine Frist von 14 Tagen für eine schriftliche Stellungnahme gewährt.

Am 03.07.2017 wurde eine Vollmacht für die Vertretung durch die Rechtsanwälte Mag. Josef Phillip BISCHOF & Mag. Andreas LEPSCHI vorgelegt und eine Fristerstreckung bis zum 17.07.2017 beantragt.

Mit Stellungnahme vom 17.07.2017 wurde behauptet, dass es, auch wenn weibliche Genitalverstümmelung in Gambia offiziell verboten ist, keinen effektiven staatlichen Schutz geben würde angesichts des hohen Prozentsatzes an tatsächlichen Beschneidungen. Zum Beweis für ein in Österreich vorliegendes Familienleben wurde die Einvernahme seiner Ehefrau nach islamischem Recht beantragt.

Mit Bescheid des BFA, RD Wien, vom 01.09.2017, zugestellt am 08.09.2017, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 10.02.2014 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig ist (Spruchpunkt III). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 13 Abs. 2 AsylG wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 31.10.2014 verloren hat (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Es wurde für nicht glaubhaft befunden, dass der Beschwerdeführer sich in Gambia gegen weibliche Genitalverstümmelung eingesetzt habe. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich bestehe nicht, zumal der Beschwerdeführer die Beziehung zu seiner Ehefrau eingegangen sei, als er sich seines unsicheren Status bewusst sein musste.

Gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde fristgerecht am 21.09.2017 Beschwerde erhoben. Beschwerde wurde erhoben wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit durch Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der belangten Behörde wurde vorgeworfen, die Stellungnahme vom 17.07.2017 nicht berücksichtigt und von der beantragten Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers abgesehen zu haben. Die von der Behörde ins Treffen geführten Argumente, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei, weil er in Österreich nicht aktiv gegen Genitalverstümmelung eintrete und sich in Gambia erst seit 2013 dagegen eingesetzt habe, seien nicht nachvollziehbar ebenso wenig die von der Behörde angenommene schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die belangte Behörde habe auch nicht begründet, wie sie zur Feststellung komme, dass eine Fortführung der Ehe in Gambia möglich und zumutbar sei.

Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchführen, den angefochtenen Bescheid beheben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuerkennen; in eventu dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; insbesondere das Einreiseverbot beheben; in eventu feststellen, dass die Abschiebung nach Gamnbia unzulässig ist und nach Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen. Zudem wurde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.10.2017 vorgelegt und von Seiten der belangten Behörde erklärt, auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Gambias. Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer verließ Gambia im Juni 2013 und stellte am 10.02.2014 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Er behauptete, wegen seines Einsatzes gegen die weibliche Genitalverstümmelung in Gambia verfolgt zu werden.

Am 10.05.2017 heiratete er nach islamischem Ritus eine österreichische Staatsbürgerin. Diese wurde vom BFA nicht einvernommen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.

Die Feststellung betreffend die Ehe des Beschwerdeführers in Österreich beruht auf der vorgelegten Heiratsurkunde der AR-Rasheed Moschee vom 10.05.2017.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Verurteilung entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich und in das entsprechende Strafurteil.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Einer Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde normiert § 18 Abs. 5 BFA - VG: Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die zur Verfügung stehende Aktenlage ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ausreichend, um dies zu beurteilen. Das BFA hat insbesondere die am 17.07.2017 eingegangene Stellungnahme unberücksichtigt gelassen und war auch auf den darin gestellten Beweisantrag, die Einvernahme der Ehefrau des Beschwerdeführers, nicht eingegangen. Um insbesondere eine abschließende Beurteilung des Familienlebens in Österreich zu ermöglichen und eine eventuelle Verletzung des Art. 8 EMRK im Falle einer Rückkehr auszuschließen, erscheint eine mündliche Verhandlung, in der die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin einvernommen wird, unumgänglich.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I403.2174238.1.00

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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