Entscheidungsdatum
30.10.2017Norm
BBG §40Spruch
L517 2152059-1/13E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter XXXX als Vorsitzenden und den Richter XXXX und den fachkundigen Laienrichter XXXX als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , OB: XXXX , vom 07.02.2017, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.07.2017 zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1 und 2, § 42 Abs 1, § 43 Abs 1, § 45 Abs 1 bis 3, § 54 Abs 12, § 55 Abs 5 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF stattgegeben, darüber hinaus festgestellt, dass der Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H. beträgt und die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vorliegen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundesverfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
24.11.2016 – Antrag der beschwerdeführenden Partei (in Folge bP) auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. bB)
02.02.2017 - Erstellung eines Sachverständigengutachtens (FA f. Orthopädie), GdB 40 v.H., Dauerzustand, Träger von Osteosynthesematerial
07.02.2017 – Bescheid der bB /Abweisung des Antrages / Grad der Behinderung 40 v.H.
21.03.2017 – Beschwerde der bP
04.04.2017 – Beschwerdevorlage am BVwG
12.07.2017 - Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG / Mitteilung der bP die Beschwerde betreffend BEinst-Verfahren zurückzuziehen
20.07.2017 – Beschluss Einstellung BEinst-Verfahren
08.09.2017 – Erstellung eines Sachverständigengutachtens (FA f. Neurologie), GdB 50 v.H, Dauerzustand
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0. Feststellungen (Sachverhalt):
Die bP besitzt die rumänische Staatsbürgerschaft und ist an der im Akt befindlichen XXXX Adresse wohnhaft.
Die bP stellte am 24.11.2016 unter Vorlage der Krankengeschichte des XXXX vom 13.09.2016 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der bB.
Am 24.01.2017 erfolgte im Auftrag der bB eine Begutachtung durch einen ärztlichen Sachverständigen (FA f. Orthopädie). Das diesbezügliche Gutachten nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, vom 02.02.2017 weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
" Anamnese:
Siehe Letztgutachten:
Operationen: 2015, 2016 Nachfolgeoperation im XXXX .
Zwei Kuraufenthalte haben stattgefunden.
Derzeitige Beschwerden:
Die Beschwerden werden im Bereich beider Handgelenke angegeben, rechts mehr wie links. Er ist grundsätzlich Rechtshänder- er muss auf links umlernen. Er hat stabilisierende Schienen an beiden Händen. Er ist in der Grob- und Feingrifftätigkeit eingeschränkt. ES besteht ein eingeschränktes Heben und Tragen. Er ist vom Beruf Elektriker und kann derzeit nicht arbeiten. Probleme im Bereich des linken Kniegelenkes beim Beugen und Strecken etc.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Nahrungsergänzungsmittel: Weihrauch und Teufelskralle, NSAR. Novalgin, Buscopan, Salben.
2 Handgelenksbandagen
Zusammenfassung relevanter Befunde (Inkl. Datumsangabe):
Siehe Akt:
Letztbefund XXXX .
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Guter AZ
Ernährungszustand:
Guter EZ
Größe: 163,00 cm Gewicht: 70,00 kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Orthopädie
Gesamtmobilität - Gangbild:
Das Gangbild ist weitgehend unauffällig.
In der Standphase sind die Schulterachse und Beckenachse gerade.
Die unteren Extremitäten sind gerade.
Fingerkuppen Bodenabstand bei gestreckten Knien wird bei 30cm beendet.
Der Zehen- und Fersenstand wird links als eingeschränkt demonstriert. Detto die Kniehocke.
Der Schürzen-Nackengriff wird etwas zögerlich demonstriert.
HWS-Beweglichkeit:
S 70/0/45, F 45/0/45, R 80/0/80
BWS-LWS:
Wird eingeschränkt demonstriert. Wobei die Beweglichkeit nur endlagig behindert ist.
Obere Extremitäten:
Beide Schultergelenke:
S 180/0/40, F 40/0/170, R 90/0/90
Rechts besteht eine leichte muskuläre Abwehrspannung.
Rechtes Ellbogengelenk:
S 0/0/125
Linkes Ellbogengelenk:
S 0/5/125
Vorderarmdrehung rechts:
S 80/0/90
Vorderarmdrehung links:
S 80/0/90
Rechtes Handgelenk:
S 10/0/10, F 10/0/0
Linkes Handgelenk:
S 20/0/10, F 0/0/5
Die Finger sind zum Faustschluss durchführbar.
Das Spreizen und Schließen ist unauffällig.
Es besteht eine Druck- und Klopfempfindlichkeit im Bereich des Lagers des Mittelnervens mit positivem Tinnell-Zeichen.
Schwellung im rechten Handgelenk.
Kraftsituation:
Die Kraft wird deutlich vermindert demonstriert dem Kräftegrad KG III entsprechend.
Untersuchung in Rückenlage:
Beide Beine können gut aufgelegt werden.
Untere Extremitäten:
Rechtes Hüftgelenk:
S 0/0/100, F 45/0/30, R 40/0/50
Linkes Hüftgelenk:
S 0/0/100, F 45/0/30, R 40/0/50
Rechtes Kniegelenk:
S 0/0/135
Linkes Kniegelenk:
S 0/0/125
Beide obere Sprunggelenke:
S 30/0/50
Beide untere Sprunggelenke:
S 20/0/40
LWS-neuroorthopädische Untersuchung:
Laseque: negativ.
Kernig: negativ.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs
Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes: 1) Funktionseinschränkung beider Handgelenke.
Beide Handgelenke zeigen eine massive Behinderung in der Beugung und Streckung und Frontalebene, aber auch in der Vorderarmdrehung
Pos.Nr. 02.06.25 40%
2) Funktionseinschränkung der Stammwirbelsäule muskulärer Natur
Der obere Rahmensatz ergibt sich aufgrund von geringen Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben.
Pos.Nr. 02.01.01 20%
3) Funktionseinschränkung im linken Ellbogengelenk einseitig.
Es liegt eine geringe Beuge- und Streckhemmung vor.
Pos.Nr. 02.06.11 20%
4) Störung des Mittelnervens links.
Es liegt ein positives Tinnell-Zeichen beidseits vor. Wobei die Störung im mittleren Rahmensatz zu verzeichnen ist, da die Finger noch nervlich gut versorgt werden. Die verminderte Kraft die er demonstriert ist gutachterlich nicht nachvollziehbar.
Pos.Nr. 04.05.06 20%
5) Störung des Mittelnervens rechts.
Es liegt ein positives Tinnell-Zeichen vor. Wobei die Störung im mittleren Rahmensatz zu verzeichnen ist, da die Finger noch nervlich gut versorgt werden. Die verminderte Kraft die er demonstriert ist gutachterlich nicht nachvollziehbar.
Pos.Nr. 04.05.06 20%
6) Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes.
Der untere Rahmensatz ergibt sich, da gewisse Belastungseinschränkungen demonstriert werden die gutachterlich nicht nachvollzogen werden können
Pos.Nr. 02.05.18 10%
Gesamtgrad der Behinderung: 40 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Die führende Behinderung geht von den Handgelenken aus. Alle anderen Behinderungen sind nachrangig und steigern nicht.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Aufgrund der geänderten Einschätzungskriterien ergeben sich auch Änderungen in der Einschätzung. Die Gesamtbehinderung ist aber gleich geblieben.
[X] Dauerzustand
[X] Träger von Osteosynthesematerial
"
Mit Bescheid der bB vom 07.02.2017 wurde der Antrag der bP vom 24.11.2016 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen.
Gegen diesen, den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpass abweisenden Bescheid, sowie gegen die Abweisung auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (Anm.: diesbzgl. erging kein Bescheid) erhob die bP in rechtsfreundlicher Vertretung am 21.03.2017 Beschwerde.
Sie gab an, dass der Sachverständige lediglich einen Teil der bei der bP bestehenden gesundheitlichen Probleme im Gutachten anführte, sodass die Festsetzung des Grades der Behinderung auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage basiere und die Entscheidung an einer unzureichenden Begründung leide. Der Sachverständige habe der bP ihre Beschwerden nicht ausführen lassen und habe hinsichtlich Beweglichkeit und Belastbarkeit der Handgelenke sowie des linken Knies keine Untersuchung stattgefunden, der Sachverständige habe lediglich ein Aktengutachten erstellt. Die bP habe eine massive Einschränkung der Beweglichkeit und Belastbarkeit beider Handgelenke. Sie könne - aufgrund der eingesetzten weiteren Platte in das rechte Handgelenk (OPs 2015 und 2016) - ihre Handgelenke mittlerweile so gut wie gar nicht mehr belasten, verspüre regelmäßig starke Schmerzen, könne nachts vor Schmerzen nicht schlafen und würden weiters die Handgelenke oftmals anschwellen. Das linke Kniegelenk sei gleichfalls stark beeinträchtigt, hier komme es gelegentlich plötzlich zu Ausfällen der Stehfähigkeit, da die Kniescheibe zu einem großen Teil fehle. Nur eine äußerst geringe Belastung sei möglich.
Die bP beantragte die Einvernahme sowie die Einsichtnahme in die insbesondere beim XXXX aufliegenden Befunde und die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens.
Beigelegt wurde die bereits mit Antrag beigebrachte Krankengeschichte vom 13.09.2016.
Am 12.07.2017 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, welche im Wesentlichen folgenden Verlauf nahm:
" BFV: Ich verweise inhaltlich auf die eingebrachte Beschwerde.
Grundsätzlich verweist der BF auf den Krankheitsverlauf und dadurch auch auf den Verfahrensgang. Zusammenfassend führt er aber aus, dass er massive Schmerzen habe und er nicht versteht warum sich die Einschätzung nur auf 40 v. 100 belaufe.
VR führte weiters aus das betreffend der medizinischen Befunde, welche im XXXX aufliegen, es hierbei um eine Mitwirkungsverpflichtung des BF handelt diese beizubringen und nicht um eine "Holschuld" des Gerichtes.
Seitens BFV wird ausgeführt, dass der BF alle relevanten med. Befunde immer mitführte, diese aber in der Beurteilung der Ärzte keine Berücksichtigung fanden bzw. unbeachtet blieben. Die beschriebenen Befunde wurden dem Gericht übergeben!
Der SV wird seitens des Gerichtes beauftragt sich die Befundlage zu vergegenwärtigen und im Konnex mit seinem erstellten Gutachten zu berücksichtigen sowie in der Folge zu begründen.
Seitens des SV wird diesbezüglichen ausgeführt, dass die Befunde von den Antragstellern alle geschickt werden und diese elektronische erfasst werden. Der SV könne sich auch erinnern, dass er die Röntgenbilder mitführte. Der letzte Bericht von Dr. XXXX , FA für Orthopädie war ihm allerding naturgemäß nicht bekannt!
Seitens des SV wird auch darauf hingewiesen, dass es für den Patienten den Anschein erregt haben musste, sich nicht für die mitgeführten Befunde zu interessieren.
Dem Patienten entgehe aber, dass dem SV alle vom SMS übermittelten Befunde im elektronischen Akt vorliegen und diese gleichzeitig mit der Untersuchung bzw. in der Folge bei der Gutachtenerstellung Berücksichtigung finden.
Auf Nachfrage des BR hinsichtlich Inhalts der vorgelegten CDs wird seitens des BF als auch des SV ausgeführt, dass es sich dabei um bildgebendes Material des XXXX von 2008 und 2015 handelt. Auf Anfrage führt der SV diesbezüglich aus, dass dies bei der Untersuchung bekannt war.
Seitens des BF wurden in der Folge dem Gericht zwei Röntgenbilder vom 29.04.2016 des XXXX , auf welchem das Handgelenk rechts sowohl frontal als auch als seitliche Aufnahme rechts gedreht zu sehen sind, vorgelegt.
Nach Rückfrage beim SV wie weit dieses Beweismittel relevant im Zusammenhang mit dem erstellten Gutachten sei, wird ausgeführt, dass es betreffend der Handgelenke mit sich bringe die Bilder einzusehen, weshalb die genannten Bilder zwar in der Beweisaufnahme Niederschlag finden aber nicht in die "Lichtbilderkartei" des angeführten Beschwerdeverfahrens aufgenommen werden.
Auf Nachfrage ob seitens des BF Angaben gemacht werden wollen verwies er auf eine OP im Jahre 2016, bei welcher ein Teil des Hüftknochens entnommen worden ist und in das rechte Handgelenk implantiert wurde. Dieser Vorgang ist im Akt enthalten.
BR: Wie äußern sich die Funktionsbeeinträchtigungen?
BF: Ich habe ständig starke Schmerzen, kann nicht mehr schwer arbeiten wie etwa Kabel einziehen, schlafe nur wenige Stunden.
BR: Und in der Feinmotorik? Können Sie mitschreiben?
BF: Ich kann schreiben, aber nicht wie früher.
BR: Wie wirkt sich Ihr Leiden auf das tägliche Leben aus?
BF: Ich habe andauernd Schmerzen.
BR: Haben Sie schon eine Schmerztherapie besucht?
BF: Ja.
BR: Wie ich festgestellt habe sprechen Sie auch sehr viel unter Zuhilfenahme Ihrer beiden Hände, gestikulieren stark, ich könnte dabei keine Beeinträchtigung feststellen.
BF: Ich habe starke Schmerzen. Ohne meine Frau ich bin tot. Ich kann nicht Auto fahren, oder nur 10km, anschließend habe ich starke Schmerzen. Auch beim Knie habe ich beim Autofahren starke Schmerzen, dieses schwillt nach einiger Zeit stark an.
Seitens des VR wird der anwesende SV ersucht sein Gutachten in kurzen und prägnanten verständlichen Sätzen zu formulieren und in der Folge - ob des neu vorgebrachten Befundes - darzulegen, ob sich eine Änderung der Einschätzung ergeben würde.
SV: Zum Vorbringen der Beschwerde, dass subjektive Angaben unter dem Bereich "glauben" fallen und nur im Zusammenhang bei objektiven Funktionsstörungen eine Würdigung erfahren. Ich habe ihn subjektiv befragt, kann mich jetzt sogar genau erinnern da ich ihn gefragt habe ob er Ungar ist. Es hat eine Zeit gedauert da er der deutschen Sprache nicht so mächtig war. Meine objektive Untersuchung habe ich unter Einbezug des elektronischen Aktes vorgenommen. Nachdem zum Zeitpunkt seiner Voreinschätzung noch andere Kriterien seitens des Bundessozialamtes zur Anwendung (Richtsatzverordnung) kamen, ist die Voreinschätzung mit der jetzigen Einschätzung nicht vergleichbar, da die Neueinschätzung vom Bundessozialamt unter dem Begriff Einschätzungsverordnung zu listen ist. Es können sich Einschätzungen ergeben, die dadurch mit den Voreinschätzungen nicht mehr ident sind (das ist auch dem Ministerium bekannt).
Beginnen wir mit Punkt 6 meiner Einschätzung, so ist festzuhalten,
dass die Bewegung eines Kniegelenkes zwischen Normstreckung = 0 Grad
und Beugung = 90 Grad zw. 10 und 20% ergibt. Bei meiner Untersuchung
war jedoch das rechte Kniegelenk normal beweglich und das linke Kniegelenk hat ein Beugedefizit von 10 Grad gehabt, sodass ich den unteren Rahmensatz anwenden musste unter Berücksichtigung seiner demonstrierten Belastungseinschränkung.
Unter Punkt 2 habe ich die Probleme seiner Wirbelsäule gewürdigt, allerdings hier sogar mit dem oberen Rahmensatz.
Unter Punkt 3 habe ich auch seine Probleme im Ellenbogengelenk links gewürdigt mit 20%.
Unter Punkt 1 ist festzuhalten, dass in den Einschätzungskriterien keine höhere Einschätzung vorliegt. Ich habe objektiv nachvollziehen können, dass er in der Funktion beider Handgelenke in Beugung und Streckung soweit eingeschränkt ist, dass dieser Rahmensatz gerechtfertigt ist.
Punkt 4 und Punkt 5 betreffen jeweils den Mittelnerv (Nervus Medianus), auch diese Einschätzung habe ich nach den gegebenen Vorlagen durchgeführt, wobei die verminderte Kraftdemonstration eine subjektive Schilderung ist!
Wenn ich jetzt den Gesamtgrad der Behinderung mit 40v100 festgelegt habe, so habe ich mich an die gegebenen Vorgaben der Einschätzungskriterien gehalten.
20% Einschätzungen steigern nicht.
30% Einschätzungen würden unter besonderer Untermauerung steigern.
Selbst der Orthopäde XXXX hat in seiner Untersuchung vom 10.05.2017 wörtlich geschrieben: Wir haben besprochen, dass eine operative Therapie derzeit nicht zielführend ist, da noch eine sehr gute Beweglichkeit besteht.
Somit halte ich mein erstelltes Gutachten vom 02.02.2017 aus orthopädisch-unfallchirurgischer Sicht auch unter Berücksichtigung der aktuellen Befunde aufrecht.
Dieses wird als Beilage /.A zum Protokoll genommen.
Der SV wurde ersucht anzuführen inwieweit eine neurologische Beeinträchtigung eine Veränderung der Gesamteinschätzung zur Folge hätte.
Seitens des SV wird ausgeführt, dass es durchaus möglich ist.
BFV: Laut schriftlichen Gutachten ergibt sich zum Pkt. 6 dass gewisse Belastungseinschränkungen, die vom BF demonstriert wurden, gutachterlich nicht nachvollzogen hätten werden können, den heutigen Ausführungen der Gutachtenserörterung konnte entnommen werden, dass die demonstrierten Belastungseinschränkungen berücksichtigt worden seien, es ergibt sich daher die Frage ob die demonstrierten Belastungseinschränkungen gutachterlich berücksichtigt wurden, verneinendenfalls inwiefern dies an der Einschätzung etwas ändert.
SV: Vorneweg sei festzuhalten, dass unter Pkt. 6 das "nicht nachvollzogen" auf "nachvollzogen" geändert werden muss, Begründung:
An und für sich hat er einen guten Bewegungsbefund, aber die Beugehemmung von 10 Grad und die Belastungsbehinderung haben mich dennoch dazu bewogen, dieses Kniegelenk mit dem unteren Rahmensatz einzuschätzen.
BFV: Zu Pkt. 4 und 5 (Mittelnerv links und rechts) wird im schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass die verminderte Kraft, die der BF demonstrierte, gutachterlich nicht nachvollziehbar gewesen sei. Demgegenüber führte der SV heute aus, dass die verminderte Kraft gutachterlich nachvollzogen werden konnte und daher auch Berücksichtigung mit dem Rahmensatz von 20% fand. Der SV möge diesen Widerspruch erläutern.
SV: Zum Zeitpunkt der Untersuchung war die Demonstrierung der Kraftverminderung die in anschaulicher Weise stattgefunden hat nicht nachvollziehbar. Ich spreche hier immer als Orthopäde und Unfallchirurg, nicht als Neurologe. Störungen im Nerv können sich innerhalb von einem halben Jahr natürlich ändern.
Meine damalige Einschätzung habe ich auf Grundlage der Leitfunktion durchgeführt und die Leitfunktion hat nicht mehr ergeben als 20%. Der Neurologe kann durchaus auf ein anderes Ergebnis kommen. Seitens des SMS ist es erwünscht, dass aktfremde und fachfremde Bereiche durchaus eingeschätzt werden, wenn es sich um einen Rahmensatz von 20 – 30% handelt (aus den bereits vorher genannten Vorgaben). Gerade bei solchen Handgelenksoperationen kann es zu Verwachsungen kommen, die dann Einengungen des Mittelnervens bewirken, nicht sofort aber in absehbarer Zeit.
Seitens BFV werden keine weiteren Fragen an den SV gestellt.
Der SV wird um 13:51 Uhr der Verhandlung entlassen.
Auf Grundlage der neu gewonnenen Erkenntnisse, insbesondere des Umstandes, dass durch die Einbeziehung eines neurologischen Gutachtens eine Steigerung der Einschätzung möglich ist, wird zum Zwecke der Einholung eines neurologischen Gutachtens die Verhandlung geschlossen betreffend des anhängigen Verfahrens auf Grundlage des BBG.
Je nach neuer Beweislage werden die entsprechend notwendigen Schritte gesetzt werden.
Seitens RV bestehen keine diesbezüglichen Einwendungen.
Seitens der RV wird diesbezüglich ausgeführt, dass die Beschwerde betreffend BEinstG unter Aufrechterhaltung der Beschwerde zum BBG, zurückgezogen wird.
Am 20.07.2017 erging der Beschluss L517 2152059-2/3E mit dem das Verfahren nach Behinderteneinstellungsgesetz, nach Rückzug der Beschwerde, eingestellt wurde.
Ein vom BVwG in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten eines Facharztes für Neurologie vom 08.09.2017, erstellt nach der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr 261/2010, weist folgendes Ergebnis aus:
" Anamnese:
Siehe Vorgutachten
Derzeitige Beschwerden:
Der Antragsteller hatte 1990 einen Autounfall mit einem Bruch beider Unterarme, wo er in den folgenden Jahren mehrfach operiert wurde. Es erfolgten Operationen im XXXX , auch Operationen in Rumänien.
Zusätzlich wurde bei ihm im August 2015 eine Karpaltunnel-Operation rechts durchgeführt. Die letzte Operation am Handgelenk war 2016.
Zusätzlich kam es 2009 zu einer Patellaoperation nach einem Bruch.
Aktuell beschreibt er vorrangig erhebliche Schmerzen im Handgelenksbereich beidseits. Ein Heben von bereits geringen Lasten ist für ihn erschwert. Es besteht anhaltend ein Taubheitsgefühl im Bereich des 1. bis 3. Fingerstrahls rechts. Er hätte Schwierigkeiten beim Spitzengriff sowie beim Schreiben. Die Schmerzen werden angegeben im Bereich der Operationsnarben. Vor allen Dingen Schmerzen in der Nacht sind vorhanden, wo die Schmerzmittel auch nur bedingt helfen würden. Es kommt immer wieder auch zu Handgelenksschwellungen.
Die Karpaltunneloperation 2015 führte zu keiner Änderung des Taubheitsgefühls im Bereich des 1. bis 3. Fingerstrahls rechts. Die ursprünglichen Schmerzen im Bereich des 1.-3. Fingerstrahls rechts sind allerdings durch die Operation besser geworden.
Von Seiten des linken Kniegelenkes ist er ebenfalls beeinträchtigt, wobei er hier vorrangig Schmerzen angibt, die nach 30 Minuten Stehen bzw. einer Gehstrecke von 2 - 3 km auftreten. Subjektiv besteht eine geringe Belastbarkeit des linken Kniegelenkes, da es gelegentlich zu einer Einschränkung der Stehfähigkeit kommt.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel
Ibuprofen bei Bedarf, Rubax (homöopathisches Mittel), Handgelenksschiene
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Orthopädischer Befundbericht Dr. XXXX vom 04.05.2017:
Diagnosen:
Schwere Handgelenksarthrose als radiocarpale und als ulnarcarpale Arthrose an beiden Unterarmen bei Z.n. Fraktur und Mehrfachoperationen an den Unterarmen, Z.n. Reposition und Osteosynthese, Patellafraktur links
Herr XXXX hatte einen Autounfall 1990 mit einer Fraktur der beiden Unterarme, die in den folgenden Jahren mehrfach operiert worden sind. Er erfolgten Operationen im Unfallkrankehnaus, auch Operationen in Rumänien. 2006 wurde eine Metallentfernung an der linken Hand und eine Osteotomie durchgeführt und in weiterer Folge auch 2007 auf der rechten Seite eine Radiusverkürzung und Ulnarverkürzung die nicht verheilt ist. 2008 erfolgte Stoßwellentherapie, 2015 Carpaltunnelsyndromoperation an der rechten Hand, da Beschwerden bestanden. Es kam trotzdem zu keiner Besserung. 2016 im XXXX nochmals Operation mit Beckenkammspan und Handgelenksoperation, wobei die Schmerzen daraufhin sehr stark waren, auch dort kam es zu keiner Heilung. Ein Jahr erfolgte Krankenstand und trotzdem trat auch trotz Heilung des Knochens keine Besserung auf. Am 24.09.2009 Operation am linken Kniegelenk im XXXX nach Patellaquerfraktur am unteren Patelladrittel mit mehrfacher Fragmentierung des Patellapols links. Es wurde eine offene Reposition unter Resektion des distalen Fragments, Sicherung mittels Drahtrahmennaht durchgeführt. Daraufhin erfolgte eine Gipsruhigstellung für 6 Wochen.
SV-Gutachten Dr. XXXX vom 24.01.2017:
Inhalt wird zur Kenntnis genommen
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
Gut
Ernährungszustand:
Gut
Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Vigilanz und Sprache:
Patient wach und allseits orientiert. Unauffällige Spontansprache. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache
Caput:
HWS aktiv und passiv frei beweglich, kein Meningismus, kein Druckschmerz im Bereich der Nervenaustrittspunkte des Nervus trigeminus.
Hirnnerven:
Nervus olfactorius: Geruch anamnestisch o.B.
Nervus opticus: Gesichtsfeldprüfung unauffällig, Visus o.B.,
Nervus oculomotorius, Nervus trochlearis und Nervus abducens:
unauffällige Optomotorik, keine Ptose, keine horizontale oder vertikale Blicklähmung, kein Nystagmus.
Auge in Primärposition. Pupillen bds. mittelweit, isokor und rund. Prompte, direkte und indirekte Lichtreaktion, erhaltene Konvergenzreaktion
Nervus trigeminus: Sensibilität im Gesicht o.B., Kornealreflex nicht geprüft, gut auslösbarer Masseterreflex.
Nervus facialis: kein Facialisdefizit mimisch oder willkürlich.
Nervus vestibulocochlearis: Gehör subjektiv seitengleich, kein Nystagmus.
Nervus glossopharyngeus, Nervus vagus: Seitengleiches Heben des Gaumensegels, Würgreflex auslösbar. Phonation o.B., keine Heiserkeit in der Stimme bemerkbar. Kehlkopf hebt und senkt sich regelrecht.
Nervus accessorius: beidseits kräftige Muskulatur ohne Atrophie.
Nervus hypoglossus: Zunge wird gerade herausgestreckt. Zungenmotilität o.B., keine Faszikulationen.
Obere Extremität:
Taubheitsgefühl im Bereich des 1.-3. Fingerstrahls beidseits.
Positives Tinel-Zeichen beidseits.
Eingeschränkter Spitzengriff rechts mehr als links, geringfügige Thenaratrophie rechts. Blande OP-Narben rechts und links am Unterarm.
Eingeschränkte Handgelenksdorsalflexion und Extension, eingeschränkte Pronation rechts.
Linksseitig diskrete Einschränkungen bei der Handgelenksdorsalextension und Flexion. Muskeleigenreflexe beidseits mittellebhaft symmetrisch auslösbar (Bizepssehnenreflex, Radiusperiostreflex, Thzepssehnenreflex).
Knips beidseits negativ.
Untere Extremitäten:
Kniegelenksbeweglichkeit rechts 0-0-135°, links 0-0-125°
Sensibilität:
Sensibilitätsminderung im 1. - 3. Fingerstrahl beidseits.
Prüfung der Koordination:
Finger-Nase und Knie-Hacke-Versuch beidseits zielsicher, kein Hinweis für Ataxie. Eudiadochokinese.
Romberg und Unterberger Tretversuch unauffällig.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Unauffälliges Gangbild, Seiltänzergang und Einbeinstand sicher durchführbar.
Status Psychicus:
Patient wach und allseits orientiert, keine formale oder inhaltliche Denkstörung, euthyme Stimmungslage, normaler Antrieb, gute Affizierbarkeit, keine suizidalen Gedanken.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr. Funktionseinschränkung welche voraussichtlich länger als sechs Pos.Nr. GdB %
Monate andauern werden.
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
1
Funktionseinschränkung beider Handgelenke Begründung: Beide Handgelenke zeigen eine massive Behinderung in der Beugung und Streckung, aber auch in der Vorderarmdrehung.
02.06.25
40
2
Funktionseinschränkung der Stammwirbelsäule muskulärer Natur Begründung: unverändert zum Vorgutachten
02.01.01
20
3
Funktionseinschränkung im linken Ellbogengelenk einseitig Begründung: unverändert zum Vorgutachten
02.06.11
20
4
Störung des Mittelnervens rechts, Zustand nach Karpaltunneloperation Begründung: Es besteht klinisch-neurologisch ein Sensibilitätsdefizit im Medianusbereich (1.-3. Fingerstrahl). Zusätzlich besteht ein geringfügige Thenaratrophie sowie ein eingeschränkter Spitzengriff, die vom Antragsteller noch angegebenen vorrangig nächtlichen Schmerzen könnten durchaus auch noch Ausdruck der Medianusschädigung sein.
04.05.06
30
5
Störung des Mittelnerves links Begründung: Es besteht ein Taubheitsgefühl im Bereich des Fingerstrahls 1 - 3 links passend zu einer Medianusläsion. Zusätzlich ein positives Tinel-Zeichen. Eine Atrophie liegt nicht vor. Der Spitzengriff ist ebenfalls geringfügig eingeschränkt.
04.05.06
30
6
Funktionseinschränkung des linken Kniegelenkes Begründung: Unterer Rahmensatz, Beschwerden tauchen erst bei längerer Belastung auf (30 Minuten Stehen, 2 - 3 km Gehen)
02.05.18
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Die Funktionseinschränkung beider Handgelenke unter Nr. 1 stellt die führende Erkrankung dar, die durch die klinisch-manifeste Medianusläsion unter Nr. 3 und 4 um 1 Stufe gesteigert wird, da sie negativ beeinflussend sind. Die Leiden unter Nr. 2, 3, 5 und 6 führen zu keiner weiteren Erhöhung.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten ist es zu keinen gesundheitlichen Änderungen gekommen.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung ergibt sich durch die höhere Einschätzung der beidseitigen Medianusläsion. Vor allen Dingen im Bereich der rechten Hand zeigen sich Zeichen einer Medianusschädigung mit einem Sensibilitätsdefizit, einer geringfügigen Atrophie des Daumenballens sowie Einschränkungen beim Spitzengriff, die zu funktionellen Einschränkungen in der Alltagsaktivität führen. Die Einschätzung erfolgt klinisch ohne elektrophysiologischen Befund.
[X] Dauerzustand
[X] Träger von Osteosynthesematerial
Beantwortung der Fragen an den Sachverständigen
1. Inwieweit hat der neurologische Gesundheitszustand eine Auswirkung auf die sonstigen Beschwerden, insbesondere den Grad der Behinderung?
Neben den bereits von orthopädischer Seite angegebenen Einschränkungen von Seiten des Handgelenkes bestehen auch Einschränkungen von Seiten des sogenannten Nervus medianus, wie sie detailliert im Gutachten beschrieben werden. Insbesondere sind Sensibilitätsausfallserscheinungen sowie geringe motorische Ausfallserscheinungen vorhanden. Diese führen zusätzlich zu den Handgelenksproblemen zu einer zusätzlichen bzw. aggravierenden Funktionseinschränkung im Bereich der Hände.
2. Wie wirken sich die neurologischen und orthopädischen Funktionseinschränkungen auf den Grad der Behinderung aus, inwieweit beeinflussen sie sich und welche Auswirkungen haben sie auf den Gesamtgrad der Behinderung?
Aufgrund der neurologischen Ausfallserscheinungen besteht eine negative Beeinflussung der orthopädischen Funktionseinschränkungen, sodass sich dadurch eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung ergibt, da sich dadurch eine zusätzliche negative Beeinflussung ergibt.
2.0. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister bzw. den im Akt befindlichen sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, ( )". Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Aufgrund der glaubhaften Ausführungen der bP in der Beschwerde vom 21.03.2017 und der mündlichen Verhandlung am 12.07.2017, wurde vom BVwG ein neurologischer Sachverständiger mit der Erstellung eines neuen Gutachtens beauftragt.
Das neurologische Gutachten vom 08.09.2017, ist unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf.
Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es die an ärztliche Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.
Im angeführten Gutachten wurde vom Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen im Hinblick auf die Positionsnummer und den Rahmensatz.
Es lagen keine Gründe vor, von den Ausführungen des Sachverständigen abzugehen. Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Im Gutachten wurden alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde und Einwendungen berücksichtigt.
Das Sachverständigengutachten und die Beschwerde wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.
Soweit seitens der bB das Parteiengehör erstinstanzlich verletzt wurde (durch Nichtvorhalten des Erstgutachtens vom 02.02.2017), ist festzuhalten, dass dieses durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Möglichkeit für die bP, im Zuge dessen, Stellungnahme zum Vorgutachten zu nehmen und so an der Erhebung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes mitzuwirken, ausreichend gewahrt wurde.
Das neu eingeholte Sachverständigengutachten vom 08.09.2017 geht auf sämtliche Beschwerdevorbringen der bP ein und nimmt eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um 10 % auf insgesamt 50 % - auf Grundlage der neben den orthopädisch auch neurologisch bestehenden Einschränkungen der beiden Handgelenke - vor.
Soweit sich die Beschwerde auch auf die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten bezog (BEinst-Verfahren) wurde diese in der mündlichen Verhandlung am 12.07.2017 zurückgezogen und wird auf den Einstellungsbeschluss L 517 2152059-2 vom 20.07.2017 verwiesen.
3.0. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
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Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
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Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
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Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
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Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen,
BGBl II Nr. 495/2013 idgF
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Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
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