TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/30 L517 2156329-1

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Veröffentlicht am 30.10.2017
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Entscheidungsdatum

30.10.2017

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L517 2156329-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter XXXX als Vorsitzenden und den Richter XXXX und den fachkundigen Laienrichter

XXXX als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , OB:

XXXX vom 03.03.2017, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1, § 42 Abs 1 und 2, § 43 Abs 1, § 45 Abs 1 und 2, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF iVm § 1 Abs 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

16.11.2016 – Antrag der beschwerdeführenden Partei (in Folge bP) auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumsservice, Landesstelle XXXX (in Folge belangten Behörde oder bB)

10.02.2017 - Erstellung eines Sachverständigengutachtens (Allgemeinmedizinerin) / GdB 20 v.H., Dauerzustand

28.02.2017 - Erstellung eines Sachverständigengutachtens (FA Psychiatrie) / GdB 40 v.H., NU 2020

03.03.2017 – Gesamtbeurteilung, GdB 40 v.H, NU 2019

03.03.2017 – Bescheid der bB / Abweisung des Antrages der bP auf Ausstellung eines Behindertenpasses

19.04.2017 – Beschwerde der bP

02.05.2017 - Beschwerdeergänzung

09.05.2017 – Beschwerdevorlage am BVwG

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP ist österreichische Staatsbürgerin und ist an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse in wohnhaft.

Am 16.11.2016 stellte die bP bei der bB einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dem Antrag folgende Befunde bei:

Psychiatrischer Befund Dr. XXXX vom 17.12.2008, Befundbericht Dr. XXXX vom 16.05.2014 (Diagnose Akne Ichtyosis vulgaris), Befundbericht Dr. XXXX (FA Psychiatrie) vom 18.04.2016, Kurznachricht Dr. XXXX vom 31.05.2016 (Diagnose rez. depressive Störung, ggw. mittelgradige Episode F33.1, DD Bipolar II affektive Störung, ggw. depressive Episode Dauerdiagnose: sekundäre Enuresis, Ichthyosis vulgaris), Kurznachricht Dr. XXXX vom 27.07.2016 (rez. depressive Störung, ggw. mittelgradige Episode F33.1, Akzentuierte Persönlichkeitszüge (ängstlich vermeidend) Z73.1), Kurznachricht Dr. XXXX vom 17.10.2016,

Am 08.02.2017 erfolgte im Auftrag der bB eine Begutachtung durch eine ärztliche Sachverständige (Allgemeinmedizinerin). Das diesbezügliche Gutachten nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, vom 10.02.2017 weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:

" Anamnese:

Seit Kindheit Ichthyosis an den Händen. Nach längerem Tragen von Schuhen auch an den Füßen.

Seit ca. 16a psychische Probleme (ausgebrannt,erschöpft, Durchfälle).

Abnorme psychosoziale Umstände (als Kind zwischen Mutter und Großmutter hin und her geschoben).

Magengeschwüre, vor 5a letztes mal.

Derzeitige Beschwerden:

Ca. jeden 2.Tag nächtliches Einnässen. Schlafstörungen, unter Therapie mit Trittico etwas gebessert. Morgens ist sie erschöpft.

Häufiges Eincremen der Hände, sonst sind sie trocken und rissig.

Gelegentlich Kreuzschmerzen.

Behandlungen) / Medikamente / Hilfsmittel:

Pantoprazol 40, Tardyferon,Trittico 36,5, Duloxetln30 Balneum Hermal, rückfettende Cremes

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2016-07-27 Dr. XXXX ,Psych,Steyr: Rez. depressive Störung, ggw. mittelgradige Episode F33.1 Akzentuierte Persönlichkeitszüge (ängstlich vermeidend) sekundäre Enuresis Ichthyosis vulgaris

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Gut

Ernährungszustand:

Übergewicht

Größe: 160,00 cm Gewicht: 66,00 kg Blutdruck: 135/80

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput und Collum o.B.

Haut- und Schleimhäute ausreichend durchblutet.

Cor: reine, rh HT, 80/min, normale Herzgrenzen Pulmo: VA, normaler KS, Basen gut verschieblich

Abdomen: über Thoraxniveau, Hepar am Rippenbogen, keine pathologischen Resistenzen pp, normale Bauchdeckenreflexe.

Beine: keine Varizen, keine Ödeme. Pulse pp,

Insgesamt trockene Haut, dzt. keine Rhagaden. Ichthyosis vulgaris. Trockene Hautstellen über Patella bds..

Gesamtmobilität - Gangbild:

Unauffälliges Gangbild. Fersen- und Spitzengang bds. normal. Einbeinstand und Hocke durchführbar.

WS: FBA 5cm, freie Beweglichkeit. Grobneurologisch unauff.

HWS: frei beweglich

Hüft-, Knie- und Sprunggelenke bds. frei beweglich Schulter-, Ellbogen- und Handgelenke bds. frei beweglich Funktionsgriffe durchführbar.

Status Psychicus:

Wach, bewusstseinsklar. Ge.pflegtes_Äußeres, im Gespräch freundlich und kooperativ. Kein Hinweis für Derealisation oder Depersonalisation. Allseits orientiert. Unauffällige Aufmerksamkeit. Unauffällige Konzentrationsfähigkeit. Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis grob unauffällig. Ductus im Tempo unauffällig. Ductus im 'Ablauf unauffällig. Kein Hinweis für inhaltliche Denkstörung. Sprachlicher Ausdruck unauffällig. Intelligenz grobklinisch unauffällig. Stimmung depressiv. Leeregefühl. Einbußen der Freudfähigkeit. Befindlichkeit neg. getönt. Affekte adäquat

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung

Lfd.Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Ichthyosis vulgaris Insgesamt trockene Haut. Zeitweise Rhagaden an den Handflächen und gelegentlich an den Fußsohlen. Häufiges Eincremen mit rückfettenden Externas.

01.01.02

20

2

Wirbelsäulenbeschwerden Gelegentlich Kreuzschmerzen, gute funktionelle Beweglichkeit

02.01.01

10

3

Enuresis nocturna Zeitweise Einnässen

08.01.06

10

Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Im Vordergrund stehen die Hautprobleme neben den psychischen Problemen.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: --

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen Im Vergleich zum Vorgutachten:

Erstgutachten

[X] Dauerzustand

"

Von der bB ebenfalls eingeholt wurde ein psychiatrisches Sachverständigengutachten. Das diesbezügliche Gutachten nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, vom 28.02.2017 weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:

" Anamnese:

Die Klientin ist schon langjährig in ambulanter fachärztlicher Behandlung im niedergelassenen Bereich. Es gibt eine sehr schwierige Kindheit. Ihre Mutter war 16,5 Jahre alt, als sie zur Welt kam. Sie ist großteils bei der Großmutter aufgewachsen, es dürfte jedoch immer wieder Konflikte gegeben haben, da die Mutter dann doch wieder die Verantwortung für sie übernehmen wollte. Es gab dbzgl. auch Polizeieinsätze. Insgesamt besteht offensichtlich eine sehr unsichere frühkindliche Bindungsentwicklung.

Derzeitige Beschwerden:

Die Klientin hat über die Jahre hin immer wieder die Arbeitsplätze nach kurzer Zeit gewechselt, war rasch überfordert, die Belastbarkeit ist deutlich reduziert. Es gibt auch eine psychogene nächtliche Enuresis - beginnend schon mit dem Volksschulalter, welche nach wie vor bestehend ist.

Auffällig Ist eine insgesamt gesteigerte Aktivität, vermehrter Rededrang, sodass auch von der Fachärztin der Verdacht auf rezidivierende Hypomanien gestellt worden ist.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Fachärztliche Kontrollen bei Frau Dr. XXXX .

Medikamente:

Duloxetin 30 mg 1-0-0-0 Sertralin 50 mg 1-0-0-0 Trittico ret. 75 mg O-O-O-l Pantoprazol

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Fachärztlicher Bericht Frau Dr. XXXX vom 18.04.2016:

Diagnosen:

-

Rezidivierend depressive Störung - mittelgradige Episode

-

DD Bipolar-Il affektive Störung - ggw. depressive Episode

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Ernährungszustand:

Größe: cm Gewicht: kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

Nicht durchgeführt.

Status Psychicus:

Bewusstsein klar, orientiert, Antrieb etwas gesteigert, Affizierbarkeit im positiven Skalenbereich eingeschränkt, Stimmung depressiv, Duktus kohärent, jedoch beschleunigt, keine wahnhaften Denkinhalte, keine Halluzinationen, keine Suizidgedanken, Appetit etwas vermindert, Ein- und Durchschlafstörungen, Enuresis

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd.Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Bipolar affektive Störung II - ggw. depressiv Langjähriger Verlauf einer manisch depressiven Erkrankung, hauptsächlich allerdings depressive Stimmungsschwankungen mit reduzierter Belastbarkeit. Die Klientin ist seit Jahren beruflich nicht mehr tätig, war mehrere Jahre in I-Pension. Sie ist fachärztlich in Kontrolle und medikamentös entsprechend eingestellt.

03.06.01

40

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

[X] Nachuntersuchung 2020 weil unter fortlaufender Therapie eine Änderung der psychischen Befindlichkeit eintreten kann.

"

Auf Grundlage der beiden vorliegenden Gutachten erfolgte am 03.03.2017 eine Gesamtbeurteilung durch die bB. Dabei wurde der GdB mit 40 v.H. festgestellt.

Begründend führte die bB aus:

Der GdB ergibt sich aus Lfd.Nr. 1 "Bipolare affektive Störung II", bei fehlendem Zusammenhang bzw. geringen Beschwerden keine Steigerung durch die übrigen Nr. (lt. Richtlinien in der Regel keine Steigerung durch 10 %, 20 %)

Folgende Gesundheitseinschränkung erreiche keinen Grad der Behinderung:

Akne – mitumfasst in Nr. 2

[X] Nachuntersuchung 2/2019 weil unter fortlaufender Therapie eine Änderung der psychischen Befindlichkeit eintreten kann.

Mit Bescheid vom 03.03.2017 wies die bB den Antrag der bP auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab.

Am 19.04.2017 erhob die bP Beschwerde gegen den die Ausstellung des Behindertenpasses abweisenden Bescheid und brachte vor, die Auflistung der Diagnosen in der Gesamtbeurteilung Lfd.Nr. 2, 3 und 4 würden vehement bestritten werden, da zum Nachteil der bP vom unteren Rahmensatz ausgegangen wurde.

Die Lfd.Nr. 4 – chronische Enuresis nocturna fast tägliches nächtliches Einnässen – wäre im Erwachsenenalter mit mind. 50 % zu bewerten gewesen.

Zudem könne bei den mit 10 % angeführten Leiden keinesfalls von geringen Leiden gesprochen werden, und würden daher auch die übrigen Nummern steigern.

Weiters werde die bP bei ihrem Sozialversicherungsträger als I-Pensionistin geführt und wäre daher ihr Zustand als Dauerzustand einzustufen gewesen.

Mit Schreiben vom 02.05.2017 erfolgte eine Ergänzung zur Beschwerde und brachte die bP zusätzlich inhaltlich zusammengefasst vor:

Dauerhaftes, fast tägliches Einnässen vom Kindesalter bis ins Erwachsenenalter wäre entsprechend dem oberen Rahmensatz von Pos. 08.01.06 mit 40 % zu bewerten gewesen und würde den Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H da eine ungünstige, wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege, um eine Stufe steigern.

Am 09.05.2017 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, ( )". Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens einer bestimmten Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, 0705/77).

Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Ebenso kann die Partei ein Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, sind das eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 10.02.2017 und das psychiatrische Sachverständigengutachten vom 28.02.2017 sowie die von der bB vorgenommene Gesamteinschätzung vom 03.03.2017 schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf.

Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllen die beiden Gutachten auch die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.

In den angeführten Gutachten wurde von den Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen.

Laut der vorgenommenen Gesamteinschätzung durch die bB liegen bei der bP vor:

1.) Bipolar affektive Störung II – ggw. depressiv

Langjähriger Verlauf einer manisch depressiven Erkrankung, hauptsächlich allerdings depressive Stimmungsschwankungen mit reduzierter Belastbarkeit. Die Klientin ist seit Jahren beruflich nicht mehr tätig, war mehrere Jahre in I-Pension. Sie ist fachärztlich in Kontrolle und medikamentös entsprechend eingestellt.

Das Leiden wurde vom Sachverständigen bei einem möglichen Rahmensatz von 10 – 40 % mit dem oberen Wert eingeschätzt.

03.06.01 40 %

2.) Ichthyosis vulgaris

Insgesamt trockene Haut. Zeitweise Rhagaden an den Handflächen und gelegentlich an den Fußsohlen. Häufiges Eincremen mit rückfettenden Externas.

Bei einem vorgesehen Rahmensatz der Pos.Nr. 01.01.02 von 20 bis 40 %, eingeschätzt nach den Voraussetzungen für 20 – 30 % (bei länger dauernden Bestehen, weitgehend begrenzt, mit funktionellen Beeinträchtigungen, trotz adäquater Therapie protrahierter Verlauf, rezidiv) mit 20 %

3.) Wirbelsäulenbeschwerden

Gelegentlich Kreuzschmerzen, gute funktionelle Beweglichkeit

02.01.01 10 %

4.) Enuresis nocturna

Zeitweises Einnässen

08.01.06 10 %

Die eingeholten Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch und bilden die Grundlage für die von der bB vorgenommene nachvollziehbare Gesamteinschätzung.

In den Gutachten wurden alle relevanten, von der bP beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt.

Die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwände waren nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H vorliegt, zu entkräften.

Soweit die bP in ihrer Beschwerde vorbrachte, die chronische Enuresis nocturna die sich durch fast tägliches nächtliches Einnässen äußert, müsste bei durchgehendem Vorliegen seit der Kindheit bis ins Erwachsenenalter mit dem Höchstsatz von 50 % bewertet werden, kann dem entgegengehalten werden, dass es sich bei der von der allgemeinmedizinischen Sachverständigen gewählten Positionsnummer um die Beurteilung einer Blasenentleerungsstörung, deren Ursache in der Funktionsstörung des Blasenmuskels zu suchen ist, handelt. Diese Nummer wurde von der allg.-med. SV wohl analog herangezogen. Tatsächlich handelt es sich bei der sek. Enuresis nocturna (gelegentliches nächtliches Bettnässen) aber um eine psychische Funktionsstörung, welche häufig in Begleitung weiterer Störungen auftritt.

In der Vorversion der EVO war die Enuresis nocturna als Kriterium im Rahmen der Beurteilung einer PTSD – neurotische Belastungsstörung aufgelistet.

Aus dem psychiatrischen Gutachten ersichtlich ist, dass das Einnässen vom Sachverständigen bei Erhebung der Anamnese berücksichtigt wurde. Der Zustand der bP wurde im Ergebnis, den vorgelegten Befunden Dr. XXXX entsprechend, nach Positionsnummer 03.06.01 "Affektive Störungen" mit 40 % (Trotz Medikation in stabil, mäßig sozialer Beeinträchtigung) bewertet. Aufgrund der vorliegenden einschlägigen Befunde der, die bP betreuenden, Ärztin Dr. XXXX und der Feststellung einer Enuresis bei Anamnese-Erhebung, konnte das ho. Gericht davon ausgehen, dass sich der Sachverständige genügend mit dem Leidensbild der bP auseinandergesetzt hat, und eine Einschätzung der Enuresis im Rahmen der Lfd.Nr. 1 stattfand. Eine eigene Einordnung unter separate Positionsnummer war mangels physischer Komponente nicht vorzunehmen. Handelt es sich hier bei der Enuresis doch wohl um eine Begleiterscheinung bzw. Komponente im Zusammenhang mit einer psychischen Störung, und nicht um ein körperliches Leiden mit eigenem Krankheitswert.

Bezüglich der Äußerungen der bP zu Lfd.Nr. 2 und 3 stellten sich die Vorbringen der bP als unsubstantiiert dar.

Es ist zwar richtig, dass grundsätzlich auch Funktionseinschränkungen mit einer prozentualen Einschätzung unter 20 % steigern können, doch ist dies nur bei wechselseitiger Leidensbeeinflussung der Fall. Eine solche lag hier nicht vor und war eine Steigerung daher nicht vorzunehmen.

Genau wie die Wahl der Positionsnummer obliegt auch die Beurteilung, ob eine Nachuntersuchung vorzusehen ist oder nicht, dem Sachverständigen und war die Anordnung einer solchen hier unter Darlegung der Gründe, plausibel begründet.

Es lag kein Grund vor, von den schlüssigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen abzugehen.

Die Sachverständigengutachten und das Parteienvorbringen wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.

Gemäß den Gutachten vom 10.02.2017 und 28.02.2017 ist folglich - übereinstimmend mit der Gesamtbeurteilung der bB - von einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. auszugehen und liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor.

Soweit seitens der bB das Parteiengehör verletzt wurde (durch Nichtvorhalten der Gutachten und der Gesamtbeurteilung), ist festzuhalten, dass die Verletzung des Parteiengehörs in diesem Einzelfall – bei ansonsten ordnungsgemäßem Ermittlungsverfahren – durch die Möglichkeit der Einbringung der Beschwerde (allenfalls nach Akteneinsicht) in diesem konkreten Fall als saniert anzusehen ist (vgl für viele: VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299). Es ist jedoch auch festzuhalten, dass durch diese Feststellung die bB nicht generell vom ihrer Obliegenheit das Parteiengehör zu wahren, entbunden wird.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

-

Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

-

Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

-

Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF

-

Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

-

Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Der Mangel des Parteiengehörs wird im Beschwerdeverfahren durch die mit der Beschwerde gegebene Möglichkeit der Stellungnahme zu einem Beweismittel saniert (vgl. VwGH vom 27.02.2003, 2000/18/0040; VwGH vom 24.11.1995, 95/17/0009 mit Hinweis auf E 30.9.1958, 338/56).

Eine im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verletzung des Parteiengehörs wird jedenfalls dadurch saniert, dass die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung und sodann im Zuge des Berufungsverfahrens ihren Rechtsstandpunkt darzulegen und sohin an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (VwGH vom 28.05.1993, 92/17/0248 mit Hinweis auf E vom 20.11.1967, 0907/67).

Wenn der Beschwerdeführer Gelegenheit gehabt hat, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen, und davon auch Gebrauch gemacht hat, so ist eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch die erste Instanz damit als saniert anzusehen (VwGH vom 11.09.2003, 99/07/0062; VwGH vom 26.02.2002, 98/21/0299).

Seit Einführung der Neuerungsbeschränkung mit 01.07.2015, BGBl. Nr. 57/2015, welche konkret in § 46 BBG geregelt ist, wurde vom Gesetzgeber ein Beschwerdevorbringungsregulativ geschaffen. Ziel und Zweck der Novelle des Behindertenrechtes ist u.a. die grundsätzliche Beschleunigung des erstinstanzlichen Verfahrens. Unter Heranziehung der finalen Programmierung der Norm versteht man unter "neuen Tatsachen" jene Zustände der Gesundheit, welche zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens nicht bekannt waren bzw. sein mussten. Werden nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG von der bP "neue Tatsachen" vorgebracht, so sind diese in der Entscheidungsfindung des Gerichtes nicht zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Gerichtes unterliegen nicht dem Neuerungsverbot jene Beeinträchtigungen, Schädigungen und dergleichen, welche nach gegenwärtigem Stand der Medizin als bekannte Folgen der Grunderkrankungen zu qualifizieren sind. Die Neuerungsbeschränkung entfaltet ihre Rechtswirkung mit dem Einbringen der Beschwerde bei Gericht.

Die neu geschaffene Bestimmung des § 46 3. Satz hat zur Folge, dass der bP bei Verletzung des Parteiengehörs durch die bB jedwede Möglichkeit eines Vorbringens, insbesondere zu den eingeholten Sachverständigengutachten, genommen wird. In Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung wird dadurch die Stellung der bP im Rechtsmittelverfahren derart eingeschränkt, dass dadurch kein faires Verfahren nach den Grundprinzipien eines Rechtsstaates gewährleistet ist. Beispielsweise wird dies der Fall sein, wenn eine medizinisch relevante Tatsache von der bP zwar vorgebracht wurde, aber keinerlei Berücksichtigung im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren gefunden hat. Bedingt durch das Beschwerdevorbringungsregulativ kann seitens des Gerichtes im Zuge des Beschwerdeverfahrens dieser Umstand, je nach konkretem Sachverhalt, nicht berücksichtigt werden.

Die Nichtvornahme eines Parteiengehörs wird in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führen, außer wenn die Gewährleistung der Parteienrechte keinen umfassenderen, entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben hätte.

Aufgrund der obigen Ausführungen deckt sich die Ansicht des BVwG grundsätzlich mit der Rechtsprechung des VwGH betreffend mangelhaftes Parteiengehör. Wie eingangs ausgeführt, sieht der VwGH das Parteiengehör nicht verletzt, wenn die bP im Berufungsverfahren die rechtliche Möglichkeit besitzt, Stellung zu nehmen. Unter dem Aspekt der mit 01.07.2015 in Kraft getretenen Neuerungsbeschränkung ist dies aber nicht mehr gewährleistet.

Im gegenständlichen Fall wurden der bP weder das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 10.02.2017, noch das psychiatrische Gutachten vom 28.02.2017, noch die Gesamtbeurteilung vom 03.03.2017 zur Kenntnis gebracht. Damit wurde das Recht auf Parteiengehör verletzt und der bP in Verbindung mit der Neuerungsbeschränkung (im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG vorgebrachte "neue Tatsachen" sind nicht zu berücksichtigen) jedwede Möglichkeit eines Vorbringens genommen, was in aller Regel zur Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides führt. Da die bP aber im Zuge der Einbringung der Beschwerde vom 19.04.2017 und der Ergänzung vom 02.05.2017 keine neuen Beweismittel vorgebracht hat und sohin keine Änderung des erhobenen Sachverhaltes, nämlich der Feststellung, dass der Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H beträgt, eintrat, hätte hier die Gewährleistung der Parteienrechte keinen umfassenderen entscheidungsrelevanten Sachverhalt ergeben. Schlussfolgernd führte hier die Möglichkeit, im Beschwerdeverfahren zu den obigen Gutachten Stellung zu nehmen, zur Sanierung der Verletzung des Parteiengehörs.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Die von der bP eingebrachte Beschwerde erscheint fristgerecht im Sinne der Rechtsmittelfrist des BBG eingebracht. Dem Akt kann nicht entnommen werden, zu welchem Datum der Bescheid der bB an die bP zugestellt wurde. Dies gründet sich auf die von der bB geübte Praxis, ohne Zustellnachweis zuzustellen, weshalb von der Rechtzeitigkeit auszugehen war.

Die sonstigen Voraussetzungen, welche § 9 VwGVG seinem Inhalt nach festlegt, liegen vor.

Die bP brachte sinngemäß in ihrer Beschwerde vor, die Einstufung der diagnostizierten Enuresis hätte aufgrund des Erwachsenenalters höher erfolgen müssen, und würden auch die als gering eingeschätzten sonstigen Leiden Lfd. Nr. 2 und 3 bei wechselseitiger Leidensbeinflussung, den GdB steigern.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.

Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen

Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.

Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den V

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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