Entscheidungsdatum
08.08.2017Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG §8 Abs1Text
Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Landesrechtspfleger Ortner über die Säumnisbeschwerde der M. B. vom 13.07.2017 hinsichtlich der am 24.04.2017 beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 eingebrachte Anträge auf Mindestsicherung und auf Mietbeihilfe, den
BESCHLUSS:
Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 VwGVG als verfrüht zurückgewiesen.
Begründung
I. Verfahrensgang und festgestellter Sachverhalt:
Am 24.04.2017 stellte die Beschwerdeführerin beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, einen Antrag auf Mindestsicherung zur Deckung des Lebensunterhalts und Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs sowie einen Antrag auf Mietbeihilfe. Den Anträgen wurde als Beilage die Mietvorschreibung für Jänner 2017, ein Gehaltszettel des Arbeitgebers G. für 03/2017, ein Lohnzettel und Beitragsgrundlagennachweis der Hausgemeinschaft W. und ein Versicherungsnachweis der WGKK beigefügt.
Mit Schreiben vom 27.04.2017 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 32 Abs. 3 WMG aufgefordert, bis 11.05.2017 (Frist bis 18.05.2017 verlängert) Einkommensbelege in Form von Nettolohnzetteln für März bzw. April 2017 der Firmen K., der Firma A. und der Firma G. vorzulegen. Die Beschwerdeführerin wurde im Verbesserungsauftrag gemäß § 32 Abs. 3 WMG darüber belehrt, dass bei nicht fristgerechter Vorlage der geforderten Unterlagen die Anträge als zurückgezogen erachtet werden müssen.
Am 11.05.2017 legte die Beschwerdeführerin einen Gehaltszettel der Firma G. für 04/2017, eine Abmeldung der Beschwerdeführerin durch die Dienstgeberin K., ein Schreiben vom AMS-Wien und eine Lohnbestätigung der Hausgemeinschaft W. (A.) vor. Der Abmeldung ist zu entnehmen, dass das Letztgehalt im März 2017 EUR 220,00 betragen hat.
Am 11.07.2017 hielt die belangte Behörde mittels Aktenvermerk fest, dass die vorgelegte Abmeldung von K. nicht als ausreichend erachtet wird, somit dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen wurde und der Antrag vom 24.04.2017 als zurückgezogen angesehen wird.
Am 13.07.2017 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Beschwerde, welche auf Grund des Wortlautet als Säumnisbeschwerde zu wertenden ist, und führt in dieser Folgendes aus:
„Betreff: M. B., 1960 geb.
R.-Gasse, Wien SH/2017/01553359-001 ID 97517
BESCHWERDE
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte Ihnen meinen Fall schildern, da ich sehr verzweifelt bin und mir nicht klar war, dass so etwas in Österreich möglich sein würde. Da wir angeblich in einem Rechtsstaat leben, möchte ich alle Möglichkeiten nützen, um Gerechtigkeit zu erfahren.
Ich habe am 24.4.2017 einen Antrag auf Mindestsicherung beim Sozialzentrum … gestellt. Am 27.4.2017 habe ich ein Schreiben erhalten, in dem ich aufgefordert wurde, bis 11.5.2017, einige Unterlagen nachzubringen. Begonnen hat es schon damit, dass von mir schriftlich verlangt wurde, dass ich eine Meldekarte vom AMS bringen müsse. Als ich beim AMS vorsprach, erklärte mir die Referentin, dass es keine Meldekarte geben würde und sie wusste momentan nicht, was gemeint sein würde. Sie war erstaunt, dass dieser Begriff vom Sozialamt verwendet wird, obwohl es das schon seit vielen Jahren nicht mehr geben würde. Außerdem sagte sie, dass ich meine beiden Tätigkeiten aufgeben müsse, da ich für das AMS jederzeit verfügbar sein sollte. Wie kann ich das machen, wenn es kein Auffangnetz für mich gibt und ich nicht weiß, ob und wann ich wieder Arbeit bekommen werde. Ich muss aber sagen, dass die Dame beim AMS sehr freundlich war.
Am 11.5.2017 war ich mit einer Freundin, die mich überall begleitet hat, im Sozialamt …. Beim Schalter wollte die Dame die Unterlagen entgegennehmen. Ich erklärte aber, dass ich mit dem Referenten/Referentin persönlich sprechen wolle, da ich die fehlenden Unterlagen in Kopie mithaben würde. Gefordert wurde ein Scheidungsurteil, Einkommensbestätigung von Frau K. und ein Gehaltszettel des Hauseigentümers, wo ich als Hausbesorgerin tätig bin. Scheidungsurteil und Gehaltszettel des Hauseigentümers legte ich vor. Frau K. ist eine Privatperson und es gibt nur einen Zettel über mein Jahreseinkommen, den ich bereits vorgelegt hatte. Von Frau K. wurde ich noch dazu ab März 2017 bei der WGKK abgemeldet, da ich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr für sie tätig war. Ich war sehr verzweifelt, da ich wusste, dass ich von Frau K. nichts anderes bekommen würde und sagte der Referentin, dass ich dann auf die Mindestsicherung verzichten müsse. Sie fragte mich, ob ich noch irgendwelche Unterlagen haben würde. Ich hatte das Formular der Abmeldung bei der Österreichischen Sozialversicherung (WGKK) mit und zeigte dies der Referentin. Aus dem Formular geht hervor, dass ich im März 2017 bei Frau K. ein Entgelt von Euro 220,00 erhalten hatte. Die Referentin fragte mich, wieviel das netto sein würde, worauf ich ihr erklärte, dass ich bei so geringem Monats bzw. Jahreseinkommen keine Lohnsteuer zahlen müsse. Die Referentin sah sich das Formular genau an und machte sich eine Kopie. Ich hoffe, dass diese Bestätigung auch dem Akt beigelegt wurde. Ich hatte mir extra noch einen aktuellen Auszug von der Wr. Gebietskrankenkasse geholt, aus dem meine derzeitigen Arbeitgeber und die Abmeldung bei Frau K. hervorgehen. Die Referentin meinte, dass das für sie nicht relevant sei und machte keine Kopie. Gottseidank hatte ich eine Freundin mit, die das alles bezeugen kann. Angesprochen darauf, was eine Meldekarte vom AMS sei, meinte sie, dass man sich arbeitslos melden müsse. Als ich ihr mitteilte, dass das AMS diesen Begriff nicht kennen würde sagte sie, dass das immer so am Formular der MA 40 gestanden sei und auch so bleiben würde. Die Referentin erklärte mir, dass das Formular über die Abmeldung bei der WGKK ausreichend sein würde und ich nur mehr die Bestätigung vom Hausbesorger Posten bringen müsse. Dazu würde sie mir eine Nachfrist von einer Woche geben. Am 15. Mai ging ich wieder zum Schalter. Ich ersuchte neuerlich, dass ich bei einem Referenten/Referentin vorsprechen könne und legte die fehlende Unterlage (Gehaltszettel Hausbesorgerposten) vor. Der Referent nahm sie und sagte, dass alles vollständig sei und ich schriftlich Bescheid bekommen würde.
Da ich bis Ende Juni vom Sozialzentrum … nichts hörte, entschied ich mich anzurufen. Die Dame am Telefon sagte mir, dass ich binnen 3 Tagen zurückgerufen werden würde. Es erfolgte kein Rückruf, daraufhin versuchte ich am 12.7. neuerlich mein Glück. Wieder hob eine Dame ab, die mir versprach, dass ich einen Rückruf erhalten würde. Am selben Tag rief mich ein Referent an, der mir erklärte, dass ich mehrfach zurückgerufen wurde und mein Akt stillgelegt worden sei, da Unterlagen fehlen würden. Wie widersinnig ist es, dass ich mehrfach telefonisch urgiere und dann nicht zum Telefon gehen würde, wenn mich jemand vom Sozialzentrum anruft, obwohl ich stündlich auf einen Rückruf gewartet habe.
Am 13.7. sprach ich wieder persönlich im Sozialzentrum … vor. Die Referentin war zuerst freundlich, dann ungehalten und erklärte mir, dass eine Unterlage fehlen und sie keine Einsicht in den Akt haben würde (Gehaltsbestätigung März Frau K.). Sie könne dem Akt nur entnehmen, dass vermerkt sei, dass eine Unterlage nachgebracht worden sei (Bestätigung Hausbesorger). Sie konnte mir auch nicht sagen, ob eine Kopie der Abmeldung bei der WGKK im Akt sein würde. Ich erklärte ihr mehrfach, dass sich bereits am 11.5. die Referentin eine Kopie der Abmeldung der WGKK gemacht und mir bestätigt hatte, dass dies genügen würde. Die Referentin war dann sehr ungehalten und sagte, dass sie das Gespräch beenden müsse. Ich habe Verständnis, dass die Referenten überfordert sind, doch sollte man vielleicht das nötige Feingefühl und die Erfahrung haben, ob jemand mit der Behörde kooperiert oder nicht.
Da ich bisher keine Mindestsicherung in Anspruch genommen habe, 57 Jahre alt bin und zwei Kinder erzogen habe, habe ich keine Erfahrung auf diesem Gebiet. Hätte ich gewusst, dass so viele Unwahrheiten nachträglich behauptet werden, hätte ich mir alles schriftlich bestätigen lassen. Ich kann doch nicht so dumm sein, dass ich eine Bestätigung nachbringe und die andere nicht. Sie können auch im Akt nachvollziehen, dass ich alle Termine eingehalten habe.
Da ich durch die Situation als „Bittsteller" psychisch stark belastet bin, habe ich immer eine Freundin mitgenommen, die mir zur Seite gestanden hat. Sie war bei den Gesprächen mit dem Sozialzentrum (persönlichen Vorsprachen und Telefonaten) dabei, um in der Aufregung ja nichts falsch zu hören oder zu verabsäumen. Sie hat sich alles aufgeschrieben, was und wann ich etwas zu erledigen habe und wir haben immer alles gemeinsam in Ruhe besprochen. Meine Freundin ist Frau S. H., 1960 geb., Wien, B.-Gasse wh., Tel:.... Sie war selbst viele Jahrzehnte Beamtin im Bundesdienst, hat Matura und zwei Jahre Rechtswissenschaften studiert und ist für mich eine wertvolle Stütze, da sie sich auch rechtlich gut auskennt. Sie war, so wie ich entsetzt, dass man so falsche Auskünfte bekommen kann, die mich in die Situation bringen, dass ich jetzt einen neuen Antrag stellen und wieder alle Unterlagen besorgen muss. Sie können Sie jederzeit zu meinen Aussagen befragen. Ich glaube nicht, dass es nachvollziehbar ist, dass zwei geistig fitte Menschen, die perfekt Deutsch sprechen, das österreichische Rechtssystem seit Geburt kennen, immer alles sofort notieren, nicht in der Lage sind die nötigen und geforderten Unterlagen zu bringen. Noch dazu, wo es um Geld geht, das dringend benötigt wird. Dazu kommt, dass wertvolle Zeit vergangen ist und ich von April bis Juli, falls nicht meinem Sinn entschieden wird, keine Mindestsicherung erhalten werde, was für mich einen großen finanziellen Verlust bedeutet. Es mag für manche nicht viel Geld sein, für mich bedeutet die Differenz zwischen Mindestsicherung und meinem Einkommen die Bewahrung meiner Existenz. Bis jetzt haben mich meine Kinder und meine Freundin unterstützt, das ist aber nur als vorübergehende Maßnahme möglich.
In die Situation bin ich eigentlich nur gekommen, da ich vergangenes Jahr einen Unfall hatte, wo ich mir das Bein schwer verletzt habe. Dann hatte ich noch einen Unfall, bei dem ich mir mehrere Rippen gebrochen habe, was erst jetzt bei einem Röntgen festgestellt wurde. Trotzdem bin ich so rasch wie möglich wieder arbeiten gegangen, also es liegt sicher nicht an dem Willen, zu arbeiten oder an dem Ansinnen das Sozialsystem auszunutzen. Das können Sie auch nachvollziehen, wenn Sie sich meine Versicherungszeiten ansehen. Derzeit bin ich psychisch und physisch nicht in der Lage, einer 40 Stunden Tätigkeit nachzugehen, daher war der einzige Ausweg in dieser Situation, nach Anraten meiner Freundin, den Antrag auf Mindestsicherung zu stellen, um für einen bestimmten Zeitraum aufgefangen zu werden. Das ist mir schwer genug gefallen, da ich bisher nie vom Staat abhängig war und es mir peinlich ist, zum Sozialzentrum zu gehen. Es war für mich ein Schock und beängstigend, als ich die Security Kräfte sah. Hätte mich meine Freundin nicht unterstützt, hätte ich gar nicht den Mut aufgebracht, einen Antrag zu stellen.
Ich ersuche Sie, meine Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien weiterzuleiten und die Mindestsicherung ab Einreichdatum 24. April 2017 rückwirkend zu bewilligen.
Eine Kopie ergeht an die Zentrale der MA 40, die Volksanwaltschaft Wien, sowie an den Ombudsmann der Stadt Wien
M. B. Wien, am 13.7.2017“
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung das oben dargestellte Verwaltungsgeschehen zugrunde. Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes Wien wurde durch die vorgelegten Lohnunterlagen sowie die Abmeldung dem Verbesserungsauftrag gemäß § 32 Abs. 3 WMG ausreichend entsprochen. Das in der Abmeldung angeführte Entgelt ist den Einkünften der Beschwerdeführerin bei anderen Arbeitgebern sehr ähnlich und daher durchaus plausibel. Eine ex lege eintretende Zurückziehung der Anträge vom 24.04.2017 ist für das Verwaltungsgericht Wien daher nicht erkennbar.
Dennoch war die Säumnisbeschwerde aus folgenden Gründen spruchgemäß zurückzuweisen:
Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Gemäß § 35 WMG ist der Magistrat der Stadt Wien verpflichtet, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub und, ausgenommen in den Fällen des § 9, spätestens drei Monate nach deren Einlangen zu entscheiden.
Im konkreten Fall hat Frau M. B. am 24.04.2017 die Anträge auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 eingebracht. Die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde wurde am 13.07.2017 mittels E-Mail übermittelt und somit innerhalb der dreimonatigen Entscheidungsfrist gemäß § 35 WMG verfrüht eingebracht. Die Säumnisbeschwerde hätte erst nach dem 24.07.2017 erhoben werden können.
Für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist der Zeitpunkt ihrer Erhebung maßgeblich. Wurde die Säumnisbeschwerde vor Ablauf der in § 8 VwGVG genannter Frist erhoben, ist sie – ungeachtet, ob nach ihrer Erhebung tatsächlich Säumnis eingetreten ist – als verfrüht mangels Berechtigung ihrer Erhebung zurückzuweisen (vgl. VwGH 28.01.2004, 2003/12/0147).
Die eingebrachte Säumnisbeschwerde war daher spruchgemäß als verfrüht zurückzuweisen.
Schlagworte
Verfahrensrecht; Mindestsicherung; Säumnisbeschwerde, ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.035.RP02.10870.2017Zuletzt aktualisiert am
15.11.2017