Entscheidungsdatum
23.02.2017Index
L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw GrundstückeNorm
FlVfLG Tir 1996 §37 Abs7Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Alexander Spielmann über die Beschwerde der/des Gemeindegutsagrargemeinschaft Bf 1, Bf 2, Bf 3, Bf 4, Bf 5, Bf 6, Bf 7, Bf 8, Bf 9, Bf 10, Bf 11, Bf 12, Bf 13, Bf 14, Bf 15, Bf 16, Bf 17, Bf 18, Bf 19, Bf 20, Bf 21, Bf 22, Bf 23, Bf 24, Bf 25, Bf 26, Bf 27, Bf 28. Bf 29, Bf 30, Bf 31, Bf 32, Bf 33, Bf 34 alle vertreten durch Rechtsanwalt in Y, Adresse1, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde vom 21.09.2016, Zahl ***, betreffend die Zurückweisung eines Antrages auf Entschädigungsleistung
zu Recht:
1. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, Judenplatz 11, 1010 Wien, erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen. Die Beschwerde bzw die Revision ist durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von € 240,- zu entrichten.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine Gemeindegutsagrargemeinschaft im Sinne des § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996. Die Beschwerdeführer 2. bis 34. sind deren Mitglieder. Mit Eingabe vom 30.06.2016 beantragten die Beschwerdeführer bei der Agrarbehörde die Erlassung eines Bescheides, wonach die Gemeinde Z schuldig sei, ihnen einen Betrag in Höhe von € 7.553.257,60 binnen 14 Tagen zu bezahlen. Hinsichtlich eines Teilbetrages von € 7.448.197,30 räumten sie eine Ersetzungsbefugnis derart ein, dass die Gemeinde anstelle der Geldzahlung auch auf ihr Substanzrecht gemäß § 33 Abs 5 TFLG 1996 verzichten könne. Begründend führten die Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass sie eine Entschädigung für eine Legalenteignung durch die TFLG-Novellen 2010 und 2014 fordern. Ungeachtet einer seit Jahrzehnten rechtskräftigen Entscheidung für die Eigentums- und Beteiligungsverhältnisse am Gemeindegut, die zu Gunsten der Erstbeschwerdeführerin als Eigentümerin und zu Gunsten der Rechtsvorgänger der weiteren Beschwerdeführer als daran aliquot anteilsberechtigt ausgefallen sei, habe der Landesgesetzgeber die Beschwerdeführer entschädigungslos enteignet. Um der Verpflichtung zur angemessenen Entschädigung für die behauptete Legalenteignung zu entgehen, würde der Gesetzgeber den historischen Rechtsakten zur Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut Verfassungswidrigkeit unterstellt. Die Rechtsakte wären nach seiner Ansicht verfassungskonform zu interpretieren und in dem Sinn zu verstehen, dass die Erstbeschwerdeführerin kein Eigentum und die weiteren Beschwerdeführer keine aliquoten Anteilrechte erworben hätten. Was als Eigentum rechtskräftig entschieden worden sei, wäre demnach bloß eine inhaltsentleerte Rechtsposition. Was als aliquotes Anteilsrecht am Eigentum entschieden worden sei, wäre demnach bloßes Nutzungsrecht, beschränkt auf einen historischen Bedarf. Diese Rechtfertigungsversuche für die Gesetzesnovellen seien nach Ansicht der Beschwerdeführer unzutreffend. Vielmehr werde damit eine Enteignung zu Lasten der Beschwerdeführer vollzogen. Die Zulässigkeit einer derartigen Legalenteignung setze einen angemessenen Wertausgleich voraus, der Gegenstand des vorliegenden Antrages sei. Dieser Entschädigungsanspruch richte sich gegen den Österreichischen Staat in der Erscheinungsform der Ortsgemeinde, welcher der Landesgesetzgeber das Vermögen der Beschwerdeführer zugewandt habe. Die Zuständigkeit der Agrarbehörde ergebe sich aus § 37 Abs 7 TFLG 1996 iVm § 87d TFLG 1996, der analog anzuwenden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21.09.2016 wies die Agrarbehörde den Antrag vom 30.06.2016 gemäß § 6 AVG und §§ 37 iVm 71, 72, 73 und 86d TFLG 1996 wegen Unzuständigkeit zurück.
In der dagegen erhobenen Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol beantragten die Beschwerdeführer die Aussetzung des Verfahrens, bis im Rechtsfall der Agrargemeinschaft X und 95 Mitglieder, Geschäftszahl *** der Tiroler Landesregierung, die Frage der Zuständigkeit der Agrarbehörde innerstaatlich rechtskräftig entschieden werde. Weiters beantragten sie die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass dem Entschädigungsantrag stattgegeben werde. In eventu beantragten sie die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Agrarbehörde zur Erlassung eines neuen Bescheides. Im Übrigen sprachen sie sich gegen die rechtliche Beurteilung aus, wonach keine Zuständigkeit der Agrarbehörde nach § 37 Abs 7 TFLG 1996 und § 86d TFLG 1996 gegeben sei.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den verfahrenseinleitenden Antrag, den angefochtenen Bescheid und die Beschwerde.
I. Demnach steht – ergänzend zum obigen unstrittigen Sachverhalt – nachfolgender weiterer entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
Bezüglich der der Erstbeschwerdeführerin gehörenden Grundstücke ist kein Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Regulierungs-, Teilungs- oder Auseinandersetzungsverfahren anhängig.
II. Den obigen Tatsachenfeststellungen liegt nachstehende Beweiswürdigung zugrunde:
Die getroffenen Feststellungen stützen sich auf den angefochtenen Bescheid. Widerstreitende Beweisergebnisse liegen nicht vor.
III. Rechtslage:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996), LGBl Nr 74/1996 idF LGBl Nr 70/2014, lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 37
Aufsicht über die Agrargemeinschaften; Streitigkeiten
(…)
(7) Die Agrarbehörde hat auf Antrag unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges zu entscheiden über Streitigkeiten
a) zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis sowie
b) zwischen der Gemeinde und einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn des
§ 33 Abs. 2 lit. c.
(…)
§ 71
Allgemeine Zuständigkeit der Agrarbehörde
(1) Agrarbehörde ist die Landesregierung. Zusammenlegungen, Flurbereinigungen sowie die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken durch Regulierungen, Teilungen oder ein Auseinandersetzungsverfahren sind unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges von der Agrarbehörde durchzuführen.
(…)
§ 72
Zuständigkeit der Agrarbehörde im Zuge eines Verfahrens
(…)
(4) Die Zuständigkeit der Agrarbehörde erstreckt sich von der Einleitung bis zum Abschluss eines Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs-, Auseinandersetzungs- oder Regulierungsverfahrens, sofern sich aus dem Abs. 7 nichts anderes ergibt, auf die Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung, Flurbereinigung, Teilung, Regulierung oder Auseinandersetzung in das Verfahren einbezogen werden müssen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehören.
(…)
§ 73
Zuständigkeit der Agrarbehörde außerhalb eines Verfahrens
Der Agrarbehörde steht außerhalb eines Verfahrens (§ 72) die Entscheidung über die Fragen zu,
a) ob in einem gegebenen Falle eine Agrargemeinschaft vorhanden ist,
b) auf welches Gebiet sich die Grundstücke einer Agrargemeinschaft erstrecken (§ 33),
c) wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist (§ 38 Abs. 1),
d) ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt oder ob es sich um Grundstücke nach § 33 Abs. 2 lit. d handelt,
e) ob und in welchem Umfang einer Stammsitzliegenschaft oder einer Person Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken zustehen.“
§ 86d
Vermögensrechtliche Auseinandersetzung für die Vergangenheit bei Agrargemeinschaften auf Gemeindegut im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2
(1) Vermögenswerte Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis und aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2, den Nutzungsberechtigten und der substanzberechtigten Gemeinde, die vor dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Gesetzes LGBl. Nr. 70/2014 entstanden sind, gelten als wechselseitig abgegolten, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt ist. Eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung über solche Ansprüche findet nur statt in Bezug auf
a) geldwerte unentgeltliche Zuwendungen der Agrargemeinschaft an Nutzungsberechtigte oder Dritte aus dem Substanzwert (§ 33 Abs. 5), die nach dem 10. Oktober 2008 erfolgt sind, jedoch mit Ausnahme von solchen Zuwendungen, die aus dem Überling (§ 33 Abs. 5 lit. b) oder nach dem Inkrafttreten des Gesetzes LGBl. Nr. 7/2010 mit Zustimmung der substanzberechtigten Gemeinde aus Substanzerlösen (§ 33 Abs. 5 lit. a) erfolgt sind,
b) geldwerte unentgeltliche oder entgeltliche Zuwendungen der Agrargemeinschaft an Nutzungsberechtigte oder Dritte aus dem Substanzwert (§ 33 Abs. 5), die nach dem 28. November 2013 ohne Zustimmung der substanzberechtigten Gemeinde erfolgt sind,
c) die angemessene finanzielle Abgeltung einer besonderen, über den für die bestimmungsgemäße Ziehung von Früchten erforderlichen Aufwand hinausgehenden unternehmerischen Leistung der Agrargemeinschaft bzw. ihrer Mitglieder (Abs. 4), durch die im Rahmen eines erwerbswirtschaftlichen Unternehmens, das nach § 37 Abs. 4 bzw. einer diesem entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmung agrarbehördlich genehmigt oder bereits vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes LGBl. Nr. 33/1969 betrieben wurde, Vermögenswerte geschaffen wurden, aus denen die substanzberechtigte Gemeinde weiterhin über die bestimmungsgemäße Ziehung von Früchten hinausgehende Substanzerlöse erzielen kann.
(…)“
IV. Der unstrittige Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:
Mit dem LGBl Nr 7/2010 wurde das TFLG 1996 geändert. Diese Änderung wurde durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 11.06.2008,
B 464/07) erforderlich. Das zitierte Erkenntnis erging in der Beschwerdesache einer Tiroler Gemeinde betreffend die dortige Agrargemeinschaft, welche das Ergebnis einer Regulierung von Gemeindegut ist. Der Verfassungsgerichtshof nahm in seinem Erkenntnis zum Rechtscharakter des Gemeindegutes und dessen Verhältnis zur Agrargemeinschaft Stellung und erklärte unter Rückgriff auf das Erkenntnis vom 01.03.1982, VfSlg 9336/1982, dass sich die historische Agrarbehörde bei der Regulierung auf die Regelung der Ausübung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte zu beschränken gehabt hätte. Die Agrarbehörde zog aber bei der historischen Regulierung das Gemeindegut undifferenziert mit ein. Die damit verbundene Eigentumsfeststellung zugunsten der Agrargemeinschaft wurde vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannt. Nach seiner Auffassung ist aufgrund des rechtskräftigen Regulierungsbescheides Gemeindegut entstanden, das nun atypischer Weise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist. Das Substanzrecht der Gemeinde muss daher als agrargemeinschaftliches Anteilsrecht zur Geltung gebracht werden.
So erfolgte durch das LGBl Nr 7/2010 eine Anpassung der Definition des Begriffes „Gemeindegut“ an die Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis (vgl § 33 Abs 2 lit c Z 2 TFLG 1996). Weiters wurde der Begriff „Substanzwert“ eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes definiert und determiniert, dass dieser der Gemeinde zusteht (vgl § 33 Abs 5 TFLG 1996).
Nachdem der Verfassungsgerichtshof klarstellte, dass das Nutzungsrecht am Gemeindegut nur im Umfang des Haus- und Gutsbedarfes der berechtigten Liegenschaft besteht und die Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit (Überling) und auch alle Erträge, die dem Substanzwert des Gemeindegutes entspringen, dem Substanzwert und damit dem Substanzanspruch der substanzberechtigten Gemeinde zugeordnet sind (Erkenntnis vom 02.10.2013, B 550/2012), wurde das TFLG 1996 durch das LGBl Nr 70/2014 abermals entsprechend der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes abgeändert.
Im verfahrensgegenständlichen Antrag vom 30.06.2016 erachten sich die Beschwerdeführer durch diese Novellen enteignet und fordern vom österreichischen Staat in der Erscheinungsform der substanzberechtigten Ortsgemeinde Entschädigung. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat nunmehr zu klären, ob die Agrarbehörde für dieses Begehren zuständig ist.
Dazu ist infolge der getroffenen Feststellungen zunächst festzuhalten, dass die Generalzuständigkeit der Agrarbehörde gemäß § 72 TFLG 1996 mangels eines anhängigen Zusammenlegungs-, Flurbereinigungs-, Teilungs-, Auseinandersetzungs- oder Regulierungsverfahrens ausscheidet. Es liegt auch keine Zuständigkeit der Agrarbehörde außerhalb eines derartigen Verfahrens gemäß § 73 TFLG 1996 vor, da keiner der in lit a bis lit e genannten Tatbestände gegeben ist.
Die Beschwerdeführer selbst erachten die Agrarbehörde aufgrund des § 37 Abs 7 TFLG 1996 in Verbindung mit § 86d TFLG 1996, der analog anzuwenden sei, als zuständig. Gemäß § 37 Abs 7 TFLG 1996 hat die Agrarbehörde über folgende Streitigkeiten zu entscheiden:
a) zwischen der Agrargemeinschaft und ihren Mitgliedern oder zwischen den Mitgliedern untereinander aus dem Mitgliedschaftsverhältnis sowie
b) zwischen der Gemeinde und einer Agrargemeinschaft auf Gemeindegut im Sinn des § 33 Abs 2 lit c TFLG 1996.
Bezogen auf § 37 Abs 7 lit a TFLG 1996 ist die Agrarbehörde nicht schlechthin zur Entscheidung über alle Streitigkeiten zwischen der Agrargemeinschaft und deren Mitgliedern oder zwischen Mitgliedern untereinander, sondern nur über Streitigkeiten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zuständig. Eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ist dadurch gekennzeichnet, dass sie Rechte und Pflichten der Agrargemeinschaft gegenüber den Mitgliedern sowie Rechte und Pflichten der Mitglieder gegenüber der Agrargemeinschaft bzw Rechte und Pflichten zwischen den Mitgliedern untereinander zum Gegenstand hat. Somit kann nur Gegenstand der Entscheidung der Agrarbehörde sein, was das TFLG 1996, der Regulierungsplan oder die Verwaltungssatzung über das Mitgliedschaftsverhältnis bestimmen. Streitigkeiten, die über diesen Rahmen hinausgehen und mit dem Mitgliedschaftsverhältnis nichts mehr zu tun haben, sind grundsätzlich gemäß § 1 JN vor den ordentlichen Gerichten auszutragen (vgl Lang, Tiroler Agrarrecht II, 212 f mit Hinweis auf VfSlg 7799/1976; vgl auch VwGH vom 17.10.2002, 2001/07/0108 mit weiteren Nachweisen).
Aus § 37 Abs 7 lit b TFLG 1996 ist ebenfalls nicht abzuleiten, dass die Agrarbehörde über jede Streitigkeit zwischen einer Gemeinde und einer Gemeindegutsagrargemeinschaft zu entscheiden hat. Gegenstand der Entscheidung kann in diesem Fall nämlich nur eine Streitigkeit sein, die einen sachlichen Zusammenhang mit dem TFLG 1996, dem Regulierungsplan oder der Verwaltungssatzung aufweist. Das TFLG 1996 enthält in seinem zweiten Unterabschnitt des zweiten Hauptstückes Sonderbestimmungen für Gemeindegutsagrargemeinschaften, die insbesondere auch das Verhältnis zur Gemeinde regeln. § 37 Abs 7 lit b TFLG 1996 erfasst somit solche Streitigkeiten, die sich aus diesem besonderen Verhältnis zwischen der Gemeinde und einer Gemeindegutsagrargemeinschaft ergeben.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer handelt es sich bei der von ihnen geltend gemachten Entschädigung für die behauptete Legalenteignung durch den Gesetzgeber um keine Streitigkeit zwischen der Agrargemeinschaft, ihren Mitgliedern und der Gemeinde iSd
§ 37 Abs 7 lit a und b TFLG 1996. Das Begehren zielt nicht darauf ab, unterschiedliche Rechtsauffassungen im Hinblick auf die sich aus dem TFLG 1996, dem Regulierungsplan oder der Verwaltungssatzung ergebenden Rechten und Pflichten durch die Agrarbehörde klären zu lassen. Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ist ausschließlich die von den Beschwerdeführern behauptete Verfassungswidrigkeit der Novellen LGBl Nr 7/2010 und 70/2014, da diese angeblich eine entschädigungslose Enteignung der Agrargemeinschaft bzw einen entschädigungslosen Entzug der Substanz bewirkt hätten. Bei einer materiellen Prüfung des Entschädigungsbegehrens wäre daher die Verfassungskonformität der Novellen LGBl Nr 7/2010 und 70/2014 zu prüfen. Weder die Agrarbehörde noch das Landesverwaltungsgericht ist jedoch zur Überprüfung des Fehlens einer einfachgesetzlichen Entschädigungsregel für eine behauptete Legalenteignung zuständig. Eine solche Prüfung fällt gemäß Art 140 B-VG in die alleinige Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes. Die gemäß Art 18 Abs 1 B-VG an das Gesetz gebundene Agrarbehörde ist hingegen – gleich wie das Landesverwaltungsgericht – nicht zur Kontrolle der Gesetzgebung berufen.
Zu dem von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten § 86d TFLG 1996 ist festzuhalten, dass diese derzeit noch in Geltung stehende, durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13.10.2016, G 219/2015, als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmung die vermögensrechtliche Auseinandersetzung für Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis und aufgrund des Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen einer Gemeindegutsagrargemeinschaft, ihren Mitgliedern und der Gemeinde für die Vergangenheit regelt. Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte Anspruch steht dieser vermögensrechtlichen Auseinandersetzung diametral entgegen. Sie begründen ? entgegen der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ? ihren Anspruch damit, dass ihnen durch die gesetzlichen Änderungen des TFLG 1996 die Substanz des Eigentums bzw ihre aliquoten Anteilsrechte entzogen und auf die Gemeinde übertragen worden seien. Der Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführer wurzelt daher gerade nicht im Mitgliedschaftsverhältnis, sondern in einem Akt des Landesgesetzgebers.
Auch eine analoge Anwendung des § 86d TFLG 1996 kommt nicht in Betracht, da Analogie immer nur im Fall einer „echten Lücke“ zulässig ist. Eine solche liegt vor, wenn zwar eine anzuwendende Rechtsvorschrift vorhanden, diese aber in einer bestimmten Richtung nicht präzisiert (unvollständig) ist. Nach § 86d Abs 1 erster Satz TFLG 1996 ist, sofern kein Fall des § 86d Abs 1 lit a bis c TFLG 1996 gegeben ist, von einer grundsätzlichen Kompensation der wechselseitigen Ansprüche auszugehen. Damit ist aber keine „echte Lücke“ gegeben, weshalb eine Zuständigkeit der Agrarbehörde auch durch eine analoge Anwendung der genannten Bestimmung auszuschließen ist.
Zusammenfassend ist der Agrarbehörde folglich beizupflichten, dass sie zur Entscheidung über den verfahrenseinleitenden Antrag nicht zuständig ist.
Da die Zuständigkeit der Agrarbehörde im gegenständlichen Verfahren nicht als Vor-, sondern als Hauptfrage zu klären ist, liegen die Voraussetzungen für die beantragte Aussetzung des Verfahrens im Sinne des § 38 AVG nicht vor. Dem Antrag auf Aussetzung des Beschwerdeverfahrens kann somit nicht gefolgt werden.
Abschließend ist festzuhalten, dass die vorliegende Entscheidung trotz Antrag der Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden kann, da der verfahrenseinleitende Antrag vom 30.06.2016 zurückzuweisen ist. Abgesehen davon ist eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich, da eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt, zumal keine Sachverhalts-, sondern lediglich Rechtsfragen zu klären sind.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im vorliegenden Fall resultiert die Unzuständigkeit der Agrarbehörde aus der eindeutigen Rechtslage, die sich aus den oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt folglich nicht vor, weshalb die ordentliche Revision unzulässig ist (vgl VwGH 28.05.2014, 2014/07/0053).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Alexander Spielmann
(Richter)
Schlagworte
Zuständigkeit; Agrarbehörde; Entschädigung; Legalenteignung;Anmerkung
Mit Beschluss vom 28.09.2017, Z E 1175/2017-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 23.02.2017, Z LVwG-2016/44/2456-1, erhobenen Beschwerden ab.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2016.44.2456.1Zuletzt aktualisiert am
21.11.2017