TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/23 W265 2153041-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.10.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.10.2017

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W265 2153041-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 11.04.2012 wies das Sozialministeriumservice (damals: Bundessozialamt; im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet) die erstmals von der Beschwerdeführerin beantragte Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Grundlage für die Entscheidung war das von der belangten Behörde eingeholte und auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basierende allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 09.02.2012, in welchem die Leiden "Bandscheibenvorwölbung L5/S1, Abnützungserscheinungen der HWS und LWS", "Zustand nach Halluxoperation beidseits, Hammerzehenoperation dig. II links, Abnützungserscheinungen der Mittelfußknochen", "Zustand nach Riss des vorderen Kreuzbandes und Teileinriss des anterioren Seitenbandes rechtes Kniegelenk", "Abnützungserscheinungen der kleinen Fingergelenke sowie des Daumengrundgelenkes", "Abnützungserscheinungen des linken Sprunggelenkes" und "Bluthochdruck" festgestellt und mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. eingestuft wurden.

Am 09.12.2016 beantragte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde erneut die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Diäterfordernis bei Gallen-, Leber- oder Nierenerkrankung" und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. Im auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.02.2017 basierenden Gutachten vom 23.02.2017 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

"Anamnese:

Antragsleiden: degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Fußheberschwäche, Taubheit, Hallux- und Zehenoperation, Kreuz- und Seitenbandriss, Instabilität der Sprunggelenke, Fersensporn bds., Abnützungserscheinungen an beiden Händen, arterielle Hypertonie, Adipositas, Herzbeschwerden, Atemnot bei Belastung, Hypothyreose, Varizen, Gallenkrankheit, Reflux, Nahrungsunverträglichkeit, Krämpfe, Durchfall

Siehe auch Vorgutachten vom 9.2.2012: Bandscheibenvorwölbung L5/S1, Abnützungen der HWS und LWS (30%), Zustand nach Halluxoperation bds., Hammerzehenoperation 2. Zehe links, Abnützungserscheinungen der Mittelfußknochen (30%), Zustand nach Riss des vorderen Kreuzbandes und Teilriss des anterioren Seitenbandes des rechten Kniegelenks (20%), Abnützungserscheinungen der kleinen Fingergelenke, sowie des Daumgrundgelenks (10%), Abnützungen des linken Sprunggelenks (10%), arterielle Hypertonie (10%)

Derzeitige Beschwerden:

"Seit meiner letzten Vorladung haben sich meine Beschwerden nicht wirklich verbessert, ich hatte eine Gallenblasenoperation, auch macht mir meine Wirbelsäule starke Beschwerden. Auch habe ich Arthrosen in den Fingergelenken, auch ist mein linker Rist ziemlich taub. Auch ist der rechte äußere Fussrand im Bereich der Ferse ziemlich gefühllos. Ich habe auf beiden Seiten Fersensporne, auch habe ich eine Strahlentherapie gemacht, die nicht viel gebracht hat. Ich trage Einlagen und hoffe, dass sie sich in Summe nicht noch verschlechtern. Ich habe auch einen Reflux, da nehme ich auch ab und zu das Pantoprazol. Ansonsten habe ich keine Beschwerden."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Euthyrox, Mencort, Amelior, Concor, Oleovit, Pantoprazol

Sozialanamnese:

verheiratet, 3 Kinder, in Pension

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Röntgenbefund der Wirbelsäule vom 2.12.2016: Bandscheibenschädigung C3 bis C7, Osteochondrosen TH3 bis TH12, Bandscheibenschädigungen L3 bis S1

Interne kardiologische angiologische Gruppenpraxis vom 30.11.2016:

Zustand nach Verizenstripping bds., CVI Grad l-ll bei Insuffizienz der VSM rechts, Seitenastvarizenkose links, Zustand nach Schaumstoffverödung rechte untere Extremität 2013, sonographisch kein Hinweis auf rezidivierende TVT

XXXX vom 2.5.2016: Zustand nach laparoskopischer Gallenblasenentfernung

Radiologiezentrum XXXX vom 30.10.2015: Zustand nach Bestrahlung beider Fersen

Echokardiographiebefund (ohne Datumangabe): Global gute links- und rechtventrikuläre Funktion, keine eindeutigen regionalen Wandbewegungsstörungen darstellbar, geringe Aorten- und Mitralklappeninsuffizienz, diastolische Funktionsstörung Grad I

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

zufriedenstellend

Ernährungszustand:

adipös

Größe: 165,00 cm Gewicht: 80,00 kg Blutdruck: 140/80

Klinischer Status - Fachstatus:

67 Jahre

Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet

Caput:, Visus: mit Brille korrigiert, Zähne: saniert, Rachen bland, Hörvermögen nicht eingeschränkt

keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei

Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten:

nicht palpabel

Thorax. Symmetrisch, elastisch

Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent

Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe

Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,

Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.

Pulse: Allseits tastbar

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff rechts möglich, links wegen Verspannungen im Nacken nicht prüfbar und Schürzengriff bds. durchführbar, linker Arm wird nur bis 90° abduziert, grobe Kraft bds. geringgradig vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Geringe Fingergelenkspolyarthrosen,

Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben

Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand, wegen Zustand nach Hallux-OP und Fersensporn nicht prüfbar, sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, linke Hüfte endlagige eingeschränkt, Schmerzangabe im Kreuz, freie Beweglichkeit linken Hüftgelenk und linken Kniegelenken, rechtes Kniegelenk endlagig eingeschränkt bandstabil, kein Erguss, linkes Sprunggelenk endlagig eingeschränkt, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 10 cm,

Rotation und Seitwärtsneigung im Bereich der HWS nach rechts endlagig, nach links schmerzbedingt hochgradig eingeschränkt,getrappt, im Bereich der BWS+LWS nach rechts endlagig, nach links zur Hälfte eingeschränkt, gesamte WS getappt

Gesamtmobilität – Gangbild:

Leicht hinkendes Gangbild

Status Psychicus:

Bewusstseinsklar, orientiert, kein kognitives-anamnestisches Defizit

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Abnützungserscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule. Wahl der Position mit dem unteren Rahmensatz, da eine mäßiggradige Bewegungseinschränkung gegeben ist, jedoch ohne maßgebliche neurologische Defizite vorliegen.

02.01.02

30

2

Zustand nach Halluxoperation bds., Hammerzehenoperation, zweite Zehe links, Abnützungserscheinungen der Mittelfußknochen. Wahl der Position mit dem unteren Rahmensatz, da chronische Schmerzsymptomatik bei jedoch im Wesentlichen unauffälligem Gangbild.

02.05.36

30

3

Zustand nach Riss des vorderen Kreuzbandes und Teilrisses den anterioren Seitenbandes rechtes Kniegelenk. Wahl der Position mit dem oberen Rahmensatz, da eine endlagige Bewegungseinschränkung gegeben ist.

02.05.18

20

4

Abnützungserscheinungen der kleinen Fingergelenke, sowie des Daumengrundgelenks. Wahl der Position mit dem unteren Rahmensatz, da ohne maßgebliches funktionelles Defizit.

02.06.26

10

5

Abnützungserscheinungen des linken Sprunggelenks. Wahl der Position mit dem unteren Rahmensatz, da geringes funktionelles Defizit.

02.05.32

10

6

Bluthochdruck Fixer Richtsatz.

05.01.01

10

7

Zustand nach Gallenblasenentfernung Wahl der Position mit dem unteren Rahmensatz, da ein guter Ernährungszustand vorliegt.

07.06.01

10

8

Varikositas, chronisch venöse Insuffizienz Unterer Rahmensatz, da ohne sonstige Schäden.

05.08.01

10

9

Hypothyreose Wahl der Position mit dem unteren Rahmensatz, da mittels Hormonmedikation eine euthyreote Stoffwechsellage erzielt werden kann.

09.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

 

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Weil der führende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2 und 3 gemeinsam um 1 Stufe erhöht wird. Begründung: da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung gegeben ist. Die übrigen Leiden erhöhen nicht weiter, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Gastritische Beschwerden, da mittel PPI gut behandelbar, erreichen keinen GdB. Eine Adipositas erreicht keinen GdB. Eine Nahrungsunverträglichkeit, Krämpfe, Durchfall, da befundmäßig nicht belegt erreichen keinen GdB

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Zusätzliche Einstufung der Leiden 7-9.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Insgesamt jedoch keine Änderung des Gesamt-GdB.

[x] Dauerzustand

Prüfung der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

1. Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten, sowie der Wirbelsäule vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten ist möglich. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.

2. Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03. [x] nein

Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit [x] ja GdB: 10 v.H.

Erkrankungen des Verdauungssystems [x] nein"

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27.02.2017 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 40 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.

Mit Schreiben vom 27.03.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am 30.03.2017, erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht die gegenständliche als "Beschwerdeantrag" bezeichnete Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie Folgendes vor:

"Zunehmende Instabilität (bei Adipositas) kann bei Fahrbewegung in Öffis nicht ausgeglichen werden (Stürze).

Steifigkeit in den Fingergelenken (bes. morgens). Kraftverlust in den Händen, erhebliche Schmerzen beim Händedruck und Faustschluss.

Gallenleiden, sh. Blutbefunde, Fettstoffwechsel, Adipositas, Nahrungsunverträglichkeiten, Diätverpflegung erforderlich, kolikartig gesteigerter Entleerungsdrang ungeformt, unzügelbar, oftmalig.

Beidseitiger Fersensporn, Einlagen, Röntgentherapie resistent. Druck und Bewegungsschmerz. Nur kurze Wegstrecken möglich mit Gehhilfe. Faustschlussproblem.

Herzinsuffizienz, Atemnot und Übelkeit bei mäßiger Belastung, subjektiv-dysphorisch."

Mit Schreiben vom 22.05.2017 erging seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein Mängelbehebungsauftrag an die Beschwerdeführerin. Darin wurde ihr mitgeteilt, dass das als Beschwerde gewertete Schreiben vom 27.03.2017 Inhaltsmängel im Sinne des § 9 Abs. 1 VwGVG aufweise, da die Beschwerde weder Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, noch ein Begehren enthalte. Die Beschwerdeführerin wurde daher aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens ein begründetes Beschwerdevorbringen nachzureichen und ein Begehren an das Bundesverwaltungsgericht zu richten. Weiters wurde auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG hingewiesen, wonach ab dem Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden dürften.

Mit Schreiben vom 08.06.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 12.06.2017, führte die Beschwerdeführerin Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – aus:

"Untersuchungsbefund obere Extremität:

Grobe Kraft beidseits hochgradig eingeschränkt, z.B. Anlegen der Kompressionsstrümpfe: Hilfe erforderlich, auch Haushaltshilfe

Untere Extremität: Gehen nur kurze Strecke möglich; mit Begleitung, Gangbildprüfung im Untersuchungsraum (5m) nicht aussagekräftig, Varikositas und Ödeme (sh. Befunde) und angegebene Störung der venösen Abflüsse bes. re. wurden nicht beachtet, ebenso Schmerzen und Einschränkungen beim Gehen, Fersensporn und Instabilität, mehrfach Stütze, Gehhilfe schlecht haltbar.

Z.n. Gallenblase: sh. Befunde Fettstoffwechsel Hochgradige Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten

Einschränkungen durch Kolik-Darmleiden

Diätverpflegung nötig; Angaben wurden nicht beachtet

Begehren: Ausstellung eines Behindertenpasses

Eintragung Krankendiätverpflegung Gallenleiden

(Wegstrecke bis 300 m nur mit Begleitung möglich)

"

Dem Schreiben schloss die Beschwerdeführerin einen angiologischen Befund vom 08.05.2017 an.

Aufgrund der unter dem Punkt "Anamnese" des Sachverständigengutachtens festgehaltenen Ausführungen, wonach die Beschwerdeführerin unter Herzbeschwerden und Atemnot bei Belastung leide, sowie aufgrund des vorgelegten Echocardiographiebefundes, in welchem eine geringe Aorten- und Mitralklappenisuffizienz festgehalten werde, wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts in der Folge die bereits befasste Ärztin für Allgemeinmedizin um Stellungnahme ersucht, ob diese Beschwerden ein einschätzungsrelevantes Leiden darstellen bzw. weshalb sie nicht als einschätzungsrelevantes Leiden berücksichtigt worden seien. In der aufgrund der Aktenlage am 13.08.2017 erstellten gutachterlichen Stellungnahme wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

" Stellungnahme:

ad 1) Unter den Antragsleiden wurden zwar Herzbeschwerden sowie Atemnot bei Belastung angegeben, im persönlichen Gespräch mit der Antragstellerin wurden diesbezüglich jedoch keine Beschwerden geäußert. Die Beschwerdeangaben bezogen sich auf die Gallenblasenoperation, Beschwerden Bereich der Wirbelsäule, Arthrosen der Fingergelenke der Füße, sowie eines Reflux. Ansonsten wurde, trotz nachfragen, keine Beschwerden angegeben.

In der Zusammenfassung relevanter Befunde wurde der Echocardiographiebefund zitiert, in welchem eine Global gute links- und rechtsventrikuläre Funktion ohne eindeutige regionale Wandbewegungsstörungen dokumentiert. Es wird nur eine geringe Aorten- und Mitralklappeninsuffizienz, sowie eine diastolische Funktionsstörung Grad 1 beschrieben.

Ein explizites Therapieerfordernis ist nicht gegeben. Eine Atemnot im Rahmen der klinischen Untersuchung konnte nicht objektiviert werden. Somit erreicht dieses Leiden keinen Grad der Behinderung.

Ad 2) Somit ergibt sich keine abweichende Beurteilung vom bisherigen Ergebnis.

Ad 3) Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 09.12.2016 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Abnützungserscheinungen er Hals- und Lendenwirbelsäule

2. Zustand nach Halluxoperation bds., Hammerzehenoperation zweite Zehe links, Abnützungserscheinungen der Mittelfußknochen

3. Zustand nach Riss des vorderen Kreuzbandes und Teilrisses des anterioren Seitenbandes rechtes Kniegelenk

4. Abnützungserscheinungen der kleinen Fingergelenke, sowie des Daumengrundgelenks

5. Abnützungserscheinungen des linken Sprunggelenks

6. Bluthochdruck

7. Zustand nach Gallenblasenentfernung

8. Varikositas, chronisch venöse Insuffizienz

9. Hypothyreose

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Einschätzung und deren wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.02.2017 sowie deren ergänzende Stellungnahme vom 13.08.2017 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 40 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das bereits durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.02.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 20.02.2017.

Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die sachverständige Gutachterin setzt sich auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.

Im Vergleich zum Vorgutachten vom 09.02.2012 sind in dem der Entscheidung zugrunde liegenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 23.02.2017 nunmehr die Funktionseinschränkungen "Zustand nach Gallenblasenentfernung", "Varikositas, chronisch venöse Insuffizienz" und "Hypothyreose" berücksichtigt. Daraus ergibt sich jedoch keine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung, da kein maßgebliches Zusammenwirken der Leiden besteht.

Aufgrund der Angaben der Beschwerdeführerin, unter anderem an Herzbeschwerden und Atemnot bei Belastung zu leiden, wurde die allgemeinmedizinische Sachverständige seitens des Bundesverwaltungsgerichts um eine ergänzende Stellungnahme ersucht. In dieser Stellungnahme vom 13.08.2017 führte die Gutachterin schlüssig aus, dass die Beschwerdeführerin trotz Nachfrage im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 20.02.2017 keine Angaben zu etwaigen Herzproblemen äußerte, was auch unter dem Punkt "Derzeitige Beschwerden" des Gutachtens vom 23.02.2017 erkennbar ist. Die Sachverständige konnte in der persönlichen Untersuchung bei der Beschwerdeführerin auch keine Atemnot feststellen. Die Beschwerdeführerin gab die genannten Beschwerden lediglich im Rahmen der Antragsstellung auf dem dazu zur Verfügung gestellten Formular an. Der vorgelegte Echokardiographiebefund ist ebenfalls nicht geeignet, ein einschätzungsrelevantes Herzleiden zu objektivieren, da darin eine global gute links- und rechtsventrikuläre Funktion ohne eindeutige regionale Wandbewegungsstörungen dokumentiert ist. Es werden zwar eine geringe Aorten- und Mitralklappeninsuffizienz sowie eine diastolische Funktionsstörung Grad 1 beschrieben, ein explizites Therapieerfordernis ist hingegen nicht gegeben, weshalb damit kein Grad der Behinderung erreicht wird.

Zum Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin leide an versteiften Fingergelenken, einem hochgradigen Kraftverlust in den Händen und benötige Hilfe etwa beim Anlegen ihrer Kompressionsstrümpfe und im Haushalt, so ist festzuhalten, dass die Abnützungserscheinungen der kleinen Fingergelenke sowie des Daumengrundgelenkes als Leiden unter der laufenden Nummer 4 im Sachverständigengutachten berücksichtigt sind. Die Gutachterin stellte beidseits eine geringe Verminderung der groben Kraft fest, die Statuserhebung zeigt jedoch kein maßgebliches funktionelles Defizit. Erhebliche Einschränkungen und Schmerzen beim Händedruck und Faustschluss sind weder durch die vorgelegten medizinischen Befunde noch durch das Ergebnis der persönlichen Untersuchung durch die Sachverständige objektiviert.

Was das Vorbringen in der Beschwerde zum Zustand nach Gallenblasenentfernung sowie dem Varikositasleiden bzw. die chronisch venöse Insuffizienz betrifft, wonach diese nicht beachtet worden seien, so ist festzuhalten, dass beide Leiden im Sachverständigengutachten entsprechend der Funktionseinschränkungen berücksichtigt und korrekt eingestuft sind. Der mit Schreiben vom 08.06.2017 neu vorgelegte angiologische Befund vom 08.05.2017 unterliegt der Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG und ist daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu berücksichtigen. Dieser Befund ist – abgesehen davon, dass er der Neuerungsbeschränkung unterliegt – auch bei Berücksichtigung jedoch nicht geeignet, eine höhere Einstufung der Varikositas darzutun.

Betreffend die Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Durchfälle und Koliken legte die Beschwerdeführerin im Verfahren keine Befunde vor und sind diese Leiden daher nicht objektiviert, weshalb sie nicht eingeschätzt werden können. Die gastritischen Beschwerden sind mit PPI gut behandelbar und erreichen deshalb ebenfalls keinen Grad der Behinderung. Ebenso erreicht eine Adipositas keinen Grad der Behinderung.

Insoweit die Beschwerdeführerin auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Bezug nimmt, ist festzuhalten, dass die belangte Behörde über die beantragte Zusatzeintragung nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, weshalb diese Frage nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist. Da mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. kein Anspruch auf die Ausstellung eines Behindertenpasses besteht, ist auch die Vornahme allfälliger Zusatzeintragungen nicht möglich. Diesbezüglich ist auch die Beurteilung der exakten Länge der Wegstrecke, die die Beschwerdeführerin selbständig zurücklegen kann, für die Beurteilung des Grades der Behinderung nicht von Relevanz. Die Funktionsdefizite an der Wirbelsäule und den unteren Extremitäten, welche auch die Einschränkungen beim Gehen umfassen, sind jedoch durch die Leiden 1 bis 3 sowie des Leidens 5 umfassend berücksichtigt und korrekt eingestuft. In den diesbezüglichen Einschätzungen sind die Bewegungseinschränkungen und chronische Schmerzsymptomatik beinhaltet. Auch der bestehende Fersensporn ist entgegen dem Beschwerdevorbringen im Leiden unter der laufenden Nummer 2 berücksichtigt.

Die Beschwerdeführerin ist dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.02.2017 im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 23.02.2017. Es wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten vom 23.02.2017 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v.H. beträgt. Die Funktionseinschränkung wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Die Beschwerdeführerin ist diesem medizinischen Sachverständigengutachten, wie bereits erwähnt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W265.2153041.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten