Entscheidungsdatum
24.10.2017Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W115 2146044-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen über die Beschwerde von
XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom XXXX, Pass Nr. XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme einer Zusatzeintragung in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) hat dem Beschwerdeführer am XXXX einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 70 vH eingetragen.
2. Am XXXX hat die belangte Behörde in Erledigung eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass dem Beschwerdeführer einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 80 vH und den Zusatzeintragungen "Diabetiker" sowie "Diät gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996" ausgestellt.
3. Im Rahmen eines vom Beschwerdeführer gestellten Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass hat die belangte Behörde am XXXX von Amts wegen einen Grad der Behinderung in Höhe von 90 vH in den weiterhin unbefristet ausgestellten Behindertenpass eingetragen.
Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX abgewiesen und ist in weiterer Folge in Rechtskraft erwachsen.
4. Weitere Anträge des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass vomXXXX, XXXX und XXXX wurden von der belangten Behörde jeweils mit rechtskräftigen Bescheiden vom XXXX,XXXX und XXXX mit der Begründung abgewiesen, dass der Grad der Behinderung weiterhin 90 vH betrage.
5. Am XXXX hat der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde neuerlich einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gestellt.
5.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am XXXX, sowie eine mit XXXX datierte, auf der Aktenlage basierende, ergänzende medizinische Stellungnahme von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung mit 60 vH bewertet wurde und dass weder die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung noch die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen "Diabetiker" sowie "Diät gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996" vorliegen würden.
5.2. Mit rechtskräftigem Bescheid vom XXXX hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
5.3. Am XXXX hat die belangte Behörde den weiterhin unbefristet ausgestellten Behindertenpass des Beschwerdeführers berichtigt und einen Grad der Behinderung von 60 vH eingetragen sowie die Zusatzeintragungen "Diabetiker" sowie "Diät gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 303/1996" gestrichen.
6. Am XXXX hat der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde unter Vorlage medizinischer Beweismittel den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass sowie einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass gestellt.
6.1. Zur Überprüfung der Anträge wurde von der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am XXXX, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung weiterhin in Höhe von 60 vH bewertet wurde sowie dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.
6.2. Im Rahmen des von der belangten Behörde am XXXX erteilten Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG wurden vom Beschwerdeführer keine Einwendungen erhoben.
7. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gemäß § 42 und
§ 45 BBG abgewiesen.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, welche einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen.
In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG und Auszüge aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idF BGBl. II Nr. 495/2013 (Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen).
7.1. Weiters wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vomXXXX der Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gemäß § 41, § 42 und § 45 BBG abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung weiterhin 60 vH beträgt.
8. Gegen beide Bescheide wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.
Ohne Vorlage medizinischer Beweismittel wurde vom Beschwerdeführer unter Auflistung der von ihm eingenommenen Medikamente im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass ihm nach einem Arbeitsunfall an der rechten Hand vier Finger amputiert worden seien und er Anästhesien an den Stümpfen und Hypästhesien an der angrenzenden Mittelhand habe. Er leide an Schmerzen der gesamten rechten oberen Extremität und deutlicher Kraftverminderung. Im XXXXhabe er sich die linke Schulter und vier Rippen gebrochen. Er leide weiter an einer Spondylose, Epilepsie, Depressionen, Hypertonie und Hyperlipidämie. Es sei eine Stammzellentransplantation vorgenommen worden und er habe zweimal Stents erhalten. Die Gefäße (LAD) seien vollständig verschlossen. Der Fußweg zu den öffentlichen Verkehrsmitteln sei ihm zu beschwerlich.
9. Da der von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigenbeweis im angefochtenen Verfahren nicht vollinhaltlich zur Kenntnis gebracht worden ist, wurde dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom XXXX das Sachverständigengutachten Dris. XXXX im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu zu äußern.
Die belangte Behörde hat kein ergänzendes Vorbringen erstattet.
9.1. Mit Schreiben vom XXXX wurden vom Beschwerdeführer weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht.
9.2. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Innere Medizin, Dr. XXXX, Facharzt für Unfallchirurgie, und Dr. XXXX, Facharzt für Neurologie, basierend auf den persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers jeweils am XXXX mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung nunmehr mit 70 vH bewertet wurde und dass die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung vorliegen würden.
Im Rahmen der Begutachtung wurden vom Beschwerdeführer weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht, welche bei der Gutachtenserstellung berücksichtigt worden sind.
9.3. Mit Schreiben vom XXXX wurde dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde das Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs gemäß
§ 45 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu einlangend bis längstens XXXX zu äußern.
9.4. Trotz ordnungsgemäßer Zustellung durch Hinterlegung ist das Schreiben vom Beschwerdeführer nicht behoben worden.
9.5. Die belangte Behörde hat keine Einwendungen vorgebracht.
10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tage,
GZ: W115 2106858-1/8E, wurde der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Vom Bundesverwaltungsgericht wurde spruchgemäß festgestellt, dass der Grad der Behinderung 70 vH beträgt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.
1. Feststellungen:
Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:
1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland und ist Inhaber eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses.
1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.
1.2.1. Ausmaß der Funktionseinschränkungen:
Allgemeinzustand etwas reduziert. Ernährungszustand adipös. Knochenbau normal. Haut und Schleimhäute unauffällig. Lymphknoten nicht tastbar. Augen isokor, prompte Lichtreaktion. Zunge normal. Zähne lückenhaft. Hals unauffällig. Schilddrüse nicht tastbar, Pulse vorhanden, keine Gefäßgeräusche. Venen nicht gestaut.
Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch. Gynäkomastie beidseits. Lunge:
sonorer Klopfschall, vesikuläres Atemgeräusch, eingeschränkte
Basenverschieblichkeit durch Zwerchfellhochstand. Herz: leises Systolikum bei erhaltenen Herztönen. RR 145/85. Frequenz 80/Min. - rhythmisch. Abdomen: adipös. Leber und Milz nicht abgrenzbar. Nierenlager frei.
Obere Extremitäten: Früher Rechtshänder. Schultergürtel ist annähernd horizontal. Verschmächtigung der rechten Ober- und Unterarmmuskulatur. Die Durchblutung ist ungestört. Rechte Hand:
Zustand nach Amputation des Zeigefingers in Höhe des Mittelgelenks. Hier unauffällige Stumpfverhältnisse. Weiters Zustand nach Amputation der Finger lll - V in Höhe der Grundgelenke. Insgesamt unauffällige Stumpfverhältnisse bei guter Weichteildeckung. Ein behelfsmäßiger Spitzgriff ist möglich. Die Hand kann und wird als Hilfshand eingesetzt. Rechte Schulter: Die Schulter ist diffus druckschmerzhaft. Die Konturen sind erhalten, deutlich bewegungsschmerzhaft. In der Schulter sind vermehrt Pendelbewegungen möglich. Ein aktives Vor- und Seitheben ist bis etwa 30° möglich.
Linke Schulter: Die Kontur ist erhalten. Es besteht deutlich Bewegungs- und diffus Druckschmerz. Aktiv kann der Arm in der Schulter bis etwa 60° vor- und seitgehoben werden. Beim Nackengriff reicht die Hand zum Ohr. Beim Kreuzgriff reicht die Hand zur Gesäßaußenseite. Ellenbogen, Handgelenke sowie die Finger der linken Hand sind altersentsprechend unauffällig, frei beweglich. Greifformen sind links erhalten. Der Faustschluss ist komplett.
Untere Extremitäten: Deutlich Senk-Spreizfüße beidseits. Beinlänge ist gleich. An den Beinen Pulse tastbar, keine Varizen, geringfügig Schwellungen im Knöchelbereich, keine trophischen Störungen. Rechtes
Knie: arthrotisch aufgetrieben. Zohlen-Test positiv. Reiben unter der Kniescheibe bei Bewegung. Das Gelenk ist bandfest. Linkes Knie:
arthrotisch aufgetrieben, gering intraartikulärer Erguss, mäßig vermehrte seitliche Aufklappbarkeit in Streck- und 30° Beugestellung. An beiden Hüften Endlagenschmerz bei Beugung im Kreuz. Beweglichkeit: Die Hüften sind altersentsprechend frei beweglich. Knie S 0-0-120 beidseits. Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Wirbelsäule: Wirbelsäule ist im Lot. Verstärkte Brustkyphose, regelrechte Lendenlordose. Hartspann entlang der gesamten Wirbelsäule. Druck- und Klopfschmerz lumbal und am thorakolumbalen
Übergang. Iliosakralgelenke mäßig druckschmerzhaft. Beweglichkeit:
In allen Abschnitten höhergradig eingeschränkt. Vorwärtsbeugen wird nur ansatzweise gezeigt.
Gesamtmobilität/Gangbild: Kommt in Begleitung des Enkels. Beim Entkleiden der Oberbekleidung hilft der Enkel. Geht im Untersuchungszimmer mit Gehstock links. Das Gangbild ist kleinschrittig, wankend, links etwas hinkend.
Neurologisch: Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt. An den oberen Extremitäten bestehen keine Paresen (Amputation der Finger 2 - 5 rechts). Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar, die Koordination ist intakt, an den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen. Zehenspitzen und Fersenstand beidseits eingeschränkt möglich. Großzehenheber wird beidseits gut angespannt. Beweglichkeit in den Kniegelenken schmerzhaft eingeschränkt. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich untermittellebhaft auslösbar. Die Koordination ist intakt. Die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ. Die Sensibilität wird diffus als gestört angegeben mit pm im Bereich des Nervus medianus rechts > links und im Bereich des Nervus Peroneus links.
Psychiatrisch: Teilorientiert, Antriebsstörung, Auffassung reduziert. Affekt ausgeglichen. Stimmungslage dysthym, in beiden Skalenbereichen affizierbar. Deutliche Somatisierungstendenz. Ein- und Durchschlafstörung, keine produktive Symptomatik, keine Suizidalität.
1.2.2. Art der Funktionseinschränkungen:
? Hochgradige Funktionsbehinderung an beiden Schultern
? Verlust der Finger 2 - 5 rechts
? Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule - deutliche Bewegungseinschränkung in allen Abschnitten, jedoch ohne relevantes neurologisches Defizit
? Degenerative posttraumatische Gelenksveränderungen - mehrere große Gelenke betroffen, jedoch nur endlagige Funktionsbehinderung objektivierbar
? Koronare Herzkrankheit, Zustand nach PTCA und Stent
? Karpaltunnelsyndrom rechts - progrediente Beschwerden
? Karpaltunnelsyndrom links - geringe Ausprägung
? Anpassungsstörung - relativ geringe Medikation mit Therapiereserven
? Peronäusläsion links - geringe Ausprägung bei pathologischem neurographischem Befund
? Inzipiente arterielle Verschlusskrankheit
1.2.3. Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Der Beschwerdeführer kann sich zwar im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne Unterbrechung zurücklegen. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist jedoch erheblich eingeschränkt.
Dem Beschwerdeführer fehlen an der rechten Hand vier Finger, was die Hand zur Hilfshand mit nur behelfsmäßigen Greifformen reduziert. Im Zusammenwirken mit den hochgradigen Einschränkungen an beiden Schultern können Haltegriffe nicht oder nur stark eingeschränkt erreicht werden. Durch diese hochgradigen Einschränkungen der oberen Extremitäten ist der sichere, gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich eingeschränkt.
1.3. Der Antrag auf Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung in den Behindertenpass ist am XXXX bei der belangten Behörde eingelangt.
1.4. Die Zustellung des Schreibens vom XXXX an den Beschwerdeführer erfolgte nachweislich durch Hinterlegung am XXXX.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - auf die im Beschwerdeverfahren eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten sowie auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismittel.
Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. XXXX, Dris. XXXX und
Dris. XXXX sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausführlich Stellung genommen.
Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchungen des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befassten Sachverständigen haben sich eingehend damit auseinandergesetzt. Die Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.
So führt Dr. XXXX im Einklang mit dem Untersuchungsbefund schlüssig und überzeugend aus, dass einerseits die rechte Ober- und Unterarmmuskulatur des Beschwerdeführers verschmächtigt ist und andererseits durch das Fehlen von vier Fingern der rechten Hand diese zur Hilfshand mit nur behelfsmäßigen Greifformen reduziert ist. Gleichzeitig bestehen beim Beschwerdeführer hochgradige Einschränkungen an beiden Schultern, wobei - wie von Dr. XXXXanschaulich ausgeführt wird - rechts nur vermehrt Pendelbewegungen in der Schulter möglich sind sowie ein aktives Vor- und Seitheben nur bis etwa 30° möglich ist. Hinsichtlich der linken Schulter wird von Dr. XXXX ausgeführt, dass mit einer aktiven Vor- und Seithebung von 60° die Horizontale bei Weitem nicht erreicht wird. Aufgrund dieser Umstände können Haltegriffe durch den Beschwerdeführer nicht oder nur stark eingeschränkt erreicht werden.
Die Abweichung zur sachverständigen Beurteilung, welche dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt worden ist, resultiert aus der befunddokumentierten Verschlechterung der oberen Extremitäten des Beschwerdeführers.
Die Angaben des Beschwerdeführers waren sohin geeignet, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte sachverständige Beurteilung zu entkräften und eine geänderte Beurteilung herbeizuführen.
Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX, Dris. XXXX und Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.
Die im Beschwerdeverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II.3.1.
Zu 1.3.) Der Antrag auf Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung in den Behindertenpass weist am Eingangsvermerk der belangten Behörde das Datum XXXX auf.
Zu 1.4.) Die ordnungsgemäße Zustellung des Schreibens des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX ergibt sich aus dem im Akt befindlichen Zustellnachweis.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 46 BBG erster Satz beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt
(§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Gemäß § 1 Abs. 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese gemäß § 43 Abs. 1 BBG zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung einzutragen, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
? erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
? erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
? erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
? eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
? eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idF BGBl. II Nr. 495/2013, wird auszugsweise Folgendes ausgeführt:
Zu § 1 Abs. 2 (auszugsweise):
Abs. 2 unterscheidet zwei Arten von Eintragungen; solche, die die Art der Behinderung des Passinhabers/der Passinhaberin betreffen und jene, die Feststellungen über Erfordernisse des Menschen mit Behinderung im täglichen Leben treffen, etwa die behinderungsbedingte Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, 2008/11/0128 und die dort angeführte Vorjudikatur sowie VwGH vom 22.10.2002, 2001/11/0242 und 27.01.2015, 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt (VwGH vom 22.10.2002, 2001/11/0242).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH vom 14.05.2009, 2007/11/0080).
Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).
Da beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten vorliegen (siehe diesbezüglich die Ausführungen unter Punkt II.1.2.), ist - auch unter Verweis auf die zuvor wiedergegebenen Ausführungen in den erläuternden Bemerkungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sowie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - der sichere, gefährdungsfreie Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich eingeschränkt und somit deren Benützung nicht zumutbar.
Da festgestellt worden ist, dass beim Beschwerdeführer die dauernden Gesundheitsschädigungen ein Ausmaß erreichen, welches die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder
Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der beim Beschwerdeführer festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher im Beschwerdeverfahren ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Es wurden im Verfahren keine Beweismittel vorgelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen und die neu vorgelegten medizinischen Beweismittel waren - wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt - geeignet, relevante Bedenken an den Feststellungen der belangten Behörde hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den im Beschwerdeverfahren eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt und resultiert daraus die geänderte Beurteilung. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine - von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende - Neuregelung beabsichtigt. Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W115.2146044.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.11.2017