Entscheidungsdatum
24.10.2017Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W239 2148591-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 29.08.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Beschwerdeführerin verfügte laut VIS-Abfrage über ein von 20.07.2016 bis 19.08.2016 gültiges Schengen-Visum Typ C, ausgestellt am 30.05.2016 von der Botschaft der Republik Frankreich in Teheran/Iran.
Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag (29.08.2016) gab die Beschwerdeführerin an, ledig zu sein und einen in Österreich aufhältigen Bruder zu haben. Es gehe ihr gut und sie könne der Einvernahme ohne Probleme folgen. Befragt nach ihrer Reiseroute führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie etwa vier Monate vor ihrer Ausreise den Entschluss gefasst habe, aus ihrem Herkunftsstaat auszureisen. Als Zielland habe sie Österreich gehabt, da ihr Bruder hier lebe. Sie sei legal ausgereist und direkt nach Österreich geflogen. Sie habe von Frankreich ein Visum für die Schengen-Staaten erhalten und sie wolle in Österreich bleiben. Ihre Heimat habe sie aus Angst vor einem Mann, der sie vergewaltigt habe und der sie mit Zwang heiraten habe wollen, verlassen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 07.09.2016 ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Frankreich, dem die französische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 20.09.2016 gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO ausdrücklich zustimmte.
Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 02.12.2016 im Beisein eines Rechtsberaters die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor dem BFA statt. Dabei erklärte die Beschwerdeführerin, sich physisch und psychisch in der Lage zu fühlen, die Befragung durchzuführen. Sie fühle sich gesund und sei derzeit nicht in ärztlicher Betreuung oder Behandlung. Sie nehme (nicht näher bekannte) Medikamente, da sie Probleme mit ihrem Fuß habe. Sie leide an Lumboischialgie [Anm. BVwG: in das Bein fortgeleitete Rückenschmerzen, die auf eine Nervenwurzelreizung zurückzuführen sind]. Sie habe im Iran schon einmal dieses Problem gehabt, sei zum Arzt gegangen und habe eine Spritze bekommen. Es sei ihr dann besser gegangen. Als sie nach Österreich gekommen sei, habe sie wieder diese Schmerzen verspürt und sei zum Arzt gegangen. Jetzt müsse sie eine Therapie machen.
Die Beschwerdeführerin habe einen Bruder, der in Österreich lebe. Sie lebe nicht bei ihm und sei von ihm auch nicht finanziell abhängig. Sie würden aber jeden Tag telefonieren und sich jedes Wochenende sehen. Der näher bezeichnete Bruder befinde sich seit sechs Jahren in Österreich und sei im Besitz eines Konventionspasses. Er sei ledig und habe keine Kinder. Als er schon in Österreich gewesen sei und die Beschwerdeführerin sich noch in ihrem Herkunftsland aufgehalten habe, habe sie keinen Kontakt mit ihm gehabt.
Zur geplanten Vorgehensweise, die Beschwerdeführerin aufgrund der vorliegenden Zustimmung Frankreichs dorthin außer Landes zu bringen, erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie nicht nach Frankreich abgeschoben werden wolle. Sie wolle hier bleiben, da ihr Bruder hier lebe. Sie wolle nicht nach Frankreich, da sie vor einem Mann im Iran geflohen sei und dieser wisse Bescheid, dass sie im Besitz eines französischen Visums gewesen sei. Sie habe Angst, dass er sie in Frankreich finden könne. Der Mann habe sie bedroht und gesagt, dass er sie umbringen wolle. Das sei einige Monate vor ihrer Flucht gewesen. Es habe schon längere Zeit Probleme mit ihm gegeben. Er habe zur Familie der Beschwerdeführerin gesagt, dass er wisse, dass sie mit einem französischen Visum ausgereist sei. Er habe zwei Brüder, die in der iranischen Botschaft in Frankreich arbeiten würden. Über Nachfrage erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie das alles von ihrer Familie wisse. Ihre Mutter habe ihr das vor einer Woche erzählt. Weiter nachgefragt nannte die Beschwerdeführerin den Namen des Mannes, gab aber auch an, dass es keine Beweise für die Bedrohungen gebe, da er sie meist telefonisch bedroht habe.
Zu den Länderfeststellungen zu Frankreich erstattete die Beschwerdeführerin kein Vorbringen. Auch seitens der Rechtsberatung wurden keine weiteren Fragen gestellt und kein Vorbringen erstattet.
Im Zuge der Einvernahme legte die Beschwerdeführerin eine Behandlungskarte der Krankenkasse vor, aus der die Termine für ihre Bewegungstherapie hervorgehen.
2. Mit Bescheid des BFA vom 31.01.2017 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Frankreich für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Frankreich gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Zur Lage in Frankreich traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
Allgemeines zum Asylverfahren
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (OFPRA 11.2015; AIDA 12.2015; USDOS 13.4.2016).
Quellen:
-
AIDA – Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
OFPRA – Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-da-france_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 – France, https://www.ecoi.net/local_link/322531/462008_de.html, Zugriff 22.11.2016
Dublin-Rückkehrer
Anträge von Dublin-Rückkehrern werden wie jeder andere Asylantrag behandelt. Kommt der Betreffende aus einem sicheren Herkunftsstaat, wird das beschleunigte Verfahren angewandt. Hat der Rückkehrer bereits eine endgültig negative Entscheidung der 2. Instanz (CDNA) erhalten, kann er einen Folgeantrag stellen, so dieser neue Elemente enthält. Dublin-Rückkehrer werden wie normale Asylwerber behandelt und haben daher denselben Zugang zu Unterbringung im regulären bzw. beschleunigten Verfahren wie alle anderen (AIDA 12.2015).
Quellen:
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AIDA – Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
Mit dem Regierungsrundschreiben vom 31. Mai 2013 zielt Frankreich unter anderem darauf ab, einen gemeinsamen Prozess zur Altersbestimmung einzuführen. Dieser Prozess soll eine Evaluierung vorliegender Dokumente, ein Interview und als letztes Mittel im Falle von Zweifeln, eine medizinische Untersuchung umfassen. Die Methoden zur Altersfeststellung unterscheiden sich in der Praxis aber zwischen den Départements. Die einen legen den Schwerpunkt auf Dokumente zum Personenstand, andere bevorzugen eine soziale Evaluierung und wieder andere nehmen Knochenuntersuchungen vor. Letzteres ist sehr umstritten. Angeblich wird im Zweifel kaum die Minderjährigkeit des Betreffenden angenommen. Der Staatsanwalt entscheidet über die Unterbringung eines Kindes in Pflege und ordnet im Zweifel auch eine Altersfeststellung an (AIDA 12.2015).
UM sind nicht rechtsfähig. Sie müssen also im Asylverfahren vertreten werden. Wurde zuvor noch kein Vormund bestellt, muss der zuständige Staatsanwalt einen Administrateur ad hoc benennen, der nur als Vertreter im Asylverfahren fungiert. In der Praxis kann die Bestellung eines Administrateur ad hoc bisweilen 1-3 Monate dauern (AIDA 12.2015).
In der Regel werden UMA (einschließlich Jugendliche zwischen 16-18 Jahren) nach der Identifizierung in speziellen Heimen, bei Pflegefamilien oder in manchen Regionen in Zentren für sozial schutzbedürftige Kinder untergebracht. Es gibt jedoch nur eine Unterkunft für UMA, die von der NGO Coallia in Côtes-d’Armor betrieben wird. Die NGO Permanence d'accueil et d'orientation des mineurs isolés étrangers (PAOMIE) in Paris, ist ein lokales Projekt zur Identifizierung und Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen. Im Jahr 2014 wurden die Unterbringungsmöglichkeiten für UMA in Frankreich von mehreren internationalen Organisationen als unzureichenden und unangemessenen kritisiert (AIDA 12.2015).
Im Rahmen der Asylreform vom 2015 wurden spezifische Bestimmungen zur Identifizierung von Asylwerbern mit speziellen Bedürfnissen, als völlig neues Element im Asylverfahren, eingeführt. Für die Überprüfung der Vulnerabilität und der speziellen Bedürfnisse der Antragssteller ist das Französische Büro für Immigration und Integration (Office français de l’immigration et de l’intégration – OFII) zuständig. Dieses Verfahren wird im Rahmen eines Interviews, nach der Asylantragsstellung bei allen Asylwerbern, von speziell für dieses Verfahren ausgebildeten Referenten durchgeführt. Sollten sich die speziellen Bedürfnisse im Laufe des Asylverfahrens herausstellen, sind sie zu berücksichtigen. Als vulnerabel werden laut den Richtlinien folgende beurteilt: UMA, Alte, Schwangere, Opfer des Menschenhandels, von Folter und Vergewaltigungen oder Opfer von psychologischen, physischen oder sexuellen Gewalt. Es wird jedoch angemerkt, dass in der Praxis während des Interviews in erster Linie die sichtbare Vulnerabilität festgestellt wird. Die über die Vulnerabilität vorhandenen Daten werden an das Französische Amt für Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen (Office français de protection des réfugiés et des apatrides – OFPRA) weitergeleitet (AIDA 12.2015). Wenn der Asylwerber über medizinische Befunde aus dem Heimatland verfügt, entscheidet ein Arzt beim OFII über die weitere Vorgehensweise (OFPRA 11.2016). Im Asylverfahren können von OFPRA aufgrund der besonderen Bedürfnissen oder Vulnerabilität besondere Verfahrensgarantien (Berücksichtigung spezieller Bedürfnisse bei Unterbringung und Asylverfahren; Befreiung vom Schnellverfahren, usw.) gewährt werden. Obwohl rechtlich nicht vorgesehen, bieten manche Unterbringungszentren trotzdem separate Unterbringungseinheiten für Vulnerable an. In den CADA werden meist Vulnerable untergebracht, deren Vulnerabilität offensichtlich ist, also Familien mit Kleinkindern, Schwangere und Alte. Man hoffte durch die Asylreform auch vermehrt nicht offensichtliche Vulnerabilität besser erkennen zu können. 2014 waren 83,8% der Neuankömmlinge in CADA Familien (AIDA 12.2015).
Quellen:
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AIDA – Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
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OFPRA – Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-da-france_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
Non-Refoulement
Menschenrechtsgruppen kritisieren regelmäßig die strikt dem Gesetz folgende Abschiebepraxis Frankreichs (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
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USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 – France, https://www.ecoi.net/local_link/322531/462008_de.html, Zugriff 22.11.2016
Versorgung
Im Rahmen der Asylreform 2015 wurden die folgenden Punkte des französischen Asylgesetzes in Hinsicht auf die Versorgung verändert:
Laut der neuen Regelung sollen die materiellen Aufnahmebedingungen an alle Asylwerber (inkl. Asylwerber im beschleunigten und im Dublin-Verfahren) angeboten werden, mit der einzigen Ausnahme, dass Antragssteller nach dem Dublin-Verfahren keinen Zugang zu Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d’Accueil pour Demandeurs d’Asile – CADA) haben. Darüber hinaus wurden neue nationale Aufnahmestrukturen eingeführt, für die das Französische Büro für Immigration und Integration (Office français de l’immigration et de l’intégration – OFII) zuständig ist. Der Fokus liegt dabei hauptsächlich auf der Unterbringung. Parallel und in Übereinstimmung mit den nationalen Aufnahmestrukturen werden regionale Vorschriften definiert und von den Präfekten in jeder Region umgesetzt. Weiters wurde eine neue Beihilfe für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d’asile – ADA) eingeführt, die die vorherige monatliche Zahlung (Allocation Mensuelle de Subsistance, AMS) bzw. die temporäre Wartezeitzulage (Allocation Temporaire d’Attente, ATA) ersetzt (AIDA 12.2015).
Asylwerber haben nur dann Zugang zum Arbeitsmarkt während des Asylverfahrens, wenn OFPRA den Asylantrag innerhalb von neun Monaten nicht bearbeitet und diese Verzögerung nicht vom Antragssteller verschuldet wurde (AIDA 12.2015; vgl. OFPRA 11.2016).
Quellen:
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AIDA – Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
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OFPRA – Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-da-france_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
Medizinische Versorgung
Eine medizinische Erstuntersuchung bei Ankunft im Unterbringungszentrum ist verpflichtend und muss laut der neuen Asylreform innerhalb von 15 Tagen durchgeführt werden (AIDA 12.2015).
Asylwerber im ordentlichen Verfahren haben Anspruch auf die allgemeine Krankenversorgung (Couverture Maladie Universelle – CMU). Wenn der Asylwerber über keine Mittel verfügt, ist dieser Zugang für ihn kostenlos. Asylwerber im beschleunigten und im Dublin-Verfahren erhalten nunmehr eine Bestätigung über ihr laufendes Asylverfahren und haben damit auch Zugang zur CMU (früher war ihnen nur der Zugang zur staatlichen medizinischen Hilfe (Aide Médicale d’Etat – AME) gestattet). Da die rechtlichen Bestimmungen dazu fehlen, bleibt also abzuwarten, ob diese Maßnahme tatsächlich auch in die Praxis umgesetzt wird. Zugang zur AME (nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich möglich) ist für AW auch weiterhin möglich, selbst wenn andere Sozialleistungen reduziert oder entzogen worden sein sollten. Während der Wartezeit auf den Zugang zu CMU oder AME besteht immer Zugang zu den sogenannten PASS-Diensten (Tages-Gesundheitszentren) der öffentlichen Spitäler. Als größte Schwierigkeiten beim Zugang zu effektiver Gesundheitsversorgung für AW werden administrative Probleme, fehlendes Wissen über die Rechte der AW und die Sprachbarriere genannt (AIDA 12.2015; vgl. OFPRA 11.2016).
Zugang zu mentaler Gesundheitsversorgung wird von der Gesetzgebung nicht explizit erwähnt, AW können aber im Rahmen der CMU oder AME theoretisch psychiatrische oder psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele Therapeuten nehmen jedoch keine nicht-frankophonen Patienten. Traumatisierte oder Opfer von Folter können sich von einigen NGOs betreuen lassen, die sich speziell diesen Themen widmen, z.B. Primo Levi in Paris oder die Osiris-Zentren in Marseille, Mana in Bordeaux, das Forum réfugiés-Cosi Essor-Zentrum in Lyon oder Awel in La Rochelle. Die Zahl dieser spezialisierten Zentren in Frankreich ist aber gering und ungleich verteilt und kann den wachsenden Bedarf nicht decken (AIDA 12.2015).
Quellen:
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AIDA – Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
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OFPRA – Office française de protection des réfugiés et apatrides (11.2015): Guide for Asylum Seekers in France, https://ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/guide-da-france_anglais.pdf, Zugriff 22.11.2016
Unterbringung
Im März 2015 standen 258 Unterbringungszentren für Asylwerber (Centre d’Accueil pour Demandeurs d’Asile – CADA), 1 spezielles Zentrum für UMA, 2 Transitzentren und weitere Notunterkünfte zur Verfügung. Die Gesamtaufnahmekapazität betrug ca. 48.100 Plätze. Es besteht jedoch ein kontinuierlicher Mangel an Unterkünften für Schutzsuchende. Asylwerber werden nicht immer dort untergebracht, wo sie ihren Asylantrag stellen. Sie müssen deshalb innerhalb von 5 Tagen in dem zugeteilten Unterkunftszentrum erscheinen, ansonsten werden die weiteren Beihilfen für Asylwerber (Allocation pour demandeurs d’asile – ADA) entzogen.
Die Plätze in den CADA werden vom OFII zugeteilt und bis auf Personen im Dublin-Verfahren werden Asylwerber dort untergebracht. Im Jahr 2014 betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im CADA ca. 534 Tage. Lehnt der Antragssteller den Platz ab, enthält er auch keine ADA. Gibt es temporär keinen Platz in einem CADA, kommt der Asylwerber auf eine Warteliste und wird in der Zwischenzeit an eine provisorische Unterbringung vermittelt. Aufgrund des Platzmangels sind die Betroffenen jedoch oft auf Nachtquartiere angewiesen oder sie werden obdachlos. Die neue Asylreform versucht diesem Phänomen gegenzusteuern. 2015 wurde die Errichtung weiterer 4.200 Plätze geplant (AIDA 12.2015).
Es gibt in Frankreich 2 Transitzentren zur temporären Erstaufnahme von Asylwerbern und ihre Verteilung im nationalen Unterbringungssystem. Das Zentrum in Villeurbanne verfügt über 220, jenes in Ctéteil über 80 Plätze. Unter bestimmten Umständen können hier auch Personen im Dublin-Verfahren oder Schnellverfahren für eine bestimmte Zeit untergebracht werden (AIDA 12.2015).
Aufgrund des Mangels an Aufnahmekapazitäten in CADA können Asylwerber auch in Notfallzentren untergebracht werden. Dabei wird es zwischen den temporären Aufnahmezentren (accueil temporaire – service de l’asile – AT-SA) und Notunterkünften für Asylwerber (hébergement d’urgence dédié aux demandeurs d’asile – HUDA) unterschieden. AT-SA verfügen über 2.800 Plätze (bis Ende 2015 sollen 4.000 zusätzliche Plätze hinzukommen. HUDA verfügen im Notfall über bis zu 19.600 Plätze (AIDA 12.2015).
In einigen Regionen entstanden in den letzten Jahren illegale Lager, etwa in Städten wie Paris, Bordeaux und Calais. Dort leben illegale Migranten, aber auch Asylwerber oft monatelang unter schlechten Bedingungen. Die meisten Personen wollen in Frankreich keinen Asylantrag stellen, sondern warten auf eine Weiterreise nach Großbritannien. Demnach haben sie aber auch keinen Zugang zur staatlichen Versorgung in Frankreich. Diese Lager werden von den Behörden immer wieder aufgelöst, aber es gibt bisher noch keine dauerhafte Lösung (AIDA 12.2015).
Mittlerweile gibt es in ganz Frankreich 450 Erstaufnahmezentren, in denen für Neuankommende aus Calais rund 7.500 Plätze zur Verfügung stehen. 85% davon wurden in Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern vor allem in bereits vorhandenen, leerstehenden Gebäuden geschaffen. Dort gibt es Unterbringung, Verpflegung und Betreuung. Nach Vorstellung des Innenministers sollen die Migranten nur wenige Monate in den Zentren verbringen, ehe sie ihren Asylantrag stellen. Besonderes Augenmerk liegt auf der Situation von unbegleiteten Minderjährigen, für die ein eigener Bereich zur Registrierung geschaffen wurde. Bislang wurden über 400 Minderjährige in provisorische Zentren im Umfeld des Lagers gebracht. Gemeinsam mit den dort befindlichen 200 weiteren unbegleiteten Minderjährigen warten sie auf die Prüfung der familiären Anknüpfungspunkte nach Großbritannien. Großbritannien hat sich dazu verpflichtet, unbegleitete Minderjährige mit familiären Verbindungen zu übernehmen und bis Ende Oktober 2016 bereits rund 300 unbegleitete Minderjährige übernommen (ÖB 25.10.2016).
Wenn sich Asylsuchende aufgrund des Grenzverfahrens in den Wartezonen befinden, müssen sie dort untergebracht werden. Am Flughafen Roissy CDG gibt es 160 Plätze. In anderen Wartezonen werden Asylsuchende entweder in den naheliegenden Unterbringungsmöglichkeiten, wie einfache Hotels, oder in den Räumlichkeiten der jeweiligen Polizeistation untergebracht, solange überprüft wird, ob sie in das Land einreisen und einen Asylantrag stellen dürfen (AIDA 12.2015).
Quellen:
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AIDA – Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
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ÖB Paris (25.10.2016): Auskunft der Botschaft, per E-Mail
Unbegleitete Minderjährige
Den Begriff "unbegleiteter Minderjähriger" gibt es im französischen Recht nicht. Ihre Versorgung basiert daher auf den Bestimmungen zu gefährdeten Kindern, für welche die Départements zuständig sind. Das Regierungsrundschreiben vom 31. Mai 2013 zielt unter anderem darauf ab, die Unterbringungsbedingungen und Unterstützungsleistungen für UM zu harmonisieren und Unterschiede zwischen den Départements zu beseitigen. Daher deckt seit Juni 2013 der Staat die Kosten für die ersten 5 Tage der Betreuung von UM, in denen die Evaluierung und Orientierung vorgenommen wird. Wenn in diesen 5 Tagen die Minderjährigkeit festgestellt wird, bestimmt der Staatsanwalt den Unterbringungsplatz in einem Département. Manchmal weigern sich Départements UM zu übernehmen und obwohl sie die rechtliche Möglichkeit hätten, greifen die Staatsanwälte selten zu verbindlichen Maßnahmen (AIDA 12.205).
Identifizierte UM (auch jene zwischen 16 und 18 Jahren) werden in Kinderbetreuungseinrichtungen der Départements oder in Pflegefamilien untergebracht. Außerdem gibt es ein spezialisiertes Zentrum auf Ebene des Départements in Côtes-d’Armor (Samida), betrieben von der NGO Coallia (AIDA 12.2015).
Quellen:
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AIDA – Asylum Information Database (12.2015): Country Report:
France,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf, Zugriff 22.11.2016
Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, der Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen sei, weil gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO Frankreich für die Prüfung des Antrages zuständig sei.
Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführerin ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Beschwerdeführerin leide an keinen schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben. Es lebe der Bruder der Beschwerdeführerin in Österreich, sie sei aber weder aus gesundheitlichen Gründen noch finanziell von diesem abhängig. Daher stelle die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.
3. Gegen den Bescheid des BFA erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig das Rechtmittel der Beschwerde und hielt fest, dass der Bescheid zur Gänze angefochten werde. Gleichzeitig stellte sie den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Inhaltlich wurde auf das bereits erstattetes Vorbringen verwiesen und ausgeführt, dass die Behörde das Verwandtschaftsverhältnis zum in Österreich lebenden Bruder der Beschwerdeführerin nicht festgestellt habe. Die Beschwerdeführerin habe ein besonders enges Verhältnis zu ihrem Bruder und habe mit diesem die meiste Zeit ihres Lebens in einem Haushalt gelebt. Der Kontakt mit ihrem Bruder sei ihr sehr wichtig. Die Beziehung mit ihrem Bruder wäre im Rahmen des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen gewesen und das Verfahren wäre in weiterer Folge in Österreich zuzulassen gewesen. Die belangte Behörde habe es zudem unterlassen, dem Bescheid aktuelle Länderfeststellungen zugrunde zu legen. Den Länderberichten zu Frankreich sei zu entnehmen, dass Asylwerber aufgrund des Platzmangels oft auf Nachtquartiere angewiesen seien oder obdachlos würden. Auch komme es immer wieder zu Schwierigkeiten beim Zugang zu effektiver Gesundheitsversorgung.
4. Mit Schreiben vom 15.03.2017 setzte das BFA die französische Dublin-Behörde davon in Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin unbekannten Aufenthaltes sei, weshalb sich die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO auf 18 Monate verlängere.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, stellte im Bundesgebiet am 29.08.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Sie verfügte über ein von 20.07.2016 bis 19.08.2016 gültiges Schengen-Visum Typ C, ausgestellt am 30.05.2016 von der Botschaft der Republik Frankreich in Teheran/Iran.
Das BFA richtete am 07.09.2016 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmeersuchen an Frankreich, welchem die französische Dublin-Behörde ausdrücklich mit Schreiben vom 20.09.2016 gemäß Art. 22 Abs. 4 Dublin-III-VO zustimmte.
Besondere, in der Person der Beschwerdeführerin gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Frankreich sprechen, liegen nicht vor.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.
Besonders schützenswerte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht. Ein Bruder der Beschwerdeführerin lebt im Bundesgebiet, sie lebt mit diesem aber nicht im gemeinsamen Haushalt. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis besteht nicht.
Die Beschwerdeführerin leidet unter Lumboischialgie; dabei handelt es sich um in das Bein fortgeleitete Rückenschmerzen, die auf eine Nervenwurzelreizung zurückzuführen sind. Die Beschwerdeführerin nimmt dagegen (nicht näher bekannte) Medikamente und geht in Bewegungstherapie.
Die Beschwerdeführerin ist untergetaucht, weshalb die Überstellungsfrist nunmehr 18 Monate beträgt.
2. Beweiswürdigung:
Auf Grund des Treffers in der VIS-Datenbank steht fest, dass die Beschwerdeführerin über ein von 20.07.2016 bis 19.08.2016 gültiges Schengen-Visum, ausgestellt am 30.05.2016 von der Botschaft der Republik Frankreich in Teheran/Iran, verfügte.
Die Feststellung bezüglich der ausdrücklichen Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin seitens Frankreichs ergibt sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und französischen Dublin-Behörde. Der diesbezügliche Schriftwechsel ist Teil des Verwaltungsaktes.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Frankreich auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass das französische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens sowie auf die Versorgungslage von Asylsuchenden in Frankreich den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat die Beschwerdeführerin sohin nicht dargetan.
Die festgestellten, familiären und persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin ergeben sich im Speziellen aus den eigenen Angaben.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ergeben sich aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu tangieren.
Dass die Beschwerdeführerin unbekannten Aufenthalts ist, ergibt aus dem Zentralen Melderegister, dem sich entnehmen lässt, dass die Beschwerdeführerin zuletzt bis 24.05.2017 an einer näher genannten Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet war. Nach diesem Zeitpunkt scheinen keine aufrechten Meldungen im Bundesgebiet mehr auf. Dass sich die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert hat, ergibt sich aus dem rechtzeitig an die französischen Behörden gerichteten Mitteilungsschreiben des BFA vom 15.03.2017.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I 70/2015 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. ...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
"
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-VO lauten:
"Artikel 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Artikel 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Artikel 12
Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft ( 1 ) erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
Artikel 13
Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Artikel 16
Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Artikel 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.