Entscheidungsdatum
25.10.2017Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L514 2144725-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Mariella KLOIBMÜLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch RA Mag. German BERTSCH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2016, Zl. 1067348106/150465205 RD Vorarlberg, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, arabischer Abstammung und sunnitischen Glaubens, stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Hierzu wurde er am 08.05.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 02.11.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.
Als Grund für seine Ausreise brachte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Erstbefragung im Wesentlichen vor, aufgrund seiner Tätigkeit als Journalist von Milizen bedroht worden zu sein. Weiters habe ein Bruder bei der Regierung gearbeitet, daher werde seine ganze Familie bedroht. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst, festgenommen bzw. getötet zu werden.
Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 02.11.2015 legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Beweismitteln vor (AS 57 – 165) und konkretisierte seine bisherigen Angaben, indem er zu Protokoll gab, er habe zwei Brüder – beide seien Offiziere und hätten mit XXXX zusammen gearbeitet. Sein ältester Bruder XXXX befinde sich seit ca. vier Jahren – seit Ende 2011 – in Haft und sei über ihn die Todesstrafe verhängt worden. Auch dessen Freunde und Ehefrau seien verhaftet worden; die Ehefrau sei nach einer Woche aufgrund der Aussage ihres Ehemannes im Fernsehen, er gehöre zu den Terroristen, entlassen worden. Der zweite Bruder des Beschwerdeführers namens XXXX (alias XXXX ) lebe derzeit mit ihm gemeinsam in einer Wohnung in XXXX . Wörtlich führte der Beschwerdeführer weiters aus: "Nach der Entführung von meinem Bruder und dem, was im Fernseher gesendet wurde, da wäre ich von der Blutrache betroffen gewesen. Mein Bruder hat ja gesagt, dass er Terrorist wäre. Deshalb hätten die Angehörigen von den getöteten Personen an meiner Familie Blutrache genommen." Auf den Vorhalt, dass dies bereits im Jahr 2011 gewesen sei und auf die Frage, wie der Beschwerdeführer noch vier Jahre lang im Irak leben habe können, erwiderte dieser: "Die Personen, die ums Leben kamen durch die Anschläge meines Bruders, die sind alle Schiiten und es ist ganz bekannt, das XXXX unter Besitz der Sunniten ist. Kein Schiite konnte reinkommen. Deswegen konnte ich dort leben. Wäre der IS nicht dort, könnte ich immer noch dort leben." Die Frage auf konkrete Hinweise, ob ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe oder ob dieser mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, beantwortete er folgendermaßen: "Ich habe nur einen Haftbefehl, den habe ich von meinem Freund bekommen. In sunnitischen Orten würde ich vom IS getötet und sonst würde ich verhaftet." Ferner gab der Beschwerdeführer auf die Frage, ob dieser in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht werde, an: "Ja, die Regierung sucht mich und der IS." Auch sein Cousin XXXX sei in XXXX und ein weiterer Cousin XXXX in der Nähe von Tirol aufhältig.
2. Mit nunmehr bekämpftem Bescheid des BFA vom 21.12.2016, Zl. 1067348106/150465205 RD Vorarlberg, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV).
Beweiswürdigend führte das BFA aus, dem Beschwerdeführer sei die Glaubwürdigkeit zu versagen bzw. habe dieser seine Furcht nicht plausibel machen können. Vor diesem Hintergrund und aufgrund des Eindruckes des Aufbaus einer konstruierten Fluchtgeschichte vermochte das BFA keine aktuelle und individuelle asylrelevante Verfolgung zu erkennen. Auch eine Gefährdung im Falle der Rückkehr in den Heimatstaat könne nicht wahrgenommen werden.
In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde sodann, der Beschwerdeführer habe ob des gänzlichen Fehlens der Glaubwürdigkeit zu seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu verzeichnen bzw. sei eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben, sodass der Status des Asylberechtigten nicht zu gewähren sei. Der Beschwerdeführer verfüge im Irak über ausreichende Ressourcen und drohe diesem keine reale Gefahr einer Verletzung der von der EMRK gewährleisteten Rechte sowie keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts, sodass ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen sei. Dem Beschwerdeführer sei schließlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.
Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 22.12.2016 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
3. Gegen diesen am 27.12.2017 dem Beschwerdeführer ordnungsgemäß zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters vom 09.01.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben.
Begründend wurde im Wesentlichen das bisher vom Beschwerdeführer Gesagte wiederholt.
4. Auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes übermittelte das BFA am 11.10.2017 den Akt des Bruders des Beschwerdeführers namens XXXX (alias XXXX ), geb. am XXXX , StA. Irak, Zl. XXXX . Mit Bescheid des BFA vom 30.09.2015 wurde der Antrag des Bruders auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ihm aber der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. In Erledigung einer dagegen gerichteten Beschwerde hob das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid am 10.05.2016 auf und verwies diesen zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück. Daraufhin richtete die Staatendokumentation des BFA am 17.06.2016 eine Anfrage an ACCORD, die mit Schreiben vom 30.06.2016 beantwortet wurde ("Situation von ehemaligen Mitarbeitern von XXXX "), in welcher auch der Name XXXX (als ehemaliger Sicherheitsbediensteter von XXXX ) aufschien. Mit Bescheid vom 30.09.2016 wurde schließlich dem Antrag des XXXX auf internationalem Schutz stattgegeben und ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A): Behebung des bekämpften Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl
2.1.1. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
2.1.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
2.1.3. Beginnend mit dem Erkenntnis des VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, wurde zur Sachentscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes ausgeführt, dass die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme zur grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Das in § 28 VwGVG verankerte System verlange im Sinne der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.
Im angeführten Erkenntnis des VwGH wird diesbezüglich ausgeführt:
"Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden [...]".
2.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:
2.2.1. Der Beschwerdeführer brachte mehrere Gründe zur Begründung seiner Ausreise aus dem Irak vor: Zum einen gab er an, dass er aufgrund seiner Tätigkeit als Journalist von Milizen bedroht worden sei. Diesbezüglich finden sich weder relevante beweiswürdigende Auseinandersetzungen noch spezifische Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde. Dies ist jedoch insofern von Bedeutung, als der Beschwerdeführer mit seiner beruflichen Tätigkeit zu den Personen zählt, die im Irak zumindest gefährdet sind. Eine abschließende Beurteilung lässt sich jedoch aufgrund der im Akt befindlichen Länderberichte nicht vornehmen.
Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, seine Brüder seien ehemalige Mitarbeiter des irakischen Vizepräsidenten XXXX , wobei der eine im Irak in Haft und zum Tode verurteilt worden sei, der andere in Österreich bei ihm in XXXX wohne. Diesbezüglich machte er auch noch weiterführende Angaben in seiner Beschwerde. Mit diesem Vorbringen hat sich das BFA in keinster Weise auseinandergesetzt. Dies wäre jedoch, insbesondere vor dem Hintergrund, dass einem Bruder der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, von Bedeutung. Überhaupt ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Entscheidung des BFA jegliche Auseinandersetzung zum Thema XXXX vermissen lässt. So stellte das BFA nur oberflächlich fest, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein für die Gewährung von internationalem Schutz relevanter Sachverhalt zu entnehmen sei und er sich in andere Teile seines Heimatlandes (beispielsweise in eine der Großstädte) begeben könne. Das Gleiche gilt für das Vorbringen des Beschwerdeführers seinen Cousin in XXXX betreffend.
Dem gegenüber traf die belangte Behörde jedoch die Feststellung, der Wunsch nach Emigration – in der Erwartung besserer Verdienstmöglichkeiten – rechtfertige die Gewährung von Asyl nicht. Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer selbst aber angegeben, dass seine finanzielle Situation im Irak sehr gut gewesen sei. Schließlich unterblieb eine nähere Einvernahme des Beschwerdeführers zu all diesen Umständen, die aber im vorliegenden Fall unerlässlich gewesen wäre und so ist dieses Versäumnis des BFA als besonders gravierende Ermittlungslücke anzusehen, weshalb der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht.
In der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem BFA hat der Beschwerdeführer ausdrücklich angegeben, dass einer seiner Brüder der Offizier XXXX sei, der für den Vizepräsidenten XXXX gearbeitet habe, wobei sich dieser bereits in Österreich aufhalte. Diesbezüglich hat das BFA alleine die Feststellung getroffen, dass sich der Bruder XXXX in Österreich befinde. Dem gegenüber hat die belangte Behörde aber keinerlei weitere relevante Ermittlungen getätigt bzw. Feststellungen darüber angestellt, ob der Fluchtgrund des Bruders auch für den Beschwerdeführer relevant sein könnte, obwohl aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 30.09.2016 hervorgeht, dass dieser aufgrund seiner ehemaligen beruflichen Tätigkeit als Mitarbeiter des irakischen Vizepräsidenten XXXX bereits Asyl erhalten hat.
Weiters hat der Beschwerdeführer in seinen Einvernahmen auch ausdrücklich angegeben, er sei ein Bruder des Offiziers XXXX , der für den Vizepräsidenten XXXX gearbeitet habe und sich seit Ende 2011 in Haft befinde. Das BFA hat auch diesem Umstand keinerlei Beachtung geschenkt, obwohl aus der von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen ACCORD – Anfragebeantwortung vom 30.06.2016 zur Situation von ehemaligen Mitarbeitern von XXXX zum einen ersichtlich ist, dass der im Irak befindliche Bruder XXXX aufgrund seiner ehemaligen beruflichen Tätigkeit als Sicherheitsbediensteter von XXXX zwischen XXXX verhaftet, schwer gefoltert und gezwungen worden sei, ein falsches Geständnis abzulegen, auf Basis dessen er schließlich zum Tode verurteilt worden sei. Zum anderen zeigt diese Länderfeststellung auch auf, dass ebenso Freunde und Verwandte der Mitarbeiter von XXXX verhaftet und gefoltert worden seien. Es sei auch darum gegangen, die Festgenommenen kollektiv dafür zu bestrafen, für XXXX gearbeitet zu haben.
Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren auch auf seinen in Österreich lebenden Cousin XXXX verwiesen habe. Auch diesem Umstand hat das BFA keinerlei Beachtung geschenkt, obschon aus dem Bescheid der belangten Behörde ersichtlich ist, dass dem Cousin auf Grund des innerstaatlichen Konflikts im Irak und der allgemeinen prekären Sicherheitslage zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde.
Die Bescheidbegründung des BFA erweist sich im Ergebnis mangels entsprechender Ermittlungen und letztlich auch Feststellungen als nicht zur Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers tragfähig und wurde nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes der entscheidungswesentliche Sachverhalt für die Beurteilung einer asylrelevanten Gefährdungssituation aus einem der in der GFK genannten Gründe nicht ausreichend ermittelt.
2.2.2. Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers durchzuführen haben und sich mit dem Vorbringen, dies vor allem unter Heranziehung zeitlich aktueller Feststellungen zur Lage im Irak mit Bezug zu den relevanten Themenkomplexen auseinanderzusetzen und diesbezüglich aktuelle, eindeutige und sachverhaltsbezogene Feststellungen zu treffen haben, erst dann wird eine nachvollziehbare Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes möglich sein.
Im gegenständlichen Fall hat das BFA, wie oben dargestellt, essentielle Ermittlungen unterlassen, weswegen im gegenständlichen Fall im Sinne der aktuellen Rechtsprechung des VwGH zu § 28 Abs. 3 VwGVG davon auszugehen ist, dass genau solch gravierende Ermittlungslücken vorliegen, die eben zur Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde (BFA) berechtigen, zumal das Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhaltes nicht abschließend beurteilt werden kann, ohne sich erstmalig mit dem gesamten entscheidungsrelevanten Sachverhalt auseinandergesetzt zu haben. Zudem ist anzuführen, dass das Bundesverwaltungsgericht im Gegensatz zum BFA keine "Spezialbehörde" (bzw. kein "Spezialgericht") ist, sodass davon auszugehen ist, dass insbesondere länderspezifische Ermittlungen durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit der diesem angegliederten Staatendokumentation jedenfalls unbürokratischer, schneller und billiger durchgeführt werden können.
Von diesen Überlegungen ausgehend ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das BFA zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Wie sich aus der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht zur Frage der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 VwGVG eine Rechtsprechung. Die vorliegende Entscheidung weicht von dieser Rechtsprechung auch nicht ab.
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Begründungspflicht, Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht, Kassation,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:L514.2144725.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.11.2017