TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/30 L525 2172462-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.10.2017
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Entscheidungsdatum

30.10.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L525 2172462-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Iran, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 1170 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2017, Zl. 1102447306-160082350/BMI-BFA_BGLD_RD, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 FPG 2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsbürger, stellte am 16.1.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 17.1.2016 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe Probleme mit der Polizei gehabt. Er sei betrunken mit dem PKW gefahren und von der Polizei gestellt worden. In einem günstigen Moment habe er die Flucht vor der Polizei ergriffen und habe sich der Beschwerdeführer versteckt, da er der Strafe vor Trunkenheit am Steuer entgehen habe wollen. Er befürchte im Falle seiner Rückkehr in die Heimat die Festnahme wegen dem Vorfall. Er habe keine Korrekturen zu machen und habe alles verstanden. Der Beschwerdeführer unterschrieb dann das Protokoll der Ersteinvernahme.

Der Beschwerdeführer wurde am 11.9.2017 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Personalien befragt gab der Beschwerdeführer – soweit für das weitere Verfahren von Bedeutung – an, er sei Angehöriger der Volksgruppe der Perser und bekenne sich zum schiitischen Islam. Er sei ledig.

Der Beschwerdeführer legte im Zuge der Einvernahme vor:

* Einen iranischen Personalausweis

* Eine nationale Karte aus dem Iran

* Eine Bestätigung vom 7.9.2017 von Herrn Teodor Pop, dass der Beschwerdeführer in seiner Unterkunft immer hilfsbereit und höflich sei und sehr bemüht sei die deutsche Sprache zu erlernen und dass er einen A1 Kurs am Wifi besuche

* Empfehlungsschreiben von Frau Karoline Brousek, undatiert

* Eine Bestätigung der Wirtschaftskammer Burgenland vom 6.9.2017, wonach der Beschwerdeführer die Maßnahme Deutschkurs für Asylwerber besuche

* Einen Röntgenbefund vom 29.11.2016 von Frau Dr. XXXX über einen unauffälligen Befund der Oberbauchorgane des Beschwerdeführers

* Eine Bestätigung vom 28.11.2016 von Dr. XXXX über den Beschwerdeführer

* Eine fachärztliche Stellungnahme des PSD Burgenland, wonach der Beschwerdeführer über eine Depression F 32.0, Angsterkrankung F 41.9, eine Schlafstörung F 51.0, sowie Pavor nocturnus F 51.4 leide

* Ein Befund vom 27.6.2017 von Dr. XXXX

Der Beschwerdeführer wurde weiter befragt und gab gegenüber dem BFA an, er verstehe den Dolmetscher und es würden keine Verständigungsprobleme vorliegen. Er habe keine psychischen oder physischen Probleme und könne die Einvernahme durchführen. Er sei gesund. Er sei am 21.9.1985 in Isfahan geboren und habe als Klimaanlageninstallateur gearbeitet. Vor seiner Flucht habe er nicht mehr gearbeitet und habe er von seinen Ersparnissen gelebt. Seinen Reisepass habe er bei seiner Flucht in der Türkei zurückgelassen und habe ein Freund diesen nach Hause in den Iran geschickt. Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe im Iran einen weitschichtigen Cousin gehabt, den er Onkel genannt habe. Für diesen Onkel habe er Sachen besorgt, welche 2.000.000 Toman gekostet hätten. Der Onkel sei ihm diesen Betrag schuldig gewesen und habe der Beschwerdeführer dieses Geld zurückverlangt. Es sei zu einem Streit zwischen dem Beschwerdeführer und dem Onkel (weitschichtigen Cousin) gekommen und habe dieser den Beschwerdeführer geschlagen. Dies sei im Dezember 2013/Jänner 2014 passiert. Nach dem Faustschlag ins Gesicht sei der Beschwerdeführer ins Auto gestiegen und zur Polizei gegangen. Dort habe er erfahren, dass sein Cousin eine schlechte Vergangenheit gehabt hätte und dass auch die Polizei nach ihm auf der Suche sei. Nach der Anzeige seien zwei Polizisten zum Haus des Cousins gegangen und hätten die Polizisten das Haus gestürmt. Außer dem Cousin seien noch zwei weitere Personen im Haus gewesen. Die beiden Personen und der Cousin seien festgenommen worden und hätte der Beschwerdeführer dann erfahren, dass die Polizei 17 kg Suchtgift beim Cousin gefunden hätten. Die Polizei hätte dann bis Dezember 2014/Jänner 2015 auf den Vorfall vergessen und hätte die Familie des Beschwerdeführers auch keine Informationen über den Cousin gehabt. Der Cousin hätte aber der Tante des Beschwerdeführers gesagt, dass der Beschwerdeführer den Cousin bei der Polizei gemeldet hätte. Andere Cousins und die Tante seien dann zum Elternhaus des Beschwerdeführers gekommen und hätten sich über den Beschwerdeführer beschwert. Der Beschwerdeführer sei zwar nicht zu Hause gewesen, doch hätte seine Mutter ihm davon erzählt. Circa einen Monat später hätte der Beschwerdeführer dann erfahren, dass der Cousin und die beiden anderen Inhaftierten hingerichtet worden seien. Die Verwandtschaft seines Cousins hätten dann Rache nehmen wollen und deswegen hätte der Beschwerdeführer sein Heimatland verlassen. Er hätte aber mit dem Suchtgift nichts zu tun gehabt. Befragt gab der Beschwerdeführer an, die Familie des Cousins sei in sein Büro gekommen und habe dort alles kaputt gemacht. Er sei aber nicht im Büro gewesen. Er habe sich von Ende 2014 bis Ende 2015 versteckt gehalten. Sonstigen Bedrohungen oder Verfolgungen sei er nicht ausgesetzt gewesen. Von der Polizei, der Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder anderen Behörden werde er nicht verfolgt, er sei auch nie verhaftet oder festgehalten worden. Er habe nie Probleme mit Behörde im Iran gehabt. Er sei niemals Mitglied einer politischen Partei oder Gruppierung gewesen und er sei niemals wegen seiner Rasse, Religion oder aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aufgrund seiner Nationalität verfolgt worden. Er habe vor den Verwandten der hingerichteten Männer Angst. Mit der Polizei oder anderen Behörden hätte er keine Probleme. Der Beschwerdeführer befinde sich in Grundversorgung und besuche einen Deutschkurs. Bestätigungen könne er nicht bringen. Einen Deutschkurs auf Niveau A2 habe er nicht abgeschlossen. Er sein kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation und sei er keiner legalen Beschäftigung in Österreich nachgegangen. Er habe keine nahen Bindungen zu Österreich, habe keine Verwandten oder Familienangehörigen in Österreich. Er telefoniere mit seiner Schwester über WhatsApp.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.9.2017 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.), sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde stellte zunächst fest, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Der Beschwerdeführer sei illegal in das Bundesgebiet eingereist, es könne nicht festgestellt werden, wie lange sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhalte bzw. wann er sein Heimatland verlassen habe. Er sei gesund, ledig und habe keine Kinder. Er habe im Iran als Klimaanlageninstallateur gearbeitet. Seine Mutter und seine Geschwister würden im Iran leben. Er habe am 16.1.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich eingebracht. Soziale Anbindungen hätten nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe von 1991 bis 2004 im Iran Schulen besucht. Eine asylrechtlich relevante Verfolgung könne nicht festgestellt werden, ebenso wenig eine Gefahr gemäß § 8 AsylG. Ein schützenswertes Privat- oder Familienleben habe nicht festgestellt werden können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27.9.2017 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Der Beschwerdeführer brachte zunächst vor, er sei Staatsangehöriger des Irans und bezeichne sich selbst als Atheist. Er habe im Iran einen kriminellen Cousin an die Polizei verraten, der Cousin und zwei Komplizen seien hingerichtet worden. Der Beschwerdeführer fürchte deshalb Verfolgung durch die Verwandten bzw. die Verbündeten des Cousins. Kurz vor der Flucht sei der Beschwerdeführer auch vor einer Polizeikontrolle geflohen und seien im Auto des Beschwerdeführers Flaschen mit Alkohol gefunden worden. Auch sei der Beschwerdeführer im Iran offiziell muslimischen Glaubens, er könne sich jedoch sehr lange nicht mehr mit diesem Glauben identifizieren. Er sehe sich deshalb als Atheist. Nachdem er diese religiöse Gesinnung nicht mehr verleugnen wolle, hätte er auch deshalb bei einer Rückkehr begründete Furcht vor Verfolgung. Aufgrund des Alkoholbesitzes drohe dem Beschwerdeführer zudem eine Gefängnisstrafe. Auf Apostasie stehe im Iran die Todesstrafe. Darüber hinaus fürchte er sich vor seinen Verwandten bzw. den Komplizen des Cousins. Der iranische Staat sei nicht schutzfähig. Hier in Österreich könne der Beschwerdeführer seine atheistische Einstellung frei ausleben und fühle sich der Beschwerdeführer vom Staat angenommen und akzeptiert. Er zeige sich um seine Integration sehr bemüht. Er habe außerdem eine Freundin gefunden und habe sich mit dieser verlobt. Außerdem sei der Beschwerdeführer nicht gesund. Er habe urologische Probleme und leide an Depression und habe Angst- und Schlafstörungen. Dies sei aus den vorgelegten Befunden ersichtlich. Die Beschwerde geht im Anschluss auf die Situation von vom Islam Abgefallenen im Iran ein und führt mehrere Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes an, die über Konversionen absprechen. Die Beschwerde führt weiter aus, die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer nicht zu seinem Religionsbekenntnis gefragt und auch nicht zu seiner politischen Einstellung und zu seinem Lebensstil und seiner aktuellen Glaubenssituation. Auch sei der Beschwerdeführer nicht dazu befragt worden, wann er begonnen habe vom Islam abzufallen bzw. wie sich das genau zugetragen hätte. Damit habe die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht grob verletzt. Hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer dazu befragt, so hätte er angeben können, dass er den Islam nicht als seine Religion akzeptiere und sich momentan als Atheist fühle und sich für die christliche Religion interessiere. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er lediglich mit seiner Schwester Kontakt habe. Hätte die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht näher nachgefragt, so hätte der Beschwerdeführer angegeben, dass dies deswegen sei, weil seine Mutter seine Handlungen missbillige. Die belangte Behörde hätte das Verfahren derart mangelhaft ausgeführt, dass das Vorbringen nicht gegen das Neuerungsverbot verstoße. Als weiteres Indiz für die mangelhafte Protokollierung werde auf die Fragen zur Integration verwiesen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er drei Mal in der Woche einen Deutschkurs besuche, bei der darauffolgenden Frage nach einem Deutschkurs und diesbezüglichen Beweismittel werde diese Frage verneint. Dies sei offenbar falsch, habe doch der Beschwerdeführer einerseits eine Kursbestätigung vorgelegt und habe er eben in der vorangegangenen Antwort diese Frage beantwortet. Auch sei die Feststellung, der Beschwerdeführer habe keine sonstigen sozialen Anbindungen aktenwidrig und grob mangelhaft. Die vorgelegten Bestätigungen und Empfehlungsschreiben seien nicht berücksichtigt worden. Tatsächlich verfüge der Beschwerdeführer bereits über einige soziale Anbindungen, mache sich ehrenamtlich gerne nützlich und sei sehr beliebt. Er habe bereits eine Freundin, mit der er verlobt sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsbürger und am trägt den im Erkenntniskopf angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er hat im Iran die Schule besucht und dort als Klimaanlageninstallateur gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie und lebt diese immer noch im Iran. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum schiitischen Islam und gehört der Volksgruppe der Perser an. Er spricht Farsi und beherrscht die Grundlagen der deutschen Sprache. Der Beschwerdeführer befindet sich spätestens seit dem 15.6.2016 in Österreich. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer besucht derzeit einen Deutschkurs für Asylwerber beim WIFI Burgenland. Der Beschwerdeführer geht für Nachbarn einkaufen und mit einem Hund "Gassi". Nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer in einer Lebensgemeinschaft ist. Der Beschwerdeführer leidet an einer Depression F 32.0, Angsterkrankung F 41.9, eine Schlafstörung F 51.0, sowie Pavor nocturnus F 51.4. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer an urologischen Problemen leidet.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Iran einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder er im Falle seiner Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre.

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde. Es steht auch nicht fest, dass der Beschwerdeführer um sein Leben zu fürchten hat.

Eine maßgebliche Integration konnte nicht festgestellt werden.

1.2 Länderfeststellungen:

Sicherheitslage

Auch wenn die allgemeine Lage als ruhig bezeichnet werden kann, bestehen latente Spannungen im Land, speziell in den größeren Städten. Sie haben in der Vergangenheit gelegentlich zu Kundgebungen geführt, besonders während (religiösen) Feiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es verschiedentlich zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben. Das Risiko von Anschlägen kann nicht ausgeschlossen werden (EDA 21.3.2016). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 10.5.2017b).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen (AA 10.5.2017b, vgl. BMEIA 10.5.2017).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gab es vor einigen Jahren wiederholte Anschlagsserien gegen lokale Repräsentanten aus Justiz, Sicherheitskräften und sunnitischem Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr bereits seit Frühjahr 2009 intensiviertes Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt Kampfhandlungen zwischen Militär und kurdischen Separatistenorganisation wie PJAK und DPIK, mit mehreren Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK am 6. und 7. September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. In Kurdistan besteht ein erhöhtes Aufkommen an Sicherheitskräften, mit häufigen Kontrollen bzw. Checkpoints ist zu rechnen (AA 21.3.2016b, vgl. BMeiA 10.5.2017).

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (10.5.2017b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/IranSicherheit.html, Zugriff 10.5.2017

-

BMeiA – Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (10.5.2017): Reiseinformation Iran, http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/iran-de.html, Zugriff 10.5.2017

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (10.5.2017): Reisehinweise Iran, http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/iran.html, Zugriff 10.5.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2016). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 8.12.2016).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

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Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

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Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

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Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

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Spionage für fremde Mächte;

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Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

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Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Das Sondergericht für Geistliche und die Revolutionsgerichte waren besonders empfänglich für Druck seitens der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden, die darauf drängten, Angeklagte schuldig zu sprechen und harte Strafen zu verhängen (AI 22.2.2017).

Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Justizbedienstete des Ministeriums für Geheimdienste, der Revolutionsgarden und anderer Behörden setzten sich ständig über Bestimmungen hinweg, die die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsah, wie das Recht auf einen Anwalt unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft und das Recht auf Aussageverweigerung. Strafverteidiger erhielten oft keine vollständige Akteneinsicht und konnten ihre Mandanten erst unmittelbar vor Prozessbeginn treffen. Untersuchungshäftlinge befanden sich über lange Zeiträume hinweg in Einzelhaft und hatten entweder überhaupt keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und ihrer Familie oder nur sehr selten. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel zugelassen. Richter begründeten ihre Urteile häufig nicht ausreichend, und die Justizverwaltung machte die Urteile nicht öffentlich zugänglich. Die Staatsanwaltschaft nutzte Paragraph 48 der Strafprozessordnung, um Gefangenen einen Rechtsbeistand ihrer Wahl zu verweigern (AI 22.2.2017, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten:

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"Hudud" (Verstoß gegen das Recht Gottes) enthält Straftatbestände, die im Koran und in der Sunna genauer beschrieben sind, wie z.B. Diebstahl, Raub, Alkoholgenuss, Sexualstraftaten inkl. Homosexualität und Unzucht, sowie Verbrechen gegen Gott. Zu all diesen Tatbeständen enthält das Gesetz detaillierte Beweisregelungen, nach denen der Täter jeweils nur bei Geständnis oder ihn belastenden Aussagen mehrerer Zeugen verurteilt werden soll.

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"Qesas"(Vergeltung) ist gekennzeichnet durch das Prinzip der körperlichen Vergeltung für die Tatbestände Mord und Körperverletzung mit Folge des Verlustes von Gliedmaßen. Hierbei können Geschädigte oder deren Familie selbst bestimmen, ob sie auf Vergeltung bestehen oder sich mit einer Schadensersatzzahlung zufrieden geben ("Diyeh" oder "Dyat", sog. Blutgeld; Minimalsatz rund 31.500 €). Für die in Art. 13 der Verfassung genannten religiösen Minderheiten ist Blutgeld in gleicher Höhe zu zahlen wie für die Tötung von Muslimen (AA 9.12.2015).

Die "Taazirat"-Vorschriften (vom Richter verhängte Strafen), Strafnormen, die nicht auf religiösen Quellen beruhen, bezwecken in erster Linie den Schutz des Staates und seiner Institutionen. Während für Hudud- und Qesas-Straftaten das Strafmaß vorgeschrieben ist, hat der Richter bei Taazirat-Vorschriften einen gewissen Ermessensspielraum (AA 9.12.2015).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch Auspeitschungen wer-den zum Teil öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt – auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines Abstandsgeldes verzichten (ÖB Teheran 10.2016).

Entgegen anfänglicher Erwartungen ist in der Strafrechtsnovelle die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter – insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren – nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach iStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind allerdings keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 8.12.2016).

Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 10.2016).

Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, Quellen zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt. Weiters gibt es eine Bestimmung im Strafgesetzbuch, die Richtern ermöglicht, sich auf ihr persönliches Wissen zu berufen, wenn sie Urteile fällen (ICHR 7.12.2010).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

-

AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

-

AI (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Iran, http://www.ecoi.net/local_link/336510/479174_de.html, Zugriff 24.4.2017

-

AI (11.2.2016): Flawed reforms: Iran's new Code of Criminal Procedure [MDE 13/2708/2016],

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1455175709_mde1327082016english.PDF, Zugriff 24.4.2017

-

ICHR – International Campaign for Human Rights in Iran (7.12.2010): Unprecedented Death Sentence for Christian Pastor on Charge of Apostasy,

http://www.iranhumanrights.org/2010/12/khanjani-nadarkhani-apostasy/; Zugriff 24.4.2017

-

ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

-

US DOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 Iran, http://www.ecoi.net/local_link/337185/479948_de.html, Zugriff 24.4.2017

Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung zur Vollstreckung der Gesetze und Aufrechterhaltung der Ordnung. So das Informationsministerium, die Ordnungskräfte des Innenministeriums und die Revolutionsgarden, die direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte, eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern, sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Die Sicherheitskräfte werden nicht als völlig effektiv bei der Verbrechensbekämpfung angesehen und Korruption und Straffreiheit sind weiter problematisch. Menschenrechtsgruppen beschuldigten reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert (US DOS 3.3.2017).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei, Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei), Internetpolizei, Drogenpolizei, Grenzschutzpolizei, Küstenwache, Militärpolizei Luftfahrtpolizei, eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami) ein, deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut, haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer. Organisatorisch den Pasadaran unterstellt ist die sog. Bassij-Bewegung, ein paramilitärischer Freiwilligenverband, dem auch Frauen angehören. Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst ("Vezarat-e Etela’at") mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität. Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Sicherheitskräfte und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfälle und Verletzungen von Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU-Menschenrechtssanktionsliste (AA 8.12.2016).

Die "Sepah Pasdaran" (Revolutionsgarden) sind heute die mächtigste Instanz im Iran, sowohl politisch, als auch wirtschaftlich und militärisch. Die reguläre Armee spielt neben den Pasdaran eine sehr sekundäre Rolle. Die Pasdaran sind mit modernsten Waffen ausgerüstet. Sie sind schlagkräftig und entscheiden alle militärischen Fragen, und die reguläre Armee ist dagegen völlig in den Hintergrund geraten. Inzwischen gelten sie auch als die größte wirtschaftliche Macht des Landes. Die Pasdaran bekommen zum einen Konzessionen für alle größeren infrastrukturellen Projekte im Iran. Ob es um Staudämme geht oder um den Straßenbau, den Bau von Häfen oder Flughäfen: An allen Großprojekten sind die Pasdaran beteiligt. Darüber hinaus kontrollieren sie die Häfen und Flughäfen und damit auch den gesamten Markt, Aus- und Einfuhren und vor allem auch den Schwarzmarkt. Sie können Waren ins Land bringen und ausführen, ohne Zoll oder Steuern zu bezahlen. Die Pasdaran sind auch beteiligt an Ölprojekten. Die Pasdaran sind an den Entscheidungen sowohl im Atomstreit als auch in sonstigen politisch wichtigen Angelegenheiten direkt mitbeteiligt. Sie sind sehr stark involviert in das Atomprogramm. Ihre ehemaligen Kommandeure sitzen an den Schalthebeln der Macht. 2005 hat Mahmud Ahmadinedschad, als er zum ersten Mal zum Staatspräsidenten gewählt wurde, die meisten und wichtigsten Schlüsselpositionen mit Kommandanten der Pasdaran besetzt (DW 13.6.2013). Sie sind eng mit der Politik verzahnt und konnten in den vergangenen Jahren ihren wirtschaftlichen Einfluss ausbauen. Sie sind in allen Sektoren aktiv, mit teilweise monopolartigen Stellungen in der Rüstungs- und Bauindustrie, bei Energieprojekten, im Schmuggel von Konsumgütern und im Telekommunikationssektor (DW 13.6.2013, vgl. FH 2016).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da vor allem die Basijis nicht nach iranisch-rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung, die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen, wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander. Viele Schätzungen nehmen an, dass heute mehrere Millionen Basijis im Iran tätig sind. Bereits auffälliges Hören (insb. westlicher) Musik, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen kann den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelung durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zu Verhaftungen kommt es immer wieder auch, wenn (junge) Menschen gemischtgeschlechtliche Partys feiern oder sie sich nicht an die Bekleidungsvorschriften halten. Manchmal kann bei Frauen schon ein zu kurzer/ enger Mantel oder das Hervorlugen von Haarsträhnen unter dem Kopftuch für eine Verhaftung, bei Männern zu eng anliegende Jeans, das Tragen von Goldschmuck oder ein außergewöhnlicher Haarschnitt reichen (ÖB Teheran 10.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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DW – Deutsche Welle (13.6.2013): Nirumand: "Irans wahre Machthaber",

http://www.dw.de/nirumand-irans-wahre-machthaber/a-16744438, Zugriff 2.5.2017

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FH – Freedom House (2016): Freedom on the Net 2016 – Iran, https://freedomhouse.org/sites/default/files/FOTN%202016%20Iran.pdf, Zugriff 2.5.2017

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ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

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US DOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 Iran, http://www.ecoi.net/local_link/337185/479948_de.html, Zugriff 2.5.2017

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Eine aktive, öffentliche Menschenrechtsarbeit ist in Iran nicht möglich. Alle Menschenrechtsorganisationen bedürfen einer staatlichen Genehmigung und unterliegen damit staatlicher Kontrolle. In Iran sind kaum mehr prominente Menschenrechtsverteidiger oder NGOs aktiv. Das Innenministerium warnt vor Kontakten zum Ausland und vor Kritik an der Islamischen Republik, die hart verfolgt wird, etwa in Form von Straftatbeständen wie "Propaganda gegen das Regime" oder "Aktivitäten gegen die nationale Sicherheit". Ehemals aktive iranische Menschenrechtsaktivisten sitzen in ihrer überwiegenden Mehrheit entweder in Haft oder halten sich in Europa oder Nordamerika auf. Entsprechende Zahlen sind mangels offizieller Angaben nicht vorhanden. Zusätzlich haben NGOs große Schwierigkeiten, finanzielle Quellen zu erschließen. Insbesondere der Zugang zu ausländischen Geldern bleibt verschlossen, da beim Rückgriff auf diese Gelder Gerichtsverfahren wegen Spionage, Kontakt zur Auslandsopposition oder ähnlicher Vorwürfe drohen (AA 8.12.2016, vgl. US DOS 3.3.2017). NGOs die an nichtpolitischen Themen, wie z.B. Armut und Umwelt können relativ frei von Restriktionen arbeiten. Andere Gruppierungen, vor allem solche die im Bereich Menschenrechtsverletzungen arbeiten, werden unterdrückt (FH 2017).

Menschenrechtsorganisationen sind im Iran nur vereinzelt vorhanden, da sie unter enormem Druck stehen. Es gibt auch immer wieder Bestrebungen, die Gesetzgebung für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) weiter zu verschärfen. Regelmäßig gibt es Beispiele dafür, dass Organisationen, die sich im weitesten Sinne für Menschenrechte einsetzen, unter großen Druck geraten. Vergleichsweise wurde die seit vielen Jahren existierende und anerkannte unabhängige Rechtsanwaltskammer eines Tages "missliebig", worauf von staatlicher Seite eine regierungsabhängige Anwaltsvereinigung gegründet wurde, um die traditionell bestehende Kammer zur Seite zu drängen Andererseits können manche NGOs, etwa in den Bereichen Drogenbekämpfung oder Flüchtlingsbetreuung laut eigenen Angaben ungehindert arbeiten. In anderen Bereichen, etwa LGBT-Rechte, müssen NGOs unregistriert und unter der Gefahr der Verfolgung arbeiten. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Centers", deren Gründungsmitglieder nahe allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge. Insbesondere betroffen sind Aktivisten, die sich in der Kampagne "One Million Signatures" für die Gleichberechtigung von Frauen eingesetzt haben. Auch die Gruppe "Mothers of Laleh Park" wurde verboten und ihre Gründerin zu einer Haftstrafe verurteilt. Im September 2013 wurden ein Dutzend politische Häftlinge, unter anderem Menschenrechtsaktivisten und –anwälte der zuletzt genannten Kampagnen, freigelassen. Ungeachtet dessen, befinden sich noch hunderte politische Gefangene in Zusammenhang mit ihrer Menschenrechtsarbeit in Haft. Allen Menschenrechts-NGOs werden jeglicher Kontakt mit dem Ausland und AusländerInnen strikt verboten – und für einen solchen Fall strenge Strafen in Aussicht gestellt (ÖB Teheran 10.2016).

Die Regierung schränkte die Arbeit von Menschenrechtsgruppierungen und Aktivisten ein und reagierte auf Anfragen und Berichte mit Belästigungen, Inhaftierungen und Überwachungen. Unabhängige Menschenrechtsgruppen sehen sich weiterhin Belästigungen aufgrund ihrer Tätigkeiten und möglichen Schließungen, aufgrund anhaltender und oft willkürlicher Verzögerungen bei der offiziellen Registrierung gegenüber (US DOS 3.3.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

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FH – Freedom House (2017): Freedom in the World 2017, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/iran, Zugriff 2.5.2017

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ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

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US DOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 Iran, http://www.ecoi.net/local_link/337185/479948_de.html, Zugriff 2.5.2017

Allgemeine Menschenrechtslage

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 8.12.2016). Der Iran zählt zu den Ländern mit einer beunruhigenden Lage der Menschenrechte, was sich auch auf die Asyl- und Migrationsströme auswirkt. Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 10.2016). Ehemals aktive iranische Menschenrechtsaktivisten sitzen in ihr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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