Entscheidungsdatum
08.11.2017Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W200 2165959-1/6E
W200 2166403-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Mag. Wagner sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 26.05.2017, über die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages
1. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, OB: 75982573500039
2. auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO, OB:
75982573500027
zu Recht erkannt:
A)
1.) Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
2.) Die Beschwerde wird gemäß § 29b StVO iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.
B)
1. und 2.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei stellte unter Vorlage von medizinischen Unterlagen am 31.03.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO).
Das vom Sozialministeriumservice eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.05.2017, basierend auf einer Begutachtung am 22.05.2017, ergab Folgendes:
"Anamnese:
Ischäm. Insult rechts am 07.09.2015 (Thromb.im Ii. Herzohr, Lyse KH Hietzing), Mehrere rezente bilat. embolische Infarkte am 29.04.2016 AKH (2x2 cm haltender Thrombus im Ii. Herzohr (papilläres Fibroelastom, mediane Sternotomie 07.06.2016 Exstirpation )
Derzeitige Beschwerden:
Ich hätte gerne das Pickerl, dass wir überall stehen können. Außerdem brauche ich den Invalidenausweis. Ich kann die linke Hand überhaupt nicht bewegen. Ich kann mit der linken Hand nichts halten. Mit dem linken Fuß habe ich Schwierigkeiten beim Stufen Steigen. Manchmal ist es auch so, dass ich einfach stürze
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Detrusitol, Novalgin, Thrombo Ass, Venlafaxin, Inderal, Furospirobene, Concor, Agopton, Atorvastatin, Trittico, Pradaxa
Sozialanamnese:
verheiratet, 2 Kinder, in Pension
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Klinik Pirawarth Therapie und Rehabilitation Bad Pirawarth, 11.08.2016
Ischäm. Insult rechts am 07.09.2015 (Thromb.im Ii. Herzohr, Lyse KH
Hietzing), Mehrere rezente bilat. embolische Infarkte am 29.04.2016
AKH (2x2 cm haltender Thrombus im Ii. Herzohr => papiläres
Fibroelastom=>mediane Sternotomie 07.06.2016 Exstirpation [ ]
Allgemeinzustand: Zufriedenstellend
Ernährungszustand: adipös
Größe: 168,00 cm Gewicht: 80,00 kg Blutdruck: 130/70
Klinischer Status – Fachstatus:
77 Jahre
Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet
Caput: Visus: unauffällig Zähne: saniert, Rachen bland, Hörvermögen nicht eingeschränkt
keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei
Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflusstauung, Lymphknoten:
nicht palpabel
Thorax. Symmetrisch, elastisch, Med.Sterniotomienarbe
Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent
Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe
Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,
Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei.
Pulse: Allseits tastbar
Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff rechts durchführbar, links: Nackengriff bis zum Ohr möglich, Schürzengriff bis zur Hüfte möglich, linker Arm bis 85° abduzierbar, grobe Kraft links mittelgradig vermindert, Faustschluß und Spitzgriff links erschwert durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben,
Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft links geringgradig vermindert, Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken endlagig eingeschränkt, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.,
Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 20 cm,
Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich
Gesamtmobilität – Gangbild:
leicht hinkendes, sicheres Gangbild, kein Gehbehelf
Status Psychicus:
bewußtseinsklar, orientiert, kein kognitives-mnestisches Defizit,
Gedankenstuktur: geordnet, kohärent, keine Denkstörung, Konzentration ungestört, Antrieb unauffällig, Stimmungslage ausgeglichen, gut affizierbar, Affekte angepasst, keine produktive Symptomatik
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Zustand nach Insult mit atembetonter Hemiparese links unterer Rahmensatz, da gut erhaltene Gehfähigkeit
04.01.02
50
Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.
[ ] Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Die Entfernung eines papillären Fibroelasto, erreicht ohne Malignitätsnachweis keinen GdB.
[ ] Dauerzustand. [ ]
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
keine. Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten, sowie der Wirbelsäule vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen vor allen der rechten oberen Extremität und beiden unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Das Anhalten ist mit der rechten oberen Extremität gewährleistet. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein [ ]"
Der Beschwerdeführerin wurde sodann ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 vH ausgestellt. Dieser wurde nicht bekämpft.
Mit verfahrensgegenständlichen Bescheiden des Sozialministeriumservice vom 26.05.2017 wurden die Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass sowie auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO abgewiesen. Begründend wurde in Bezug auf die Nichtvornahme der Zusatzeintragung auf das eingeholte Gutachten vom 23.05.2017 verwiesen, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen. Die Nichtausstellung des Parkausweises wurde damit begründet, dass ihr Behindertenpass über keine Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verfüge, die wiederum Voraussetzung für die Ausfolgung eines Parkausweises sei.
Im Rahmen der fristgerecht gegen die beiden Bescheide vom 26.05.2017 erhobenen Beschwerde wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nach einigen Schritten nicht mehr die Kraft aufbringen könne, um Stufen zu steigen oder weitere Strecken für den Einkauf zu Fuß zurückzulegen (der Einkauf könne nicht selbst getragen werden).
Das Bundesverwaltungsgericht holte in weiterer Folge ein Ergänzungsgutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin ein, welches Folgendes ergab:
"Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit 50
%.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel" wurde mit dem Bescheid vom 26.5.2017 abgewiesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird angeführt, dass die Beschwerdeführerin nach einigen Schritten nicht mehr die Kraft aufbringen könne, um Stufen zu steigen oder weitere Strecken für den Einkauf zu Fuß zurückzulegen (AS 63).
Das Bundesverwaltungsgericht ersucht
1) um Einholung einer Stellungnahme unter Zugrundelegung der durchgeführten Untersuchung und des Gutachtens von 23. 5. 2017 (AS 52-56), ob die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde den Tatsachen entsprechen.
2) bzw. geeignet sind eine Änderung der Einschätzung hervorzurufen.
Im Rahmen der klinischen Untersuchung konnte ein leicht hinkendes, jedoch sicheres Gangbild festgestellt werden. Ein Gehbehelf war nicht erforderlich. Ebenso zeigte sich im Bereich der unteren Extremität nur eine geringgradige verminderte Kraft linksseitig. Im Bereich der oberen Extremität konnte eine mittelgradige Funktionseinschränkung festgestellt werden.
Bei Zustand nach Insult handelt es sich somit um eine armbetonte Hemiparese links mit gut erhaltener Gehfähigkeit.
In Arztbrief vom 21.11.2015, NRZ Rosenhügel (AS 12-16) wird eine Gehgeschwindigkeit von 3,27 km/h dokumentiert, die Gangsymmetrie ist normal, die Gleichmäßigkeit der Schritte ist normal. Die Kontaktzeit ist links etwas kürzer als rechts. Die subjektive Gangsicherheit wird mit 100 % angegeben. Das Stiegen steigen ist mit Anhalten (wegen Knieschmerzen) hinauf und hinunter möglich.
Somit ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der rechten oberen Extremität sowie beider unteren Extremitäten ist das ein und aussteigen ohne Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten ist mit der rechten Hand gut möglich. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin bewirken somit keine Änderung der Einschätzung."
Im dem der Beschwerdeführerin zu dem Gutachten gewährten Parteiengehör gab diese keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.
1.2. Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Die Voraussetzungen für die beantragte Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO liegen nicht vor.
1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:
Status:
Thorax: symmetrisch, elastisch, Med. Sterniotomienarbe.
Cor: rhythmisch, rein, normfrequent.
Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe.
Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,
Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: frei.
Pulse: allseits tastbar.
Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff rechts durchführbar, links: Nackengriff bis zum Ohr möglich, Schürzengriff bis zur Hüfte möglich, linker Arm bis 85° abduzierbar, grobe Kraft links mittelgradig vermindert, Faustschluss und Spitzgriff links erschwert durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben.
Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft links geringgradig vermindert, Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken endlagig eingeschränkt, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben, keine Varikositas, keine Ödeme bds.
Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 20 cm, Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich.
Gesamtmobllität - Gangbild:
leicht hinkendes, sicheres Gangbild, kein Gehbehelf.
Status Psychicus:
bewusstseinsklar, orientiert, kein kognitives-mnestisches Defizit.
Gedankenstruktur: geordnet, kohärent, keine Denkstörung, Konzentration ungestört, Antrieb unauffällig, Stimmungslage ausgeglichen, gut affizierbar, Affekte angepasst, keine produktive Symptomatik.
Funktionseinschränkungen:
Zustand nach Insult mit atembetonter Hemiparese bei gut erhaltener Gehfähigkeit.
1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:
Es liegen zwar eine geringgradig verminderte Kraft linksseitig im Bereich der unteren Extremitäten sowie eine mittelgradige Funktionseinschränkung im Bereich der oberen Extremität, jedoch keine erhebliche Einschränkung der unteren Extremitäten vor. Ein Gehbehelf ist nicht erforderlich. Bei Zustand nach Insult handelt es sich um eine armbetonte Hemiparese links mit gut erhaltener Gehfähigkeit. Es liegt ein sicheres Gangbild vor, wenn auch leicht hinkend. Die Gangsymmetrie und Gleichmäßigkeit der Schritte sind normal. Die Kontaktzeit ist links etwas kürzer als rechts. Die subjektive Gangsicherheit wird mit 100 % angegeben. Das Steigen von Stiegen ist mit Anhalten (wegen Knieschmerzen) hinauf und hinunter möglich. Die Beschwerdeführerin kann sich daher im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 200 - 300 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen.
Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der rechten oberen Extremität sowie der unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne Hilfe zumutbar. Das sichere Anhalten ist mit der rechten Hand gut möglich. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.
Die festgestellte Funktionseinschränkung wirkt sich somit nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus. Es besteht keine erhebliche Einschränkung der Mobilität durch die festgestellte Funktionseinschränkung. Es besteht auch keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, es besteht keine schwere Erkrankung des Herz-Kreislaufsystems oder der Lunge.
Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.
Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
2. Beweiswürdigung:
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 23.05.2017 eingeholt worden. Bereits im vorzitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Das Leiden "Zustand nach Insult mit armbetonter Hemiparese links bei gut erhaltener Gehfähigkeit" führt laut Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung.
In dem – aufgrund des vorliegenden Beschwerdevorbringens – vom BVwG in Auftrag gegebenen Ergänzungsgutachten der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 17.09.2017 war unter Beachtung sämtlicher bis dahin vorgelegter Befunde darüber hinaus ausführlich dargelegt worden, dass zwar ein leicht hinkendes, jedoch sicheres Gangbild festgestellt werden konnte. Ein Gehbehelf ist demnach nicht erforderlich. Ebenso liegt im Bereich der unteren Extremitäten nur eine geringgradige verminderte Kraft linksseitig vor. Im Bereich der oberen Extremität konnte eine mittelgradige Funktionseinschränkung festgestellt werden. Bei Zustand nach Insult handelt es sich somit um eine armbetonte Hemiparese links mit gut erhaltener Gehfähigkeit. Im Arztbrief vom 21.11.2015 wird eine Gehgeschwindigkeit von 3,27 km/h dokumentiert, die Gangsymmetrie und die Gleichmäßigkeit der Schritte sind normal. Die Kontaktzeit ist links etwas kürzer als rechts. Die subjektive Gangsicherheit wird mit 100 % angegeben. Das Steigen von Stiegen ist mit Anhalten (wegen Knieschmerzen) hinauf und hinunter möglich.
Im Gutachten wird weiters explizit beschrieben, dass jedenfalls von zurücklegbaren kurzen Wegstrecken ausgegangen werden kann. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der rechten oberen Extremität sowie beider unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne Hilfe möglich.
Eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung der unteren Extremitäten kann der erkennende Senat somit unter Zugrundelegung der schlüssigen ärztlichen Gutachten bei der Beschwerdeführerin nicht erkennen.
Aus den Gutachten ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf maßgebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen.
In den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten wird auf den Zustand der Beschwerdeführerin ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin ist den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten, welche zum gleichen Ergebnis gelangen, nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der von der belangten Behörde und vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Zu A)
1.)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-
arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-
Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-
hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-
Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-
COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-
Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-
mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)
Bei der Beschwerdeführerin liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.
Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen rechten Extremität bei der Beschwerdeführerin ausreichend gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Es ist bei der Beschwerdeführerin von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar."
rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
2.)
§ 29b Abs. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) besagt:
"Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, ist als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. [ ]"
Wie bereits ausgeführt, liegen unter Zugrundelegung der erstatteten Gutachten und insbesondere auch unter Anwendung der Erläuterungen der gegenständlichen Verordnung die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung und in weiterer Folge für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO nicht vor.
Mangels Vorliegen der Voraussetzungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten und auch vom BVwG ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 17.09.2017 eingeholt worden. In den vorzitierten Gutachten wurde der Zustand der Beschwerdeführerin im Detail dargelegt und übereinstimmend das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.
Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden die Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher unterbleiben.
Zu B)
1.) und 2.) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W200.2165959.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.11.2017