TE Bvwg Erkenntnis 2017/11/8 W200 2172443-1

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Veröffentlicht am 08.11.2017
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Entscheidungsdatum

08.11.2017

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W200 2172443-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Mag. Wagner sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 23.08.2017, OB: 11762116700018, über die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 20.06.2017 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Begründend wurde auch auf die angeschlossenen Unterlagen verwiesen. Vorgelegt wurde ein Konvolut medizinischer Unterlagen, insbesondere Auszüge aus dem eJournal über Besuche der Schmerzambulanz des AKH Wien, radiologische Befunde, MRT-Befunde, ein Bericht über eine stationäre neurologische Rehabilitation vom 19.08.2016 bis 16.09.2016, Berichte über stationäre Aufenthalte im SMZ Ost, Abt. Neurologie, ein elektroneurodiagnostischen Befund,

....

Weiters wurde auch ein Bescheid der PVA über die Anerkennung des Anspruches auf Pflegegeld in der Höhe der Stufe 1 vorgelegt.

Die belangte Behörde hat am 22.08.2017 ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. Im Gutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 30 vH festgestellt (sensomotorische Polyneuropathie, Pos.Nr. 04.06.01, Gdb 30%; deg. Gelenks- und Wirbelsäulenveränderung, Pos.Nr. 02.02.01, Gdb 20%; Neuropathia vestibularis, Pos.Nr. 12.03.01, Gdb 20%).

Mit angeführtem Bescheid vom 23.08.2017 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dagegen fristgerecht Beschwerde erhoben. Seiner Ansicht nach sei ein allgemeinmedizinisches Gutachten nicht ausreichend zur Beurteilung des neurologischen Beschwerdebildes, zumal laut einer gerichtlich beeideten Gutachterin auch eine Hirnnervenbeteiligung und ein Ausfall des Gleichgewichtsorgans im Rahmen der neurologischen Erkrankung vorliege..... Das im Verfahren des ASG Wien eingeholte neurologische Gutachten (Verfahren über Anspruch auf Zuerkennung von Pflegegeld) war der Beschwerde als Beilage angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.

Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)

In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)

Wie im Verfahrensgang ausgeführt, hat der Beschwerdeführer neurologische Erkrankungen vorgebracht, neurologisch-fachärztliche Unterlagen vorgelegt, er befindet sich offensichtlich in neurologischer Behandlung. Es wurden im von der belangten Behörde eingeholten Gutachten des Arztes für Allgemeinmedizin auch zwei neurologische Leiden (Leiden 1 und 3) festgestellt. Der belangten Behörde war bekannt, dass der Beschwerdeführer Pflegegeld der Stufe 1 bezieht.

Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen den Beschwerdeführer aufzufordern das im Verfahren über den Anspruch auf Pflegegeld eingeholte neurologische Gutachten vorzulegen bzw. dieses Gutachten selbst anzufordern.

In weiterer Folge hat das SMS es unterlassen im Verfahren ein neurologisches Gutachten - unter Zugrundelegung des im Pflegegeldverfahren eingeholten neurologischen Gutachtens - nach erfolgter fachärztlicher Untersuchung durch eine/n Fachärztin/arzt für Neurologie einzuholen.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgte die Entscheidung über den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ohne hinreichende Ermittlungstätigkeiten bzw. hat das SMS bloß ansatzweise Ermittlungen getätigt.

Im weiteren Verfahren wird daher eine neurologisch-fachärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers durchzuführen sein und auf deren Basis sowie auch unter Zugrundelegung des im Pflegegeldverfahren eingeholten neurologischen Gutachtens die Erstellung eines fachärztlichen neurologischen Gutachtens zu erfolgen haben.

Der Vollständigkeit halber wird auch darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde nach Vorlage des neurologischen Gutachtens durch den Beschwerdeführer mit der Beschwerde jedenfalls noch die Möglichkeit gehabt hätte, ein Beschwerdevorentscheidungsverfahren durchzuführen, dieses jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterlassen hat.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W200.2172443.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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