TE Vwgh Beschluss 2017/10/19 Ra 2016/18/0280

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Veröffentlicht am 19.10.2017
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §34 Abs1a;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2016/18/0281 Ra 2016/18/0282 Ra 2016/18/0283 Ra 2016/18/0287 Ra 2016/18/0285 Ra 2016/18/0286 Ra 2016/18/0284

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revisionen 1. der P K, 2. des J J, 3. der Z K, 4. des M N K,

5. der Zo K, 6. des E K, die beiden Letztgenannten gesetzlich vertreten durch P K und Mo H K, 7. der J K, gesetzlich vertreten durch J J und Z K, 8. des Mo H K, alle in M, alle vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2016, 1) Zl. W212 2133345-1/4E, 2) Zl. W212 2133336- 1/4E, 3) Zl. W212 2133351-1/4E, 4) Zl. W212 2133342-1/4E,

5)

Zl. W212 2133338-1/4E, 6) Zl. W212 2133337-1/4E,

7)

Zl. W212 2133348-1/4E und 8) Zl. W212 2133340-1/4E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Bei den revisionswerbenden Parteien handelt es sich um ein Ehepaar, deren gemeinsame Kinder sowie den Ehemann einer Tochter und deren gemeinsames Kind. Alle sind afghanische Staatsangehörige und stellten am 13. Dezember 2015 bzw. die nachgeborene Siebtrevisionswerberin am 1. März 2016 Anträge auf internationalen Schutz.

2 Mit Schreiben vom 12. März 2016 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) gestütztes Aufnahmeersuchen an die zuständige kroatische Behörde, welches unbeantwortet blieb.

3 Mit Bescheiden vom 27. Juli 2016 wies das BFA die Anträge der revisionswerbenden Parteien auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zuständig sei, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung der revisionswerbenden Parteien an und stellte fest, dass gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Kroatien zulässig sei.

4 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 31. August 2016 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

5 Dagegen wenden sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen, in denen zur Zulässigkeit im Wesentlichen geltend gemacht wird, es liege zur Frage der Auslegung des für den Zuständigkeitstatbestand des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung notwendigen Kriteriums der "illegalen Einreise" kein "acte clair" mehr vor, weil beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mittlerweile zu C-490/16 ein entsprechendes, vom slowenischen Obersten Gerichtshof eingeleitetes Vorabentscheidungsersuchen anhängig sei. Es sei notorisch, dass die österreichischen Behörden die Einreise von Schutzsuchenden über die "Balkanroute" zugelassen hätten. Diese Vorgangsweise habe sich auf "humanitäre Gründe", die ihren Niederschlag in Art. 5 Abs. 4 lit. c Schengener Grenzkodex fänden, gestützt. Ferner hätten sich die Sicherheitsbehörden Österreichs, Sloweniens, Kroatiens, Serbiens und Mazedoniens im Rahmen eines "Joint Statements" vom 18. Februar 2016 darauf geeinigt, dass schutzsuchenden Menschen die Weiterreise nach Österreich unter gewissen Voraussetzungen gestattet werde. Darüber hinaus hätte das BVwG zur Beurteilung der Illegalität der Einreise ins Unionsgebiet Feststellungen zu deren Modalitäten zu treffen gehabt. Überdies hätte der den revisionswerbenden Parteien zur Seite gestellte Rechtsberater die Anleitung geben müssen, die wesentlichen Umstände für die rechtliche Beurteilung, ob die Einreise illegal gewesen sei, vorzubringen. Auch im Beschwerdeverfahren habe der Rechtsberater nur Formalbeschwerden eingebracht.

6 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet. 7 Mit diesem Vorbringen wird die Zuständigkeit der Revisionen

nicht dargetan.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. etwa VwGH vom 21. Februar 2017, Ra 2016/18/0253 und 0254, sowie VwGH vom 22. Juni 2017, Ra 2015/17/0065).

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich unter Berücksichtigung der zu den Rechtssachen Jafari, C-646/16, und A.S., C-490/16, ergangenen Urteile des EuGH je vom 26. Juli 2017 mit den in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen in seinem Erkenntnis vom 20. September 2017, Ra 2016/19/0303 und 0304, näher befasst. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

13 Aus den dort genannten Gründen ist der Ansicht der revisionswerbenden Parteien, ihre von Serbien erfolgte Einreise in Kroatien sei nicht im Sinn des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-Verordnung illegal erfolgt, nicht beizupflichten. Wie sich aus den dortigen Ausführungen ferner ergibt, ändert es an dieser Beurteilung nichts, wenn die Einreise der revisionswerbenden Parteien von den Behörden geduldet und ihre Weiterreise von den Behörden organisiert gewesen sein sollte. Den von den revisionswerbenden Parteien vermissten Feststellungen zu den Modalitäten ihrer Reisebewegungen fehlt es sohin an der Relevanz für den Verfahrensausgang (vgl. auch VwGH vom 3. Oktober 2017, Ra 2016/19/0344).

14 Gleichermaßen gilt dies für den vorgebrachten Verfahrensmangel, der Rechtsberater habe die revisionswerbenden Parteien unzureichend beraten, sodass sie nicht in der Lage gewesen wären, die entscheidenden Umstände hinsichtlich der Einreisemodalitäten vorzubringen. Soweit die Qualität der eingebrachten Beschwerden moniert wird, hielt der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen mit Beschluss vom 26. Jänner 2017, Ra 2016/20/0343, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, bereits fest, dass es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts ist, auf ein bestimmtes, dem Anliegen des Asylwerbers dienendes Verhalten des Rechtsberaters hinzuwirken.

15 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Oktober 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016180280.L00

Im RIS seit

15.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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