TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/18 W156 2159790-1

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Veröffentlicht am 18.10.2017
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Entscheidungsdatum

18.10.2017

Norm

ASVG §18b
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W156 2159790-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde der H XXXX M XXXX , vertreten durch Kammer für Arbeiter und Angestellte Tirol, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 20.02.2017, Aktenzeichen: XXXX , betreffend Ablehnung des Antrages auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG ab dem 01.09.2015 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.07.2017 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen ab dem 01.09.2015 weiterhin berechtigt ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1. Mit Antrag vom 26.03.2013 begehrte Frau M XXXX H XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihrer nahen Angehörigen (Mutter) H XXXX M XXXX mit Beginn circa 2 Jahre rückwirkend.

2. Mit Bescheid vom 06.05.2013 hat die Pensionsversicherungsanstalt (in weiterer Folge: belangte Behörde) dem Antrag der Beschwerdeführerin ab dem 01.04.2012 stattgegeben.

3. Seit 01.09.2015 nimmt die Beschwerdeführerin für die Pflege ihrer Mutter eine 24-Stunden-Betreuung in Anspruch.

4. Mit angefochtenem Bescheid vom 20.02.2017, Aktenzeichen: XXXX , hat die Pensionsversicherungsanstalt (in weiterer Folge: belangte Behörde) festgestellt, dass die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihrer nahen Angehörigen ab dem 31.08.2015 endet. Die erhebliche Beanspruchung ihrer Arbeitskraft für die Pflege der nahen Angehörigen liege nicht mehr vor.

3. Dagegen hat die Beschwerdeführerin im Wege ihrer ausgewiesenen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Sie führte darin aus, dass die erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft für die Betreuung ihrer Mutter aufgrund deren Pflegestufe 5 trotz Beanspruchung einer 24-Stunden-Pflege gegeben sei und beantragte die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung ab dem 01.09.2015 weiter.

4. In der Stellungnahme im Zuge der Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom führt die belangte Behörde aus, dass die Pflegeleistungen zum größten Teil durch die Pflegefachkräfte erbracht würden und die Beschwerdeführerin daher nicht dir erforderliche monatliche Zeit beansprucht werde.

5. Am 26.07.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

6. Nach Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes übermittelte die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter mit Schreiben vom 20.09.2017 das ärztliche Gutachten nach dem Bundespflegegeldgesetz der Mutter der Beschwerdeführerin.

7. Die belangte Behörde gab nach Aufforderung keine Stellungnahme dazu ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrer Mutter in einem gemeinsamen Haus.

Seit 01.03.2012 bezieht die Mutter ein Pflegegeld der Stufe 5 aufgrund der Diagnosen von unter anderem Aortenklappenendokarditis mit Aortenklappenstenose, Spondylodese, Polyarthrose, Morbus Parkinson, Chronische Niereninsuffizienz Stadium III, Hypercholerterinämie und Osteopenie.

Dem Gutachten zufolge wird der Pflegebedarf, der aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung besteht, voraussichtlich mindestens 6 Monate lang andauern.

Folgender Pflegeaufwand pro Monat in Stunden pro Monat wurde festgestellt:

Betreuung notwendig bei Mindestwerte

Täglicher Körperpflege 25 Stunden/Monat

Zubereiten von Mahlzeiten (ungeachtet der Ernährungsform: klein geschnitten, püriert, flüssig) 30 Stunden/Monat

Einnehmen von Mahlzeiten (ungeachtet der Darreichungsform: Löffel, Trinkflasche, Sonde) 30 Stunden/Monat

Verrichtung der Notdurft 30 Stunden/Monat

Betreuung notwendig bei Richtwerte

An-und Auskleiden 20 Stunden/Monat

Reinigung inkontinenter Patienten 20 Stunden/Monat

Anus praeter-Pflege 7,5 Stunden/Monat

Kanülen/Sonden-Pflege 5 Stunden/Monat

Katheter-Pflege 5 Stunden/Monat

Täglichen Einläufe 15 Stunden/Monat

Einnahme von Medikamenten 3/5 Stunden/Monat

Mobilitätshilfe im engeren Sinn 15 Stunden/Monat

Motivationsgespräche 10 Stunden/Monat

Baden/Duschen 4 Stunden/Monat

Hilfestellung beim Kochen 10 Stunden/Monat

Entleeren Harnflasche/Leibstuhl 5/10 Stunden/Monat

Hilfe notwendig bei Fixwerte

Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens? 10 Stunden/Monat

Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände? 10 Stunden/Monat

Pflege der Leib-und Bettwäsche? 10 Stunden/Monat

Beheizung des Wohnraumes einschließlich Herbeischaffung des Heizmaterials? 10 Stunden/Monat

Mobilitätshilfe im weiteren Sinn? 10 Stunden/Monat

Außergewöhnlicher Pflegeaufwand liegt vor, weil:

-

dauernde Bereitschaft, nicht jedoch dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson erforderlich ist oder

-

eine regelmäßige Nachschau durch eine Pflegeperson in relativ kurzen jedoch planbaren Zeitabständen, davon eine während der Nachtstunden, erforderlich ist und/oder

-

mehr als 5 Pflegeeinheiten, davon 1 Betreuungsmaßnahme während der Nachtstunden, erforderlich sind.

Der festgestellte Betreuungsaufwand pro Monat beträgt mindestens 281,5 Stunden.

Eine wesentliche Besserung ist nicht zu erwarten.

Die Beschwerdeführerin nimmt seit dem 01.09.2015 die Hilfe einer 24-Studen-Pflege in Anspruch.

Die Beschwerdeführerin erbringt Leistungen der Betreuung und Hilfe im Ausmaß von mindestens 65 Stunden pro Monat, wobei davon rund 15 Stunden auf die Zubereitung der Mahlzeiten (Frühstück und Abendessen), mindestens 7 Stunden auf An-und Ausziehen, jeweils 10 Stunden für die Beschaffung von Nahrung, Medikamenten sowie 10 Stunden für Heizen, weiters rund 4,33 Stunden jeweils für Hilfe bei der Körperpflege, Reinigung der Wohnung und Reinigung der Bett- und Leibwäsche. Weitere 10 Stunden pro Monat entfallen auf die notwendigen Motivationsgespräche.

Zudem erfolgten ca. alle drei Monate Fahrten zum Neurologen, dies nimmt rund 2 Stunden in Anspruch.

Zusätzlich unterstützt die Beschwerdeführerin die Pflegerin bei sämtlichen Verrichtungen, je nach Verfassung der Mutter.

Somit wird die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin im Ausmaß von monatlich zumindest 65 Stunden beansprucht.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, in der die Beschwerdeführerin erstmalig die Möglichkeit hatte, den Tagesablauf zu schildern und hat diese dem erkennenden Gericht nachvollziehbar und glaublich darlegte, dass die Beanspruchung von mindestens 65 Stunden pro Monat vorliegt.

Die Stundenanzahl für Reinigen nach der Notdurft, Reinigung der Wohnung und Reinigung der Bett- und Leibwäsche errechnet sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin, wonach sie damit etwa jeweils 1 Stunde pro Woche befasst ist, (1 Stunde x 4,33 = 4,33 Stunden). Als Umrechnungsfaktor von Monatsstundenanzahl zu Wochenstundenanzahl wurde 4,33 gewählt.

Die Stundenanzahl für die Zubereitung der Mahlzeiten (Frühstück und

Abendessen) ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin,

wonach dies jeweils zur Hälfte von Ihr bzw. der Pflegeperson

erledigt wird (30 Stunden : 2 = 15 Stunden), die Stundenanzahl für

An-und Ausziehen ebenso (20 Stunden : 4,33 :7 x 2,5 x 4,33 = 7

Stunden).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gesetzliche Grundlagen im ASVG:

"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger"

§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.

(1a) Die Selbstversicherung ist für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.

(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.

(3) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonats,

1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder

2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.

(4) – (6) ( ).

Beitragszeiten nach dem 31. Dezember 1955

§ 225. (1) Als Beitragszeiten aus der Zeit nach dem 31. Dezember 1955 sind anzusehen:

1. (...)

2. (...)

3. Zeiten einer freiwilligen Versicherung, wenn die Beiträge innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Beitragszeitraumes, für den sie gelten sollen, oder auf Grund einer nachträglichen Selbstversicherung nach § 18 oder § 18a in Verbindung mit § 669 Abs. 3 wirksam (§ 230) entrichtet worden sind; (...)."

Gesetzliche Grundlagen im Bundespflegegeldgesetz:

§ 4. (1) Das Pflegegeld gebührt bei Zutreffen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen, wenn auf Grund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung der ständige Betreuungs- und Hilfsbedarf (Pflegebedarf) voraussichtlich mindestens sechs Monate andauern wird oder würde.

(2) Anspruch auf Pflegegeld besteht in Höhe der

Stufe 1: für Personen, deren Pflegebedarf nach Abs. 1 durchschnittlich mehr als 65 Stunden monatlich beträgt;

Stufe 2: für Personen, deren Pflegebedarf nach Abs. 1 durchschnittlich mehr als 95 Stunden monatlich beträgt;

Stufe 3: für Personen, deren Pflegebedarf nach Abs. 1 durchschnittlich mehr als 120 Stunden monatlich beträgt;

Stufe 4: für Personen, deren Pflegebedarf nach Abs. 1 durchschnittlich mehr als 160 Stunden monatlich beträgt;

Stufe 5: für Personen, deren Pflegebedarf nach Abs. 1 durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt, wenn ein außergewöhnlicher Pflegeaufwand erforderlich ist;

Stufe 6: für Personen, deren Pflegebedarf nach Abs. 1 durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt, wenn

1. zeitlich unkoordinierbare Betreuungsmaßnahmen erforderlich sind und diese regelmäßig während des Tages und der Nacht zu erbringen sind oder

2. die dauernde Anwesenheit einer Pflegeperson während des Tages und der Nacht erforderlich ist, weil die Wahrscheinlichkeit einer Eigen- oder Fremdgefährdung gegeben ist;

Stufe 7: für Personen, deren Pflegebedarf nach Abs. 1 durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt, wenn

1. keine zielgerichteten Bewegungen der vier Extremitäten mit funktioneller Umsetzung möglich sind oder

2. ein gleichzuachtender Zustand vorliegt.

§ 4a. (1) Bei Personen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben und auf Grund einer Querschnittlähmung, einer beidseitigen Beinamputation, einer genetischen Muskeldystrophie, einer Encephalitis disseminata oder einer infantilen Cerebralparese zur eigenständigen Lebensführung überwiegend auf den selbständigen Gebrauch eines Rollstuhles oder eines technisch adaptierten Rollstuhles angewiesen sind, ist mindestens ein Pflegebedarf entsprechend der Stufe 3 anzunehmen.

(2) Liegt bei Personen gemäß Abs. 1 eine Stuhl- oder Harninkontinenz bzw. eine Blasen- oder Mastdarmlähmung vor, ist mindestens ein Pflegebedarf entsprechend der Stufe 4 anzunehmen.

Rechtliche Grundlagen in der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz

§ 1. (1) Unter Betreuung sind alle in relativ kurzer Folge notwendigen Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die vornehmlich den persönlichen Lebensbereich betreffen und ohne die der pflegebedürftige Mensch der Verwahrlosung ausgesetzt wäre.

(2) Zu den im Abs. 1 genannten Verrichtungen zählen insbesondere solche beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, der Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten, der Verrichtung der Notdurft, der Einnahme von Medikamenten und der Mobilitätshilfe im engeren Sinn.

(3) Bei der Feststellung des zeitlichen Betreuungsaufwandes ist von folgenden – auf einen Tag bezogenen – Richtwerten auszugehen:

An- und Auskleiden: 2 x 20 Minuten

Reinigung bei inkontinenten Patienten: 4 x 10 Minuten

Entleerung und Reinigung des Leibstuhles: 4 x 5 Minuten

Einnehmen von Medikamenten: (auch bei Sondenverabreichung) 6 Minuten

Anus-praeter-Pflege: 15 Minuten

Kanülen- oder Sondenpflege: 10 Minuten

Katheter-Pflege: 10 Minuten

Einläufe: 30 Minuten

Mobilitätshilfe im engeren Sinn: 30 Minuten

(4) Für die nachstehenden Verrichtungen werden folgende – auf einen Tag bezogene – zeitliche Mindestwerte festgelegt:

Tägliche Körperpflege: 2 x 25 Minuten

Zubereitung von Mahlzeiten: (auch bei Sondennahrung) 1 Stunde

Einnehmen von Mahlzeiten: (auch bei Sondenernährung) 1 Stunde

Verrichtung der Notdurft: 4 x 15 Minuten

Abweichungen von diesen Zeitwerten sind nur dann zu berücksichtigen, wenn der tatsächliche Betreuungsaufwand diese Mindestwerte erheblich überschreitet.

(5) (6) "

3.2. Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

Vorliegend ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin eine nahen Angehörige, nämlich ihre Mutter (vgl. zum Angehörigenbegriff die Materialien zum Sozialversicherungs-Änderungsgesetz - SVÄG 2005, BGBl. I Nr. 132/2005, ErläutRV 1111 BlgNR 22. GP 4), pflegt, wobei die Mutter Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 5 nach dem BPGG hat.

Unstrittig ist weiters, dass für die Pflege in häuslicher Umgebung eine 24-Stunden-Pfelge ab dem 01.09.2015 in Anspruch genommen wird. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrer Mutter an derselben Anschrift im gemeinsamen Haus lebt. Die Beschwerdeführerin hat zudem ihren eingangs angeführten Wohnsitz ununterbrochen im Inland. Ferner nimmt keine andere Person die Selbstversicherung für den Pflegefall in Anspruch.

Strittig und im Folgenden näher zu erörtern war indessen, ob die Beschwerdeführerin ihre Mutter unter "erheblicher Beanspruchung" ihrer Arbeitskraft pflegt, was von der belangten Behörde im Hinblick auf die Inanspruchnahme der 24-Stunden-PFlege in Zweifel gezogen wurde.

Was unter einer "erheblichen Beanspruchung" der Arbeitskraft durch die Pflege zu verstehen ist, wurde vom Verwaltungsgerichtshof im fallbezogenen Erkenntnis vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0084 klargestellt:

Demnach kommt es auf die Anzahl der von der pflegenden Person für den pflegebedürftigen nahen Angehörigen durchschnittlich zu leistenden Pflegestunden an, wobei eine "erhebliche" Beanspruchung der Arbeitskraft bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 14 Stunden wöchentlich bzw. ab 60 Stunden monatlich anzunehmen ist.

Was die Ermittlung der Anzahl der Pflegestunden betrifft, so sind - wie ebenso im Erkenntnis ausgeführt wurde - nur jene Zeiten zu berücksichtigen, in denen tatsächlich notwendige Leistungen der Betreuung und Hilfe erbracht werden. Um welche Verrichtungen es sich dabei handelt und welcher zeitliche Aufwand damit jeweils verbunden ist, ist an Hand der Regelungen des BPGG und der dazu ergangenen Einstufungsverordnung - EinstV, BGBl. II Nr. 37/1999, zu beurteilen.

Dies gilt auch für Fälle, in denen im Pflegegeldverfahren keine funktionsbezogene Beurteilung des Pflegebedarfs nach § 4 BPGG, sondern eine - im § 4a BPGG für bestimmte Behindertengruppen vorgesehene - diagnosebezogene Mindesteinstufung erfolgt ist bzw. zu erfolgen hätte. Auch in jenen Fällen bedarf es der Ermittlung des funktionsbezogenen - also auf die individuell erforderliche Betreuung und Hilfe abstellenden - Pflegebedarfs (vgl. RIS-Justiz RS0106384), um das von § 18b Abs. 1 ASVG vorausgesetzte Vorliegen einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege beurteilen zu können.

Vorliegend hat die Mutter auf Grund ihre Mindesteinstufung nach § 4a Abs. 2 BPGG einen diagnosebezogenen Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 5. Nach dem oben Gesagten ist auch in einem solchen Fall der funktionsbezogene Pflegebedarf (Anzahl der Pflegestunden) zu ermitteln, um das strittige Vorliegen einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege beurteilen zu können.

Vorliegend steht der Umstand, dass eine 24-Stunden-Pflege in Anspruch genommen wird, einer erheblichen Beanspruchung ihrer Arbeitskraft durch eine notwendige Pflege grundsätzlich nicht entgegen. Es erscheint im Sinne der Judikatur des VwGH aber nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin neben der 24-Stunden-Pflege durchschnittlich weitere 14 Stunden (und mehr) wöchentlich für die Pflege ihrer Mutter aufwenden könnte. So führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.01.2017, Zl. Ro 2014/08/0084, aus, dass die Inanspruchnahme einer 24-Stunden-Pflege ein Indiz für die alleinige Vornahme der notwendigen Pflegeleistungen durch die beigezogene Pflegekraft sein mag, handelt es sich bei dieser doch in der Regel um eine Fachkraft, welche die erforderliche Pflege rund um die Uhr gewährleisten soll. Es ist aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass trotz Beiziehung einer 24-Stunden-Pflege die nahen Angehörigen womöglich einen Teil der notwendigen Pflegeleistungen verrichten müssen; dafür sind vom Antragsteller besondere Gründe konkret vorzubringen.

Da die Beschwerdeführerin sowohl in ihrer Beschwerde als auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft darlegen konnte, dass sie eine wöchentliche Pflegeleistung von jedenfalls rund 15 Stunden oder monatlich 65 Stunden erbringt, übersteigt ihre Pflegeleistung damit die gemäß der anlassfallbezogenen Judikatur des VwGH erforderliche Mindestpflegestundenzahl.

Die Beendigung der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger ab dem 31.08.2015 durch die belangte Behörde erfolgte daher nicht zu Recht.

Zu B) (Un-)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Es liegt eine fallbezogene Judikatur des VwGH zur beschwerdegegenständlichen Fragestellung vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitskraft, Pensionsversicherung, Pflege, Pflegegeld,
Selbstversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W156.2159790.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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