Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/0617 97/19/0618 97/19/0619Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde 1. der 1966 geborenen N K, 2. der 1984 geborenen U K,
3. des 1985 geborenen Z K und 4. des 1990 geborenen Ü K, alle in Sakarya, alle vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 21. Jänner 1997, 1. Zl. 117.409/2-III/11/95,
2.
Zl. 117.409/3-III/11/95, 3. Zl. 117.409/5-III/11/95, und
4.
Zl. 117.409/4-III/11/95, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 3.237,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer beantragten jeweils am 29. Mai 1995 (Einlangen bei der erstinstanzlichen Behörde) im Wege des Österreichischen Generalkonsulates in Istanbul die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zum Zwecke der Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich lebenden Ehegatten bzw. Vater. In der Rubrik "in Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes" befindet sich im Antrag der Zweitbeschwerdeführerin der Vermerk "Lohn von Gatte".
Der Landeshauptmann von Wien wies mit gleich lautenden Bescheiden vom 25. Juli 1995 diese Anträge mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft in Österreich gemäß § 5 Abs. 1 AufG ab. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.
Im Zuge des Berufungsverfahrens forderte die belangte Behörde den Ehegatten bzw. Vater der Beschwerdeführer auf, einen Einkommensnachweis für die letzten drei Monate vorzulegen. Der Vertreter der Beschwerdeführer legte hierauf am 26. September 1996 eine Lohnbestätigung vom 9. September 1996 über die Monate Juni bis August 1996 vor, aus denen sich Nettobezüge von S 22.382,--, S 12.598,-- und S 11.030,-- ergeben, des weiteren Belege über Mietzinszahlungen von monatlich S 2.850,-- und zwei Verpflichtungserklärungen, aus denen jedoch die Einkommensverhältnisse der Verpflichter nicht ersichtlich sind.
Mit den angefochtenen gleich lautenden Bescheiden vom 21. Jänner 1997 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufungen ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden. Diese Beurteilung zeigte im Fall der Beschwerdeführer, dass einem grundsätzlichen Mindestbedarf von S 14.444,-- pro Monat (inkl. Miete) gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien tatsächlich ein Familieneinkommen in der Höhe von maximal S 12.598,-- pro Monat, welches vom Gatten bzw. Vater aufgebracht werden könne, gegenüber stehe. Der Bezug der Kinderbeihilfe sei dabei berücksichtigt worden. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden.
Die von den Beschwerdeführern vorgelegte Verpflichtungserklärung des YM zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes habe nicht berücksichtigt werden können, da nicht ersichtlich sei, wie viel der Bürge monatlich verdiene und ob er Unterhaltszahlungen zu leisten habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Sache des Fremden von sich aus (initiativ) zu beweisen, dass er über die zu seinem Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Auf Grund der Aktenlage stehe fest, dass der Gatte bzw. Vater der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufhältig sei. Im Hinblick auf den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 MRK habe der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach erkannt, dass § 5 Abs. 1 AufG iVm Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungskonform interpretiert werden könne. Dabei habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen stattzufinden. Diese Abwägung habe im Fall der Beschwerdeführer ergeben, dass den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen gewesen sei, weil ihre Unterhaltsmittel in der Höhe von maximal S 12.598,-- pro Monat nicht als ausreichend zu betrachten seien. Es sei davon auszugehen, dass die Unterhaltsmittel der Beschwerdeführer nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Wien feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müsste der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide (die Zustellung erfolgte jeweils am 3. Februar 1997) ist für die Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
§ 5 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, ... wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer
ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 1 Abs. 1 der auf Grund des § 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes erlassenen Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe LGBl. Nr. 13/1973 in der Fassung der Verordnung LGBl. Nr. 77/1995 (im Folgenden: Wiener Sozialhilfeverordnung), lautete:
"§ 1. (1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beiträgen festgesetzt:
1. Für den Alleinunterstützten ................... S 4.880,--
2. Für den Hauptunterstützten ....... ............ S 4.759,--
3. Für den Mitunterstützten ......................
a) ohne Anspruch auf Familienbeihilfe . .... S 2.443,--
b) mit Anspruch auf Familienbeihilfe .. ..... S 1.464,--"
Weder nach ihrem Vorbringen noch nach der Aktenlage verfügten die Beschwerdeführer jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete ihre Anträge daher zu Recht nicht als Verlängerungsanträge. Die angefochtenen Bescheide sind demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller von sich aus (initiativ) zu belegen, dass er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Nur dadurch kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, dass kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 leg. cit. vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559 bis 2561 mwN).
Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, hat sich die belangte Behörde bei ihrer Feststellung eines Unterhaltsbedarfes der Beschwerdeführer von S 14.444,-- am Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Wien orientiert und dabei offenbar die in § 1 Abs. 1 der Wiener Sozialhilfeverordnung festgelegten Richtsätze herangezogen. Eine derartige Vorgangsweise ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Blickwinkel der Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführer nicht zu beanstanden. Allerdings ging die belangte Behörde im vorliegenden Fall von einem Gesamtbedarf aus, der sich aus dem Betrag für einen Hauptunterstützten, einen Mitunterstützten ohne Anspruch auf Familienbeihilfe und drei Mitunterstützte mit Anspruch auf Familienbeihilfe errechnet. Die Behörde kann sich freilich im Regelfall nur, wie das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997 zeigt, an jenem Gesamtbetrag orientieren, welcher nach Auffassung der Wiener Landesregierung bei Erlassung des Sozialhilferichtsatzes für 1996 zur Deckung des in § 13 Abs. 3 des Wiener Sozialhilfegesetzes umschriebenen Bedarfes für einen Haupt- und vier Mitunterstützte auch dann ausreichend ist, wenn für die Mitunterstützten keine Familienbeihilfe bezogen wird. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall jedoch einen Unterhaltsbedarf von (nur) S 14.444,-- festgestellt. Da es sich bei der Festlegung des Unterhaltsbedarfes eines Fremden nicht bloß um eine Frage der rechtlichen Beurteilung handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1998, Zl. 97/19/0709), ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, eine diesbezügliche Bescheidfeststellung zu Lasten der Beschwerdeführer zu korrigieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1998, Zl. 96/19/0529).
Dem von ihr festgestellten Unterhaltsbedarf hätte die belangte Behörde sämtliche Unterhaltsmittel gegenüber zu stellen gehabt, über die die Beschwerdeführer verfügen. Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Vater der zweit- bis viertbeschwerdeführenden Parteien für diese Familienbeihilfe bezieht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellen auch Ansprüche auf Familienbeihilfe bei der Beurteilung der einem Niederlassungswerber zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel zu berücksichtigende Ansprüche dar (vgl. neuerlich in diesem Sinne das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997), und zwar auch dann, wenn die Behörde die Sozialhilferichtsätze für Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe heranzieht.
Die belangte Behörde trifft im angefochtenen Bescheid die Feststellung, der Gatte bzw. Vater der Beschwerdeführer könne ein Familieneinkommen von "maximal S 12.598,-- pro Monat" aufbringen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer hat - wie eingangs dargelegt - im Berufungsverfahren über entsprechende Aufforderung der belangten Behörde eine Bestätigung des Dienstgebers des Gatten bzw. Vaters der Beschwerdeführer über dessen Einkünfte in den Monaten Juni, Juli und August 1996 vorgelegt. Aus dieser Lohnbestätigung geht hervor, dass im Juni 1996 "inkl. UZ" netto
S 22.382,--, im Juli 1996 netto S 12.598,-- und im August 1996 netto S 11.030,-- zur Auszahlung gelangt sind. Zwar durfte die belangte Behörde auf Grund der Verpflichtung der Beschwerdeführer zur Glaubhaftmachung des Nichtvorliegens von Versagungsgründen - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - auch im Berufungsverfahren grundsätzlich ohne entsprechenden Vorhalt von den Unterhaltsmitteln ausgehen, die die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren bekannt gegeben haben; dies bedeutet jedoch nicht, dass die belangte Behörde ihre Annahme, der Gatte bzw. Vater der Beschwerdeführer verfüge entgegen des in der vorgelegten Lohnbestätigung für Juni 1996 "inkl. UZ" aufscheinenden Betrages von S 22.328,-- nur über ein Einkommen von "maximal" S 12.598,-- pro Monat, den Beschwerdeführern im Rahmen des Parteiengehörs nicht vorzuhalten gehabt hätte. Die Beschwerdeführer bringen daher zulässig vor, dass bei der Berechnung die Auszahlungen für den
13. und 14. Gehalt, die wesentlich höher lägen, offensichtlich unberücksichtigt geblieben seien. Da auch Sonderzahlungen zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes verfügbare eigene Mittel darstellen (vgl. auch hiezu das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997), hätte die belangte Behörde daher davon auszugehen gehabt, dass der Gatte bzw. Vater der Beschwerdeführer seinen Monatsbezug nicht nur 12 x jährlich bezieht. Da nicht auszuschließen ist, dass der unter Berücksichtigung der anteiligen Sonderzahlungen und des Bezuges der Familienbeihilfe für die Kinder im Falle ihrer Zuwanderung nach Österreich den Beschwerdeführern zusätzlich zur Verfügung stehende Betrag den festgestellten Unterhaltsbedarf abdecken könnte, zeigen die Beschwerdeführer die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensfehlers mit hinreichender Deutlichkeit auf.
Soweit die Beschwerde vorbringt, die belangte Behörde hätte bezüglich der vorgelegten Verpflichtungserklärung allfällige fehlende Unterlagen abverlangen müssen, ist ihr zu entgegnen, dass der Fremde - soll das Fehlen von Unterhaltsmitteln durch die Vorlage einer Verpflichtungserklärung ersetzt werden - im Rahmen seiner Verpflichtung zur initiativen Darlegung ihre Tragfähigkeit darzutun hat, indem er die Vermögensverhältnisse desjenigen, der sich für ihn verpflichtet, belegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0295).
Der angefochtene Bescheid war aus den vorstehenden Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Vorlage der Beschwerde in zweifacher Ausfertigung für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung ausreichend gewesen wäre.
Wien, am 25. August 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997190616.X00Im RIS seit
28.11.2001