TE Vwgh Erkenntnis 2017/10/18 Ra 2017/17/0330

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Veröffentlicht am 18.10.2017
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §62 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Brandl und Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des V H in S, vertreten durch Waltl & Partner, Rechtsanwälte in 5700 Zell am See, Sebastian-Hörl-Gasse 7, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2017, W155 2101145-1/4Z, betreffend Einheitliche Betriebsprämie 2009 (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Agrarmarkt Austria), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Abänderungsbescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria (im Folgenden: AMA) vom 27. September 2012 wurde dem Revisionswerber unter Abänderung eines Betriebsprämienbescheides vom 30. Dezember 2009 Einheitliche Betriebsprämie für das Jahr 2009 in Höhe von EUR 5.934,93 zuerkannt. Unter Berücksichtigung eines bereits überwiesenen Betrages von EUR 7.699,86 ergebe dies eine Rückforderung von EUR 1.764,93.

2 Mit Abänderungsbescheid vom 14. November 2013 wurde die Einheitliche Betriebsprämie des Revisionswerbers für das Jahr 2009 mit EUR 5.245,77 festgesetzt. Dadurch ergebe sich eine (weitere) Rückforderung von EUR 689,16.

3 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies mit Erkenntnis vom 30. Juni 2016 die gegen den Abänderungsbescheid vom 14. November 2013 erhobene Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ab. Weiters sprach das BVwG aus, dass eine Revision nicht zulässig sei. Begründend führte das BVwG aus, der bekämpfte Abänderungsbescheid vom 14. November 2013 sei aufgrund einer Korrektur durch den Almbewirtschafter ergangen, die dem Revisionswerber zuzurechnen sei. Die Herabsetzung der Betriebsprämie bzw die Rückforderung seien daher zu Recht erfolgt.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss berichtigte das BVwG den Spruch des Erkenntnisses vom 30. Juni 2016 gemäß § 17 VwGVG iVm § 62 Abs. 4 AVG dahingehend, dass mit diesem über eine Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid vom 27. September 2012 (betreffend die Einheitliche Betriebsprämie des Revisionswerbers für das Jahr 2009) abgesprochen werde. Weiters sprach das BVwG aus, dass eine Revision gegen diesen Beschluss nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das BVwG aus, im Spruch des Erkenntnisses vom 30. Juni 2016 sei versehentlich der Bescheid vom 14. November 2013 genannt worden. Tatsächlich sei aber der Bescheid vom 27. September 2012 gemeint gewesen. Diese offenkundige Unrichtigkeit sei auch deswegen von Amts wegen zu berichtigen gewesen, "um die zugrunde liegende Bestimmung des Artikel 65 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 umzusetzen".

6 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Revision verbunden ua mit dem Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zu gewähren. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Gemäß § 62 Abs. 4 AVG iVm § 17 VwGVG kann das Verwaltungsgericht Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in seinen Entscheidungen jederzeit von Amts wegen berichtigen.

9 Die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG setzt nach der zur Berichtigung von Bescheiden ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Letzteres liegt vor, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides erkennen können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können. Es sind insbesondere solche Unrichtigkeiten einer Berichtigung zugänglich, die erkennbar nicht der Willensbildung selbst, sondern alleine ihrer Mitteilung anhaften. Eine Berichtigung im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG ist hingegen überall dort ausgeschlossen, wo sie eine nachträgliche Änderung des Spruchinhalts des berichtigten Bescheides oder die Sanierung eines unterlaufenen Begründungsmangels bewirkt (vgl zB VwGH vom 27. April 2000, 98/06/0149, sowie vom 1. Juni 2006, 2005/07/0111). Für die Anwendbarkeit des § 62 Abs. 4 AVG kommt es auch auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile sowie auf den Akteninhalt an (vgl VwGH vom 7. März 1996, 95/09/0298, 25. September 2014, 2011/07/0177).

10 Im Revisionsfall führt das BVwG zur Begründung seiner Berichtigung aus, es sei "versehentlich" im Spruch seiner berichtigten Entscheidung (als Gegenstand des Beschwerdeverfahrens) ein unrichtig bezeichneter Bescheid angeführt worden, "tatsächlich" sei aber jener vom 27. September 2012 "gemeint" gewesen. Der angefochtene Berichtigungsbeschluss bleibt aber jede Begründung schuldig, weshalb die vom BVwG angenommene Unrichtigkeit der in der Folge berichtigten Entscheidung als eine offensichtliche Unrichtigkeit anzusehen wäre. Auch aus dem berichtigten Erkenntnis sowie den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich eine solche Unrichtigkeit nicht. Spruch und Begründung des berichtigten Erkenntnisses haben in der unberichtigten Fassung eindeutig und übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, dass die Entscheidung des BVwG zu dem vor ihm bekämpften Bescheid vom 14. November 2013 ergangen ist. Die Annahme einer offenkundig unrichtigen Wiedergabe des Anfechtungsgegenstandes im berichtigten Erkenntnis findet weder in der Begründung des Erkenntnisses noch im übrigen Akteninhalt seine Deckung.

11 Auch die Ausführungen des BVwG, wonach die Berichtigung zur Umsetzung der "Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen, der Modulation und des integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems im Rahmen der Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe gemäß der genannten Verordnung und mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 hinsichtlich der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen im Rahmen der Stützungsregelung für den Weinsektor", erforderlich gewesen sei, vermögen eine Rechtmäßigkeit des Berichtigungsbeschlusses nicht zu begründen. Abgesehen davon, dass in der Begründung des angefochtenen Berichtigungsbeschlusses nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt wird, welche Bedeutung der Berichtigung für die Umsetzung des Artikels 65 Abs. 2 der genannten Verordnung zukommen sollte, ist eine nachträgliche Änderung des intendierten Spruchinhaltes der berichtigten Entscheidung oder die Sanierung eines unterlaufenen Begründungsmangels nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung ebenfalls als rechtswidrig zu beurteilen.

12 Die Berichtigung durch den angefochtenen Beschluss erweist sich somit in jedem Fall als rechtswidrig. Die diesen Umstand aufgreifende Revision erweist sich daher als zulässig. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

13 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zu gewähren.

14 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Oktober 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170330.L00

Im RIS seit

14.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

17.10.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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