TE OGH 1984/5/10 8Ob27/84

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Veröffentlicht am 10.05.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hugo U*****, vertreten durch Dr. Robert Gasser, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagten Parteien 1.) Hermann Paul W*****, 2.) W*****, beide vertreten durch Dr. Bruno Pedevilla, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Feststellung (Streitwert 21.000 S), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Jänner 1984, GZ 1 R 312/83-11, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Lienz vom 21. Februar 1983, GZ 2 C 1252/82-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit 1.444,26 S (darin keine Barauslagen und 131,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 12. 4. 1981 gegen 0:05 Uhr ereignete sich auf der Villgratner-Landesstraße bei Kilometer 0,850 ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter eines Motorrades (Kennzeichen *****) und der Erstbeklagte als Lenker und Halter eines PKWs (Kennzeichen *****), der bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war, beteiligt waren. Es handelte sich um einen Zusammenstoß im Gegenverkehr; sowohl der Kläger als auch der Erstbeklagte wurden wegen dieses Unfalls, bei dem Günter M***** tödlich, Franz und Hermann W***** leicht und Hugo U***** schwer verletzt wurden, vom Strafgericht wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung (§§ 80, 88 StGB) rechtskräftig verurteilt.

Der Kläger forderte die Feststellung, dass ihm die Beklagten für die künftigen Unfallsschäden im Ausmaß von 70 % zu haften haben. Er brachte vor, der Unfall sei zu 70 % vom Erstbeklagten, hingegen nur zu 30 % vom Kläger verschuldet worden. Der Kläger sei mit 85 km/h gefahren, der Erstbeklagte dagegen mit 110 km/h. Beide Lenker hätten einen zu großen Abstand vom rechten Fahrbahnrand eingehalten und seien nicht auf Sicht gefahren. Der Erstbeklagte habe aber zudem die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten und die gedachte Fahrbahnmitte um 15 cm überfahren, während der Kläger auf seiner rechten Fahrbahnhälfte gefahren sei. Das mit 70 % zu bewertende, überwiegende Verschulden liege somit beim Erstbeklagten. Der Kläger sei schwer verletzt worden (Oberschenkelamputation und hochgradige Funktionseinschränkung des linken Armes und der linken Hand). Er sei gelernter Mechaniker; es liege bei ihm eine dauernde Berufsunfähigkeit vor. Er werde in Zukunft Verdienstentgang, Heilbedarf und anderes mehr im Zusammenhang mit den Unfallfolgen haben. Wegen drohender Verjährung habe er ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Haftung der Beklagten.

Die Beklagten haben ihre Haftung mit 50 %, die Zweitbeklagte beschränkt im Sinne des Klagsvorbringens, anerkannt, im Übrigen bestritten, Klagsabweisung beantragt und eingewendet, ein überwiegendes Verschulden des Erstbeklagten liege nicht vor. Das Motorrad des Klägers habe sich bei der Kollision in Fahrbahnmitte und in einer Rechtslenkung befunden, woraus sich ergäbe, dass der Kläger von der Kollision auf der rechten Fahrbahnhälfte des Erstbeklagten gefahren sei. Auf der 6,10 m breiten Fahrbahn sei der PKW des Erstbeklagten beim Zusammenstoß 1,5 m, das Motorrad des Klägers hingegen nahezu 3 m vom jeweils rechten Fahrbahnrand entfernt gefahren. Den Kläger treffe daher ein zumindest gleich großes Verschulden wie den Erstbeklagten.

Das Erstgericht stellte die Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallsschäden des Klägers im Ausmaß von 2/3 fest und wies das Mehrbegehren ab.

Die Berufung der Beklagten bliebe erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 300.000 S übersteige.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Feststellung der Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallsschäden des Klägers im Ausmaß von nur 50 % und Abweisung des Mehrbegehrens.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist nur die Schadensteilung strittig.

Diesbezüglich hat das Erstgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die Villgratner-Landesstraße ist im Unfallbereich 6,1 m breit. Die Fahrbahn ist im weiteren Unfallbereich kurvenreich, dennoch aber im Wesentlichen übersichtlich. Es handelt sich um Freilandgebiet ohne besondere Geschwindigkeitsbeschränkung. Der Kläger fuhr mit sienem Motorrad von Panzendorf in Richtung Außervillgraten. In der Gegenrichtung war der Erstbeklagte mit seinem 1,63 m breiten PKW Opel Manta unterwegs. Die Fahrgeschwindigkeit des Klägers bewegte sich zwischen 85 und 95 km/h, jene des Erstbeklagten zwischen 110 und 130 km/h. Der Erstbeklagte hielt bei der Annäherung an die Unfallstelle einen Seitenabstand von 1,57 m zum rechten Fahrbahnrand ein, sodass der PKW links vorne die Fahrbahnmitte um 0,15 m überragte. Der Kläger hingegen fuhr zunächst im Bereich der Fahrbahnmitte und lenkte das Motorrad während der letzten 18 bis 20 m vor dem Kollisionspunkt nach rechts, so dass es bei einer Überschneidung von ca 5 cm und somit gerade noch innerhalb der für den Kläger bestimmten Fahrbahnhälfte zu einer Berührung zwischen der linken Vorderecke des PKWs und dem Motorrad kam. Das Motorrad war im Unfallszeitpunkt rechtsseitig ca 2,5 m vom rechten Fahrbahnrand entfernt. Beide Lenker waren zum Unfallszeitpunkt leicht alkoholisiert; der Blutalkoholgehalt des Klägers belief sich auf zumindest 0,7 %, jener des Erstbeklagten auf zumindest 0,6 bis 0,7 %o. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Innsbruck wurden der Kläger und der Erstbeklagte wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperververletzung verurteilt. Dabei wurde beiden das Einhalten einer für die Sichtverhältnisse überhöhten Geschwindigkeit und das Nichteinhalten der rechten Fahrbahnhälfte zum Vorwurf gemacht. Dass der Kläger aufgrund der erlittenen schwersten Verletzungen und Unfallsfolgen zur Erhebung des Feststellungsbegehrens legitimiert ist, wurde nicht bestritten.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht hiezu aus, beide Lenker hätten Verstöße gegen § 20 StVO und gegen § 7 StVO zu vertreten. Der Kläger sei mit relativ (§ 20 Abs 1 StVO), der Erstbeklagte mit relativ und absolut (§ 20 Abs 1 und 2 StVO) überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Beide Lenker hätten nicht die Rechtsfahrordnung eingehalten und daher § 7 Abs 1 und 2 StVO verletzt. Der Kläger habe sich bei Kollision mit einem Seitenabstand zu seinem rechten Fahrbahnrand von 2,5 m gerade noch auf seiner rechten Fahrbahnhälfte befunden, während der Erstbeklagte bei einem Seitenabstand von 1,57 m die Fahrbahnmitte um 15 cm überfahren habe. Im Zusammenhang mit der wesentlichen Geschwindigkeitsüberschreitung des Erstbeklagten falle diesem somit ein Verschuldensanteil von 2/3 zur Last, während der Kläger 1/3 an Verschulden zu vertreten habe.

Das Berufungsgericht billigte, ausgehend von den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts, dessen rechtliche Beurteilung.

In ihrer Revision führen die Beklagten aus, der PKW des Erstbeklagten sei im Zeitrpunkt der Kollision zwar 15 cm über der Fahrbahnmitte, jedoch nur 1,57 m von seinem rechten Fahrbahnrand entfernt gewesen, der Kläger hingegen habe einen wesentlichen größeren Seitenabstand zu seinem rechten Fahrbahnrand, nämlich 2,5 m, eingehalten. Dieser schwerwiegende Verstoß des Klägers gegen § 7 StVO stehe den Verstößen des Erstbeklagten gegen die §§ 7 und 20 StVO gleichwertig gegenüber, sodass eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 gerechtfertigt sei.

Demgegenüber hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, dass es sich bei der Vorschrift des § 7 Abs 2 StVO um eine Schutznorm, die insbesondere die Sicherheit des Gegenverkehrs bezweckt, handelt (vgl ZVR 1980/33 und 121 uva). Auch größere Abstände zum rechten Fahrbahnrand können toleriert werden, wenn sich daraus ein ausreichender Abstand von der Fahrbahnmitte ergibt, um den Gegenverkehr ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit zu ermöglichen (vgl ZVR 1983/22 und 154 ua). Wie schwer ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot im Vergleich zum Verhalten eines anderen an dem Unfall beteiligten Verkehrsteilnehmers wiegt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl ZVR 1982/80 ua). Im vorliegenden Fall hat der Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhob, mit seinem Motorrad einen zu großen Seitenabstand zu seinem rechten Fahrbahnrand eingehalten, was zusammen mit der von ihm eingehaltenen relativ überhöhten Fahrgeschwindigkeit mit unfallkausal war und sein Verschulden bildet. Dem steht aber ein deutlich größeres Verschulden des Erstbeklagten gegenüber, das gleichfalls in einer Verletzung des Rechtsfahrgebots und einer Übertretung des § 20 Abs 1 und 2 StVO (relativ und absolut überhöhte Geschwindigkeit) liegt. Sowohl was die Geschwindigkeitsüberschreitung als auch den Verstoß gegen § 7 StVO anbelangt, fällt dem Erstbeklagten das schwerwiegendere Verschulden zur Last. Hinsichtlich des eingehaltenen Seitenabstands zum rechten Fahrbahnrand kann nämlich nicht der Argumentation der Beklagten gefolgt werden, der Kläger habe gravierender gegen § 7 StVO verstoßen, weil der Erstbeklagte nur einen Seitenabstand von 1,57 m, der Kläger hingegen einen solchen von 2,5 m zum jeweils rechten Fahrbahnrand eingehalten habe. Ausschlaggebend ist nämlich vor allem jene Fahrlinie, die von der linken Fahrzeugseite beschrieben wird, denn von dieser geht in erster Linie die Gefahr für den Gegenverkehr aus, wogegen es nur eine geringere Rolle spielt, in welchem Abstand vom rechten Fahrbahnrand sich die rechte Fahrzeugseite bewegt. Nach den Feststellungen hat aber der Erstbeklagte im Zeitpunkt der Kollision die Fahrbahnmitte um 15 cm überfahren, während sich der Kläger mit seinem Motorrad gerade noch auf seiner rechten Fahrbahnhälfte, wenn auch nahe der Fahrbahnmitte, bewegte. Zusammen mit der sehr erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung des Erstbeklagten, die ebenfalls jene des Klägers bei weitem überwiegt, kann daher von einem gleichteiligen Verschulden am Zustandekommen des Unfalls entgegen der Ansicht der Revision nicht ausgegangen werden. Vielmehr kann nach Auffassung des Revisionsgerichts in der vom Berufungsgericht vorgenommenen Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Schlagworte

kein Abo

Textnummer

E119748

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00027.840.0510.000

Im RIS seit

14.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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