TE OGH 2017/10/11 13Os55/17p

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Veröffentlicht am 11.10.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Monika R***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 6. Oktober 2016, GZ 38 Hv 76/16k-222, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, der Angeklagten Mag. Monika R***** sowie ihres Verteidigers Dr. Hübel zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wird verworfen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Freispruch sowie demzufolge auch im Strafausspruch und im auf den Freispruch bezogenen Adhäsionserkenntnis aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Mag. Monika R***** ist schuldig, sie hat am 8. Mai 2012 in S***** ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen geschädigt, indem sie als Leiterin des Referats 8/02-Budgetangelegenheiten des Amtes der S***** Landesregierung ohne Einholung der nach der Richtlinie für das Finanzmanagement des Landes S***** erforderlichen Unterschrift des zuständigen Abteilungsleiters sowie entgegen der nach dessen Weisung zu befolgenden Empfehlung des Finanzbeirats und solcherart in unvertretbarer Weise gegen Regeln verstoßend, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienten, mit der Ra***** einen sogenannten Range-Accrual-Swap abschloss, wodurch dem Land S***** ein Schaden von zumindest 298.300 Euro entstand.

Mag. Monika R***** hat hiedurch unter Einbeziehung des in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs des Urteils des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 6. Oktober 2016, GZ 38 Hv 76/16k-222, im Sinn des § 29 StGB das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB begangen und wird hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB gemäß § 31 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf die am 4. Februar 2016 zu AZ 40 Hv 107/15g sowie am 28. Juli 2017 zu AZ 36 Hv 15/17a ergangenen Urteile des Landesgerichts Salzburg zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von

achtzehn Monaten

verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 3 StGB wird ein Teil dieser Strafe von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Die Privatbeteiligte Land S***** wird nach § 366 Abs 2 StPO mit ihren privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Monika R***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 10. Juli 2012 in S***** ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen geschädigt, indem sie als Leiterin des Referats 8/02-Budgetangelegenheiten der S***** Landesregierung ohne Einholung der nach der Richtlinie für das Finanzmanagement des Landes S***** erforderlichen Unterschrift des zuständigen Abteilungsleiters und entgegen der nach dessen Weisung zu befolgenden Empfehlung des Finanzbeirats sowie einer Dienstanweisung des zuständigen Abteilungsleiters und solcherart in unvertretbarer Weise gegen Regeln verstoßend, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienten, mit der B***** Bank einen sogenannten Range-Accrual-Swap abschloss, wodurch dem Land S***** ein 300.000 Euro übersteigender Schaden von 539.177 Euro entstand.

Zugleich erging ein Freispruch vom Vorwurf, Mag. Monika R***** habe am 8. Mai 2012 in S***** ihre Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen geschädigt, indem sie als Leiterin des Referats 8/02-Budgetangelegenheiten der S***** Landesregierung ohne Einholung der nach der Richtlinie für das Finanzmanagement des Landes S***** erforderlichen Unterschrift des zuständigen Abteilungsleiters sowie entgegen der nach dessen Weisung zu befolgenden Empfehlung des Finanzbeirats und solcherart in unvertretbarer Weise gegen Regeln verstoßend, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienten, mit der Ra***** einen sogenannten Range-Accrual-Swap abschloss, wodurch dem Land S***** ein Schaden von 298.300 Euro entstand.

Den Schuldspruch bekämpft die Angeklagte, den Freispruch die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde, wobei sich Erstere auf Z 5, 5a, 9 (richtig) lit a und 9 (richtig) lit b, Letztere auf Z 9 lit a, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, stützt.

Wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, kommt der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, nicht jedoch jener der Angeklagten Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten:

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) war das Erstgericht unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht gehalten, sich mit den Einschätzungen der Zeugen Christian M***** (ON 221 S 41) und Christine H***** (ON 221 S 42) zur subjektiven Tatseite auseinanderzusetzen. Gegenstand des Zeugenbeweises (§ 154 StPO) sind nämlich nur Wahrnehmungen von Tatsachen, nicht jedoch Schlussfolgerungen oder Wertungen (EvBl 1992/189, 797; RIS-Justiz RS0097540, jüngst 13 Os 19/16t; Kirchbacher, WK-StPO § 154 Rz 7 f).

Die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin erörterte das Erstgericht sehr wohl (US 14 f). Das Eingehen auf jedes Detail dieser Verantwortung war aus dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO nicht erforderlich, es hätte vielmehr gegen das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) verstoßen (RIS-Justiz RS0098778, RS0106295 und RS0106642).

Der Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 [richtig] vierter Fall, nominell verfehlt auch Z 9 lit a) der Feststellungen zum Schädigungsvorsatz übergeht die diesbezüglichen Urteilserwägungen (US 14) und entzieht sich solcherart einer meritorischen Erledigung (11 Os 53/07i, SSt 2007/68; RIS-Justiz RS0119370).

Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (11 Os 122/00, SSt 63/112; RIS-Justiz RS0099431). Ein Fehler in der Bedeutung dieses Nichtigkeitsgrundes wird mit den beweiswürdigenden Überlegungen zum Gutachten des Sachverständigen Dr. Imo nicht geltend gemacht.

Auch der Nichtigkeitsgrund der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) wird insoweit bloß nominell herangezogen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich in dem Versuch, die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin als plausibel darzustellen. Damit wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Indem die Rechtsrüge (richtig: Z 9 lit a) die Frage releviert, ob bereits durch den Abschluss des Range-Accrual-Swaps ein Vermögensschaden im Sinn des § 153 StGB eingetreten ist, spricht sie bloß die Abgrenzung zwischen Versuch (§ 15 StGB) sowie Vollendung (RIS-Justiz RS0105921) und solcherart keinen schuld- oder subsumtionsrelevanten Umstand an.

Unter dem insoweit bedeutsamen Aspekt des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (12 Os 119/06a, EvBl 2007/130, 700 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0122137 und RS0122138) sei hinzugefügt, dass das Erstgericht zu Recht von Tatvollendung ausging (siehe insbesondere US 20):

Vorweg wird festgehalten, dass die Änderung des Wortlauts des § 153 Abs 1 StGB vom Begriff des Vermögensnachteils zu jenem des Vermögensschadens durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2015 BGBl I 2015/112 nicht inhaltlicher Natur war, sondern bloß der Vereinheitlichung der Terminologie innerhalb der Tatbestände des § 153 StGB diente (JAB 728 BlgNR 25. GP 6). Die Judikatur zum „Vermögensnachteil“ im Sinn des § 153 Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2015/112 ist daher auf das nunmehr normierte Tatbestandselement des „Vermögensschadens“ uneingeschränkt anwendbar.

Nach ständiger Rechtsprechung (SSt 59/7, RIS-Justiz RS0094836 und RS0095618) sowie herrschender Lehre (Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 153 Rz 36; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 [2017] § 153 Rz 28; Pfeifer SbgK § 153 Rz 32) kann der Vermögensschaden nicht nur in einer Verminderung der Aktiven oder in einem Gewinnentgang, sondern auch in einer Vermehrung der Passiven – also im Hinzutreten einer Verbindlichkeit – bestehen.

Da eine § 153 StGB zu subsumierende Tat mit dem Eintritt des Vermögensschadens vollendet ist (Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 153 Rz 36; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 [2017] § 153 Rz 45; Pfeifer SbgK § 153 Rz 48), tritt die Tat in der Begehungsvariante der Vermehrung von Passiven mit dem Entstehen der Verbindlichkeit ins Vollendungsstadium (SSt 59/7, RIS-Justiz RS0095618).

Demgemäß stellt die Judikatur bei im Sinn des § 153 StGB missbräuchlichen Kreditvergaben hinsichtlich der Tatvollendung auf den Zeitpunkt des Entstehens der Kreditschuld ab (15 Os 1/13f, ecolex 2014/499; RIS-Justiz RS0094836 [T4, T6, T9 und T10] sowie RS0126620; vgl auch Birklbauer/Hilf/Tipold, BT I³ § 153 Rz 17 und Lewisch BT I², 251 f). Der Umstand, dass die Rechtsprechung dabei ursprünglich (nicht nur den Vertragsabschluss, sondern) auch die Zuzählung der Kreditvaluta verlangte, resultiert daraus, dass vor dem Inkrafttreten des DaKRÄG BGBl I 2010/28 geschlossene Kreditverträge Realverträge waren, wogegen der Kreditvertrag (als Unterfall des Darlehensvertrags [§§ 983 ff ABGB]) nunmehr als Konsensualvertrag konzipiert ist (EBRV 650 BlgNR 24. GP 7; Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 [2015] Rz 919 f).

Entsprechendes gilt für die hier in Rede stehenden Spekulationsgeschäfte: Da diese nach den Urteilsfeststellungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses einen (für die Machtgeberin) negativen Vermögenswert darstellten, trat in diesem Zeitpunkt ein entsprechender Vermögensschaden ein, womit die Tat vollendet war (Mc Allister, Untreue bei Kreditvergabe und Spekulationsgeschäften? ÖJZ 2014, 13 [16]; vgl auch Birklbauer/Hilf/Tipold, BT I³ Rz 17). Der Ansatz, bei sogenannten Swap-Geschäften zur Beurteilung eines allfälligen Vermögensschadens den Ablauf der Vertragsdauer abzuwarten (Fuchs, Die Reform der Untreue durch das StRÄG 2015, in Lewisch, Jahrbuch 2015, 345 [362f]), geht daran vorbei, dass nachträgliche finanzielle Entwicklungen bei der Beurteilung des Schadenseintritts im Sinn des § 153 StGB außer Betracht zu bleiben haben (SSt 48/69, RIS-Justiz RS0094836 [T4, T6, T8 bis T10 und T12] sowie RS0099015; Kirchbacher/Presslauer in WK² StGB § 153 Rz 41; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 [2017] § 153 Rz 28; Pfeifer SbgK § 153 Rz 33).

Der Einwand fehlender Feststellungen zum Schädigungsvorsatz lässt nicht erkennen, welche über die insoweit getroffenen (US 13) hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollen und entzieht sich daher einer inhaltlichen Erwiderung (RIS-Justiz RS0095939, RS0117247 und RS0118342).

Die Ausführungen zum Befugnismissbrauch und zur diesbezüglichen Wissentlichkeit erschöpfen sich in der Bestreitung der Urteilsfeststellungen zu diesen Tatbestandsmerkmalen (US 4 f, 9 sowie 13) und verfehlen solcherart den Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Indem die weitere Rechtsrüge (richtig: Z 9 lit b) Feststellungen zu einem „Rechtfertigungsgrund“ vermisst, bleibt sie im Dunkeln, weil sie nicht erkennen lässt, welcher Rechtfertigungsgrund aus ihrer Sicht hier verwirklicht sein soll.

Tätige Reue kommt dem Täter gemäß § 167 Abs 2 StGB dann zustatten, wenn er, bevor die Behörde (§ 151 Abs 3 StGB) von seinem Verschulden erfahren hat, wenngleich auf Andringen des Verletzten, so doch ohne hiezu gezwungen zu sein, den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sich vertraglich verpflichtet, dem Verletzten binnen einer bestimmten Zeit solche Schadensgutmachung zu leisten. Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO), welche die Erfüllung der Kriterien dieses Strafaufhebungsgrundes indizieren, werden nicht bezeichnet, aus welchem Grund die Beschwerde auch insoweit einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich ist (13 Os 91/02, SSt 64/46; RIS-Justiz RS0116735 und RS0118580; jüngst 13 Os 82/16g).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass das Erstgericht den Freispruch auf die verfehlte Rechtsansicht stützte, die Regelverstöße der Angeklagten seien deswegen nicht unvertretbar im Sinn des § 153 Abs 2 StGB, weil der am 8. Mai 2012 abgeschlossene Swap-Vertrag „durch zumindest ein Mitglied des Finanzbeirates nachträglich genehmigt wurde“ (US 20).

Maßstab für die Beurteilung der Rechtsfrage nach der Unvertretbarkeit (§ 153 Abs 2 StGB) ist nämlich die in Rede stehende Handlungsanweisung des Machtgebers. Lässt diese – wie hier festgestellt (US 4 f) – keinen Handlungsspielraum, ist demnach in aller Regel jeder Verstoß gegen sie als unvertretbar zu werten (JAB 728 BlgNR 25. GP 6; Fuchs in Lewisch, Jahrbuch 2015, 345 [350f]; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 [2017] § 153 Rz 19).

Eine Bestimmung über die Wirkung einer allfälligen Zustimmung des Machtgebers zu einem Regelverstoß des Machthabers wurde in die Neufassung des § 153 Abs 2 StGB gezielt nicht aufgenommen, um den Eindruck zu vermeiden, dass für die Einwilligung des wirtschaftlich Berechtigten bei der Untreue Sonderregeln gelten sollten. Die Frage ist vielmehr auch hier nach den Regeln des allgemeinen Strafrechts zu beurteilen (JAB 728 BlgNR 25. GP 11; Fuchs in Lewisch, Jahrbuch 2015, 345 [355f]). Demzufolge wäre eine solche Zustimmung für die Beurteilung der Vertretbarkeit des Regelverstoßes nur dann von Bedeutung, wenn sie spätestens im Tatzeitpunkt erteilt worden wäre (Fuchs AT I9 16/10, Kienapfel/Höpfel/Kert AT15 [2016] Rz 67). Nachträgliche Genehmigung im Sinn des § 153 StGB missbräuchlichen Handelns vermag daher im Tatzeitpunkt gegebene Unvertretbarkeit nicht zu tangieren (vgl auch RIS-Justiz RS0094784, Pfeifer SbgK § 153 Rz 24 und Fabrizy, StGB12 § 153 Rz 8). Somit kann fallbezogen auch dahinstehen, ob die in Rede stehende Erklärung eines Mitglieds des Finanzbeirats überhaupt eine solche des Machtgebers darstellt.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts
war die Angeklagte im Tatzeitraum Leiterin des Referats 8/02-Budgetangelegenheiten des Amtes der S***** Landesregierung und als solche auch bevollmächtigt worden, für das Land S***** Derivatgeschäfte abzuschließen (US 3 f). Durch die Richtlinien für das Finanzmanagement des Landes S***** wurde diese Abschlussbefugnis dahin beschränkt, dass Derivatgeschäfte ab einem Nominalbetrag von mehr als 20 Mio Euro der Bewilligung des Leiters der Finanzabteilung 8 des Amtes der S***** Landesregierung (im Tatzeitraum Dr. Eduard P*****) bedurften. Ab der zweiten Jahreshälfte 2011 gab der Finanzbeirat der Finanzabteilung 8 des Amtes der S***** Landesregierung in Bezug auf Derivatgeschäfte die Empfehlung ab, bestehende Range-Accrual-Swaps aufzulösen und keine neuen Range-Accrual-Verträge mehr abzuschließen. Dieser Empfehlung kam aufgrund einer generellen Anordnung des Abteilungsleiters Weisungscharakter zu (US 4 f). Am 8. Mai 2012 schloss die Angeklagte entgegen der Empfehlung des Finanzbeirats und ohne Einholung der Bewilligung des Abteilungsleiters mit der Ra***** einen Range-Accrual-Swap mit einem Nominale von 35 Mio Euro ab (US 6). Beim Geschäftsabschluss missbrauchte die Angeklagte ihre Befugnis, für das Land S***** Derivatgeschäfte abzuschließen, wissentlich (US 13). Durch den Geschäftsabschluss entstand dem Land S***** jedenfalls ein Schaden in der Höhe des negativen Anfangswerts des Range-Accrual-Swaps von 298.300 Euro, dessen Eintritt die Angeklagte billigend in Kauf nahm (US 13).

Der Oberste Gerichtshof gab der Angeklagten Gelegenheit, gegen diese Konstatierungen Einwände im Sinn des § 281 Abs 1 Z 2 bis 5a StPO vorzubringen. Die diesbezügliche Äußerung der Angeklagten orientiert sich nicht an den Kriterien dieser Nichtigkeitsgründe, sondern erschöpft sich – neben insoweit unbeachtlichen Ausführungen aus Z 9 (richtig) lit a und Z 9 (richtig) lit b des § 281 Abs 1 StPO – in eigenen Beweiswerterwägungen zum Eintritt eines Vermögensschadens und zum darauf gerichteten Vorsatz. Somit waren die tatrichterlichen Feststellungen der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zugrunde zu legen (RIS-Justiz RS0114638 [T2]).

Hievon ausgehend sowie unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Angeklagte mehrere konkrete Handlungsanweisungen ihres Machtgebers, die ihr in Bezug auf den in Rede stehenden Geschäftsabschluss keinerlei Spielraum ließen, wissentlich missachtete, sind ihre Regelverstöße als unvertretbar im Sinn des § 153 Abs 2 StGB zu werten (vgl erneut JAB 728 BlgNR 25. GP 6; Fuchs in Lewisch, Jahrbuch 2015, 345 [350f]; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 [2017] § 153 Rz 19).

Die Angeklagte hat daher auch durch den Abschluss des Swap-Geschäfts mit der Ra***** am 8. Mai 2012 den Tatbestand der Untreue (§ 153 Abs 1 StGB) sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht. Unter Einbeziehung (§ 29 StGB) des in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs hinsichtlich des am 10. Juli 2012 mit der B***** Bank abgeschlossenen Swap-Geschäfts (Schaden 539.177 Euro) ist überdies der Qualifikationstatbestand des § 153 Abs 3 zweiter Fall StGB erfüllt.

Es war daher (ebenfalls übereinstimmend mit der Generalprokuratur) in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde die angefochtene Entscheidung in ihrem freisprechenden Teil (ebenso wie demzufolge im Strafausspruch sowie im auf den Freispruch bezogenen Adhäsionserkenntnis) aufzuheben und auf der Grundlage der vom Schöffengericht festgestellten Tatsachen ein Schuldspruch zu fällen (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).

Da § 153 StGB idF BGBl I 2004/136 für die Angeklagte nicht günstiger war als in der Fassung BGBl I 2015/154, gelangte gemäß § 61 StGB die letztgenannte Fassung zur Anwendung.

Dieses Vorgehen führte zur Strafneubemessung:

Die Angeklagte wurde mit am 9. Februar 2016 in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 4. Februar 2016 wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 und 15 StGB sowie des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, von der ein zweijähriger Strafteil unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (ON 219). Mit (in Bezug auf ihre Person) ebenfalls rechtskräftigem Urteil desselben Gerichts vom 28. Juli 2017 wurde sie unter Bedachtnahme (§ 31 Abs 1 StGB) hierauf wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Da die Angeklagte die gegenständlichen Taten im Jahr 2012 begangen hat, war gemäß § 31 Abs 1 StGB zu diesen Verurteilungen eine Zusatzstrafe zu verhängen.

Bei der Strafbemessung war das Zusammentreffen mit den den vorangegangenen Verurteilungen zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) erschwerend, der bislang ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) mildernd (zu beidem Ratz in WK² StGB § 40 Rz 2 und Tischler SbgK § 40 Rz 11).

Ausgehend von diesen Strafbemessungsgründen (§ 32 Abs 2 StGB) war auf der Grundlage der Schuld der Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) unter Berücksichtigung des die zweite Qualifikationsgrenze des § 153 Abs 3 StGB (300.000 Euro) erheblich übersteigenden Schadens von nahezu 840.000 Euro sowie des Umstands, dass die Angeklagte mehrere konkrete Handlungsanweisungen ihres Machtgebers wiederholt verletzte (§ 32 Abs 3 StGB), unter Bedachtnahme auf § 40 StGB bei einer Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (zweiter Strafsatz des § 153 Abs 3 StGB) eine solche in der Dauer von 18 Monaten schuldangemessen.

Mit Blick auf den Tatunwert, konkret den Abschluss hoch spekulativer Derivatgeschäfte unter Einsatz öffentlicher Mittel, sowie der sich im wiederholten, hartnäckigen Ignorieren der Handlungsanweisungen des Machtgebers manifestierenden Täterpersönlichkeit kam eine gänzlich bedingte Strafnachsicht nicht in Betracht. Umgekehrt bedarf es aber weder aus spezialpräventiven noch aus generalpräventiven Erwägungen des Vollzugs der gesamten Freiheitsstrafe, sodass gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Strafteil von zwölf Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen war (vgl Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 [2017] § 43a Rz 14; Fabrizy, StGB12 § 43a Rz 4).

Da die Ergebnisse des Strafverfahrens keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung der aus dem Swap-Geschäft mit der Ra***** geltend gemachten privatrechtlichen Ansprüche bieten, war die Privatbeteiligte Land S***** gemäß § 366 Abs 2 StPO mit diesen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer Berufung auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E119794

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00055.17P.1011.000

Im RIS seit

14.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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