Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden und Dr. Morbitzer sowie die Richterin Mag. Hemetsberger in der Strafsache gegen G***** S***** und eine weitere Angeklagte wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufungen der Angeklagten G***** S***** und K***** K***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten G***** S***** jeweils wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 3. November 2016, 23 Hv 12/16v-211, nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Kondert, der Angeklagten und ihrer Verteidiger Dr. A***** (für G***** S*****) und Dr. M***** (für K***** K*****) durchgeführten Berufungsverhandlung am 18. Oktober 2017 zu Recht erkannt:
Spruch
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurden der 1965 geborene G***** S***** des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (I./A./), des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (I./B./), des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB (I./C./) und mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (I./D./) und K***** K***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt. G***** S***** wurde hierfür zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wobei gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB rechnete das Erstgericht die verbüßte Vorhaft von 11. Juni 2015, 12.20 Uhr, bis zum 12. August 2015, 15.20 Uhr, auf die verhängte Freiheitsstrafe an. Über K***** K***** wurde eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten verhängt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Weiters wurden gemäß § 20 Abs 1 StGB hinsichtlich des Erstangeklagten ein Betrag von EUR 801.581,00 und hinsichtlich der Zweitangeklagten ein Betrag von EUR 35.000,00 für verfallen erklärt. Gemäß § 366 Abs 2 StPO wurden die Privatbeteiligten G***** A***** Stiftung Österreich gemeinnützige Privatstiftung und H***** H***** mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Nach dem Schuldspruch haben
I./ G***** S*****
A./ jeweils seine Befugnis, über fremdes Vermögen, nämlich jenes des G***** V*****, zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch G***** V***** am Vermögen geschädigt, indem er jeweils in H***** wiederholt unter Ausnutzung der ihm von G***** V***** betreffend dessen Geschäftsverbindungen zur Volksbank A*****, *****, eingeräumten Zeichnungsberechtigungen bzw. Verfügungsbefugnisse Geldbeträge behob und entgegen der Zweckwidmung bzw. den Vorgaben des Berechtigten für die Befriedigung privater Bedürfnisse verwendete, und zwar
a./ im Zeitraum von 5. Mai 2010 bis 8. November 2011 durch Abhebung von insgesamt EUR 117.232,00 vom Sparbuch Nr. *****;
b./ im Zeitraum von 11. Mai 2010 bis 28. Oktober 2011 durch Behebung von insgesamt EUR 101.600,00 vom Girokonto IBAN AT*****; wobei er einen insgesamt EUR 218.832,00 betragenden, sohin EUR 5.000,00 übersteigenden, jedoch EUR 300.000,00 nicht übersteigenden Schaden herbeiführte;
B./ am 10. September 2010 in M***** S***** eine falsche Urkunde, nämlich ein nachgemachtes Schreiben der Bankstelle „A*****“ *****, durch Aushändigung an G***** V***** im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich des Nichtbestehens einer geschäftlichen Verbindung des Kreditinstitutes mit G***** V*****, gebraucht;
C./ in der Zeit von 17. November 2011 bis 23. November 2011 in S***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verantwortliche der W*****-Versicherung AG durch die Vorspiegelung, er habe die auf Überbringer lautenden Versicherungsurkunden mit den Nummern ***** vom Versicherungsnehmer G***** V***** zur Einlösung im Versicherungsfall ausgehändigt bekommen und sei somit zum Bezug der jeweiligen Auszahlungsbeträge berechtigt, also durch Täuschung über Tatsachen, zu Handlungen, nämlich zu vier Überweisungen von Geldbeträgen in Höhe von insgesamt EUR 582.749,00 an ihn, verleitet, die die Verlassenschaft nach dem am 12. November 2011 verstorbenen G***** V***** bzw. dessen Erben am Vermögen schädigten, wobei er durch die Tat einen EUR 300.000,00 übersteigenden Schaden herbeiführte;
D./ Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die von der W*****-Versicherung AG für G***** V***** ausgestellten Versicherungspolizzen Nr. *****, im Zeitraum von 25. Februar 2010 bis 17. November 2011 in U***** dadurch unterdrückt, dass er sie ohne Wissen und Zustimmung des Berechtigten an sich nahm, in der Folge behielt und schließlich durch Vorlage bei der W*****-Versicherung-AG im Rechtsverkehr verwendete.
II./ K***** K***** im August 2011 in M***** S***** ein ihr anvertrautes Gut, nämlich einen ihr von G***** V***** zur Weitergabe an die G***** Stiftung Österreich übergebenen Bargeldbetrag in der Höhe von EUR 35.000,00 sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem sie das Geld zweckwidrig für private Zwecke verwendete, wobei sie ein Gut veruntreute, dessen Wert EUR 5.000,00 überstieg.
Die gegen dieses Urteil erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 17. August 2017, 12 Os 32/17y-6, zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wurden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Der Erstangeklagte G***** S***** begehrt mit seiner Berufung eine Herabsetzung des Strafmaßes sowie die Gewährung gänzlich bedingter Strafnachsicht. Die Zweitangeklagte K***** K***** strebt mit ihrer Berufung primär eine diversionelle Erledigung, in eventu eine Herabsetzung des Strafmaßes sowie das Absehen vom Verfall, allenfalls eine Herabsetzung des Verfallsbetrages an.
Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption beantragt mit ihrer Berufung betreffend G***** S***** eine Erhöhung des Strafmaßes unter Ausschaltung des § 43a Abs 3 StGB.
Die Berufungen sind nicht berechtigt.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht bei beiden Angeklagten deren Unbescholtenheit sowie den Umstand mildernd, dass die Taten bereits länger zurückliegen, als erschwerend bei G***** S***** das Zusammentreffen von mehreren Vergehen mit (einem) Verbrechen, bei K***** K***** keinen Umstand.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend wendet die Staatsanwaltschaft ein, dass bei G***** S***** auch die wiederholte Begehung von Untreuehandlungen in einem Zeitraum von 5. Mai 2010 bis 8. November 2011 den besonderen Erschwerungsgrund nach § 33 Abs 1 Z 1 StGB begründet (Ebner in WK², § 33 Rz 4). Zudem ist im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungstatsachen nach § 32 Abs 3 StGB zum Nachteil des Erstangeklagten zu berücksichtigen, dass beim Vergehen der Untreue die strafsatzbestimmende Wertgrenze des § 153 Abs 3 StGB von EUR 5.000,00 nahezu um das 44-fache überschritten wurde (Ebner in WK2, § 32 Rz 77), wodurch der Erfolgsunwert beträchtlich erhöht ist. Im Rahmen des Gesinnungsunwertes wiederum ist schuldaggravierend, dass der Erstangeklagte, bezogen auf die Verurteilung wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB und die Urkundendelikte, seine Vertrauensstellung zum Opfer G***** V*****, skrupellos missbrauchte. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft kann jedoch noch nicht von einer heimtückischen Begehung im Sinne des § 33 Abs 1 Z 6 StGB ausgegangen werden (vgl Ebner in WK2, § 33 Rz 20).
Der Ansicht des Erstangeklagten zuwider wirkt der hinsichtlich G***** S***** für verfallen erklärte Vermögensbetrag nicht mildernd (vgl 14 Os 33/17k). Das Fehlen einer Härteklausel und der Umstand, dass durch den Verfall dem Täter kein finanzieller Ertrag verbleibt und er wegen des Bruttoprinzips auch seinen eigenen Einsatz verliert (vgl Fuchs/Tipold in Höpfel/Ratz, WK2 § 20a Rz 45), ist noch nicht als strafmildernder Umstand zu werten, weil der Verfall nach der Intention des Gesetzgebers keine Strafe, sondern eine besondere Sanktion des Strafrechts darstellt, deren Anordnung daher schuldunabhängig ist (vgl Fuchs/Tipold in Höpfel/Ratz, WK2 § 20 Rz 25 mwH). Durch den Verfall wird, unter Berücksichtigung des Schuldprinzips, kein auf das Verhalten des Angeklagten zurückführbares Schuldelement vermindert. Auch ein Absehen vom Verfall wegen unverhältnismäßig hohen Verfahrensaufwandes (§ 20a Abs 3 StGB) kommt angesichts der persönlichen Verhältnisse des Erstangeklagten und der Höhe des Verfallsbetrages nicht in Betracht ( Fuchs/Tipold aaO § 20a Rz 36).
Unter Zugrundelegung der besonderen Strafzumessungsgründe und der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 Abs 2 und 3 StGB, aufgrund derer der etwas überdurchschnittliche Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwert der Taten einer Bewertung zu unterziehen ist, entspricht beim vorliegenden Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 147 Abs 3 StGB) das vom Erstgericht festgesetzte Strafmaß der personalen Tatschuld. § 43a StGB ist in jenen Fällen anzuwenden, in denen es aus general- oder spezialpräventiven Gründen unumgänglich ist, über den Täter eine unbedingte Sanktion zu verhängen, in denen aber nicht der Vollzug der gesamten Sanktion notwendig ist, sondern der eines Teiles davon genügt. Angesichts der strafbaren Handlungen über einen längeren Tatzeitraum, der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Schadenshöhe und der skrupellosen Ausnützung des Vertrauens des 1923 geborenen G***** V***** durch den Angeklagten, ist der Vollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe geboten, um G***** S***** das Unrecht derartiger Straftaten entsprechend deutlich vor Augen zu führen und um ihn künftig von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Zudem bedarf es auch aus generalpräventiven Überlegungen des teilweisen Strafvollzugs, weil im konkreten Fall durch die (gänzlich) bedingte Nachsicht die Motivationskraft der Rechtsordnung überhaupt und insbesondere der in Betracht kommenden Strafnorm nicht ausreichend aufrechterhalten werden kann (vgl Fabrizy, StGB12, § 43 Rz 6). Das beträchtliche Gewicht des rechtsfehlerhaften Verhaltens des Erstangeklagten und die Schwere der verschuldeten Rechtsgutbeeinträchtigung indizieren einen hohen sozialen Störwert, weswegen zumindest der teilweise Strafvollzug zur Erhaltung und Stärkung der allgemeinen Normentreue notwendig ist. An diesen Erwägungen vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass der Erstangeklagte sich bereits zwei Monate in Untersuchungshaft befand. Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft ist jedoch ein darüber hinausgehender Vollzug weder spezial- noch generalpräventiv notwendig.
Auch bei der Zweitangeklagten hat das Erstgericht unter Berücksichtigung der gesetzeskonform festgestellten besonderen Strafzumessungsgründe und mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung nach § 32 Abs 2 und 3 StGB mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten ein tat- und schuldadäquates Strafmaß festgesetzt. Soweit die Berufungswerberin eine diversionelle Vorgangsweise nach dem 11. Hauptstück der StPO anstrebt, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Nichtvornahme einer Diversion nicht Gegenstand der Berufung (wegen Strafe) ist, sondern nur im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs 1 Z 10a StPO) geltend gemacht werden kann.
Der Einwand der Berufungswerberin, dass gemäß § 20c Abs 1 „Z 1“ StGB der Verfall ausgeschlossen sei, wenn an den betroffenen Vermögenswerten Rechtsansprüche dritter Personen bestehen, die an der strafbaren Handlung nicht beteiligt sind, verkennt, dass § 20c Abs 1 StGB nur auf den erweiterten Verfall nach § 20b Abs 1 StGB anwendbar ist. Ausschlussgründe nach § 20a Abs 2 StGB liegen ebenso wenig vor, wie Gründe, die ein Absehen vom Verfall nach § 20a Abs 3 StGB rechtfertigen würden. Die von der Berufungswerberin zudem begehrte Herabsetzung des Verfallsbetrages aufgrund ihrer persönlichen Situation kommt nicht in Betracht, weil das Gesetz für den Verfall eine Härteklausel nicht vorsieht (Stricker in Leukauf/Steininger, StGB4, § 20a Rz 12).
Textnummer
EL0000259European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0459:2017:0090BS00277.17Z.1018.000Im RIS seit
14.11.2017Zuletzt aktualisiert am
16.11.2017