TE Lvwg Beschluss 2017/9/6 VGW-032/068/8876/2016

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Veröffentlicht am 06.09.2017
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Entscheidungsdatum

06.09.2017

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StVO 1960 §8 Abs4
StVO 1960 §99 Abs3 lita
VStG §31 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §44a Z1

Text

Das Verwaltungsgericht Wien f a s s t durch seinen Richter Mag. Hohenegger über die Beschwerde des Herrn He. H. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 06.06.2016, Zl.: MA 67-RV-044999/6/7, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO iVm § 8 Abs. 4 StVO, den

BESCHLUSS:

I. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

I. Begründung

Der Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet wie folgt:

„Sie haben am 5.2.2016 um 21:36 Uhr in WIEN, E.-straße als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W-... folgende Verwaltungsübertretung begangen: Abstellen des Fahrzeuges auf einem Mehrzweckstreifen, welcher hierdurch vorschriftswidrig benützt wurde.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 99 Abs. 3 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) in Verbindung mit § 8 Abs. 4 StVO 1960

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 wird gegen Sie eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 91,00, im Falle der Uneinbringlichkeit 20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.

Es wird Ihnen zudem ein Betrag von EUR 10,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt (§ 64 Abs. 2 des Verwaltungsstrafgesetzes).

Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher EUR 101,00. […]“

Die Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet wie folgt:

„Sie haben das Fahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-... in Wien, E.-straße abgestellt, sodass es dort am 5.2.2016 um 21:36 Uhr auf einem Mehrzweckstreifen gestanden ist, welcher hierdurch vorschriftswidrig benützt wurde.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Anzeige, welche von einem Exekutivbediensteten der Landespolizeidirektion Wien auf Grund einer eigenen dienstlichen Wahrnehmung gelegt wurde.

Weiters wurde Beweis erhoben durch Einsicht in die von Ihnen als Zulassungsbesitzer erteilte Lenkerauskunft, wonach das Fahrzeug von Ihnen abgestellt wurde.

Zudem führten Sie hierzu aus, dass das Fahrzeug keineswegs abgestellt gewesen wäre, da es sich um ein Taxi handelt und Sie einen Fahrgast befördert hätten. Einem Taxi wäre gestattet unter Umständen in zweiter Spur zu halten. Auch würde sich Ihr Fahrgast als Zeuge zur Verfügung stellen.

Im Einspruch gegen die an Sie ergangene Strafverfügung wiederholten Sie im Wesentlichen diese Angaben und ergänzten, dass Sie einen Fahrgast abkassierten, sein Gepäck ausluden und wieder wegfuhren. Da es sich um ein Taxi handelt, gelte § 23 Abs. 3a der StVO.

Dazu wird Folgendes festgestellt:

Gemäß § 8 Abs. 4 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) ist die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern, verboten. Gemäß dieser Bestimmung begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung, der sein Fahrzeug auf dem Mehrzweckstreifen abstellt.

Der Begriff „Abstellen“ ist ein Oberbegriff für „Halten“ und „Parken“ (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.9.1984, ÖJZ 1985/381.25.31994, ZfVB 1996/1/238).

Unter »Halten« ist eine vom Lenker gewollte Fahrtunterbrechung und unter »Anhalten« ein erzwungenes Zum-Stillstand-Bringen des Fahrzeuges zu verstehen (vgl. OGH 18.1.1973, 2 Ob 162/72).

Das freiwillige Stehenbleiben mit einem Kraftfahrzeug, um jemanden aussteigen zu lassen, ist als »Halten« und nicht als »Anhalten« einzustufen. Somit handelt es sich bei der von Ihnen geschilderten Situation zweifelsfrei nicht um ein verkehrsbedingtes Anhalten.

Ihrem Einwand, Sie hätten die Tat in Ausübung Ihres Berufes als Taxilenker begangen, ist entgegenzuhalten, dass die Straßenverkehrsordnung zwar durchaus Sonderbestimmungen für Taxifahrzeuge vorsieht - so darf mit solchen Fahrzeugen etwa gemäß § 23 Abs. 3a StVO, wenn die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird und innerhalb von 50 m ein Halten (außerhalb von Parkplätzen) beispielsweise am Rande der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand nicht möglich ist, in zweiter Spur zum Aus- oder Einsteigen kurz gehalten werden; ebenso im Haltestellenbereich von Massenbeförderungsmitteln, in Ladezonen oder auf Taxistandplätzen.

Das Abstellen des Fahrzeuges auf einem Mehrzweckstreifen gehört daher nicht zu den Ausnahmebestimmungen des Taxi- und Mietwagengewerbes.

Ihr Vorbringen konnte daher nicht zu Ihren Gunsten wirken bzw. war nicht geeignet Sie vom gegenständlichen Tatvorwurf zu entlasten.

Es wird daher der Sachverhalt als erwiesen angenommen, wie er aus den schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben in der Anzeige sowie aus der Tatumschreibung in der Strafverfügung ersichtlich ist.

Ein Rechtfertigungsgrund, also eine Norm, die das tatbestandsmäßige Verhalten ausnahmsweise erlaubt bzw. welche die Strafbarkeit aufheben würde, liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Es war daher als erwiesen anzusehen, dass Sie das Tatbild verwirklicht haben.

Gemäß § 5 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebots dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Da zum Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, genügt somit im Sinne der obzitierten gesetzlichen Bestimmung für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten.

Mit der Darstellung der Tatumstände ist es Ihnen nicht gelungen, mangelndes Verschulden darzutun und trifft Sie der Vorwurf zumindest fahrlässigen Verhaltens.

Somit sind sowohl die objektiven, als auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit gegeben.

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht, wer gegen obzitierte Bestimmung verstößt, eine Verwaltungsübertretung, und ist mit einer Geldstrafe bis zu EUR 726,00, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen zu bestrafen.

Grundlage für die Bemessung der Strafe gemäß § 19 VStG ist die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Die der Bestrafung zu Grunde liegende Handlung schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse von Berechtigten an der Freihaltung des Mehrzweckstreifens, dem die Strafdrohung dient, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Taten, insbesondere durch die begründete Besorgnis der Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, nicht gering war.

Dass die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist nicht hervorgekommen, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen. Ihr Verschulden kann daher nicht als geringfügig angesehen werden.

Bei der Strafbemessung wurde der Umstand berücksichtigt, dass Ihnen der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zu Gute kommt.

Betreffend Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten sind dem Amt keine Umstände bekannt, die annehmen ließen, dass Sie durch die verhängte Strafe in Ihren wirtschaftlichen Verhältnissen übermäßig hart getroffen werden. Eine allfällige Sorgepflicht konnte mangels jeglicher Hinweise nicht angenommen werden.

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis zu EUR 726,00 reichenden Strafsatz, den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden ist die verhängte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal etwaige Milderungsgründe nicht hervorgetreten sind.

Die Auferlegung des Beitrages zu den Kosten des Verfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs. 2 des VStG 1991.“

Dieses Straferkenntnis wurde der beschwerdeführenden Partei am 13.6.2016 zugestellt.

Mit E-Mail an die belangte Behörde vom 5.7.2016 erhob der Beschwerdeführer gegen dieses Straferkenntnis fristgerecht Beschwerde. In dieser führte er im Wesentlichen aus wie folgt:

„Würde gerne wissen wie man am Busbahnhof seine Fahrgäste aussteigen lassen kann (……). Sie aus dem fahrenden Auto zu stoßen kommt für mich aber nicht in Frage, für eine aufklärende Antwort Ihrerseits wäre ich Ihnen dankbar.“

Aus dem der Beschwerde beigeschlossenen erstinstanzlichen Akt ist ersichtlich, dass am 5.2.2016 durch die Landespolizeidirektion Wien eine Anzeige erfolgte, in welcher dem Lenker das Tatfahrzeugs zur Last gelegt wurde, in Wien, E.-straße, das Tatfahrzeug auf einem Mehrzweckstreifen abgestellt zu haben, sodass dieser dadurch zum angelasteten Zeitpunkt vorschriftswidrig benutzt worden sei.

Gegen die gegen den Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 29.4.2016 erlassene Strafverfügung, welche am 10.5.2016 zugestellt worden war, erhob dieser mit Schreiben vom 18.5.2016 Einspruch. In diesem wandte er ein, dass er das Fahrzeug nicht am gegenständlichen Ort abgestellt habe. Vielmehr habe er von einem Fahrgast das Fahrentgelt kassiert und das Gepäck des Fahrgasts abgeladen. Da es sich beim Tatfahrzeug um ein Taxi gehandelt habe, finde § 23 Abs. 3a StVO Anwendung.

Seitens der belangten Behörde wurde sodann ein Foto von der gegenständlichen Tatörtlichkeit beigeschafft. Demnach lag der gegenständliche Abstellort auf einem Radfahrstreifen gemäß § 2 Abs. 1 Z 7 StVO.

In diesem Bereich wurde dieser Radfahrstreifen von der für den übrigen fließenden Fahrzeugverkehr Fahrbahn durch eine Leitlinie (daher unterbrochene Linie) i.S.d. § 55 Abs. 3 StVO abgegrenzt.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Im Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer folgendes Tatbild angelastet:

„Sie haben am 5.2.2016 um 21:36 Uhr in WIEN, E.-straße als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen W-... folgende Verwaltungsübertretung begangen: Abstellen des Fahrzeuges auf einem Mehrzweckstreifen, welcher hierdurch vorschriftswidrig benützt wurde."

Auf dem im Akt der belangten Behörde einliegenden Foto der Tatörtlichkeit (MA67-AS 13) ist ersichtlich, dass der sich der angelastete Abstellort des Taxis auf einem Radfahrstreifen gemäß § 2 Abs. 1 Z 7 StVO befindet.

In diesem Bereich wurde dieser Radfahrstreifen von der für den übrigen fließenden Fahrzeugverkehr verbleibenden Fahrbahn durch eine unterbrochene Linie (Leitlinie i.S.d. § 55 Abs. 3 StVO bzw. Warnlinie i.S.d. § 13 BodenmarkierungsV) abgegrenzt.

§ 13 BodenmarkierungsV - inkl. Überschrift - lautet:

"Bodenmarkierungen auf Radfahrstreifen

§ 13. (1) Ein Radfahrstreifen ist durch eine Sperrlinie gegen den benachbarten Fahrstreifen abzugrenzen.

(2) Wenn es die Verkehrsverhältnisse oder die örtlichen Gegebenheiten erfordern, kann an hiefür in Betracht kommenden Stellen oder im Bereich bestimmter Straßen oder Straßenabschnitte entweder die Sperrlinie durch eine Warnlinie unterbrochen oder statt einer Sperrlinie überhaupt eine Warnlinie angebracht werden (Mehrzweckstreifen, § 2 Abs. 1 Z 7a StVO 1960 in der Fassung der 19. StVO-Novelle).

(3) Der Beginn und der Verlauf eines Radfahrstreifens sind durch wiederholte Markierung mit Fahrradsymbolen entsprechend der Abbildung in Anlage 3 zu kennzeichnen. Die Abstände der einzelnen Fahrradsymbole haben den örtlichen Gegebenheiten, den Verkehrsverhältnissen sowie den Anforderungen der Verkehrssicherheit zu entsprechen. Das Ende eines Radfahrstreifens ist durch die Schriftzeichenmarkierung „Ende“ (§ 20) anzuzeigen."

§ 8 Abs. 4 StVO lautet wie folgt:

„Die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art und die Benützung von Radfahranlagen mit Fahrzeugen, die keine Fahrräder sind, insbesondere mit Motorfahrrädern, ist verboten. Dieses Verbot gilt nicht

1.

für das Überqueren von Gehsteigen, Gehwegen und Radfahranlagen mit Fahrzeugen auf den hiefür vorgesehenen Stellen,

2.

für das Befahren von Mehrzweckstreifen mit Fahrzeugen, für welche der links an den Mehrzweckstreifen angrenzende Fahrstreifen nicht breit genug ist oder wenn das Befahren durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt angeordnet ist, wenn dadurch Radfahrer weder gefährdet noch behindert werden, sowie

3.

für Arbeitsfahrten mit Fahrzeugen oder Arbeitsmaschinen, die nicht mehr als 1 500 kg Gesamtgewicht haben und für die Schneeräumung, die Streuung, die Reinigung oder Pflege verwendet werden.“

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 7a StVO ist ein Mehrzweckstreifen ein Radfahrstreifen oder ein Abschnitt eines Radfahrstreifens, der unter besonderer Rücksichtnahme auf die Radfahrer von anderen Fahrzeugen befahren werden darf, wenn für diese der links an den Mehrzweckstreifen angrenzende Fahrstreifen nicht breit genug ist oder wenn das Befahren durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt angeordnet ist.

Aus der Definition des "Mehrzweckstreifens" in § 2 Abs 1 Z 7a StVO 1960 ergibt sich schon aus deren Wortlaut das klare Ergebnis, dass dieser einen "Radfahrstreifen" (oder einen Abschnitt eines solchen) darstellt, der unter den dort näher angeführten Bedingungen von anderen Fahrzeugen befahren werden darf, woraus sich somit die Erforderlichkeit der Anzeige des "Endes" eines Mehrzweckstreifens im Sinne des zum Radfahrstreifen Gesagten ergibt (wobei im Falle, dass nur ein "Abschnitt" des Radfahrstreifens einen Mehrzweckstreifen bildet, die erforderliche Markierung "Ende" durch die diesbezügliche Markierung dieses Radfahrstreifens gegeben ist). Dem widerspricht § 13 Abs. 2 BodenmarkierungsV 1996, betreffend die Anbringung von Bodenmarkierungen bei Mehrzweckstreifen - trotz des Fehlens einer speziellen Regelung über die Kennzeichnung des "Endes" eines solchen - nicht, behandelt doch § 13 BodenmarkierungsV 1996 nach seiner Überschrift Bodenmarkierungen auf "Radfahrstreifen" und somit auch solche, die als "Mehrzweckstreifen" verordnet wurden, sodass die Vorschrift des § 13 Abs 3 letzter Satz BodenmarkierungsV 1996 auch für diese gilt (sofern sie nicht nur einen "Teil" eines Radfahrstreifens bilden). (vgl. VwSlg. 9283 A/1977; VwGH 14.12.2007, 2007/02/0295).

Bei einem Radfahrstreifen handelt es sich gemäß § 2 Abs. 1 Z 7 StVO um einen für den Fahrradverkehr bestimmten und besonders gekennzeichneten Teil der Fahrbahn, wobei der Verlauf durch wiederholte Markierung mit Fahrradsymbolen und das Ende durch die Schriftzeichenmarkierung „Ende“ angezeigt wird.

Als Radweg definiert § 2 Abs. 1 Z 8 StVO einen für den Verkehr mit Fahrrädern bestimmten und als solcher gekennzeichneten Weg.

Bei einer Radfahranlage handelt es sich gemäß § 2 Abs. 1 Z 11b StVO um einen Radfahrstreifen, einen Mehrzweckstreifen, einen Radweg, einen Geh- und Radweg oder eine Radfahrerüberfahrt.

Bei Zugrundelegung der erstbehördlichen Erhebungen war der gegenständliche Bereich des Radfahrstreifens nicht durch eine Sperrlinie, sondern durch eine Leitlinie (daher unterbrochene Linie) i.S.d. § 55 Abs. 3 StVO von der für den übrigen fließenden Fahrzeugverkehr gewidmeten Fahrbahn abgetrennt. Es ist daher davon auszugehen, dass Fahrzeuge, welche auf der für den übrigen fließenden Verkehr gewidmeten Fahrbahn gelenkt werden, denkmöglich befugt sind, auf diesen Bereich des Radfahrstreifens zuzufahren. Folglich ist nicht auszuschließen, dass dieser Teil des Radfahrstreifens als ein Mehrzweckstreifen i.S.d. § 2 Abs. 1 Z 7a StVO einzustufen ist.

Vom Vorliegen eines Mehrzweckstreifens ist nun aber nur dann auszugehen, wenn es sich bei diesem um einen Radfahrstreifen oder ein Abschnitt eines Radfahrstreifens handelt, der unter besonderer Rücksichtnahme auf die Radfahrer von anderen Fahrzeugen befahren werden darf, wenn für diese der links an den Mehrzweckstreifen angrenzende Fahrstreifen nicht breit genug ist oder wenn das Befahren durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt angeordnet ist.

Dass solch eine Konstellation nicht vorgelegen ist, daher dass der angrenzende Fahrstreifen breit genug gewesen ist bzw. dass das Befahren dieses Mehrzweckstreifens nicht durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnung zur Weiterfahrt angeordnet worden ist, wurde von der belangten Behörde nicht erhoben, und daher schon deshalb nicht binnen der Verfolgungsverjährungsfrist dem Beschwerdeführer konkretisiert angelastet.

Es liegt daher keine ausreichend spezifizierte Verfolgungshandlung im Hinblick auf das angelastete Tatbildmerkmal der Befahrung eines Mehrzweckstreifens vor.

Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 4 StVO wird nun aber zudem das Halten auf einer als Mehrzweckstreifen i.S.d. § 2 Abs. 2 Z 7a StVO einzustufenden Verkehrsfläche nicht generell untersagt. Vielmehr ist ein Halten auf diesem Bereich einer Verkehrsfläche nur dann untersagt, wenn eine Konstellation i.S.d. § 8 Abs. 4 Punkt 2 StVO nicht vorliegt.

Dass solch eine Konstellation nicht vorgelegen ist, daher dass der angrenzende Fahrstreifen breit genug gewesen ist bzw. dass das Befahren dieses Mehrzweckstreifens nicht durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnung zur Weiterfahrt angeordnet worden ist, wurde von der belangten Behörde nicht erhoben, und daher schon deshalb nicht binnen der Verfolgungsverjährungsfrist dem Beschwerdeführer angelastet.

Es liegt daher auch keine ausreichend spezifizierte Verfolgungshandlung im Hinblick auf das Tatbildmerkmal des Nichtvorliegens einer Konstellation i.S.d. § 8 Abs. 4 Punkt 2 StVO vor.

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt an zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt an.

 

Nach § 32 Abs. 2 VStG ist als Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl.) anzusehen, und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, unterbricht eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung, wenn in ihr der Beschuldigte konkretisiert ist und in ihr alle gemäß § 44a VStG erforderlichen Tatbildmerkmale angeführt sind (vgl. Hauer W., Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, § 32 VStG Anm. 1, S. 923f sowie u.a. VwGH-verst.Senat 19.10.1978, Slg.N.F. Nr. 9664/A und VwGH 19.6.1990, 89/04/0266; 23.3.1988, 87/02/0181).

Dabei ist zur Beantwortung der Frage, ob Verjährung im Sinne des § 31 Abs. 1 VStG eingetreten ist, von der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG auszugehen (vgl. hiezu u.a. VwGH 19.6.1990, 89/04/0266) und das dem Beschuldigten zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z 2 VStG näher zu konkretisieren und individualisieren (vgl. VwGH 22.12.1992, 91/04/0199).

 

Nach § 45 Abs. 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, dass es nach dieser Bestimmung rechtlich geboten ist, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die  Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale  ermöglicht wird,

2.) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Was den vorstehenden Punkt 1.) anlangt, sind entsprechende, d.h. in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Wenn ein Tatbild nicht typischerweise nur durch eine bestimmte Handlung verwirklicht werden kann, ist insbesondere detailliert anzuführen, durch welches Verhalten das Tatbild gesetzt wurde (vgl. VwGH 5.12.1983, 82/10/125).

Was den vorstehenden Punkt 2.) anlangt, muss entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwGH - verst. Senat 13.6.1984, Slg. 11466A)

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden).

 

Zu den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen insbesondere zählen die Angabe des genauen Tatortes, der Tatzeit und des konkreten vorgeworfenen Verhaltens. Aus dem konkretisierten Verhaltensvorwurf müssen alle angelasteten Tatbildmerkmale ableitbar sein. Zudem muss im Spruch das Verhalten in den Fällen, in welchen ein Tatbildmerkmal durch verschiedene Verhaltensweisen verwirklicht werden kann, derart konkretisiert werden, dass klar ersichtlich ist, durch welche der möglichen Verhaltensweisen das konkret vorgeworfene Tatbildmerkmal verwirklicht worden ist.

Wenn auch ein übertriebener Formalismus bei der Konkretisierung hinsichtlich des tatbildmäßigen Verhaltens, des Tatorts und der Tatzeit fehl am Platz ist, so ist es doch erforderlich, Verhalten, Tatort und Tatzeit möglichst präzise anzugeben. Jedenfalls aber ist innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist durch eine Verfolgungshandlung jedes Tatbildmerkmal der zur Last gelegten Übertretungsnorm zusätzlich zur Anführung der verba legalia derart zu konkretisieren, dass genau ausgeführt ist, durch welche Tatsachenannahme welches Tatbildmerkmal nach Ansicht der Behörde verwirklicht worden ist.

Diesen Erfordernissen wurde im vorliegenden Fall jedoch nicht genüge getan, zumal im Hinblick auf zwei zentrale Tatbildmerkmale der gegenständlichen Tatanlastung, nämlich das Tatbildmerkmal des Vorliegens eines Mehrzweckstreifens und das Tatbildmerkmal des Nichtvorliegens einer Konstellation i.S.d. § 8 Abs. 4 Punkt 2 StVO, keine ausreichend spezifizierte Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind.

Da aus dem Akt ersichtlich ist, dass innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine die Verfolgungsverjährung unterbrechende Verfolgungshandlung hinsichtlich der gegenständlich angelasteten Übertretung des § 8 Abs. 4 StVO gesetzt worden ist und auch nicht mehr gesetzt werden kann, ist hinsichtlich dieses Tatvorwurfes sohin Verfolgungsverjährung eingetreten.

Es war sohin das Straferkenntnis zu beheben und wegen eingetretener Verfolgungsverjährung spruchgemäß die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG VStG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

II. Unzulässigkeit der Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Taxi; Abstellen; Halten; Mehrzweckstreifen; Radfahrstreifen; Verfolgungshandlung nicht spezifiziert; Konkretisierungsgebot; Verjährung; Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.032.068.8876.2016

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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