Entscheidungsdatum
29.11.2016Index
83 Naturschutz UmweltschutzNorm
AWG 2002 §37Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Alexander Spielmann über die Beschwerde der A A GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt, Adresse, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 06.11.2015, Zahl ****, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahren und Beschwerdevorbringen:
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.11.2015, Zl ****, hat der Landeshauptmann von Tirol als AWG-Behörde der A A GmbH gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 mit sofortiger Wirkung die Zerkleinerung von Holzabfällen mittels „mobiler Abfallbehandlungsanlage“ am Standort der Betriebsanlage W auf den Gste Nr ***, ***, *** und ***, alle KG ***, untersagt. Begründend führte die Behörde zusammengefasst aus, dass der ortsfeste Betrieb des Holzshredders ursprünglich mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X als Gewerbebehörde vom 19.11.2001, Zl ****, bewilligt worden sei, um Holzabfälle zur thermischen Verwertung am selben Standort aufzubereiten. Nachdem jedoch der Konsens für die Holzheizung mit Bescheid der AWG-Behörde vom 24.07.2014, Zl ****, weggefallen sei, fehle es nunmehr auch am notwendigen Konsens gemäß § 37 AWG 2002 für den Shredder.
Gegen diesen am 17.11.2015 zugestellten Bescheid hat die A A GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt, mit Schreiben vom 15.12.2015 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde beantragt. Begründend führte sie im Wesentlichen folgendes aus:
? In der Abfallbehandlungsanlage W werde auch Altholz mittels einer mobilen Shredderanlage aufbereitet. Der Shredder werde an ca 36 Kalendertagen bzw ca 200 Betriebsstunden pro Jahr in Lohnarbeit von der B B GmbH betrieben. Dieser Shredder verfüge über eine Genehmigung nach § 52 AWG 2002.
? Für den Betrieb des Shredders in diesem Umfang sei keine Genehmigung nach § 37 AWG 2002 erforderlich. Nur wenn die Anlage länger als sechs Monate an einem Standort betrieben werde, könne von einer ortsfesten und damit nach § 37 AWG 2002 bewilligungspflichtigen Abfallbehandlungsanlage ausgegangen werden. Bezüglich dieses Zeitkriteriums sei nicht nur auf eine Aufstellung „am Stück“, sondern auch auf die Aufstellung über einen längeren Zeitraum als sechs Monate, jedoch verteilt auf mehrere, einzelne Tage dauernde Phasen abzustellen (Schleich/Zauner/Berl, Kommentar AWG 2002, § 53 RZ 1). Gegenständlich sei unstrittig, dass die Anlage nicht länger als sechs Monate pro Jahr am Standort W betrieben werde, weshalb kein Raum für eine Genehmigungspflicht nach § 37 AWG 2002 bestehe. Die einschlägige Fachliteratur (Sander, Mobile Abfallbehandlungsanlagen, RdU 2013, 246) stütze die Auffassung, wonach lediglich der Betrieb der Anlage für eine Dauer von mehr als sechs Monaten „am Stück“ eine Qualifikation als mobile Anlage ausschließe. Die Genehmigung nach § 52 AWG 2002 sei für den gegenständlichen Betrieb des Shredders somit ausreichend, weshalb allenfalls erforderliche verwaltungspolizeiliche Maßnahmen nach § 53 AWG 2002 zu erfolgen hätten.
? Aber auch wenn eine Genehmigungspflicht nach § 37 AWG 2002 bestünde, wäre der angefochtene Bescheid rechtswidrig, da ein „ortsfester“ Konsens zur Behandlung von Holzabfällen vorliege. Die Lagerung und Aufbereitung von Altholz sei nämlich mit Bescheid der Gewerbebehörde vom 19.11.2001, Zl ****, genehmigt worden. Auch die Planbeilage zu den Bescheiden der AWG-Behörde vom 20.10.2009, Zl ****, und 16.12.2009, Zl ****, weise explizit einen Standort für einen mobilen Holzshredder auf. Auf diesen Konsens sei nie verzichtet worden. Auch mit dem Bescheid der AWG-Behörde vom 24.07.2014, Zl ****, sei der Konsens für den Shredder nicht weggefallen; Gegenstand dieses Bescheides sei lediglich die Änderung der Heizungsanlage und nicht die Aufbereitung von Altholz gewesen. Grundsätzlich würden am Standort W viele Abfälle behandelt, ohne dass damit eine Bindung zur weiteren Nutzung an diesem Standort verbunden sei.
? Schließlich sei die Beschwerdeführerin auch nicht Inhaberin des Shredders, der in Lohnarbeit von der B B GmbH betrieben werde. Die Beschwerdeführerin sei daher der falsche Adressat des verwaltungspolizeilichen Auftrages.
Am 15.11.2016 hat das Landesverwaltungsgericht Tirol eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt, teilgenommen hat.
II. Sachverhalt:
Die A A GmbH betreibt am Standort W auf den Gste Nr ***, ***, *** und ***, alle KG ***, eine genehmigte ortsfeste Abfallbehandlungsanlage, in der ua auch Holzabfälle angeliefert, zwischengelagert und in unregelmäßigen Abständen – meist im Abstand mehrerer Wochen – mittels einer mobilen Shredderanlage aufbereitet werden, wobei der Shredder an ca 36 Kalendertagen bzw ca 200 Betriebsstunden pro Jahr von der B B GmbH in Lohnarbeit betrieben wird. Der Shredder verfügt aufgrund der Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23.07.2001, Zl ****, und des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 07.09.2011, Zl ****, über eine Bewilligung zum Betrieb als mobile Behandlungsanlage gemäß § 52 AWG 2002.
Für die Betriebsanlage am Standort W wurde bereits mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X als Gewerbebehörde vom 19.11.2001, Zl ****, nach Maßgabe der eingereichten Projektsunterlagen ua die gewerberechtliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer ortsfesten Heizungsanlage zur thermischen Verwertung von Holzabfällen erteilt. Das eingereichte Projekt sah dabei für die thermische Verwertung vor, dass die angelieferten Holzabfälle mit einer firmeneigenen Shredderanlage zerkleinert werden und die Stückgröße dabei der Verbrennungs- und Fördertechnik angepasst wird. Mit Auflage I/B/5 des Bewilligungsbescheides wurde vorgeschrieben, dass die Altholzaufbereitung (Zerkleinerer, Abscheidegerät) nur auf einer befestigten Fläche erfolgen darf. Weitere Hinweise auf einen Shredder finden sich weder im Bewilligungsbescheid noch in den Antragsunterlagen. Bei dem auf Grund dieses Bescheides eingesetzten Shredders handelt es sich um denselben Shredder, der nach wie vor am Standort W zur Aufbereitung von Holzabfällen verwendet wird.
Mit Inkrafttreten des AWG 2002 wurde die Betriebsanlage am Standort W aufgrund der Übergangsbestimmung des § 77 Abs 2 AWG 2002 in das Regime des AWG-Anlagenrechts übergeleitet.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol als AWG-Behörde vom 20.10.2009, Zl ****, in der Fassung der Berufungsvorentscheidung vom 16.12.2009, Zl ****, wurde ua gemäß § 6 Abs 7 Z 2 AWG 2002 der Umfang der in der Betriebsanlage am Standort W zur Lagerung und Behandlung genehmigten Abfallarten festgestellt. Diese Bescheide wurden nach Maßgabe eines eingereichten und signierten Lageplans erlassen, auf dem auch der Standort eines Holzshredders samt zugehöriger Abfallarten auf dem Gst Nr **** eingezeichnet ist.
Mit Schreiben vom 14.04.2014 hat die C C GmbH als damalige Anlagenbetreiberin bei der AWG-Behörde angezeigt, dass die mit Bescheid vom 19.11.2001, Zl ****, bewilligte Holzheizung außer Betrieb genommen und demontiert wird; die Heizungsanlage sollte auf Gas umgestellt werden. Auf den Shredder, mit dem die Holzabfälle für die Holzheizung aufbereitet wurden, ist in dieser Anzeige nicht eingegangen worden. Mit Bescheid vom 24.07.2014, Zl ****, hat die AWG-Behörde die angezeigte Änderung gemäß § 37 Abs 4 Z 1 und 4 AWG 2002 zur Kenntnis genommen.
Mit Schreiben vom 20.08.2015, Zl ****, hat die AWG-Behörde die A A GmbH als nunmehriger Anlagenbetreiberin gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 aufgefordert, die Holzaufbereitung am Standort W bis spätestens 31.08.2015 einzustellen, da die dafür erforderliche Genehmigung als ortsfeste Behandlungsanlage nach § 37 AWG 2002 fehle. Daraufhin erging der angefochtene Bescheid vom 06.11.2015, Zl ****.
III. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Akt der belangten Behörde, aus dem Beschwerdevorbringen sowie aus der mündlichen Verhandlung am 15.11.2016. Der Sachverhalt wurde nicht bestritten und steht somit als erwiesen fest.
IV. Rechtslage:
Die relevanten Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) lauten auszugsweise wie folgt:
„Begriffsbestimmungen
§ 2.
(7) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind
1. „Behandlungsanlagen“ ortsfeste oder mobile Einrichtungen, in denen Abfälle behandelt werden, einschließlich der damit unmittelbar verbundenen, in einem technischen Zusammenhang stehenden Anlagenteile;
2. „mobile Behandlungsanlagen“ Einrichtungen, die an verschiedenen Standorten vorübergehend betrieben und in denen Abfälle behandelt werden. Nicht als mobile Behandlungsanlagen gelten ihrer Natur nach zwar bewegliche Einrichtungen, die länger als sechs Monate an einem Standort betrieben werden, ausgenommen Behandlungsanlagen zur Sanierung von kontaminierten Standorten;
(…)
Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen
§ 37.
(1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde. Die Genehmigungspflicht gilt auch für ein Sanierungskonzept gemäß § 57 Abs. 4.
(…)
(3) Folgende Behandlungsanlagen – sofern es sich nicht um IPPC-Behandlungsanlagen handelt – und Änderungen einer Behandlungsanlage sind nach dem vereinfachten Verfahren (§ 50) zu genehmigen:
(…)
5. eine Änderung, die nach den gemäß § 38 mitanzuwendenden Vorschriften oder nach dem Baurecht des jeweiligen Bundeslandes genehmigungspflichtig ist und keine wesentliche Änderung darstellt.
(…)
(4) Folgende Maßnahmen sind – sofern nicht eine Genehmigungspflicht gemäß Abs. 1 oder 3 vorliegt – der Behörde anzuzeigen:
(…)
4. sonstige Änderungen, die nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelt haben können;
(…)
8. sonstige Änderungen, die nach den gemäß § 38 mitanzuwendenden Vorschriften oder nach dem Baurecht des jeweiligen Bundeslandes anzeigepflichtig sind.
(…)
Genehmigung von mobilen Behandlungsanlagen
§ 52.
(1) Eine mobile Behandlungsanlage, die in einer Verordnung gemäß § 65 Abs. 3 genannt ist, oder eine wesentliche Änderung einer solchen mobilen Behandlungsanlage ist von der Behörde zu genehmigen.
(…)
Aufstellung von mobilen Behandlungsanlagen
§ 53.
(1) Der Inhaber einer Genehmigung gemäß § 52 Abs. 1 ist berechtigt, die mobile Behandlungsanlage an einem gemäß der Genehmigung in Betracht kommenden Standort längstens sechs Monate aufzustellen und zu betreiben.
(2) Sind die gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 bis 6 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen an einem bestimmten Standort nicht hinreichend geschützt, hat die Behörde, in deren örtlichen Zuständigkeitsbereich die mobile Behandlungsanlage aufgestellt und betrieben wird, die erforderlichen geeigneten Maßnahmen anzuordnen. Können die gemäß § 43 Abs. 1 Z 1 bis 6 wahrzunehmenden Interessen trotz Anordnungen nicht erfüllt werden, ist die Aufstellung und der Betrieb an diesem Standort zu untersagen.
(…)
Überwachung von Behandlungsanlagen und Maßnahmen für die Betriebs- und Abschlussphase
§ 62.
(…)
(2) Besteht der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, so hat die Behörde – unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens – den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.
(…)“
V. Erwägungen:
1. Zum Genehmigungsregime:
Mobile Behandlungsanlagen im Sinne des AWG 2002 sind gemäß dessen § 2 Abs 7 Z 2 Einrichtungen, die an verschiedenen Standorten vorübergehend betrieben und in denen Abfälle behandelt werden. Nicht als mobile Behandlungsanlagen gelten ihrer Natur nach zwar bewegliche Einrichtungen, die länger als sechs Monate an einem Standort betrieben werden, ausgenommen Behandlungsanlagen zur Sanierung von kontaminierten Standorten. Eine mobile Behandlungsanlage im Sinne des § 52 AWG 2002 liegt nicht mehr vor, wenn diese immer wieder zum selben Standort zurückkehrt; erfolgt die Aufstellung und der Betrieb einer solchen Anlage regelmäßig bzw wiederkehrend an einem Standort, sind die Auswirkungen mit jenen einer ortsfesten Behandlungsanlage vergleichbar (vgl Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/Wolfslehner, AWG 20022, K51 zu § 2 AWG 2002).
Bei der Auslegung des § 2 Abs 7 Z 2 AWG 2002 ist weiters zu berücksichtigen, dass die Genehmigung einer mobilen Behandlungsanlage ohne Beteiligung der Nachbarn erfolgt, zumal bei einer Genehmigung einer mobilen Behandlungsanlage der Kreis der Nachbarn im Vorhinein durch deren wechselnden Aufstellungsort nicht bestimmbar ist. Wenn eine mobile Behandlungsanlage daher alleine schon auf Grundlage einer nach § 52 AWG 2002 erteilten Genehmigung wiederkehrend am selben Standort eingesetzt werden könnte, so würde die gesetzlich eingeräumte Parteistellung des Nachbarn betreffend die Genehmigungspflicht von Anlagen nach § 37 Abs 1 AWG 2002 unterlaufen: Der Nachbar könnte sich selbst dann nicht gegen den Einsatz der Behandlungsanlage wehren, wenn diese über mehrere Jahre wiederkehrend wöchentlich, wenngleich nur jeweils für kurze Zeit, betrieben würde. Auch bietet § 53 Abs 2 AWG 2002 betreffend die Möglichkeit der Vorschreibung von Maßnahmen betreffend einen bestimmten Aufstellungsort einer Anlage keine Abhilfe, weil Parteistellung in einem derartigen Verfahren mangels anderslautender gesetzlicher Regelung nur der Antragsteller (Anlagenbetreiber) hat (vgl Bumberger/Hochholdinger/Niederhuber/ Wolfslehner, AWG 20022, K6 zu § 53 AWG 2002).
Der Gesetzgeber geht beim Einsatz einer mobilen Anlage im zulässigen Umfang davon aus, dass in Bezug auf Emissionen mit den nach § 52 Abs 5 AWG 2002 vorzuschreibenden Nebenbestimmungen, in welchen in der Praxis zB bestimmte Mindestabstände zu Siedlungsgebieten (im gegenständlichen Fall 600 Meter bei freier Schallausbreitung) vorgesehen werden, das Auslangen gefunden werden kann. Sollte es dennoch zu unzumutbaren Belästigungen kommen, so hat die Behörde von Amts wegen entsprechend § 53 Abs 2 AWG 2002 vorzugehen; ein Nachbar kann ein diesbezügliches Vorgehen zwar anregen, eine Parteistellung kommt ihm in einem derartigen Verfahren aber nicht zu. Wenn die Anlage allerdings wiederkehrend betrieben werden soll, so sind die konkreten Auswirkungen der Anlage am Aufstellungsort zu überprüfen und ist der Beschwerdeführer bei der Genehmigung der Anlage nach § 37 Abs 1 AWG 2002 als Partei beizuziehen und kann seine Bedenken in diesem Fall im Genehmigungsverfahren geltend machen.
Insofern ist für den Charakter einer Behandlungsanlage als stationär oder mobil nicht deren bestimmungsgemäße Transportierbarkeit maßgeblich, sondern ist dabei unter Hinweis auf die zitierte Ansicht von Bumberger et al auf die Frage der Vergleichbarkeit der Auswirkungen abzustellen. Soll diese somit in einem Zeitraum von mehr als 6 Monaten wiederkehrend am selben Standort betrieben werden (vgl § 2 Abs 7 Z 2 AWG 2002), so handelt es sich – sofern Gegenstand nicht die Sanierung eines kontaminierten Standortes ist – auf Grund der Vergleichbarkeit der Auswirkungen mit einer stationären Behandlungsanlage um eine nach § 37 AWG 2002 bewilligungspflichtige Anlage (vgl LVwG Tirol, 17.03.2016, LVwG-2015/15/2434-6).
Ob im vorliegend zu beurteilenden Fall mit einer Genehmigung nach § 52 AWG 2002 das Auslangen gefunden werden kann, oder ob damit eine Umgehung des § 37 AWG 2002 verbunden wäre, erfordert eine Einzelfallbeurteilung. Für das Landesverwaltungsgericht ist dabei maßgebend, dass der (mobile) Holzshredder unbestritten seit Jahren wiederkehrend mehrmals im Jahr – meist im Abstand mehrerer Wochen – an insgesamt 36 Tagen bzw 200 Betriebsstunden pro Kalenderjahr innerhalb der ortsfesten abfallrechtlichen Behandlungsanlage am Standort W zum Einsatz kommt und nach dem Willen der Beschwerdeführerin auch weiterhin so betrieben werden soll. Der Shredder kehrt also immer wieder zu diesem Standort zurück, sodass die Auswirkungen mit jener einer ortsfesten Behandlungsanlage vergleichbar sind.
Zu bedenken ist auch, dass der Shredder am Standort W ursprünglich verwendet wurde, um Holzabfälle für die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.11.2001, Zl ****, bewilligte ortsfeste thermische Abfallbehandlung aufzubereiten. Der Betrieb des Shredders, um Holzabfälle für die Verbrennung zu zerkleinern, ist sowohl Gegenstand der diesem Bewilligungsbescheid zu Grunde liegenden Projektsunterlagen (vgl insbesondere Punkt 1.4 Stoffkreislauf) als auch der Bescheidauflagen (Auflage I/B/5), sodass er Teil des ortsfesten Anlagenkonsenses ist. Für diese Auslegung spricht auch, dass der dem Feststellungsbescheid der AWG-Behörde vom 20.10.2009, Zl ****, in der Fassung der Berufungsvorentscheidung vom 16.12.2009, Zl ****, zu Grunde liegende Lageplan den konkreten Standort des Shredders innerhalb der ortsfesten AWG-Anlage aufzeigt.
Von dieser Rechtsmeinung geht auch die Beschwerdeführerin aus, die sowohl in ihrem Beschwerdeschriftsatz als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, dass der Betrieb des Shredders am Standort W als ortsfeste Anlage durch den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.11.2001, Zl ****, gedeckt sei. Zumal der Shredder daher schon nach dem Willen der Anlagenbetreiberin erkennbar als Teil der ortsfesten Behandlungsanlage eingesetzt wird, liegt es auf der Hand, dass dafür eine Genehmigung nach § 52 AWG 2002 nicht ausreichend ist. Bei gegenteiliger Auffassung läge es nämlich im Belieben der Anlagenbetreiberin, frei zwischen den einzelnen Genehmigungsarten nach § 37 und § 52 AWG 2002 zu wählen und somit auch darüber zu bestimmen, ob den Nachbarn im konkreten Verfahren Parteistellung zukommt oder nicht. Eine derart unsachliche Auslegung der Bestimmungen des AWG 2002 kann schon von vorn herein nicht in Betracht kommen.
Der gegenständliche Betrieb des Holzshredders am Standort W unterliegt somit grundsätzlich dem Genehmigungsregime des § 37 AWG 2002; eine Genehmigung nach § 52 AWG 2002 ist dafür nicht ausreichend.
2. Zum konsenswidrigen Betrieb:
Aufgrund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.11.2001, Zl ****, bestand am Standort W ein gewerberechtlicher Konsens zur Errichtung und zum Betrieb einer ortsfesten thermischen Verwertungsanlage für Holzabfälle. Dieser gemäß § 77 Abs 2 AWG 2002 in das AWG-Regime übergeleitete Konsens sah auch vor, dass die Holzabfälle zur thermischen Verwertung mittels eines Shredders aufbereitet werden. Abgesehen von diesem Bescheid liegt für den Shredder am Standort W keine weitere Genehmigung nach § 37 AWG 2002 vor. In Folge des mit Schreiben vom 08.04.2014 angezeigten und mit Bescheid der AWG-Behörde vom 24.07.2014, Zl ****, zur Kenntnis genommenen Austauschs der thermischen Verwertungsanlage gegen eine Gastherme, besteht aber kein aufrechter Konsens zur thermischen Verwertung von Holzabfällen mehr, sodass nun auch dem zum ausschließlichen Zweck der Vorbereitung zur thermischen Verwertung bewilligten ortsfesten Shredder der Konsens fehlt. Der belangten Behörde ist nicht entgegenzutreten, wenn sie aufgrund des nicht mehr bestehenden Konsenses für die thermische Verwertung auch für jene Anlagenteile keinen aufrechten Konsens zum Bestand mehr sieht, die – wie der Shredder – als Teil und zur ausschließlichen Verwendung für diese Anlage mitbewilligt wurden. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist beim angezeigten Austausch der thermischen Verwertungsanlage gegen eine Gasheizung nicht jeder einzelne Anlagenteil der Verwertungsanlage explizit anzuführen; auf einen ausdrücklichen Verzicht auf die Shredderanlage kommt es somit nicht an.
Aber auch wenn man von einem nach wie vor aufrechten Konsens zum Bestand des Shredders ausginge, könnte dieser nicht mehr konsensgemäß betrieben werden. Seit der Einstellung der Holzheizung werden die mit dem Shredder aufbereiteten Holzabfälle nämlich nicht mehr am Standort W thermisch verwertet, sondern einer alternativen Abfallbehandlung außerhalb des Standorts W unterzogen. Die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 19.11.2001, Zl ****, bewilligte Betriebsweise, also die Zerkleinerung von Holzabfällen zur anschließenden thermischen Verwertung am selben Standort, kann somit nicht mehr umgesetzt werden. Diese Änderung der genehmigten Betriebsweise ist mit einem geänderten Emissionsverhalten der Anlage verbunden. Mit der Manipulation und dem Abtransport der unverbrannten Holzabfälle ist gegenüber dem erteilten Konsens ein größerer Aufwand verbunden. Musste bisher nach der thermischen Verwertung lediglich die Asche abtransportiert werden, verlassen bei der nunmehrigen Betriebsweise mit dem zerkleinerten Holz größere Gewichts- und Volumenströme die Behandlungsanlage. Gegenüber der bewilligten Betriebsweise kann dieser Einsatz des Shredders somit nachteilige Auswirkungen auf den Menschen oder die Umwelt haben.
Die geänderte Betriebsweise ist daher zumindest gemäß § 37 Abs 4 Z 4 AWG 2002 und – aufgrund der Anzeigepflicht nach § 81 Abs 3 iVm Abs 2 Z 9 GewO 1994 – gemäß § 37 Abs 4 Z 8 AWG 2002 anzeigepflichtig. Sofern die Änderung das Emissionsverhalten der Anlage nachteilig beeinflusst, läge infolge des Bewilligungstatbestandes des § 81 Abs 1 GewO 1994 nicht nur eine Anzeigepflicht, sondern gemäß § 37 Abs 3 Z 5 AWG 2002 eine Genehmigungspflicht nach dem vereinfachten Verfahren gemäß § 50 AWG 2002 vor.
Mit Maßnahmen, die nach § 37 Abs 4 Z 4 und 8 AWG 2002 anzeigepflichtig sind, darf gemäß § 51 Abs 1 AWG 2002 erst nach Rechtskraft des Kenntnisnahmebescheides begonnen werden. Unabhängig davon, ob der Fortbetrieb des Shredders nach Auflassung der Holzheizung möglicherweise nach § 37 Abs 3 Z 5 AWG 2002 genehmigungspflichtig ist, liegt aufgrund der genannten Anzeigetatbestände jedenfalls ein konsenswidriger Betrieb der Anlage vor, weshalb die belangte Behörde zu Recht nach § 62 Abs 2 AWG 2002 vorgegangen ist und die Beschwerdeführerin zuerst mit Schreiben vom 20.08.2015, Zl ****, zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands aufgefordert hat und – nach erfolglosem Verstreichen der Frist – mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.11.2015, Zl ****, die erforderlichen Maßnahmen verfügt hat.
Dabei hat die belangte Behörde entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch den richtigen Bescheidadressaten herangezogen. Zumal es sich nämlich um eine ortsfeste Behandlungsanlage handelt, hat der nach § 62 Abs 2 AWG 2002 zu erlassende Bescheid gegenüber dem jeweiligen Inhaber der ortsfesten Behandlungsanlage – also gegenüber der Beschwerdeführerin – und nicht etwa gegenüber der B B GmbH, die den Shredder in Lohnarbeit betreibt, zu ergehen. Die B B GmbH hat ja auch keine Sachherrschaft über die ortsfeste Behandlungsanlage und ist faktisch gar nicht in der Lage, die Einhaltung des angefochtenen Bescheides zu gewährleisten (vgl VwGH 17.12.2015, 2013/07/0174).
Die Beschwerde gegen den Auftrag nach § 62 Abs 2 AWG 2002 hat sich somit als unbegründet erwiesen und war abzuweisen.
Abschließend wird bemerkt, dass dem Betrieb des gegenständlichen Shredders als mobile Behandlungsanlage gemäß § 52 AWG 2002 auf jenem Standort, der im Lageplan der Bescheide der AWG-Behörde vom 20.10.2009, Zl ****, und 16.12.2009, Zl ****, eingezeichnet ist, die Nebenbestimmung I/C/b/1 des Bescheides der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23.07.2001, Zl ****, entgegen stehen könnte. Demnach hat der Standort des Shredders nämlich einen Abstand von mind 600 m bei freier Schallausbreitung zu den nächstgelegenen bewohnten Liegenschaften einzuhalten. Vorliegend besteht aber in südwestlicher Richtung des Standortes eine Lücke zwischen den Betriebsgebäuden; in diesem Bereich beträgt die Entfernung zu den nächstgelegenen Wohnbauten weniger als 600 m.
VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision zulässig, da eine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es fehlt nämlich eine Rechtsprechung zur Frage, ab wann beim wiederkehrenden Betrieb einer mobilen Behandlungsanlage am selben Standort eine nach § 37 AWG 2002 bewilligungspflichtige Anlage vorliegt.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Alexander Spielmann
(Richter)
Schlagworte
Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, Verfahren nach dem AWG 2002, Untersagung des Betriebes einer mobilen Behandlungsanlage innerhalb einer ortsfesten Abfallbehandlungsanlage, Shredder, Abgrenzung mobile - stationäre Anlage, Abweisung.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2016:LVwG.2015.44.3252.3Zuletzt aktualisiert am
13.11.2017