Entscheidungsdatum
04.07.2017Index
60/04 Arbeitsrecht allgemeinNorm
AuslBG §18 Abs12Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter HR Mag. G. Maier über die Beschwerde des Herrn M T, geb. am xx, vertreten
durch G V S Rechtsanwälte, Kstraße, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 04.01.2017, GZ: BHLB-15.1-13640/2016,
z u R e c h t e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde
stattgegeben,
das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 erster Fall VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz
(im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
Mit dem im Spruch angeführten Straferkenntnis wird dem nunmehrigen Beschwerdeführer Folgendes vorgeworfen:
„Zeit: 27.06.2016 10:15 Uhr
Ort: Gemeinde L, R Weg
Ihre Funktion: Beschuldigte(r)
1. Übertretung
Sie haben als Verantwortliche(r) der Firma T M s.p. in ul. P, Ru, entgegen § 18 Abs 12 als Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes einen Ausländer in Österreich beschäftigt, obwohl die Voraussetzungen des § 18 Abs 12 Z 1 oder 2 nicht erfüllt waren. Es wurde festgestellt, dass nachfolgende Personen beschäftigt wurden, obwohl sie nicht ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen nicht rechtmäßig beschäftigt waren.
Name des Ausländers: R F, geb.: xx
Staatsangehörigkeit: BOSNIEN-HERZEGOWINA
Beschäftigungszeitraum: laut eigenen Angaben sie 7 Monaten tätig
Beschäftigungsort in Österreich: R Weg, L“
Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 28 Abs. 1 Z. 4 lit. a i.V.m. § 18 Abs 12 Ausländerbeschäftigungsgesetz
Geldstrafe: EUR 1.000,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit 1 Tag und 9 Stunden
Ersatzfreiheitsstrafe)
Gemäß: § 28 Abs. 1 Z 4 letzter Absatz Ausländerbeschäftigungsgesetz
BGBL 218/75 i.d.g.
Ferner haben Sie als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der verhängten Strafe, mindestens jedoch EUR 10,--, zu bezahlen.
Verfahrenskosten: EUR 100,00
Gemäß: § 64 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG)
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) beträgt daher:
EUR 1.100,00“
Die Begründung des bekämpften Straferkenntnisses enthält, abgesehen von Verweis auf die Anzeige der Finanzpolizei, welche dem Strafverfahren zu Grunde liegt und unter Anführung von Gesetzestexten faktisch keine Begründung.
In seinem eingebrachten Beschwerdeschriftsatz führt der Beschwerdeführer an, es werde in diesem Verfahren dem Beschwerdeführer vorgeworfen, Herr R F beschäftigt zu haben, obwohl für diesen keine Entsendebewilligung vorgelegten sei. Diese Entsendung sei aber ordnungsgemäß gemeldet gewesen. Die Untersagung des Herrn F sei dem Beschwerdeführer erst am 27.06.2016 zugestellt worden und habe dieser von dieser Zustellung erst Kenntnis erlangt, nachdem er wieder nachhause gekommen sei. Zum Zeitpunkt der Kontrolle habe der Beschwerdeführer noch keine Kenntnis von der Untersagung der Entsendung gehabt. Er habe daher
subjektiv das Tatbild nicht verwirklicht bzw. sei ihm nichts vorwerfbar, weil die Beschäftigung eines Arbeitnehmers, welcher ordnungsgemäß mittels ZKO-Meldung gemeldet wurde, so lange rechtmäßig ist, solange sie nicht untersagt wird.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat am 08.06.2017 eine öffentlich, mündliche Verhandlung hierüber durchgeführt, wobei die Verfahren zu den Geschäftszahlen LVwG 33.29-425, 426, 427 und 428/2017 aufgrund ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden waren.
Aufgrund der Ergebnisse dieser öffentlichen, mündlichen Verhandlung in Zusammenschau mit dem Beschwerdeführer und den in der mündlichen Verhandlung behandelten Aktenbestandteilen des Verwaltungsaktes der belangten Behörde wird folgender entscheidungsrelevante Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer M T ist handelsrechtlicher Geschäftsführer und als solcher verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma T M s.p. in Ulica P, Ru, SLO. Die Firma des Beschwerdeführers war aufgrund eines Bauvertrages mit Herrn C M, R Weg in L am 27.06.2016 an eben dieser Adresse tätig und es konnten zwei ausländische Arbeitnehmer dieser Firma, nämlich Herr R F und Herr D B bei Fassadenarbeiten anlässlich einer Kontrolle der Finanzpolizei, Team 96, am 27.06.2016 um 10.15 Uhr angetroffen werden. Zu Beginn der Kontrolle konnten die beiden anwesenden Arbeitnehmer keine Entsendedokument (ZKO3 Meldungen), keine Sozialversicherungsdokumente A1 und keinerlei Lohnunterlagen vorlegen. Auf Grund eines Telefonates mit dem Firmenchef und Beschuldigten M T begab sich dieser umgehend zum Kontrollort und traf dort ca. um 12.00 Uhr ein. Die Kontrollorgane der Finanzpolizei warteten das Eintreffen des Herrn M T ab und nahmen anschließend mit ihm eine Niederschrift auf. Im Zuge der Niederschriftsaufnahme wurden von ihm folgende Unterlagen vorgelegt:
A1-Dokumente, ZKO3 Meldungen, Werkvertrag, Dienstleistungsregisterauszug, unvollständige Arbeitszeitaufzeichnungen und die Dienstverträge für die gegenständlichen Arbeitnehmer. Gefehlt haben sämtliche Belege zu Lohnzahlung ab Beginn des Bauvorhabens (Lohnzettel, Lohnüberweisungsbestätigungen, Lohnkontoauszüge), sowie Teile der Arbeitszeitaufzeichnungen. Der Entsendezeitraum für die beiden Arbeitnehmer war laut Entsendemeldungen ZKO3 jeweils vom 08.06.2016 bis 30.06.2016, wobei beide Entsendemeldungen ebenfalls mit 08.06.2016 datiert sind. Am Ende der Kontrolle wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer ein Informationsblatt über durchgeführte Kontrollhandlungen (Formular Finpol20) seitens der Finanzpolizei übergeben, in dem der Auftrag schriftlich enthalten war, folgende Unterlagen für die auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmer bis 29.06.2016 zu übermitteln: Lohnunterlagen in deutscher Sprache gemäß § 7d AVRAG. In diesem Informationsblatt wird als Zeitpunkt der Kontrollhandlung am Ort der Amtshandlung R Weg, L, der 27.06.2016 von 10.15 Uhr bis 13.25 Uhr angegeben. Daraus ist abzuleiten, dass die verfahrensgegenständliche Kontrolle durchgehend von 10.15 Uhr bis 13.25 Uhr gedauert hat. Dies deckt sich auch annähernd mit der Niederschrift (Formular Finpol5) mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer, worin das Ende der Amtshandlung mit 13.30 Uhr angegeben ist.
Mit Bescheid des AMS L vom 22. Juni 2016 wurde der Antrag vom 08. Juni 2016 auf Bestätigung der EU-Entsendung für R F, Staatsangehörigkeit: Bosnien-Herzegowina, für die berufliche Tätigkeit als Fassader, gemäß § 18 Abs 12 AuslBG abgelehnt und die Entsendung damit untersagt. Begründet wurde dieser Bescheid damit, dass die Anzeige eine weitere Entsendung für diesen Ausländer dem Art. 2 Abs 1 der Richtlinie 96/71-EG vom 16.12.1996, in Zusammenhang mit dem Beschluss Nr. A2 der Verwaltungskommission vom 12. Juni 2009, widerspreche, wonach eine weitere Entsendung für den selben Arbeitnehmer, dieselben Unternehmen und denselben Mitgliedsstaat erst nach Ablauf von mindestens zwei Monaten nach Ende des vorangegangenen Entsendezeitraumes zulässig sei, außer es werden besondere Gegebenheiten geltend gemacht. Für das Unternehmen des Beschwerdeführers seien für denselben Ausländer nämlich bereits mehrere EU-Entsendebestätigungen ausgestellt worden, bei welchen zwischen dem Ende der bereits bewilligten Entsendungszeiträume und dem mit der gegenständlichen Meldung beantragten Beginn einer weiteren Entsendung keine Unterbrechung von zwei Monaten vorliege.
Beweiswürdigend ist dazu auszuführen, dass sich der festgestellte Sachverhalt aus den unwidersprüchlichen Aussagen in der mündlichen Verhandlung und den diesen ebenfalls nicht widersprechenden Inhalten des Verfahrensaktes der belangten Behörde ergeben und auch vom Beschwerdeführer weder in der Beschwerde, noch in der mündlichen Verhandlung bestritten werden.
In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:
§ 18 Abs 12 AuslBG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung lautet:
Für Ausländer, die von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Erbringung einer vorübergehenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, ist keine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erforderlich, wenn
1. sie ordnungsgemäß zu einer Beschäftigung im Staat des Betriebssitzes über die Dauer der Entsendung nach Österreich hinaus zugelassen und beim entsendenden Unternehmen rechtmäßig beschäftigt sind und
2. die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen gemäß § 7b Abs. 1 Z 1
bis 3 und Abs. 2 des Arbeitsvertragsrechts Anpassungsgesetzes (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993, sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden.
Die Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung
nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen hat die Meldung über die Beschäftigung betriebsentsandter Ausländer gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice
zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen zwei Wochen ab Einlangen der Meldung dem Unternehmen und dem Auftraggeber, der die Arbeitsleistungen in Anspruch nimmt, das Vorliegen der Voraussetzungen
zu bestätigen (EU-Entsendebestätigung) oder bei Nichtvorliegen die Entsendung
zu untersagen. Unbeschadet der Meldepflicht gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne
EU-Entsendebestätigung begonnen werden.
Wie der VwGH in seiner Entscheidung Ra 2016/09/0045 vom 24.05.2016 ausführt, ist eine Beschäftigung eines ausländischen Arbeitnehmers im Rahmen einer Entsendung zur Erbringung einer vorrübergehenden Arbeitsleistung in Österreich durch ein Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des europäischen Wirtschaftraumes gemäß § 18 Abs 12 AuslBG nur dann ohne Beschäftigungs- oder Entsendebewilligung zulässig, wenn die in Z 1 und 2 leg cit genannten Kriterien erfüllt sind. Anderenfalls ist der Straftatbestand des § 28 Abs 1 Z 4 lit a AuslBG erfüllt. Auf einen Untersagungsbescheid kommt es für die Erfüllung des Straftatbestandes nicht an. Wie dem Untersagungsbescheid des AMS von 22.06.2016 zu entnehmen ist, liegt der Untersagungsgrund der Nichteinhaltung der 2-Monatsfrist zwischen den Entsendezeiträumen vor. Für einen Untersagungsgrund des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 18 Abs 12 Z 1 oder 2 AuslBG sind aber dem gesamten Strafverfahren keine Verdachtsmomente zu entnehmen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, und wohl auch der belangten Behörde, handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um den Tatvorwurf der Beschäftigung ohne Entsendebewilligung, sondern um den Tatvorwurf der Beschäftigung ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 12 Z 1 oder
2 AuslBG. Wie der oben zitierten Rechtsansicht des VwGH zu entnehmen ist, müsste dafür aber ein Mangel einer Voraussetzung des § 18 Abs 12 Z 1 oder 2 vorliegen. Ein solcher Mangel wird aber weder von der belangten Behörde noch von der anzeigenden mitbeteiligten Finanzpolizei behauptet. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark aber ist zur Einholung von Erkundungsbeweise ohne konkrete Anhaltspunkte nicht berufen.
Für einen Tatvorwurf der Beschäftigung ohne Entsendebewilligung wäre der Straftatbestand aus § 28 Abs 1 Z 1 lit b vorzuwerfen. Dieser Tatvorwurf wurde aber im vorliegenden Fall nicht erhoben. Bei diesem Tatvorwurf würde aber auch die mangelnde Vorwerfbarkeit der Tat zu Recht eingewendet werden, weil sich im Verfahren herausgestellt hat, dass der Beschwerdeführer vom Vorliegen eines Untersagungsbescheides tatsächlich erst am Tag bzw. nach der Kontrolle erfahren hat.
Da der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen hat, war spruchgemäß zu entscheiden.
II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beschäftigung, Entsendung, EntsendebestätigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2017:LVwG.33.29.428.2017Zuletzt aktualisiert am
13.11.2017