TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/18 I403 2173317-1

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Veröffentlicht am 18.10.2017
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Entscheidungsdatum

18.10.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §10
BFA-VG §18 Abs1 Z4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

I403 2173317-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, Zl. 1089738510/151480631 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsbürger, stellte am 02.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und erklärte in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am folgenden Tag, dass seine Familie von Boko Haram getötet worden sei.

Am 13.03.2017 informierte das Magistrat der Stadt Wien, dass der Beschwerdeführer ein freies Gewerbe (Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern) angemeldet hat.

In einer niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) am 04.10.2017 erklärte der Beschwerdeführer, dass er von 2003 bis 2013 in Kano gelebt habe, wo seine Frau und seine zwei Kinder bei einer Bombenexplosion ums Leben gekommen seien. Er habe zuvor in Ondo State, dann in Kwara State und – nach dem Aufenthalt in Kano State – die letzten Monate in Lagos gelebt, wo seine Mutter und seine Geschwister noch immer leben würden. Zu ihnen stehe er noch in Kontakt. Nigeria habe er verlassen, weil er seine Familie verloren und keine Entschädigung bekommen habe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2017, zugestellt am 10.10.2017, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.10.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs.1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen, und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei. Mit Spruchpunkt IV. wurde festgelegt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft und nicht asylrelevant sei und es ihm im hypothetischen Falle einer tatsächlich bestehenden Bedrohungssituation möglich wäre, sich an einem anderen Ort Nigerias niederzulassen. Eine Rückkehr nach Nigeria sei ihm möglich und zumutbar. Eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich sei nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 12.10.2017 Beschwerde erhoben und eine Vollmacht für die Vertretung durch den MigrantInnenverein St. Marx vorgelegt. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgereicht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung feststellen, dass die Rechtsmittelbelehrung verfassungswidrig sei, der belangten Behörde eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist auftragen, die bekämpfte Entscheidung beheben, die Sache an das BFA zurückverweisen, Asyl, in eventu subsidiären Schutz oder wenigstens einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Es wurde das Fluchtvorbringen wiederholt und erklärt, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Nigeria psychisch und seelisch nicht zumutbar sei, nachdem er seine Ehefrau und seine Kinder bei einem Anschlag verloren und keine Unterstützung durch den Staat Nigeria erfahren habe. Berichte über Bombenanschläge der Boko Haram im Juli 2013 wurden zitiert. Der Beschwerdeführer habe sich in Österreich gut eingelebt und wohl verhalten, so dass ihm auch aus diesem Grund eine Rückkehr nach Nigeria nicht zumutbar wäre.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.10.2017 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist volljährig, Angehöriger der Volksgruppe Yoruba und bekennt sich zum christlichen Glauben, konkret zur Pfingstgemeinde. Er stammt aus Ondo State und war an verschiedenen Orten Nigerias aufhältig.

Der Beschwerdeführer arbeitete in Nigeria vor seiner Ausreise als Transportunternehmer. Er verließ Nigeria im November 2013.

Der Beschwerdeführer hält sich seit weniger als drei Jahren in Österreich auf und hat hier keine familiären und auch keine intensiven sozialen Anknüpfungspunkte. Er lebt bei einem nigerianischen Freund. Er hat allerdings den Deutschkurs A1 besucht, den Führerschein abgelegt und ein Gewerbe als Transportunternehmer angemeldet und somit durchaus Schritte zur Integration gesetzt.

Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

Der Beschwerdeführer brachte zusammengefasst im gegenständlichen Verfahren vor, aus Nigeria geflüchtet zu sein, da seine Ehefrau und seine zwei Kinder bei einem Anschlag der Boko Haram im Juli 2013 in Kano ums Leben gekommen seien. Dieses Vorbringen wird, ohne dessen Glaubwürdigkeit abschließend geprüft und beurteilt zu haben, dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt.

Es wäre dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Nigeria zumutbar, sich in Lagos, wo seine Mutter und seine Geschwister leben, eine neue Existenz aufzubauen.

1.2. Zur Situation in Nigeria:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben, dem vorgelegten Staatsbürgerschaftsnachweis, ausgestellt von der nigerianischen Botschaft in Wien vom 27.06.2016 sowie seinem österreichischen Führerschein.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers vor dem BFA am 04.10.2017 und den vorgelegten Dokumenten, insbesondere dem österreichischen Führerschein, ausgestellt am 18.01.2017, der Kursbesuchsbestätigung vom 26.04.2016, einer Rahmenvereinbarung mit einer Transportagentur vom 01.07.2017 sowie den Unterlagen zur Gewerbeanmeldung.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer keine schwere gesundheitliche Einschränkung bzw. auch keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorbrachte. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.

Die Feststellung zur Familie des Beschwerdeführers in Nigeria bzw. seiner früheren Tätigkeit in Nigeria entspricht seiner Schilderung vor dem BFA am 04.10.2017.

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hatte behauptet, aus Nigeria geflüchtet zu sein, da seine Ehefrau und seine zwei Kinder im Juli 2013 in Kano durch einen Bombenanschlag der Boko Haram getötet worden seien. Dieser Fluchtgrund war aufgrund des Umstandes, dass keine gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete Verfolgungshandlung vorgebracht worden war, vom BFA als nicht asylrelevant befunden worden.

Der angefochtene Bescheid basiert auf einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und fasst in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammen. Das BFA hat sich mit dem individuellen Vorbringen auseinander gesetzt und in zutreffenden Zusammenhang mit der Situation des Beschwerdeführers gebracht. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den beweiswürdigenden Argumenten der belangten Behörde an.

Das BFA wies zunächst zu Recht darauf hin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung nicht entsprach. Insbesondere die Schilderung rund um den Bombenanschlag und den Tod seiner Familie ist von einem ausweichenden Verhalten des Beschwerdeführers geprägt, wie der folgende Auszug aus der Niederschrift vom 04.10.2017 zeigt:

"F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?

A: Ich mag einfach nicht zurück. Ich möchte nicht einmal daran denken, da ich damals meine Familie verloren habe. Ich wäre nicht glücklich.

F: Können Sie den damaligen Vorfall, der Ihre Frau und Kinder tötet, genau und detailreich schildern?

A: Ich war damals bei der Arbeit.

Wiederholung der Frage

A: Seit damals habe ich diese nicht mehr gesehen. Ich war arbeitsmäßig unterwegs. Ich habe gehört, dass ich meine Familie verloren habe. Ich möchte mich gar nicht zurückerinnern müssen."

Dem BFA ist zuzustimmen, dass diese Schilderung nicht geeignet ist, glaubhaft zu machen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich seine Familie aufgrund eines Bombenanschlages der Boko Haram verloren hat. In der Beschwerde wurde dem entgegengehalten, dass im Juli 2013 Kano durch Bombenanschläge der Boko Haram erschüttert wurde (unter Hinweis auf einen Bericht abrufbar unter http://www.nairaland.com/1377215/bomb-blasts-sabon-gari-kano). Dies wird vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht angezweifelt, es ergibt sich aus diesem Bericht allerdings keine Involvierung des Beschwerdeführers oder seiner Familie in diesen Vorfall.

Eine abschließende Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens kann aber ohnehin unterbleiben, da selbst bei hypothetischer Unterstellung, dass der Beschwerdeführer tatsächlich eine real erlebte Geschichte berichtete, im gegenständlichen Fall – wie bereits vom BFA festgestellt wurde – kein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegt bzw. eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist. Selbst wenn man daher das Vorbringen des Beschwerdeführers der rechtlichen Beurteilung zugrunde legt, gelangt man – wie unten näher ausgeführt werden wird – zu keinem anderen Ergebnis.

Eine nähere Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt kann daher unterbleiben, daher ist auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht nötig. Der Beschwerdeschriftsatz enthält im Übrigen keine konkreten Ausführungen, die zu einer anders lautenden Entscheidung führen könnten und vermag daher die erkennende Richterin auch nicht zu weiteren Erhebungsschritten und insbesondere auch nicht zur Abhaltung einer mündlichen Verhandlung veranlassen.

Wie in der rechtlichen Beurteilung dargelegt werden wird, entfaltet der vorgebrachte Fluchtgrund – selbst bei Unterstellung der Glaubwürdigkeit - keine Relevanz im Sinne einer Verfolgung aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention. Sonstige asylrelevante Verfolgungshandlungen hatte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren nicht vorgebracht.

Insbesondere wäre es dem Beschwerdeführer auch möglich, sich wieder in Lagos niederzulassen (wenn man hypothetisch unterstellt, dass er Lagos tatsächlich verlassen hatte, um in Kano zu leben). Er verfügt dort über ein soziales Netz, seine Mutter und seine Geschwister, zu denen er Kontakt hält, leben dort. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Beschwerdeführer im Juli 2013 nicht nur seine Familie, sondern auch sein Haus verloren hat, wäre dies nicht geeignet aufzuzeigen, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich sein sollte, sich wieder eine Existenz aufzubauen. Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise als Transportunternehmer tätig und ist es ihm auch in Österreich gelungen, wieder in diesem Bereich selbständig zu arbeiten. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass es ihm auch im Falle einer Rückkehr nach Nigeria möglich sein sollte, sich eine neue Existenz, etwa in Lagos, aufzubauen. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren gesundheitlichen Einschränkungen. Er ist christlichen Glaubens und sollte es ihm möglich sein, sich in Lagos wieder zu integrieren.

Es ist letztlich davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde. Es wird nicht verkannt, dass es schwierig ist, sich eine neue Existenz aufzubauen, doch ist es für einen arbeitsfähigen und gesunden Mann durchaus möglich. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht. Es wird nicht verkannt, dass von der UNO empfohlen wird, von Rückführungen in die Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa abzusehen, doch erstens gab der Beschwerdeführer nie eine Verbindung zu einem dieser Bundesstaaten an und zweitens ist ihm eine Ansiedelung in Lagos zumutbar.

2.4. Zu den Länderfeststellungen

Zur aktuellen Lage in Nigeria wurden im angefochtenen Bescheid umfassende Feststellungen auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Stand 07.08.2017) getroffen. Zusammenfassend wird festgestellt, dass die im Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen zu Nigeria umfassend genug und ausreichend aktuell sind, um eine Entscheidungsgrundlage darzustellen. Zu den dahinterstehenden Quellen (und somit zu den Quellen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatliche Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Es handelt sich dabei insbesondere um die folgende Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria – Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017

-

AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017

-

AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights – Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017

-

BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,

http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017

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FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:

Assessing Conflict in Nigeria,

http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 – Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017

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FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 – Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria – Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria – Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017

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IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,

https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017

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ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria

-

OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017

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SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria’s Security Situation,

http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017

-

USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017

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USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017

-

USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017

Die Feststellungen werden daher auch als Grundlage für das vorliegende Erkenntnis herangezogen. Diesen Feststellungen wurde vom Beschwerdeführer auch nicht entgegengetreten. Die wichtigsten entscheidungsrelevanten Feststellungen sind oben unter Punkt 1.2. dieses Erkenntnisses wiedergegeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hielt im angefochtenen Bescheid fest, dass sich im Ermittlungsverfahren bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines asylrelevanten Sachverhaltes ergeben hätten. Der Beschwerdeführer hätte in Nigeria keinerlei Probleme mit dem Staat oder mit den Behörden gehabt.

Dem BFA ist auch dahingehend zu folgen, dass, selbst unter der Annahme, dass der Beschwerdeführer tatsächlich seine Ehefrau und Kinder durch Boko Haram verloren haben sollte, der Beschwerdeführer keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorgebracht hat. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, in seinem Heimatland von örtlich begrenzten Ausnahmesituationen (Anschläge der Boko Haram) betroffen gewesen zu sein, so ist dies allein – so furchtbar dies auch für die Bevölkerung sein mag – nicht geeignet, das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen, weil den aus solchen Verhältnissen resultierenden Benachteiligungen und Beschränkungen sämtliche dort lebende Bewohner ausgesetzt sind und solche Verhältnisse daher nicht als konkrete, individuell gegen den Asylwerber gerichtete Verfolgungshandlungen eingestuft werden können. Der Beschwerdeführer machte auch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens eine konkrete Verfolgung seiner Person geltend. Er gab gegenüber dem BFA an, nicht nach Nigeria zurückkehren zu wollen, da er "nicht glücklich" wäre; in der Beschwerde wurde dies dahingehend formuliert, dass ihm eine Rückkehr in ein Land, in dem er schon so vieles Negative erlebt habe, "psychisch und seelisch schlicht nicht mehr zumutbar" sei. Dies vermag allerdings keine Verfolgungsgefahr darzulegen. Soweit in der Beschwerde die Rede von einer besonderen sozialen Gruppe ist, nämlich "den Hinterbliebenen von Anschlägen, die in Nigeria ohne jegliche Hilfestellung zurückbleiben", entspricht dies nicht den Kriterien einer sozialen Gruppe im Sinne des Artikel 10 Absatz 1 litera d der Statusrichtlinie, wie sie vom Europäischen Gerichtshof interpretiert wurde: Die Mitglieder der Gruppe müssen Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund teilen, die angeboren oder so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass sie nicht gezwungen werden sollten, auf sie zu verzichten. Weiters muss die Gruppe in dem betreffenden Land von der Gesellschaft als andersartig betrachtet werden und deshalb eine deutlich abgegrenzte Identität aufweisen. Diese Kriterien müssen kumulativ erfüllt sein (EuGH, 07.11.2013, Rechtssache C-199/12, C-200/12 und C-201/12[X, Y und Z]), sind im gegenständlichen Fall aber nicht gegeben. Zudem fehlt es jedenfalls an der wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung.

Eine individuelle Verfolgung der Person des Beschwerdeführers durch Boko Haram wurde ebenso wenig behauptet wie eine Verfolgung durch die Armee oder durch eine andere nigerianische Behörde.

In diesem Zusammenhang darf nämlich nicht übersehen werden, dass für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine KONKRET gegen den Asylwerber gerichtete drohende Verfolgungshandlung vorliegen muss; zudem muss eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohen, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.4.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 07.09.2000, 2000/01/0153 dargelegt, dass Verfolgungshandlungen gegen Verwandte nur dann eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung bilden, wenn aufgrund der glaubhaft dargelegten konkreten Situation davon ausgegangen werden muss, dass gegen ein Familienmitglied gesetzte Maßnahmen auch zu Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werden. Ein solcher Zusammenhang liegt im gegenständlichen Fall nicht vor bzw. wurde ein solcher auch nicht glaubhaft behauptet. Die Wahrscheinlichkeit für den Beschwerdeführer, Opfer von Anschlägen der Boko Haram zu werden, steht in keinem Bezug zum behaupteten Tod der Familie des Beschwerdeführers. Alleine aus diesem Grund ist die Gewährung des Flüchtlingsstatus für den vorgebrachten Asylgrund nicht möglich.

Des Weiteren stünde es dem Beschwerdeführer offen, sich nicht nach Kano, sondern nach Lagos zu begeben. Wie in der Beweiswürdigung aufgezeigt wurde, ist es dem Beschwerdeführer zumutbar, sich dort bei seiner Mutter und seinen Geschwistern ein neues Leben aufzubauen. Lagos ist auch frei erreichbar und zugänglich.

Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt. Eine besondere Vulnerabilität ist beim Beschwerdeführer nicht gegeben und wäre es ihm zumutbar, sich trotz anfänglicher Schwierigkeiten wieder eine Existenz in Nigeria aufzubauen, und sei es durch Inanspruchnahme von Rückkehrhilfen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde daher jedenfalls offenstehen (vgl. dazu auch Beschluss des VwGH vom 28.04.2015, Ra 2014/19/0181).

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Nigeria keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und der Ausspruch in Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen ist.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 leg. cit. sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht. Wie bereits ausgeführt besteht eine solche innerstaatliche Fluchtalternative und ist daher der Antrag auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz bereits aus diesem Grund abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird noch darauf verwiesen, dass es keine Hinweise auf eine allgemeine existenzbedrohende Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) gibt, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR obliegt es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (Beschluss des VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden Nr. 61204/09; sowie Erkenntnis des VwGH vom 25.02.2016, Ra 2016/19/0036 sowie vom 13.09.2016, Ra 2016/01/0096-3). Dies wurde vom Beschwerdeführer nicht substantiiert dargelegt.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Abschiebung den Beschwerdeführer in eine "unmenschliche Lage" versetzen würde, sodass der Ausspruch in Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3. Zur Rückkehrentscheidung und zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids):

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 Abs. 2 FPG lautet:

"§ 52. (1) (2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige."

Der Antrag auf internationalen Schutz wird mit gegenständlicher Entscheidung abgewiesen.

§ 10 Abs. 1 AsylG lautet:

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer

Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

Daher ist gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Ges

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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