TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/18 G314 2150873-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2017
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Entscheidungsdatum

18.10.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

G314 2150873-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.03.2017, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass Spruchpunkt IV. zu lauten hat:

"Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

B)

Die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.2016 in XXXX verhaftet. Am XXXX.2016 wurde über ihn die Untersuchungshaft verhängt. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2017, XXXX, wurde er wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt.

Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.10.2016 wurde dem BF die Möglichkeit gegeben, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots Stellung zu nehmen. Der BF gab mit Schreiben vom 29.10.2016 eine Stellungnahme ab, in der er unter anderem ankündigte, im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung freiwillig und auf eigene Kosten nach Serbien zurückzukehren.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) Das Einreiseverbot wurde mit der oben genannten Verurteilung des BF und dem Fehlen sozialer und beruflicher Bindungen in Österreich begründet.

Ausdrücklich nur gegen Spruchpunkt IV. dieses Bescheids richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen, das Einreiseverbot aufzuheben, in eventu, die Dauer des Einreiseverbots zu reduzieren. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass sein Vater und zwei seiner Brüder in Österreich lebten und weitere enge Familienangehörige in anderen EU-Mitgliedstaaten wohnen würden. Es sei deshalb zur Aufrechterhaltung der familiären Beziehungen notwendig, dass der BF in den Schengen-Raum einreisen dürfe. Dies sei von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden. Da er freiwillig zur Ausreise bereit sei, bestehe keine Gefahr, dass er zu einer finanziellen Belastung des österreichischen Staates werde. Der BF habe nie die Absicht gehabt, in Österreich illegal zu arbeiten oder hier mittellos zu verbleiben. Die Feststellung der belangten Behörde, dass der BF eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle, sei nicht nachvollziehbar. Auch vor dem Hintergrund seiner Kooperation sei die Erlassung eines Einreiseverbotes überzogen und nicht gerechtfertigt.

Das Vorbringen, wonach der BF im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme zur Feststellungen seiner Identität und zur Wahrheitsfindung beigetragen habe und dadurch seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nachgekommen sei, wurde offensichtlich irrtümlich in die Beschwerde mitaufgenommen, da der BF nie vom BFA vernommen wurde.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 23.03.2017 einlangten.

Feststellungen:

Der BF wurde am XXXX in XXXX im heutigen Kroatien geboren. Er ist ledig und war zuletzt ohne Beschäftigung. Er hat keine Sorgepflichten, jedoch Schulden von ca. EUR 4.500 bis 5.000. Vor seiner Inhaftierung war er in Österreich ohne festen Unterstand. Er spricht Serbisch.

In Serbien lebte der BF zuletzt in XXXX. Er besuchte acht Jahre lang die Grundschule, vier Jahre lang die Berufsschule und erlernte den Beruf des Elektrotechnikers.

Der Vater des BF und die beiden Brüder des BF leben in Österreich. Der BF hat Freunde, die in XXXX leben. Weitere Verwandte des BF leben in anderen EU-Mitgliedstaaten. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis des BF zu seinen Familienmitgliedern oder zu seinen Freunden kann nicht festgestellt werden.

In Serbien wurde der BF mit Urteil des Obergerichtes in XXXX vom XXXX.2012, XXXX, wegen Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Am XXXX.2014 wurde er für die Reststrafe in der Dauer von einem Jahr, acht Monaten und acht Tagen auf Bewährung aus der Haft entlassen.

Der Verurteilung des BF mit dem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX.2017, XXXX, liegt zugrunde, dass er sich aufgrund seiner schlechten finanziellen Verhältnisse in der Absicht, sich durch den Handel mit Suchtgift eine fortlaufende Einnahmequelle zu erschließen, einer serbischen Tätergruppe anschloss, die darauf ausgerichtet war, in XXXX große Mengen an Heroin und Marihuana zu verkaufen, und die dabei organisiert und arbeitsteilig vorging. Der BF wurde von einem Mitglied der Tätergruppe in den Verkauf eingeschult. Er arbeitete ab August 2016 als Läufer für diese Gruppe und hielt sich in Österreich in verschiedenen Unterkünften der Gruppe auf. Zwischen Anfang August und Anfang Oktober 2016 verkaufte der BF insgesamt zumindest 167 g Heroin und 20 g Marihuana an teils bekannte, teils unbekannte Abnehmer. Am 03.10.2016 erwarb und besaß er 54,2 g Heroin mit dem Vorsatz, dass es in Verkehr gesetzt werde. Das vom BF verkaufte Heroin beinhaltete jeweils 8,31 % Heroin, 0,6 % Acetylcodein und 1,3 % Monoacetylmorphin; das Marihuana hatte einen Wirkstoffgehalt von 0,4 % Delta-9-THC, 4,6 % THCA.

Der BF hat dadurch vorschriftswidrig als Mitglied einer kriminellen Vereinigung Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge einerseits anderen überlassen und andererseits mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, wobei all diese Umstände von seinem Vorsatz umfasst waren. Er wurde wegen der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 SMG sowie der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall und Abs 3 SMG schuldig gesprochen und ausgehend von einem Strafrahmen von ein bis zehn Jahren Freiheitsstrafe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Es handelt sich um die erste und einzige Verurteilung des BF in Österreich. Bei der Strafzumessung wurden die einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen als erschwerend, sein reumütiges Geständnis dagegen als mildernd gewertet.

Seit XXXX 2017 verbüßt der BF die über ihn verhängte Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX. Er war in Österreich nie legal erwerbstätig.

Der BF ist gesund und erwerbsfähig. Er hat vor, Österreich freiwillig zu verlassen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen Verhältnissen beruhen auf dem Strafurteil, den im Bescheid dazu getroffenen Feststellungen, denen die Beschwerde nicht entgegentritt, und den Ausführungen des BF in seiner Stellungnahme.

Die Feststellung der Serbischkenntnisse des BF beruht auf seiner Herkunft sowie auf dem Umstand, dass eine Verständigung mit der Dolmetscherin im Strafverfahren problemlos möglich war.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2017, XXXX. Diese Verurteilung wird auch durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen des BF in Österreich aufscheinen.

Aus dem Zentralen Melderegister ergibt sich, dass der BF seit Mitte XXXX 2017 in der Justizanstalt XXXX angehalten wird. Abgesehen davon war der BF in Österreich nie meldeamtlich erfasst. Damit im Einklang ergibt sich aus dem Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft vom XXXX.2016 und aus dem Strafurteil, dass er bei seiner Verhaftung in Österreich keine feste Unterkunft hatte. Die Feststellung, dass er sich vorübergehend in Unterkünften der kriminellen Vereinigung, der er angehörte, in XXXX aufhielt, basiert ebenfalls auf dem Strafurteil.

Die Feststellung zur Vorstrafe des BF in Serbien ergibt sich aus der im Strafurteil getroffenen Feststellung, der der BF nicht entgegentritt.

Die Feststellungen zu den in Österreich und in anderen EU-Staaten lebenden Freunden und Verwandten des BF werden anhand seiner insoweit schlüssigen Angaben in der Stellungnahme und der Beschwerde getroffen. Konkret nannte der BF XXXX und XXXX, die in XXXX wohnen. Zu Angehörigen in anderen EU-Mitgliedstaaten machte der BF keine konkreten Angaben. Anhaltspunkte für weitere familiäre oder darüber hinausgehende private Bindungen bestehen nicht. Es ist mangels konkreter Anhaltspunkte nicht davon auszugehen, dass ein besonders enges Verhältnis zwischen dem BF und diesen Bezugspersonen besteht, zumal er lediglich Besuchskontakte zu ihnen behauptet.

Aus dem Versicherungsdatenauszug ergibt sich, dass der BF in Österreich nicht legal erwerbstätig war. Dies deckt sich mit dem Umstand, dass er über keinen Aufenthaltstitel in Österreich verfügte. Dies folgt wiederum aus der Stellungnahme des BF, wonach er sich als Tourist in Österreich aufhielt ("Mein Aufenthaltstitel ist ein Tourismusvisum!") und dem Fremdenregister, in dem kein Aufenthaltstitel dokumentiert ist.

Rechtliche Beurteilung:

Die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG, die Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Serbien werden in der Beschwerde nicht bekämpft, ebensowenig der Umstand, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung.

Der BF ist als Staatsangehöriger von Serbien ein Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder ein anderes in Art 8 Abs 2 EMRK genanntes öffentliches Interesse aus, kann gemäß § 53 Abs 3 FPG ein Einreiseverbot für bis zu zehn Jahre verhängt werden. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige von einem Gericht rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt wurde (§ 53 Abs 3 Z 1 erster Fall FPG). In bestimmten Fällen kann sogar ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 53 Abs 3 Z 5 FPG).

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen sei eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer schwerwiegenden Gefährdung öffentlicher Interessen gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung und Bestrafung des Betroffenen abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt. Es ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12).

Bei der Erlassung eines Einreiseverbots iSd § 53 FPG ist unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK die Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Wird dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, ist es nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, zumal in § 53 Abs 2 und 3 FPG in Bezug auf die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots die Abwägung nach Art 8 EMRK angesprochen wird (vgl VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt hat die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen des Tatbestands des § 53 Abs 3 Z 1 FPG bejaht. Aufgrund der Verurteilung des BF zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren kann gegen ihn ein Einreiseverbot für höchstens zehn Jahre erlassen werden.

Der Behörde ist auch dahin beizupflichten, dass der Aufenthalt des BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die ein Einreiseverbot erforderlich macht, zumal er über mehrere Monate mit einer großen Menge eines überaus gefährlichen Suchtgifts handelte. Darin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung. Angesichts seiner tristen finanziellen Lage kann ein Rückfall nicht ausgeschlossen werden, zumal er bereits kurz nach seiner bedingten Entlassung aus der Haft in Serbien erneut einschlägig delinquierte. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz wiederholt festgehalten, dass dies ein besonders verpöntes Fehlverhalten ist, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (siehe VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249 mwN). Um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Fremden ausgehenden, durch die strafgerichtliche Verurteilung indizierten Gefährlichkeit ausgehen zu können, bedarf es grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist (VwGH 27.04.2017, Ra 2016/22/0094). Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Es ist aber zu berücksichtigten, dass der BF in Österreich erstmals verurteilt wurde, im Strafverfahren ein Geständnis ablegte und das Strafgericht den Strafrahmen von einem bis zehn Jahren Freiheitsstrafe bei weitem nicht ausschöpfte. Das vom BFA verhängte Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren ist in Anbetracht der über den BF verhängten Freiheitsstrafe und des Unrechtsgehalts der von ihm begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe unverhältnismäßig. Vor diesem Hintergrund ist die Dauer des Einreiseverbots auf sechs Jahre herabzusetzen, weil dies aufgrund des Fehlverhaltens, des getrübten Vorlebens und der sonstigen persönlichen Umstände des BF auch in Anbetracht der besonderen Gefährlichkeit von Suchtgiftkriminalität angemessen ist. Dadurch bleibt auch die Möglichkeit gewahrt, die Sanktion bei einer allfälligen neuerlichen oder noch schwereren Delinquenz angemessen zu steigern. Insoweit ist Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids in teilweiser Stattgebung der Beschwerde abzuändern.

Eine weitere Reduktion der Dauer des Einreiseverbots ist auch bei Berücksichtigung der privaten und familiären Interessen des BF nicht möglich. Die zeitweilige Unmöglichkeit, Verwandte zu besuchen, als Konsequenz des Einreiseverbots ist im großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Suchtgifthandel der vorliegenden qualifizierten Art in Kauf zu nehmen (vgl VwGH Ra 2015/21/0054), zumal eine besondere Abhängigkeit des BF von seinen im Schengengebiet lebenden Angehörigen oder besonders intensive Bindungen (schon aufgrund des Fehlens eines gemeinsamen Haushalts) nicht anzunehmen sind.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH Ra 2016/21/0233).

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Einreiseverbots möglich wären, konnte hier eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten, glaubhaften Behauptungen des BF zu seinen privaten und familiären Lebensumständen ausgegangen wird.

Zu Spruchteil B):

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH Ra 2016/21/0284). Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Angemessenheit, Einreiseverbot, Gefährdungsprognose, Herabsetzung,
öffentliches Interesse, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtgifthandel, Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:G314.2150873.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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