TE Bvwg Beschluss 2017/10/18 W165 2155352-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.10.2017

Norm

AsylG 2005 §5 Abs1
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61 Abs1

Spruch

W165 2155352-1/14E

W165 2155361-1/8E

W165 2155358-1/8E

W165 2155354-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , und 4.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2017, Zlen. 1.) 1135926802-161584914/BMI-EAST_WEST, 2.) 1135926410-161584973/BMI-EAST_WEST, 3.) 1135926606-161584990/BMI-EAST_WEST und 4.) 1135926203-161584936/BMI-EAST_WEST, beschlossen:

A)

Den Beschwerden wird gem. § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und die bekämpften Bescheide werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer, Staatsangehörige der Russischen Föderation, gelangten über ihnen unbekannte Länder in das österreichische Bundesgebiet und brachten am 23.11.2016 Anträge auf internationalen Schutz ein. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Viertbeschwerdeführer.

Zu den Beschwerdeführern liegen keine EURODAC-Treffermeldungen vor.

Laut Abgleichsbericht zur VIS-Abfrage wurden den Beschwerdeführern polnische Schengenvisa für den Gültigkeitszeitraum 13.11.2016 bis 20.11.2016 ausgestellt.

In ihrer polizeilichen Erstbefragung am 23.11.2016 brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, an keinen Krankheiten oder Beschwerden zu leiden, welche sie an der Einvernahme hindern würden. Sie hätten ihren Herkunftsstaat vor ca. zwei Wochen mit dem Zug Richtung Moskau verlassen und seien über ihnen unbekannte Länder nach Österreich gelangt. In Polen habe sie vermutlich um Asyl angesucht, da ihre Fingerabdrücke abgenommen worden seien. Nach Polen wolle sie nicht zurückkehren. Von der polnischen Botschaft habe sie ein Visum mit dem Gültigkeitszeitraum 13.11.2016 bis 20.11.2016 erhalten.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete am 01.12.2016 auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) gestützte Aufnahmegesuche an Polen.

Mit per E-Mail übermittelten Schreiben vom 27.12.2016 stimmte die polnische Dublin-Behörde den Aufnahmeersuchen ausdrücklich zu.

In ihrer Einvernahme vor dem BFA am 30.01.2017 gab die Erstbeschwerdeführerin zu ihrem Gesundheitszustand befragt an, dass es ihr derzeit nicht so gut gehe. Sie leide an Krebs, sei in Behandlung und habe einige Termine. In Österreich habe sie eine Sonographie gehabt. Zudem sei sie am Bauch untersucht worden und man habe außen einen Knoten entdeckt. Man habe ihr gesagt, dass zuerst der Krebs behandelt würde und dann der Knoten am Bauch. Zum Gesundheitszustand ihrer Kinder befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass diese gesund seien. Der Viertbeschwerdeführer müsse zum Zahnarzt, da Milchzähne entfernt werden müssten. Nach Verwandten in Österreich befragt, führte die Erstbeschwerdeführerin eine namentlich genannte in Österreich lebende Schwester an. Sie habe ihre Schwester drei bis vier Mal besucht seit sie sich in Österreich befinde. Bevor sie nach Österreich gekommen sei, habe sie ihre Schwester vor fünf Jahren das letzte Mal gesehen. Sie werde weder von ihrer Schwester unterstützt noch würde sie ihre Schwester unterstützen. Nach dem erteilten Visum befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie ein polnisches Visum gehabt habe. Sie habe nach Österreich kommen wollen, jedoch hätten ihr die Personen, denen sie Geld gegeben habe, ein polnisches Visum besorgt. Nach Polen wolle sie nicht zurückkehren. Sie wolle in der Nähe ihrer Schwester bleiben. Sie müsse operiert werden und ihre Schwester werde sie dann unterstützen und sich um ihre Kinder kümmern. In Polen hätte sie niemanden. Die Kinder würden sich in Österreich wohl fühlen, hätten bereits die Sprache gelernt und würden die Schule besuchen. In Tschetschenien seien sie in Lebensgefahr und sie habe Angst, nach Polen zu gehen.

Die Erstbeschwerdeführerin betreffend wurden folgende medizinische Unterlagen vorgelegt:

-

ein russischer Befund vom 25.08.2016 in deutscher Übersetzung: 2 Zylinder mit einer Länge von 1-1,5 cm, d - 0,15-0,1 cm. Histologisches Bild entspricht einem spindelzelligen Sarkom (Vielzahl an enganliegenden basophil-hyperchromen, länglichen Zellen mit kleinen Foci mit mäßigem Polymorphismus, seltene minimale Mytosen), niedriger Malignitätsgrad (U-T), mehr Anzeichen für glattmuskuläre Art,

-

ein vorläufiger gynäkologischer Ambulanzbericht vom 07.12.2016, Anamese: Überweisung wegen RF im rechten Eierstockbereich. Diagnose:

T.u. ov. (Fibrom?), Therapie: Tumormarker abgenommen. Durchführen einer CT-Untersuchung auswärts. Wiedervorstellung mit CT-Befund. Bei anhaltenden oder sich verschlechternden Beschwerden ist ein Wiedervorstellen in unserer Ambulanz jeder Zeit möglich. Weitere Kontrollen im Sinne einer regelmäßigen Vorsorge beim Facharzt werden empfohlen,

-

eine Überweisung eines Arztes für Allgemeinmedizin an RÖ CT Abdomen vom 02.02.2017, Zweck der Überweisung: CT 1. RF Bereich re. Ovar, Histo? Sarkom? 2. Nabelhernie?, st.p. Tumor OP 2010 re UB.

Am 07.02.2017 langte beim BFA ein die Erstbeschwerdeführerin betreffender, radiologischer Befund (CT des Abdomens) vom 02.02.2017 ein. Zuweisungsdiagnose: Tumor im Unterbauch? Ergebnis: Große Tumormaße mit 11 x 8 cm im Durchmesser rechts im Unterbauch. Diesbezüglich bedarf es einer weiteren Abklärung. Pathologische Lymphknoten sind paraaortal nicht erkennbar. Die Leber ist herdfrei, die Milz ist regelrecht, das Pancreas und die Nieren sind regelrecht.

Mit E-Mail der Betreuungsstelle/Verteilerquartier OÖ vom 03.03.2017 wurde dem BFA mitgeteilt, dass die Erstbeschwerdeführerin am 02.03.2017 an einem Universitätsklinikum stationär aufgenommen worden sei.

Mit E-Mail der Betreuungsstelle/Verteilerquartier OÖ vom 06.03.2017 wurde dem BFA mitgeteilt, dass die Erstbeschwerdeführerin am 03.03.2017 aus dem Krankenhaus entlassen worden sei. Unter Einem wurde ein Kurzarztbrief eines Universitätsklinikums vorgelegt.

Diagnosen bei Entlassung: Verdacht auf Rezidiv nach Tumor im rechten Unterbauch, Erstdiagnose 2010, 8/2016: Transkutane Punktion der Raumforderung: Spindelzelliges Sarkom.

Mit E-Mail vom 16.03.2017 wurden folgende die Erstbeschwerdeführerin betreffende medizinische Unterlagen vorgelegt:

-

Ein gynäkologischer Ambulanzbefund vom 14.02.2017; Befund: Gyn.

Untersuchung: Bauchdecke weich, Raumforderung rechter Unterbauch bis zum Nabel heranreichend, polyzyklisch begrenzt, hier auch Druckschmerz, linker Unterbauch frei. Äußeres altersgemäß.

Spiegeleinstellung: Unauffällige Sekretion, Portio hoch, aktuell, keine Blutung, Fornix frei. Diagnose: ICD-10-Code, Verdacht auf erstes Rezidiv nach Tumor im rechten Unterbauch – Erstdiagnose 2010, 8/2016: Transkutane Punktion der Raumforderung: Spindelzelliges Sarkom, z.B. niedriger Malignitätsgrad. Therapie/Procedere:

Ergänzend Labor, PET-CT, MRI-Abdomen; Vorläufiges Procedere:

Re-Laparotomie, Tumorentfernung, wahrscheinlich inklusive Hysterektomie. LN?? Meta??,

-

Infoblatt für Tages-Aufnahmen eines Universitätsklinikums, aus dem hervorgeht, dass die Erstbeschwerdeführerin am 26.03.2017 einen Aufnahmetermin und am 27.03.2017 einen OP-Termin hat.

Mittels weitergeleitetem E-Mail eines Universitätsklinikums vom 16.03.2017 wurden dem BFA Termine der Erstbeschwerdeführerin bekanntgegeben: 17.03.2017, 10:30: Aufnahmekanzlei MC III; 11:00:

Chirurgie Ambulanz II; im Anschluss: Gyn. Ambulanz (Blutabnahme). 19.03.2017, 10:00: Stationäre Aufnahme Gyn. Ambulanz 1. Stock. 20.03.2017: OP-Termin. Weiters wurde mitgeteilt, dass der für 27.03.2017 vorgesehene OP-Termin auf Grund freier Kapazitäten vorverlegt werden konnte.

Mit E-Mail der Betreuungsstelle/Verteilerstelle OÖ vom 20.03.2017 wurde dem BFA mitgeteilt, dass die Erstbeschwerdeführerin am 19.03.2017 stationär in einer Landesfrauen- und Kinderklinik aufgenommen worden sei.

Mit E-Mail der Betreuungsstelle/Verteilerstelle OÖ vom 24.03.2017 wurde dem BFA mitgeteilt, dass die Erstbeschwerdeführerin am 24.03.2017 aus der Landesfrauen- und Kinderklinik entlassen worden sei.

Mit E-Mail der Betreuungsstelle/Verteilerstelle OÖ vom 28.03.2017 wurde dem BFA folgende medizinische Unterlagen vorgelegt:

-

Kurzarztbrief eines Universitätsklinikums für Gynäkologie vom 24.03.2017; stationärer Aufenthalt von 19.03.2017-24.03.2017; Diagnosen bei Entlassung: Retroperitoneale Raumforderung (Regio lliaca externa rechts, M.psoas rechts) – V.a. Leiomyomatose; Z.n. Tumorresektion im kleinen mit medianer Unterbauchlaparotomie 2010 (Tschetschenien), Z.n. Transabdomineller Stanzbiopsie 8/2016 (Tschetschenien) – Histologie: Vd.a. spindelzelliges Sarkom; Rhesusvariante RHD-CE (3-9)-D, Hernia umbilicalis; Grav III, Para III; Durchgeführte Maßnahmen: Mediane Re-Laparotomie mit radikaler retroperitonealer Tumorentfernung, Uretherolyse rechte, Adnexektomie rechts, Salpingektomie links, Hernia umbilicalis-Sanierung am 24.03.2017 Gefäßchirurgisches intraoperatives Konsilium; Analgesie mit PCA-Pumpe und NSAR. Histologisches Ergebnis ausständig!;

Empfohlene Medikation: Seractil 400mg 3x1 bei Schmerzen; Termine,

Kontrolle, Wiederbestellung: Kontrolle durch den niedergelassenen Facharzt in 4-6 Wochen; bei starken Unterbauchschmerzen; Fieber oder Verschlechterung des Allgemeinzustandes Wiedervorstellung hierorts erbeten; Klammerentfernung am 30.01.2017 (Anm: Gemeint 30.03.2017) beim Hausarzt. Zusammenfassung des stationären Aufenthaltes: Die stationäre Aufnahme der Patientin erfolgte bei oben genannter Diagnose zur operativen Sanierung. Der Eingriff konnte am 24.03.2017 durchgeführt werden. Der peri- und postoperative Verlauf gestaltete sich unauffällig. Die Patientin konnte bei blanden Wundverhältnissen in gutem Allgemeinzustand entlassen werden.

-

Checkliste Entlassungsinformation Laparotomie; eine Hautklammernentfernung wird ab dem 10. Tag nach der Operation (30.03.2017) durch den Hausarzt empfohlen.

Am 14.04.2017 langte beim BFA der Histologische Befund des Universitätsklinikums vom 31.03.2017 (stationärer Aufenthalt vom 19.03.2017-24.03.2017) ein. Diagnose:

-

ad 1) Fibröses Stroma mit knotigen Anteilen eines leiomyomatösen Gewebes mit Atypien, in erster Linie weiteren Anteilen der bekannten leiomyomatösen Neoplasie (H1707191) entsprechend.

-

ad 2) Fibroadipöses Stroma mit narbiger Fibrose und mehreren Fadengranulomen, an einer Stelle eine weitere Manifestation der bekannten leiomyomatösen Neoplasie (vergleiche H1707233 und H1707191).

-

ad 3) Regelrecht aufgebaute Tuba uterina mit den Fimbrien, mit gestauten Blutgefäßen und einem winzigen zystisch dilatierten Walthard¿schen Zellnest. Keine Tumoranteile.

-

ad 4) Fibroadipöse Stroma mit abschnittsweise deutlicher fibrosierender Entzündungsreaktion.

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 18.04.2017 wurden die Anträge auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gem. Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung der Anträge zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gem. § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Polen gem. § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Im die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid wird bezüglich ihres Gesundheitszustandes festgehalten, dass diese in ihrer Einvernahme am 30.01.2017 angegeben habe, dass es ihr momentan nicht gut gehe. Sie würde an Krebs leiden und wäre deshalb in Behandlung. Diesbezüglich habe sie auch medizinische Unterlagen vorgelegt. Aus dem jüngsten Bericht vom 02.02.2017 gehe hervor, dass diese rechts im Unterbauch einen Tumor mit 11 x 8 cm Durchmesser habe. Diesbezüglich würde es einer weiteren Abklärung bedürfen. Am 16.03.2017 sei der Behörde mitgeteilt worden, dass die Erstbeschwerdeführerin am 20.03.2017 einen OP-Termin habe. Im Kurzarztbrief vom 24.03.2017 seien mehrere Diagnosen gestellt worden und sei die Einnahme von Seractil bei Schmerzen empfohlen worden. Zusammenfassend sei zu ihrem stationären Aufenthalt festgestellt worden, dass die Operation am 24.03.2017 durchgeführt worden sei. Der peri- und postoperative Verlauf habe sich unauffällig gestaltet. Die Erstbeschwerdeführerin habe bei blanden Wundverhältnissen in gutem Allgemeinzustand entlassen werden können. Ihre behandelnden Ärzte würden nicht von einer schweren, lebensbedrohlichen Erkrankung ausgehen.

In den die Zweit- Viertbeschwerdeführerinnen betreffenden Bescheiden wurde hinsichtlich deren Gesundheitszustandes festgehalten, dass diese an keinen schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen, die einer Außerlandesbringung nach Polen entgegenstehen würden, leiden würden.

Gegen diese Bescheide wurden am 28.04.2017 fristgerecht gleichlautende Beschwerden eingebracht.

Im Wesentlichen wird darin vorgebracht, dass die Erstbeschwerdeführerin in Österreich eine Schwester habe, die sie unterstützen könne. Ihre Schwester sei ihre einzige familiäre Bindung und eine Überstellung nach Polen würde eine Trennung von ihrem stabilen und sicheren Umfeld bedeuten. In Polen würde sie niemanden haben. Sie sei eine alleinstehende Frau mit drei minderjährigen Kindern und gehöre zur Gruppe der besonders schutzwürdigen Personen. Falls der Erstbeschwerdeführerin etwas passiere, wäre ihre Schwester dazu bereit, sich um ihre Kinder zu kümmern. Österreich müsse vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen.

Mit E-Mail vom 04.05.2017 wurden dem BVwG folgende die Erstbeschwerdeführerin betreffende medizinische Unterlagen vorgelegt:

-

Bestätigung einer Radio-onkologischen Abteilung eines Universitätsklinikums vom 03.05.2017, aus der hervorgeht, dass die Erstbeschwerdeführerin zu dem Zweck zugewiesen wurde, eine adjuvante Radiotheraphie zu besprechen. Bei der Patientin wurde eine Raumforderung retroperitoneal festgestellt, nachdem die Patientin 2010 zum ersten Mal tumorreseziert wurde. In Tschechien (Anm: Gemeint wohl Österreich) erfolgte am 24.03.2017 aufgrund rezidivierender Beschwerden eine Re-Laparotomie mit Adnexektomie rechts und Salpingektomie links. Aufgrund der histologischen Gegebenheiten (pT3 Rx Grad 2) wird im Tumorband eine adjuvante Radiotherapie vereinbart. Diese Behandlung dient der kurativen vollständigen Behandlung. Es wird eine Radiotherapie mit 60 Gy in 30 Fraktionen vereinbart. Als Termin zur Planung und Einleitung der Radiotherapie wird der 15.05.2017 vereinbart.

-

Informationsblatt für eine stationäre Aufnahme. Daraus ist ersichtlich, dass für die Erstbeschwerdeführerin eine stationäre Aufnahme am 15.05.2017 vorgesehen ist.

Mit Beschluss des BVwG vom 05.05.2017 wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit E-Mail vom 11.05.2017 wurde dem BVwG ein an Polen ergangenes Schreiben des BFA vom 10.05.2017 übermittelt, worin Polen in Kenntnis gesetzt wurde, dass die Überstellung der Beschwerdeführer aufgrund der Gewährung der aufschiebenden Wirkung verschoben werde.

Mit E-Mail des BFA vom 16.05.2017 wurde dem BVwG zur Kenntnis gebracht, dass die Erstbeschwerdeführerin am 15.05.2017 stationär aufgenommen worden sei.

Mit E-Mail des BFA vom 18.05.2017 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass die Erstbeschwerdeführerin am 16.05.2017 aus dem Krankenhaus entlassen worden und am 17.05.2017 erneut stationär aufgenommen worden sei.

Mit E-Mail des BFA vom 22.05.2017 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass die Erstbeschwerdeführerin am 19.05.2017 wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden sei.

Mit E-Mail vom 09.08.2017 wurde dem BVwG ein stationärer ärztlicher Entlassungsbrief einer radio-onkologischen Abteilung eines Krankenhauses vom 16.05.2017 (stationärer Aufenthalt vom 15.05.2017-16.05.2017) vorgelegt. Unter "Durchgeführte Maßnahmen" wird die Planung der adjuvanten Radiotherapie angeführt. Eine stationäre Wiederaufnahme wurde für den 17.05.2017 vereinbart. Unter "Zusammenfassung des Aufenthaltes" ist vermerkt, dass im Planungs-CT eine unklare Raumforderung aufgefallen ist, die mittels diagnostischen CT- Abdomens weiter abgeklärt werden solle.

Mit E-Mail vom 09.08.2017 wurde dem BVwG weiters ein stationärer ärztlicher Entlassungsbrief einer radio-onkologischen Abteilung eines Krankenhauses vom 19.05.2017 (stationärer Aufenthalt vom 17.05.2017-19.05.2017) vorgelegt. Unter "Durchgeführte Maßnahmen" wird ein diagnostisches CT-Abdomen am 18.05.2017 angeführt. Das diagnostische CT-Abdomen keinen Hinweis auf ein Rezidivgewebe gezeigt. Als Termin für die ambulante Einleitung der Radiotherapie wurde der 29.05.2017 festgelegt.

Mit E-Mail vom 09.08.2017 wurde weiters eine Terminkarte eines Universitätsklinikums vorgelegt, derzufolge am 13.10.2017 ein Ambulanztermin vorgesehen war und für 03.11.2017 ein Kontrolltermin festgesetzt ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerden:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind".

§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes

im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen.

Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:

Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 12

Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Art. 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Im gegenständlichen Verfahren ging die Behörde unter Zugrundelegung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens grundsätzlich zutreffend davon aus, dass die Zuständigkeit Polens zur Prüfung der in Rede stehenden Anträge auf internationalen Schutz besteht. Die Zuständigkeit Polens ist in materieller Hinsicht in Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO begründet, da die Beschwerdeführer zum Zeitpunkt ihrer Asylantragstellung in Österreich im Besitz von weniger als sechs Monate abgelaufenen polnischen Visa waren. Zudem stimmte die polnische Dublin-Behörde der Aufnahme der Beschwerdeführer gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO mit Schreiben vom 27.12.2016 ausdrücklich zu.

Die gegenständlichen Entscheidungen des BFA - die vorliegenden Verfahren sind aufgrund des zu führenden Familienverfahrens gem. § 34 AsylG 2005 untrennbar miteinander verbunden - sind jedoch auf der Grundlage eines ergänzungsbedürftigen Verfahrens ergangen, weshalb, wie im Folgenden näher dargelegt wird, hinsichtlich aller Beschwerdeführer eine Behebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG zu erfolgen hatte.

Es erfolgte eine lediglich ungenügende Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand der an Krebs erkrankten Erstbeschwerdeführerin. In ihrer Bescheidbegründung räumt die Behörde zwar ein, dass die Erstbeschwerdeführerin an Krebs leide – aus einem ärztlichen Bericht vom 02.02.2017 gehe hervor, dass die Erstbeschwerdeführerin im Unterbauch einen Tumor mit 11x8 cm Durchmesser habe - deshalb in Behandlung stehe und auch medizinische Unterlagen vorgelegt habe. In Bezug auf den stationären Krankenhausaufenthalt der Erstbeschwerdeführerin vom 19.03.2017 – 24.03.2017 (radikale retroperitoneale Tumorentfernung) beschränkt sich die Behörde jedoch auf die Feststellung, dass sich der peri- und postoperative Verlauf laut diesbezüglichem Kurzarztbrief unauffällig gestaltet habe und die Erstbeschwerdeführerin bei blanden Wundverhältnissen in gutem Allgemeinzustand entlassen habe werden können. Aus dem offenbar komplikationslosen Operationsverlauf zieht die Behörde sohin den Schluss, dass die behandelnden Ärzte nicht von einer schweren, lebensbedrohenden Erkrankung ausgehen würden. Der zur in stationärer Aufnahme erfolgten Tumorentfernung vorgelegte histologische Befund vom 31.03.2017 und die darin enthaltenen Diagnosen wurden gänzlich unberücksichtigt gelassen. In der Folge musste sich die Erstbeschwerdeführerin jedoch einer Strahlentherapie unterziehen. Laut einem ärztlichen Entlassungsbrief einer radio-onkologischen Abteilung eines Krankenhauses vom 16.05.2017 wurde während eines weiteren stationären Aufenthaltes vom 15.05.2017-16.5.2017 die Planung einer adjuvanten Radiotherapie im Bereich des Tumorbettes vorgenommen, wobei im Planungs-CT eine mittels diagnostischen CT-Abdomens weiter abzuklärende unklare Raumforderung aufgefallen ist. Aus einem weiteren ärztlichen Entlassungsbrief einer radio-onkologischen Abteilung eines Krankenhauses vom 19.05.2017 geht hervor, dass während der stationären Wiederaufnahme der Erstbeschwerdeführerin vom 17.05.2017–19.05.2017 ein diagnostisches CT-Abdomen durchgeführt und eine ambulante Einleitung der Radiotherapie für den 29.05.2017 festgesetzt wurde. Laut der in Vorlage gebrachten Terminkarte eines Universitätsklinikums war für 13.10.2017 ein Ambulanztermin vorgesehen und ist für 03.11.2017 eine weitere Kontrolle festgesetzt.

Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin liegt somit keine abschließende Beurteilung des Gesundheitszustandes vor, wie sich dieser nach der Strahlentherapie zur Behandlung eines rezidivierenden Tumorleidens (Tumorresektion in Tschetschenien im Jahr 2010) darstellt.

Es bedarf somit aktueller Feststellungen zum Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin, um eine Grundlage für die Entscheidung zu schaffen, ob eine Überstellungsfähigkeit der Beschwerdeführerinnen nach Polen gegeben ist und um eine Gefährdung der durch Art. 3 EMRK geschützten Rechtsposition aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausschließen zu können. Dem Bundesverwaltungsgericht ist es zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich, aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen zu beurteilen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die bei einer Überstellung der Erstbeschwerdeführerin zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen könnten.

Nach dem Gesagten erscheint es angezeigt, ein fachärztliches Gutachten zum Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin einzuholen, in welchem neben dem aktuell erforderlichen Behandlungsbedarf auch die Frage einer dauernden bzw. bloß vorübergehenden Reisefähigkeit zu behandeln sein wird.

Im Falle einer Pflegebedürftigkeit der Erstbeschwerdeführerin wird zu erheben sein, ob deren in Österreich lebende Schwester zur Vornahme der erforderlichen Pflege (bzw. gegebenenfalls auch zur Betreuung der Kinder der Erstbeschwerdeführerin) in der Lage ist (räumliche Entfernung, Berufstätigkeit).

Nach Vorliegen der Ermittlungsergebnisse wird letztlich auch zu prüfen sein, ob im Hinblick auf die konkrete Situation der Erstbeschwerdeführerin als schwer erkrankter allein stehender Frau mit drei zu versorgenden minderjährigen Kindern, eine Einzelfallprüfung in den gegenständlichen Verfahren nicht einen Selbsteintritt Österreichs gebieten würde.

Eine mündliche Verhandlung konnte gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen trifft § 21 Abs. 3 BFA-VG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Gesundheitszustand,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W165.2155352.1.01

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten