Entscheidungsdatum
19.10.2017Norm
AuslBG §18 Abs12Spruch
G311 2151715-1/4Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Dr. Josef EBERHARD und Thomas WIEDER als Beisitzer in der Beschwerdesache XXXX(Entsendebetrieb), in XXXX, Italien, etabliert, sowie des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Ukraine (Arbeitnehmer), beide vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice XXXX vom 12.01.2017, GZ: XXXX, betreffend der Ablehnung der Ausstellung einer EU-Entsendebestätigung und Untersagung der Entsendung beschlossen:
A)
Gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG wird das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des beim Verwaltungsgerichtshof zur Zl. Ra 2016/09/0087 anhängigen Verfahrens ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die XXXX. mit Firmensitz in Italien (im Folgenden: die Erstbeschwerdeführerin) meldete am 14.11.2016 der Zentralen Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen für die Kontrolle illegaler Beschäftigung (ZKO) mittels Formularvordruck die Entsendung des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Schweden (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführer) für die berufliche Tätigkeit als Maschinenbauingenieur gemäß § 7b AVRAG und § 18 Abs. 12 AuslBG für den Zeitraum vom 22.11.2016 bis 31.12.2016 an. Vorgelegt wurde weiters ein zwischen dem Zweitbeschwerdeführer und der XXXX, Schweden, geschlossener Entsendevertrag. Als Beschäftiger des Zweitbeschwerdeführers ist darin die Erstbeschwerdeführerin am Betriebssitz der XXXX GmbH genannt. Der Zweitbeschwerdeführer ist demnach für die Erstbeschwerdeführerin unter deren Aufsicht und Anleitung in Österreich tätig. Weiters ist in dem Vertrag festgehalten, dass das Dienstverhältnis des Zweitbeschwerdeführers während des Arbeitseinsatzes zur XXXX, Schweden, aufrecht bleibt.
Mit Schreiben vom 06.12.2016 wurde die Erstbeschwerdeführerin seitens des Arbeitsmarktservice XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), unter Hinweis darauf, ansonsten aufgrund der Aktenlage entscheiden zu müssen, zur Vorlage näher bezeichneter Unterlagen bis längstens 21.12.2016, aufgefordert.
Mit Schriftsatz vom 21.12.2016 legten die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer, durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter, Unterlagen vor.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.01.2017, zugestellt am 17.01.2017, wurde die Bestätigung der Entsendung gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG abgelehnt und die Entsendung des Zweitbeschwerdeführers untersagt. Begründend wurde ausgeführt, der Zweitbeschwerdeführer sei Mitarbeiter der XXXX, Schweden, und an die Erstbeschwerdeführerin überlassen. Die Meldung der Entsendung sei nicht durch das Unternehmen erfolgt, in welchem die rechtmäßige Beschäftigung vorliege, sondern durch den Betrieb an welchen die Arbeitskraft überlassen werde. XXXX, Schweden, gehöre zur XXXX-Gruppe, deren Obergesellschaft die Erstbeschwerdeführerin sei. Die Erstbeschwerdeführerin sei in Österreich mit der Planung, Errichtung, Montage und Inbetriebnahme eines Drahtwalzwerkes beauftragt worden. Die Automatisierung und Inbetriebnahme der Anlage nehme die Erstbeschwerdeführerin selbst unter eigener Verantwortung vor. Um diese komplexen Tätigkeiten durchführen zu können, bediene sich die Erstbeschwerdeführerin der Mithilfe ihrer Gruppengesellschaften in Italien, Schweden, Slowenien, Kroatien, Serbien usw.
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass der Zweitbeschwerdeführer Dienstnehmer der XXXX, Schweden, sei und dort über eine Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligung verfüge.
Parallel zum gegenständlichen Verfahren ist ein Revisionsverfahren beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) zur Zl. Ra 2016/09/0087 hinsichtlich des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.05.2016, GZ.: G309 2123486-1/4E, anhängig, das die Lösung grundsätzlicher Rechtsfragen zur Entsendung im EU-Ausland überlassener Drittstaatsangehöriger bzw. Arbeitnehmer, die den Übergangsbestimmungen zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit unterliegen, durch EU-ausländische Unternehmen, nach Österreich zum Gegenstand hat.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist (Z 1) und eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Z 2).
Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat.
Gemäß § 44 Abs. 2 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., ist das anhängige Beschwerdeverfahren mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs an das Verwaltungsgericht fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.
Beim Verwaltungsgerichtshof ist (unter anderem) das Verfahren über die zu Zl. Ra 2016/09/0087 protokollierte Revision anhängig, in der der Ausschluss der möglichen Erfüllung der Voraussetzungen des § 18 Abs. 12 AuslBG in Fällen in denen Unternehmen unter Einsatz ihnen von konzernverwandten Unternehmen überlassene EU- bzw. Drittausländern, die in Österreich vertraglich eingegangen Aufträge zu erfüllen suchen, releviert worden ist, wobei in diesem Kontext die Frage der rechtlichen Auslegung bzw. Äquivalenz der Begriffe "rechtmäßige" und "ordnungsgemäße" Beschäftigung im Lichte unionsrechtlicher, die Freizügigkeiten betreffender Normen, strittig ist.
Beim Bundesverwaltungsgericht sind weitere Beschwerdeverfahren anhängig, welche dieselbe Rechtsfrage zur Grundlage haben und lässt sich eine Judikatur des VwGH zur Frage der Bedeutung und Reichweite der Begriffe "rechtmäßige Beschäftigung" iSd § 18 Abs. 12 AuslGB, vor allem im Hinblick auf dessen Äquivalenz zu "ordnungsgemäße Beschäftigung" und der damit verbundenen Frage der Beschränkung des Anwendungsbereiches des § 18 Abs. 12 AuslBG einzig auf Entsendungen von Eigenpersonal EU-ausländischer Unternehmen oder deren rechtlich zulässigen Erweiterung auf die Entsendung zuvor überlassener ausländischer Arbeitskräfte durch ausländischer Unternehmen im Lichte der unionsrechtlichen Freizügigkeiten, nicht finden. Lediglich die Frage zur Beschäftigung an sich fand bisher eine Klärung in der Judikatur des VwGH (vgl. VwGH 06.11.2012, 2012/09/0143), nicht jedoch im Hinblick auf deren differenten rechtlichen Bedeutung bezüglich deren Rechtmäßig- und/oder Ordentlichkeit.
Auch wenn derzeit "lediglich" neun einschlägige Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig sind, hält das erkennende Gericht die Annahme des Vorliegens einer "erheblichen Zahl von Verfahren" iSd § 34 Abs. 3 VwGVG im gegebenen Zusammenhang für gerechtfertigt.
Dabei ist zu beachten, dass eine Aussetzung nach § 34 VwGVG - im Unterschied zu jener nach § 38a VwGG - keine Rechtswirkungen genereller Natur hervorruft (und keine Kundmachung im Bundesgesetzblatt nach sich zieht), sondern in ihren Wirkungen auf das jeweils individuell ausgesetzte Beschwerdeverfahren beschränkt bleibt. Die für § 34 Abs. 3 VwGVG erforderliche "Zahl" der Verfahren muss daher nicht notwendigerweise jene Schwelle erreichen, die für eine Aussetzung nach § 38a VwGG erforderlich wäre (vgl. im Übrigen auch Hauer, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, Rz 183, der auf den Umstand hinweist, dass der in § 34 Abs. 3 VwGVG verwendete unbestimmte Gesetzesbegriff "einigen Spielraum für extensive Anwendung" lässt).
So findet sich zudem im VwGVG keine wertmäßige Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle, sondern soll es den Materialien folgend auf das Erreichen einer bestimmten Mindestbeschwerdezahl nicht ankommen (vgl. ErlRV 2009 XXIV. GP, 26), sodass von einem weiten Entscheidungsspielraum des BVwG ausgegangen werden kann (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 34 VwGVG Anm. 15.).
Aus Sicht des BVwG kann angesichts globaler wirtschaftlicher Vernetzungen und bestehender komplexer Unternehmens- bzw. Konzernkonstruktionen unter Beachtung der unionsrechtlichen Freizügigkeiten und sich abzeichnender steigender Endsendungszahlen (vgl. parlamentarische Anfrage vom 02.02.2016, 7982/J, XXV. GP), davon ausgegangen werden, dass, neben den bereits anhängigen Verfahren, zudem vermehrt vergleichbare - dieselben Rechtsfragen aufwerfende - Fallkonstellationen Gegenstand einer Vielzahl an Beschwerdeverfahren beim BVwG in naher Zukunft sein können.
Da die Beurteilung der dargelegten Fragen eine wesentliche Rechtsfrage im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sowie in den übrigen gleichgelagerten Beschwerdeverfahren darstellt und hierüber eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, sieht sich das Bundesverwaltungsgericht zur Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu Zl. Ra 2016/09/0087 veranlasst.
Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Er kann erst in der Revision gegen die, die Rechtssache erledigende Entscheidung, angefochten werden. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 88a Abs. 3 VfGG eine abgesonderte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig. Er kann erst in der Beschwerde gegen die, die Rechtssache erledigende Entscheidung angefochten werden.
Schlagworte
Aussetzung, EU-Entsendebestätigung, VwGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:G311.2151715.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.11.2017