Entscheidungsdatum
19.10.2017Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I404 2173264-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. ÄGYPTEN, vertreten durch: Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Erstaufnahmestelle Flughafen, vom 05.10.2017, Zl. 1169166502-171099142, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs.. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer hat am 25.09.2017 am Flughafen Wien-Schwechat im Zuge der Einreisekontrollen bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Am 26.09.2017 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt.
Dabei führte er zum Fluchtgrund befragt aus, dass er eine Ägypterin habe heiraten wollen. Ihre und seine Eltern seien dagegen gewesen, weil er eine dunkle Hautfarbe habe. Danach hätten sie sich beide entschlossen, zu fliehen. Sie hätten zusammen 40 Tage in Kairo zusammen gelebt. Ihre Brüder hätten ihr Versteck gefunden, während er in der Arbeit gewesen sei. Sie hätten die Wohnung verwüstet und seine Verlobte mitgenommen. Die Brüder seien zu seiner Mutter gekommen und haben ihr gesagt, dass sie ihn umbringen werden. Danach sei er geflüchtet. Bei einer Rückkehr befürchte er, dass ihre Brüder ihn töten.
2. Im Zuge einer ärztlichen Untersuchung am 26.09.2017 wurde beim Beschwerdeführer ein guter Allgemein- und Ernährungszustand festgestellt und er wurde, wäre er ein Häftling, als haftfähig angesehen.
3. Der Beschwerdeführer wurde am 02.10.2017 im Rahmen eines Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Flughafen, unter Anwesenheit eines Rechtsberaters niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer wurde zunächst aufgefordert, sämtliche Wohnadressen in Ägypten chronologisch zu nennen. Diesbezüglich gab der Beschwerdeführer an, dass er immer in einer namentlich angeführten Straße in Alexandria gelebt habe. Er habe immer dort gelebt. Die Frage, ob auch andere Wohnadressen in Ägypten gehabt habe, verneinte er. Bei dieser Adresse würde es sich um die Wohnung seiner Eltern handeln. Außer seiner Mutter und seinen Brüdern würde nur noch ein Onkel mütterlicherseits in Saudi-Arabien wohnen. Alle anderen Verwandten seien verstorben. Auf Vorhalt, wonach er bei seiner Erstbefragung angegeben habe, dass auch eine Schwester in Ägypten lebe, führte der Beschwerdeführer an, dass eine Schwester noch in Alexandria wohne und eine Schwester lebe in Kuwait. Seine Schwestern würden zur Familie gehören und nicht zur Verwandtschaft, weshalb er sie oben nicht genannt habe. Auf die Frage, wann der Beschwerdeführer konkret die elterliche Wohnung in Alexandria letztmals verlassen habe, gab er an, dass dies am 7.2.2017 gewesen sei. Danach sei er noch am selben Tag nach Moskau geflogen. Die Frage, ob der Beschwerdeführer bis zum 7.2.2017 durchgehend in der Wohnung seiner Familie in Alexandria genächtigt und sich dort aufgehalten habe, bejahte der Beschwerdeführer. Nur manchmal sei ja über Nacht mit Kollegen in Kairo gewesen und habe er dort übernachtet. Die Frage, ob somit seine jetzige Ausreisebewegung zu Hause in Alexandria begonnen habe, bejahte der Beschwerdeführer abermals. Er habe sich auch noch von seinen Brüdern und seiner Mutter, welche zu Hause gewesen seien, verabschiedet und sei dann alleine zum Flughafen nach Kairo gefahren. Auf Vorhalt, warum er im Vorfeld angegeben habe, 40 Tage nicht zu Hause gewesen zu sein, führte er an, dass er vom 7.10 bis 17.11.2016 nicht zu Hause gewesen sei. Weiters führte er aus, dass er gedacht habe, dass er extra noch bezüglich der 40 Tage gefragt werde. Am 17.11.2016 sei er nach Hause zurückgekehrt und habe an seiner Heimatadresse bis zum 7.2.2017 wieder gewohnt. Er sei am 20.11.2016 wegen dem Visum noch Kairo gefahren, aber dann jeweils wieder in sein Elternhaus nach Alexandria zurückgekehrt. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, chronologisch seine bisherigen Arbeitsplätze zu nennen. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, dass er während seines Studiums in einem Pizza-Restaurant und einem 4 Sterne Restaurant gearbeitet habe. Dann habe er in der Tourismusbranche in Sharm el Sheik und Hurghada gearbeitet. Zuletzt habe er im Regents Plaza Hotel in Sharm el Sheik gearbeitet. Auf die Frage, wann konkret sein letzter Arbeitstag in diesem Hotel gewesen sei, gab er an, dass er sich nicht genau daran erinnere, aber es sei nach dem Absturz des russischen Flugzeugs gewesen. Vor diesem Hotel habe er noch in einer Firma für Datentechnologie gearbeitet. Die Frage, ob er sonst noch irgendwo in Ägypten gearbeitet habe, verneinte er. Die meisten Arbeitsplätze habe er in Alexandria gehabt. Auf Vorhalt, warum er vor nur Arbeitsplätze in den Tourismusregionen angegeben habe, führte er an, dass er die Datentechnologie-Firma vergessen habe. Für diese habe er 2014 für acht Monate in Alexandria gearbeitet. Auf die Frage, wovon er ab Beendigung seiner Arbeit im Regents Plaza bis zu seiner Ausreise gelebt habe, gab er an, dass er noch in weiteren Restaurants und Cafés bis zu seiner Ausreise gearbeitet habe. Auf diesen Widerspruch angesprochen, gab der Beschwerdeführer an, dass er nach Alexandria zurückgekehrt sei. Weiters wurde der Beschwerdeführer darauf angesprochen, dass er zu Beginn der Einvernahme angegeben habe, immer in der elterlichen Wohnung in Alexandria gelebt zu haben und wie sich dies mit den angegebenen Arbeitsplätzen in Sharm el Sheik und Hurghada vereinbaren ließe. Dazu gab der Beschwerdeführer an, dass, wenn er arbeitete, er dann auch immer am Arbeitsplatz im Hotel gewohnt habe.
Er habe auch vergessen, seinen 40-tägigen Aufenthalt mit dem Mädchen in Kairo zu nennen. Er erinnere sich nicht genau, wann sein letzter Arbeitstag in Ägypten vor der Ausreise am 07.02.2017 gewesen sei, aber er glaube, dass dies ein namentlich genanntes Café in Alexandria gewesen sei. Bis ca. September 2016 habe er dort gearbeitet. Das Problem, welches zu seiner Ausreise geführt habe, habe im Oktober 2016 begonnen. Er habe deshalb ab September nicht mehr gearbeitet, weil die Saison vorbei gewesen sei und er sich dann etwas Anderes habe suchen müssen. Zum Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass er ein Mädchen kennengelernt habe. Sie hätten sich getroffen und seien ausgegangen und hätten sich dann immer mehr geliebt. Dann habe er bei ihren Eltern um ihre Hand angehalten. Ihre Eltern hätten ihn abgelehnt. Er habe nach dem Grund gefragt und sie hätten ihm gesagt, dass sie für ihre Tochter einen Ägypter und einen Verwandten von ihnen wollten. Dann habe er mit ihr telefoniert und ihr gesagt, dass ihre Familie ihn abgelehnt habe. Er habe ihr dann angeboten, dass sie heiraten und die Familie vor Tatsachen stellen könnten. Sie habe dies anfangs abgelehnt und er habe dann gesagt, dass sie nicht-standesamtlich heiraten könnten. Nach einiger Zeit habe er sie mitgenommen und sie seien an einem Freitag nach Kairo gefahren. Sie hätten sich in Kairo eine Wohnung gemietet, dann seien sie zu einem Mann gegangen, der ein Formular für die Ehe gehabt habe. Sie hätten dann nicht-standesamtlich geheiratet und er habe mit ihr ausgemacht, dass sie ins Ausland gehen würden. Dieses Mädchen habe Huda M geheißen. Sie hätten 40 Tage unbehelligt in Kairo leben können. In den letzten zehn Tagen davon habe es begonnen, dass Leute nach Ihnen gefragt hätten. Niemand im Haus habe sie gekannt, aber Huda habe ihm gesagt, dass Leute kommen und fragen. Eines Tages sei er nicht zu Hause gewesen und als er heim gekommen sei, habe er die Wohnung verwüstet vorgefunden. Dort habe es viele Leute gegeben. Wahrscheinlich sei Hudas Bruder mit Verwandten gekommen und habe die Wohnung verwüstet und Huda mitgenommen. Er sei an diesem Tag bei Freunden in Al Hussain gewesen. Auf die Frage, was zur Vermutung führe, dass es Verwandte und Brüder von Huda gewesen seien, führte der Beschwerdeführer an, wer es sonst hätte sein sollen. Außerdem habe ihm seine Mutter mitgeteilt, dass Leute zu Ihnen gekommen seien und nach ihm gefragt und ihn bedroht hätten. Das hätten seiner Mutter Freunde des Bruders von Huda gesagt. Auf Frage, welche Leute in der Wohnung gewesen seien, als er an jenem Tag in die verwüstete Wohnung gekommen sei, führte er aus, dass dies Nachbarn von dort gewesen seien. Aber er hätte diese Leute nicht aus der Nachbarschaft gekannt. Diese Leute hätten ihm gesagt, dass Leute gekommen seien und das Mädchen mitgenommen hätten. Auf Nachfrage gab er an, dass er am 20.11. von seiner Mutter erfahren habe, dass Freunde von Hudas Bruder bei ihnen gewesen seien. Auf die Frage, wann konkret nun Huda aus der gemeinsamen Wohnung verschwunden sei, gab er an ca. am 15. oder 17.11. Auf Nachfrage gab er an, dass er dann sofort aus dieser Wohnung weggegangen sei. Er sei dann zu seinen Freunden in Al Hussein gegangen. Dann sei er nach Alexandria gegangen, aber nicht nach Hause. Auf die Frage, wo er sich bis zu seiner Ausreise noch überall aufgehalten habe, gab er an, dass er zuerst bei einem Verwandten gewesen sei, dann habe er sich mit seinem Bruder getroffen. Dann sei er kurz bei seiner Großmutter mütterlicherseits zu Hause gewesen. Zu dieser Zeit sei die Ladung für Russland gekommen. Dann sei er immer nach Kairo gefahren, um das Visum ausstellen zu lassen und wieder zurück zur Großmutter mütterlicherseits. Diese würde auch in Alexandria an einer näher angeführten Adresse wohnen. Auf Frage, ob er überhaupt noch einmal in die elterliche Wohnung zurückgekehrt sei, gab er an, dass er mehrmals aber immer nur ganz kurz und in der Nacht zurückgekehrt sei. In der Folge wurden dem Beschwerdeführer seine widersprüchlichen Angaben vorgehalten. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass er Huda gesagt habe, dass er sie nach Russland nachholen werde. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass er dies während ihres gemeinsamen Aufenthalts in Kairo zu ihr gesagt habe. Auf Vorhalt, dass er sohin die Ausreise bereits geplant habe, als er mit Huda noch in Kairo gewesen sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er die Entscheidung nach Russland zu gehen, getroffen habe, nachdem er gesehen hätte, dass sie ihn töten wollten. Er habe dies erstmals erfahren, nachdem sie das Mädchen mitgenommen hätten und Leute in sein Elternhaus gekommen und seiner Mutter gedroht hätten. Auf Vorhalt, dass er somit Huda in der gemeinsamen Wohnung in Kairo gar nicht hätte sagen können, dass er nach Russland gehe und sie nachholen werde, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits verschwunden gewesen sei, führte der Beschwerdeführer aus, dass er ihr das während ihrer gemeinsamen Zeit in Kairo gesagt habe. Sie habe abgelehnt. Er wisse nichts über sie seit dem 17.11.2016. Alle Telefonnummer seien nicht mehr gültig. Er sei nach dem 17.11.2016 niemals mit Verwandten oder Familienmitgliedern von Huda in Kontakt gewesen. Er habe seine Nummer geändert und die Nummer von Huda sei gesperrt. Die Probleme mit dieser Familie seien seine einzigen Fluchtgründe.
Nach Erörterung der Länderfeststellungen zur Lage in Ägypten, gab der Beschwerdeführer an, dass er dazu nichts sagen wolle.
4. Am 03.10.2017 wurde das Büro des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Österreich (in der Folge: UNHCR) gemäß § 33 Abs. 2 AsylG um Erteilung der Zustimmung zur Abweisung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz ersucht.
5. Mit Schreiben vom 05.10.2017 des UNHCR wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG erteilt werde, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR-Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß §33 Abs. 1 Z 2 iVm § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Er sei ledig, geistig und körperlich gesund und Moslem. Weiters gehöre der der Volksgruppe der Nubier an. Die vom Beschwerdeführer geschilderte Bedrohungssituation sei offenkundig tatsachenwidrig. Es könnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass er im Fall eine Rückkehr nach Ägypten einer Gefahr der Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt werde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikt mit sich bringen könnte. Weiters wurden umfangreiche Feststellungen zu Lage im Herkunftsstadt getroffen. In der Beweiswürdigung wurde ausführlich dargelegt, warum das Vorbringen offenkundig tatsachenwidrig sei. Insbesondere wurden zahlreiche Widersprüche und Sinnwidrigkeiten innerhalb der behaupteten Fluchtgründe dargelegt. Rechtlich führte belangte Behörde aus, dass die vorgebrachten Gründe völlig unglaubwürdig seien. Soweit der Beschwerdeführer geltend gemacht habe, Angehörige der Volksgruppe der Nubier zu sein, so sei darauf hinzuweisen, dass laut den vorliegenden Länderberichten eine Diskriminierung in Ägypten gesetzlich verboten sei. Diskriminierungen von Nubiern würden in seinem Heimatland zwar vorkommen, jedoch habe der Beschwerdeführer eine solche im Zusammenhang mit seinen Fluchtgründen nicht glaubhaft gemacht. Sonstige Hinweise für eine ihm künftig drohende Diskriminierung würden sich im gesamten Verfahren nicht finden und habe der Beschwerdeführer derartiges auch mit keinem Wort vorgebracht. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Volksgruppe allein, sowie deren allgemeinen Situation nicht geeignet sei, eine Asylgewährung zu rechtfertigen. Hinsichtlich Spruchpunkt II. führte die Behörde aus, dass wie schon in der Begründung zur Entscheidung über den Asylantrag ausgeführt, die behaupteten Fluchtgründe völlig unglaubwürdig seien, weshalb auf keinen Fall aus diesen Gründen bei einer Rückkehr nach Ägypten eine reale Gefahr drohe. Weiters lasse sich aus der allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Ägypten keine dem Beschwerdeführer betreffende Gefahr ableiten. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass er sich bei einer Rückkehr nach Ägypten in einer massiven wirtschaftlichen Notlage befinden würde. Er würde über zahlreiche familiäre Bezugspunkte in Alexandria verfügen und bewohne mit seiner Mutter und zwei volljährigen Brüdern nach wie vor die familieneigene Wohnung. Zu Spruchpunkt III. führte die Behörde aus, dass gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 Folgesatz das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von amtswegen zu prüfen habe, wenn der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen werde. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG scheitere jedoch schon am Umstand, dass sich der Beschwerdeführer nicht im Bundesgebiet aufhalte.
7. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde erhoben, in welcher auf das bisher Vorgebrachte verwiesen wird. Es seien trotz Einverständniserklärung des Beschwerdeführers keinerlei Nachforschungen durch einen Vertrauensanwalt durchgeführt worden, um die Richtigkeit seiner Angaben zu überprüfen. Das Beweisverfahren sei von der belangten Behörde mangelhaft durchgeführt worden und es würden gravierende Verfahrensmängel vorliegen. Bei vollständiger Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, hätte die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem Fluchtgrund sehr wohl Asylrelevanz zugebilligt werden müsste. Die Angst des Beschwerdeführers sei nicht unberechtigt und vollkommen nachvollziehbar. Auch wenn die belangte Behörde von den Schilderungen des Beschwerdeführers nicht vollends überzeugt sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer, der den im Spruch genannten Namen führt, ist Staatsangehöriger von Ägypten, Moslem und gehört der Volksgruppe der Nubier an.
Er wurde in Alexandria geboren und lebte dort mit seiner Mutter und seinen Brüdern in seinem Elternhaus. Der Beschwerdeführer 11 Schule und 3 Jahre die Universität besucht.
In Ägypten hat er in der Gastronomie und für eine Datentechnologie-Firma gearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.
Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit.
1.2. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat. Das diesbezügliche Vorbringen entspricht offensichtlich nicht den Tatsachen.
Nicht festgestellt werden kann weiter, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.
1.3. Zur Lage in Ihrem Herkunftsstaat Ägypten:
Politische Lage
Ägypten sieht sich nach der Absetzung von Präsident Mohamed Mursi im Juli 2013 und der Wahl von Abdel Fattah Al-Sisi zum Staatspräsidenten im Mai 2014 noch immer vor allem enormen wirtschafts- und sicherheitspolitischen Herausforderungen gegenüber, die die politische Konsolidierung verzögern. Die 2014 in Kraft getretene Verfassung sieht für das Land das Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats vor. Die Wahlen zum neuen Parlament Ende 2015 vollzogen sich grundsätzlich frei und gesetzmäßig, fanden jedoch in einem Klima allgemeiner staatlicher Repression statt, in dem politische Opposition oder der Einsatz für Menschenrechte in die Nähe von Terrorismus und staatsfeindlichen Aktivitäten gerückt wurden. Dies setzt der freien politischen Betätigungen faktisch enge Grenzen. Das von etwa 25 % der ägyptischen Wahlberechtigten gewählte und im Januar 2016 konstituierte ägyptische Parlament zeigt die erwarteten Anlaufschwierigkeiten auf dem Weg zu einem eigenständigen politischen Akteur, der seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung effektiv und selbstbewusst ausübt. Das Parlament bleibt dennoch die einzige Institution in Ägypten, die derzeit das Potential hierzu besitzt. Die Parteienlandschaft ist schwach ausgeprägt. Die Parteien vermögen es in der Regel nicht, landesweite Strukturen aufzubauen und programmatische Akzente zu setzen. Das 2014 reformierte Wahlrecht trug zur weiteren Schwächung der Parteien bei, die im Parlament keine wichtige Rolle spielen. Die Mehrheit der Abgeordneten im ägyptischen Parlament ist regierungstreu. Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz sind verfassungsrechtlich vorgesehen, jedoch durch weitreichende politische Einflüsse zunehmend eingeschränkt. Die Justiz, die in der Vergangenheit viel auf die eigenen Standards hielt, ist zum Instrument der Repression geworden. Drakonische Strafen, die seit dem Sommer 2013 verhängt werden, sind oft Vergeltungsmaßnahmen gegen Akteure, durch die sich der "tiefe Staat" bedroht sieht, insbesondere die Zivilgesellschaft auf der einen und die Muslimbruderschaft auf der anderen Seite. Bedenklich ist die verbreitete Praxis von Strafverfahren gegen Zivilisten vor Militärgerichten sowie erzwungenes Verschwindenlassen, langwierige Haft ohne Anklage, Prozesse, die rechtsstaatlichen Kriterien nicht genügen, Folter und Misshandlungen in Polizeigewahrsam, überbelegte Haftanstalten und schlechte Haftbedingungen. Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Polizei und Staatsschutz (National Security Services) sind formal getrennt, unterstehen jedoch gemeinsam dem Innenministerium (AA 15.12.2016).
Mit dem Verfassungsreferendum im Januar 2014, der Wahl Abdel Fattah Al-Sisis zum Staatspräsidenten im Mai 2014 und den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im November und Dezember 2015 hat Ägypten formal seinen "Fahrplan zur Demokratie" abgeschlossen. Die Verfassung vom Januar 2014 enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird gewährt. Jedoch können einzelne Grundrechte durch einfache Gesetze wieder eingeschränkt werden; in der Verfassungswirklichkeit ist die Geltung und Geltendmachung der Grundrechte eingeschränkt. Im November und Dezember 2015 fanden die Wahlen zum Parlament statt. Die Verfassung von 2014 sieht ein Parlament mit nur einer Kammer (Abgeordnetenhaus oder Maglis El-Nuab) vor. Das bisherige Oberhaus des Parlamentes (Schurarat) wurde dagegen abgeschafft. Das ägyptische Wahlrecht sah für die politischen Parteien hohe administrative Hürden vor, sodass die Mehrheit der 596 Abgeordneten als unabhängige Einzelkandidaten gewählt wurde. Daneben zogen 120 Abgeordnete über die Wahlliste "In Liebe zu Ägypten" in das Parlament ein, die sich die Unterstützung von Staatspräsident Al-Sisi auf die Fahnen geschrieben hatte. 28 Abgeordnete wurden nicht gewählt, sondern vom Staatspräsidenten bestimmt. Als stärkste politische Partei sind die "Freien Ägypter" mit 65 Abgeordneten im Parlament vertreten, vor der "Zukunft der Nation" und der traditionellen Wafd-Partei. Die salafistische Nour-Partei hat als einzige islamistische Partei 11 Abgeordnete. Die Sozialdemokratische Partei ist mit vier Abgeordneten vertreten.
Arbeitsschwerpunkte der Regierung unter Premierminister Sherif Ismael bleiben Stabilitätserhalt und Wirtschaftsförderung. Mit der "Egypt Vision 2030" legte die ägyptische Regierung einen ambitionierten Entwicklungsplan vor, der thematisch sämtliche Bereiche umspannt und sich an den internationalen Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) orientiert. Das Jahr 2017 wurde von Staatspräsident Al-Sisi zum ägyptischen "Jahr der Frau" erklärt, nachdem 2016 offiziell als "Jahr der Jugend" deklariert wurde (AA 2.2017a).
Quellen:
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AA – Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
Sicherheitslage
Die Armee ging 2016 weiterhin mit gepanzerten Fahrzeugen, Artillerie und Luftangriffen gegen bewaffnete Gruppen im Norden der Sinai-Halbinsel vor. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden bei jedem Einsatz zahlreiche "Terroristen" getötet. Für einen Großteil des Gebietes galt weiterhin der Ausnahmezustand. Unabhängige Menschenrechtsbeobachter und Journalisten hatten faktisch keinen Zugang. Bewaffnete Gruppen verübten mehrfach tödliche Anschläge auf Sicherheitskräfte sowie auf Regierungsbedienstete, Justizpersonal und andere Zivilpersonen. Die meisten Angriffe gab es im Norden des Sinai, aber auch aus anderen Landesteilen wurden Bombenanschläge und Schießereien bewaffneter Gruppen gemeldet. Zu vielen Anschlägen bekannte sich ein Ableger der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat (IS), der sich "Provinz Sinai" nennt. Die bewaffnete Gruppe gab an, sie habe im Laufe des Jahres 2016 mehrere Männer hingerichtet, weil diese für die Sicherheitskräfte spioniert hätten (AI 22.02.2017).
Am 18. April 2017 kam es zu einem Anschlag auf einen Kontrollposten in unmittelbarer Nähe des Katharinenklosters im Süden der Sinai-Halbinsel, bei dem ein Polizist getötet und weitere Personen verletzt wurden. Am Palmsonntag, den 9. April 2017, wurden zwei Anschläge auf christlich-koptische Kirchen in der Stadt Tanta, ca. 80 km nördlich von Kairo entfernt, und in Alexandria verübt. Es sind zahlreiche Tote und Verletzte zu beklagen. Bereits am 11. Dezember 2016 fielen Teilnehmer an einem Gottesdienst in der koptischen Kirche "Peter und Paul" in Kairo einem Attentat zum Opfer. Damit wurden im zeitlichen Zusammenhang mit hohen christlichen Feiertagen wiederholt koptische Kirchen zu Anschlagszielen (AA 02.05..2017)
Quellen:
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AI – Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
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AA - Auswärtiges Amt (02.05.2017): Ägypten – Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00SiHi/Nodes/AegyptenSicherheit_node.html, Zugriff 02.05.2017
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die justizielle Kontrolle des Einsatzes von Sicherheitsbehörden unterliegt faktischen und rechtlichen Grenzen. Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 15.12.2016).
In den meisten Fällen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen leiteten die Behörden keine wirksamen Untersuchungen ein. Dies betraf Folter und andere Misshandlungen, Verschwindenlassen, Todesfälle in Gewahrsam und die weitverbreitete Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt durch Sicherheitskräfte seit 2011. Die Täter wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Die Staatsanwaltschaft weigerte sich regelmäßig, von Gefangenen erhobene Vorwürfe, sie seien gefoltert und anderweitig misshandelt worden, zu untersuchen und ignorierte Hinweise darauf, dass Sicherheitskräfte in Fällen von Verschwindenlassen das Datum der Festnahme gefälscht hatten (AI 22.02.2017).
Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für die Beratung, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 03.03.2017).
Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 9.2016a).
Quellen:
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AA – Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
-
AI – Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2016a): Liportal, Ägypten – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 02.05.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Ausländische Finanzierung ("Foreign Funding") von NGOs wird mit empfindlichen Geldstrafen belegt (AA 15.12.2016).
Das Parlament und die Behörden haben beispiellose Schritte unternommen, um die unabhängige Menschenrechtsarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu beschränken und ihre Existenz zu bedrohen (HRW 12.01.2017).
Die Regierung setzte ihre unkooperative Haltung gegenüber internationalen und lokalen Menschenrechtsorganisationen fort. Der "National Council on Human Rights" (NCHR) überwachte den staatlichen Missbrauch von Menschenrechten und übermittelte Bürgerbeschwerden der Regierung. Eine Reihe von namhaften Menschenrechtsaktivisten ist im Vorstand der Organisation, obwohl einige Beobachter behaupteten, dass die Wirksamkeit des Vorstands manchmal begrenzt sei, weil es an ausreichenden Mitteln fehlte und die Regierung selten auf ihre Erkenntnisse einging (USDOS 03.03.2017).
Menschenrechtsorganisationen sind in Ägypten derzeit in bisher ungekanntem Ausmaß Ziel von Repressionen wie Kontosperrungen, Ausreiseverboten und Ermittlungen geworden. Ein 2015 beschlossenes Antiterrorgesetz stellt unter anderem "schädliche Handlungen gegen das nationale Interesse oder zur Destabilisierung des allgemeinen Friedens, der Unabhängigkeit oder der Einheit Ägyptens" unter hohe Strafen bis hin zu lebenslänglicher Haft. Ein restriktives Gesetz, zu dem derzeit eine Novelle erarbeitet wird, erschwert in- und ausländischen Nichtregierungsorganisationen die Arbeit. (AA 02.2017a).
Quellen:
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AA – Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Allgemeine Menschenrechtslage
Die im Januar 2014 angenommene Verfassung enthält einen im Vergleich zu früheren Verfassungen erweiterten Grundrechtskatalog, der sowohl bürgerlich-politische wie auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte umfasst. Viele dieser Grundrechte stehen jedoch unter einem einfachen Gesetzesvorbehalt. Ägypten hat den Kernbestand internationaler Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert, so etwa den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche und soziale Rechte, die Konvention zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, die UN-Folterkonvention und die UN-Behindertenrechtskonvention von 2008. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 15.12.2016).
Die Behörden gingen 2016 mit willkürlichen Massenfestnahmen gegen Demonstrationen und Kritik an der Regierung vor. Sie inhaftierten Journalisten, Menschenrechtsverteidiger und Protestierende und beschnitten die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen. Hunderte Gefangene, die sich in Gewahrsam des nationalen Geheimdienstes befanden, wurden Opfer des Verschwindenlassens. Angehörige des nationalen Geheimdienstes und andere Sicherheitskräfte folterten und misshandelten Häftlinge. Sicherheitskräfte setzten bei regulären Polizeieinsätzen unverhältnismäßige tödliche Gewalt ein, in einigen Fällen könnte es sich dabei um außergerichtliche Hinrichtungen gehandelt haben. Es gab weiterhin grob unfaire Massenprozesse vor Zivil- und Militärgerichten. Die Behörden leiteten weder angemessene Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen ein, noch zogen sie die Täter zur Verantwortung. Frauen wurden weiterhin Opfer von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die Regierung unterdrückte nach wie vor religiöse Minderheiten und verfolgte Personen wegen "Diffamierung der Religion". Die Behörden nahmen Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Orientierung fest und stellten sie wegen "Ausschweifung" vor Gericht. Tausende Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten, die das Mittelmeer überqueren wollten, wurden festgenommen. Gerichte verhängten nach wie vor Todesurteile, und es wurden Hinrichtungen vollstreckt (AI 22.02.2017).
Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme waren ein übermäßiger Einsatz von Gewalt durch Sicherheitskräfte, Defizite in ordentlichen Gerichtsverfahren und die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten. Übermäßiger Einsatz von Gewalt umfasste rechtswidrige Tötungen und Folter. Zu den prozessbedingten Problemen gehörten die übermäßige Verwendung von präventiver Haft und Untersuchungshaft. Die Probleme bei den bürgerlichen Freiheiten beinhalten gesellschaftliche und staatliche Beschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Andere Menschenrechtsprobleme beinhalteten das Verschwindenlassen, harte Gefängnisbedingungen, willkürliche Verhaftungen, eine Justiz, die in einigen Fällen zu Ergebnissen kam, die nicht durch öffentlich zugängliche Beweise gestützt wurden oder die politische Motivationen zu reflektieren schienen, Straflosigkeit für Sicherheitskräfte, Begrenzung der Religionsfreiheit, Korruption, Gewalt, Belästigung und gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen und Mädchen, einschließlich weiblicher Genitalverstümmelung, Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, Menschenhandel, gesellschaftliche Diskriminierung religiöser Minderheiten, Diskriminierung und Verhaftungen auf der Grundlage sexueller Orientierung (USDOS 03.03.2017).
Die Lage der Menschenrechte ist besorgniserregend.
Menschenrechtsorganisationen berichten von Folter in Haftanstalten und auf Polizeistationen sowie von überlangen Haftzeiten unter widrigen Bedingungen ohne Anklage. Das Phänomen des Erzwungenen Verschwindenlassens nimmt in seinem Ausmaß weiter zu. Zudem können Zivilisten weiterhin für Straftaten gegen Einrichtungen der Streitkräfte der Militärgerichtsbarkeit unterstellt werden (AA 02.2017a).
Obwohl Ägypten alle wichtigen internationalen Menschenrechtskonventionen unterzeichnete und Personen- und Freiheitsrechte in der Verfassung geschützt sind, wurde und wird das Land regelmäßig wegen Menschenrechtsverletzungen stark kritisiert. Internationale Menschenrechtsorganisationen sowie viele der über 30 ägyptischen Menschenrechtsorganisationen veröffentlichen regelmäßig englisch- und arabischsprachige Berichte zur Menschenrechtslage in Ägypten, darunter die Egyptian Organization for Human Rights EOHR, das Nadim Zentrum für Gewaltopfer, die Egyptian Initiative for Personal Rights EIPR und das Budgetary and Human Rights Observatory (GIZ 09.2016a).
Quellen:
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AA – Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
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AI – Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (09.2016a): Liportal, Ägypten – Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 02.05.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Religionsfreiheit
Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt. Die Verfassung von 2014 erhebt den Islam zur Staatsreligion und bestimmt die Scharia zur Hauptquelle der Verfassung. Die Grenze zwischen Staat und sunnitischer Mehrheitsreligion ist nicht klar geregelt. Die Verfassung garantiert lediglich Glaubensfreiheit uneingeschränkt. Die Freiheit des Kultes und das damit verbundene Recht zum Bau von Gotteshäusern bleiben den Offenbarungsreligionen (Muslime, Christen, Juden) vorbehalten. Durch die Beschränkung der Glaubensfreiheit auf einzelne Religionen wird eine Unterscheidung zwischen "anerkannten" und "nicht-anerkannten" Religionen getroffen, die zu zahlreichen Formen der Diskriminierung im Alltag führt. Darunter leiden Angehörige kleinerer Glaubensgemeinschaften. So werden die 150.000 – 200.000 in Ägypten lebenden Schiiten nicht als gleichwertige Religionsgemeinschaft anerkannt. Gleiches gilt für die etwa 2.000 Bahai, die ebenfalls keine staatliche Anerkennung genießen. 2015 wurden einzelne christliche Kirchen angegriffen und Eigentum von Kopten zerstört. Besonders in Oberägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, deren Ursache häufig in Streitigkeiten auf lokaler Ebene liegen. Traditionelle Vorstellungen von (Blut-)Rache und (kollektiver) Vergeltung sind in den ländlichen Gebieten Oberägyptens nach wie vor vorherrschend. Traditionelle Streitschlichtungsmechanismen spielen auch aufgrund der Abwesenheit funktionierender staatlicher Institutionen eine große Rolle. Dabei kommt es regelmäßig zu strukturellen Benachteiligungen der Christen. Im Mai 2016 flammte die Gewalt gegen Christen wieder neu auf, was zu einer öffentlichen Debatte über das Thema und zur Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes über den Kirchenbau führte. Am 11. Dezember 2016 kam es in Kairo zu einem schweren Anschlag auf die koptische Kirche Peter und Paul. Dabei wurden 26 Menschen getötet und 49 zum Teil schwer verletzt. Staatspräsident Al-Sisi gab einen Tag nach dem Anschlag öffentlich bekannt, dass die Hintergründe aufgeklärt seien, und der Täter der Muslimbruderschaft zugeordnet werden könne. Dem gegenüber steht ein Selbstbekenntnis des "IS Misr". Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen. Der Eintrag der Religionszugehörigkeit in Personaldokumenten bleibt auch für andere religiöse Minderheiten ein Einfallstor für Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Seit März 2009 ist es beispielsweise den Bahais erlaubt, nationale Ausweise und Pässe zu haben, in denen das Feld "Religion" offen bleibt, was jedoch zu vielfältigen Problemen im Alltag führt. Auch die Organisation innerhalb der sunnitischen Glaubensgemeinschaft mit dem Ministerium für religiöse Stiftungen an der Spitze und weitgehenden Durchgriffsrechten steht einer umfassenden Glaubensfreiheit im Weg. Um in den offiziellen Moscheen predigen zu können, müssen die Imame an der al-Azhar Universität ausgebildet worden sein. Das Ministerium gibt zudem die Themen und Schwerpunkte der Freitagspredigten vor. Das ägyptische Strafrecht sieht den Straftatbestand der Blasphemie und dafür bis zu fünf Jahre Haft vor. Es werden zum Teil lange Gefängnisstrafen wegen des Blasphemievorwurfs verhängt. Zudem wird in interreligiösen Auseinandersetzungen häufig der Vorwurf der Blasphemie gegen Angehörige religiöser Minderheiten vorgebracht, um diese unter Druck zu setzen und Gewalt gegen sie zu legitimieren. Christen und Angehörige anderer religiöser Minderheiten sind, vor allem in ländlichen Gebieten, immer wieder Gewaltakten und Einschüchterungen aus den Reihen der muslimischen Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt, wobei ein genügender Schutz durch die Sicherheitsbehörden nicht gewährleistet ist (AA 15.12.2016).
Religiöse Minderheiten wie koptische Christen, Schiiten und Baha'i wurden weiterhin durch Gesetze diskriminiert und bei der Ausübung ihrer Religion eingeschränkt. Außerdem waren sie nicht ausreichend gegen Gewalt geschützt (AI 22.02.2017).
Im August verabschiedete das Parlament ein lang erwartetes Gesetz betreffend Beschränkungen über den Bau und die Sanierung von Kirchen (HRW 12.01.2017).
Kein Angehöriger einer religiöser Minderheiten gehörte zu den ernannten Gouverneuren der 27 Regierungsbezirke (USDOS 03.03.2017).
Die Religionsfreiheit bleibt eingeschränkt. Die Verfassung garantiert lediglich die Glaubensfreiheit uneingeschränkt. Die Freiheit des Kultes und das damit verbundene Recht zum Bau von Gotteshäusern bleiben den Offenbarungsreligionen (Muslime, Christen, Juden) vorbehalten. Im August 2016 wurde ein lange erwartetes Gesetz über den Kirchenbau verabschiedet, das dem Bau von Kirchen allerdings nach wie vor administrative Hürden in den Weg legt (AA 02.2017a).
90% aller Ägypter sind Muslime, fast alle von ihnen Sunniten. Sie folgen der hanafitischen Rechtstradition, die als die liberalste der vier heute verbreiteten islamischen Rechtsschulen gilt. Ca. 9% gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und ca. 1% gehören anderen christlichen Konfessionen an. Das Religionsverständnis hat sich in den letzten Jahren jedoch je nach sozialer Gruppe in unterschiedlicher Form gewandelt. Mit dem Aufstieg des politischen Islam wurde in manchen Schichten eine engere und stärker auf äußere Formen orientierte Auslegung und Praktizierung der islamischen Religion populär (GIZ 03.2017b).
Quellen:
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AA – Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017
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AA - Auswärtiges Amt (02.2017a): Ägypten – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Innenpolitik_node.html, Zugriff 27.04.2017
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AI – Amnesty International (22.02.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/336475/479129_de.html, Zugriff 26.04.2017
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (03.2017b): Liportal, Ägypten – Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/#c89356, Zugriff 02.05.2017
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HRW - Human Rights Watch (12.01.2017): World Report 2017 – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/334703/476536_de.html, Zugriff 26.04.2017
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USDOS - US Department of State (03.03.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Egypt, http://www.ecoi.net/local_link/337183/479946_de.html, Zugriff 27.04.2017
Ethnische Minderheiten
Nach offiziellem Verständnis gibt es in Ägypten keine ethnischen Minderheiten. Dennoch sehen sich vor allem Nubier und Beduinen vielfacher Diskriminierung ausgesetzt und klagen seit Jahren über strukturelle Benachteiligungen. Auf dem Sinai hat der Einsatz der Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terrorismus vielfach dazu beigetragen, die Spannungen zwischen Beduinen und den staatlichen Institutionen zu verschärfen. Rassismus ist gesellschaftlich tief verwurzelt. Staatliche Repressionen, vor allem gegenüber Personen aus Sub-Sahara Afrika, werden öffentlich ignoriert, wenn nicht gebilligt (AA 15.12.2016).
Das Gesetz verbietet Diskriminierung aus irgendwelchen Gründen. Trotzdem waren dunkelhäutige Ägypter und Sub-Sahara-Afrikaner mit Diskriminierung und Belästigung konfrontiert. Insbesondere Nubier aus Oberägypten erlebten aufgrund ihrer Hautfarbe eine Diskriminierung, oder weil die Öffentlichkeit sie als afrikanische Migranten und Flüchtlinge aus der Sahara empfand (USDOS 03.03.2017).
Quellen: