TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/20 L512 2148080-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2017
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Entscheidungsdatum

20.10.2017

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L512 2148080-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 30.01.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.06.2017, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), stellte nach illegaler Einreise am 18.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 19.05.2015 Folgendes vor: Er sei ledig, gehöre der islamischen/schiitischen Religionsgemeinschaft und der Volksgruppe der Paschtunen an und habe 12 Jahre die Grundschule in seinem Heimatort besucht. Er habe zuletzt als Taxifahrer gearbeitet. Er habe Pakistan illegal verlassen.

Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, dass er aus Angst vor den Taliban geflüchtet sei. Diese würden in der gesamten Region des BF Unruhe stiften. Es herrsche dort Krieg und ständig würde es Kämpfe geben. Man könne sich nicht frei bewegen. Die Taliban würden das Leben erschweren, die Schiiten unterdrücken und diesen den Schulbesuch untersagen. Weiters würden die Taliban die Schiiten zwingen die Madrasa zu besuchen [Aktenseite (AS) 1 ff.].

Vor Organwaltern des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge kurz "BFA") brachte der BF am 18.11.2016 im Wesentlichen Folgendes vor:

Zum Ausreisegrund gab der BF an, seine Mutter sei krank gewesen. Deshalb hätte diese im Dezember 2010 nach XXXX transportiert werden sollen. Der BF sei deshalb mit seiner Mutter und sechs weiteren Personen aus XXXX dort hingefahren. Auf dem Weg dorthin seien die Straßen gesperrt gewesen. Die Taliban hätten Kontrollstützpunkte aufgebaut. Sie wären von Raketen getroffen worden. Dabei wären alle außer der BF, auch die Mutter des BF, verstorben. Der BF sei durch Splitter verletzt worden. Die pakistanische Armee sei 15 Minuten nach dem Angriff eingetroffen. Die Armeeangehörigen hätten den BF verhört. Der BF hätte ihnen gezeigt, wohin die Taliban geflüchtet wären. Am nächsten Tag habe die Armee eine große Operation in der Region durchgeführt. Der BF sei von der Armee ins Spital gebracht worden und sei 15 Tage lang behandelt worden. Nach seiner Entlassung sei der BF ins College nach XXXX gefahren. Er sei erst im Jahr 2013 wieder mit seinem Bruder, der bei der Armee arbeite, in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Aufgrund der Armeeoperation am Tag nach dem Angriff hätten die Taliban gemeint, dass der BF diese verraten habe. Deshalb habe sich der BF unsicher gefühlt und habe sich deshalb in XXXX und XXXX aufgehalten (AS 71 ff.).

I.2. Der gegenständliche Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV).

I.2.1. Die belangte Behörde stellte fest, dass die Angaben des BF in Bezug auf einen Vorfall im Jahr 2010 nicht mit den Ausführungen des BF zu seinem Werdegang, seiner Ausbildung und Berufsleben in Einklang gebracht werden können. Der BF habe vor dem BFA angeführt, dass er von 2000-2010 die Grundschule in seinem Heimatdorf besucht habe und anschließend bis 2012 nach XXXX in ein College gegangen sei. Nach dem College sei er ohne Arbeit zu Hause geblieben. Andererseits habe der BF angegeben, dass er die letzten 3 Jahre ohne Führerschein mit dem eigenen Auto Taxi gefahren sei. Der BF habe Unterlagen zum Beweis seines Collegebesuches vorgelegt. Eine Studentenkarte gültig bis Juli 2011 und eine Kursbestätigung (Kurs vom 05.10.2012-05.03.2013). Laut diesen Unterlagen sei der BF bis 30.06.2011 an einem College in XXXX gewesen und für einen Englischkurs vom 05.10.2012-05.03.2013. Ob der BF zwischen 01.07.2012 bis 05.10.2012 in seinem Heimatort Taxi fuhr oder sich in XXXX befand, dies erwähnte der BF ebenfalls vor dem BFA, sei irrelevant. Der BF habe sich auf jeden Fall unbehelligt in seiner Heimat bewegen können. Zum Vorfall die Mutter des BF betreffend sei festzustellen, dass die diesbezügliche Schilderung des BF vage und unglaubhaft war. Die Mutter des BF sei laut den Angaben des BF an Krebs erkrankt. Laut Angaben des BF im Zuge der Erstbefragung sei seine Mutter im Jahr 2007 verstorben. Vor dem BFA revidierte der BF diese Angaben und führte aus, seine Mutter sei im Jahr 2010 verstorben. Auf die Frage, woran sie verstorben sei, gab der BF an, sie habe Krebs gehabt. Erst im Rahmen der Fluchtgrundschilderung habe der BF ausgeführt, dass sie im Zuge eines Angriffes durch die Taliban verstorben sei. Soweit der BF in diesem Zusammenhang eine Krankenhausbestätigung vorlegte, sei zu bedenken, dass diese kein Ausstellungsdatum habe, und offensichtlich eingescannt wurde. Aufgrund der Tatsache, dass der BF dieses Beweismittel nicht im Original vorlegte, fehle diesem Schriftstück jegliche Beweiskraft. Dies gelte auch für das handgeschriebene Schriftstück in Urdu, welches der BF vorlegte. Zudem sei der pakistanische Staat bei derartigen Vorfällen schutzwillig und schutzfähig (AS 195 ff.)

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des nach § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

I.2.4. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 06.02.2017 (AS 239).

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben (AS 241 ff.).

I.3.1. Der BF stellte die Anträge,

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den angefochtenen Bescheid zu beheben und dem BF Asyl zu gewähren;

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in eventu für den Fall der Abweisung des oa. Beschwerdeantrages festzustellen, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuzuerkennen sei und den Spruchpunkt III zu beheben;

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in eventu dem BF den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" von Amts wegen zu erteilen;

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in eventu festzustellen, dass die erlassene Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gemäß § 55 Abs 1 AsylG vorliegen und dem BF daher gemäß § 58 Absatz 2 AsylG eine Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen sei;

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in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen;

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eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

I.3.2. Begründend wurde dargelegt, dass die belangte Behörde eine individuelle, nachvollziehbare und schlüssige Würdigung des Vorbringens nicht vorgenommen habe. Das Ermittlungsverfahren sei unzureichend und mangelhaft gewesen. Der BF gab erneut seinen Fluchtgrund wieder.

I.4. Für den 01.06.2017 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.

I.4.1. Mit Schreiben vom 27.04.2017 wurde dem BF eine Aufforderung zur Mitwirkung im Beschwerdeverfahren und zur Vorlage von Dokumenten und Beweismitteln übermittelt. Den Verfahrensparteien wurden zudem mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls vom 27.04.2017 aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

I.5. Mit Schreiben vom 03.05.2017 teilte die belangte Behörde mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Ungeachtet dessen wurde aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung gegenständlicher Beschwerde beantragt und um Übersendung des aufgenommenen Verhandlungsprotokolls ersucht.

I.6. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung machte der BF Ausführungen zu der im bisherigen Verfahren zugrunde gelegten Identität und führte aus, dass er verhandlungsfähig sei. Zum Gesundheitszustand befragt führte der BF an, dass er gesund sei. Der BF hatte zudem die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen[Ordnungszahl (OZ) 17].

I.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Beim BF handelt es sich um einen männlichen, pakistanischen Staatsbürger, welcher aus einem Dorf in der Nähe von XXXX , FATA stammt, die Sprachen Paschtu, Punjabi, Urdu, Farsi und Englisch spricht und 10 Jahre die Grundschule bzw. 2 Jahre lang ein College besucht hat. Er ist volljährig, ledig, gehört der Volksgruppe der Paschtunen und dem schiitischen Glauben an.

Der BF ist Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mensch. Er verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Familienangehörige des BF – die Brüder sowie die Schwester des BF sowie weitere Verwandten des BF, wie Onkel und Tante leben nach wie vor im Herkunftsstaat des BF. Vor seiner Ausreise arbeitet der BF als Taxifahrer. Die Familie besitzt ein eigenes Haus mit Garten.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF verfügt in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt deckenden Mittel. Er lebt von der Grundversorgung. Der BF geht keiner Arbeit nach. Der BF hat sich als ehrenamtlicher Mitarbeiter bei einem Sozialmarkt beworben. Der BF hat mehrere Deutschkurse sowie anderweitige Kurse, wie einen Schwimmkurs, besucht. Der BF ist kein Mitglied in einem Verein. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Identität des BF steht nicht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province/NWFP) sowie den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12.2016a).

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2016 auf knapp unter 202 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 12.1.2017).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die durch die Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 12.2016a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 12.2016a).

Bei den Parlamentswahlen vom 11.5.2013 wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 – 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, XXXX und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament (AA 12.2016a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 12.2016a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen war überraschend hoch (NZZ 11.5.2013). Die TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Anschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Vorwahlzeit und der Wahlen verübten terroristische Gruppen mehr als 150 Anschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 12.2016a).

Ministerpräsident Nawaz Sharif erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Die Regierung setzt ihren vorsichtigen Reformkurs fort (AA 12.2016a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 18.3.2017

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

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CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.13.2017.

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Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, https://www.dawn.com/news/1215703, Zugriff 29.10.2015

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IDMC/NRC - Internal Displacement Monitoring/Norwegian Refugee Council (5.2016): GRID 2016 Global Report on Internal Displacement, http://www.internal-displacement.org/globalreport2016/pdf/2016-global-report-internal-displacement-IDMC.pdf, Zugriff 28.11.2016.

-

IRIN (3.4.2014): Analysis: How effective is Pakistan’s disaster authority?,

http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-pakistan-s-disaster-authority, Zugriff 18.3.2017

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (11.5.2013): Hohe Wahlbeteiligung in Pakistan Anschläge fordern mindestens 24 Todesopfer, http://www.nzz.ch/aktuell/international/anschlaege-islamistischer-extremisten-auf-wahllokale-fordern-mindestens-16-todesopfer-1.18079638, Zugriff 18.3.2017

-

UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.1.2016): Humanitarian Bulletin Pakistan Issue 37, December 2015 - January 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/humanitarian_bulletin_dec_jan_2016.pdf, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.4.2016): Flash Update: #1 Afghanistan-Pakistan Earthquake, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_afg_pak_earthquake_20160410_1_0.pdf, Zugriff 18.3.2017

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UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.7.2016): Flash Update: #2 Pakistan Rains, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_2_pak_rains_20160704.pdf, Zugriff 18.3.2017

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DZ - Die Zeit (11.5.2013): Anschläge überschatten Wahlauftakt in Pakistan,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/pakistan-parlamentswahl-anschlagk, Zugriff 18.3.2017

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, XXXX und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 12.2016a). Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage quer durchs Land in den letzten drei Jahren verbessert (PIPS 1.2017).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 30.5.2016). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 12.2016a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen. Am 15.4.2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 12.2016a). Die Operation bezog auch benachbarte Regionen der FATA mit ein und hatte das Ziel aufständische Gruppen und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete herzustellen (AA 30.5.2016). Ein erheblicher Teil der Rebellen und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 12.2016a).

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 30.5.2016). Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6.2013; vgl. BFA 10.2014). Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

Im Nachfeld des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 12.2016a).

2015 wurden weiterhin signifikante Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nordwasiristan durchgeführt um "sichere Häfen" für Terroristen zu zerstören und Waffenarsenale auszuheben. Operationen von paramilitärischen und zivilen Sicherheitskräften umfassten unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus in urbanen Gebieten und Razzien um Terrorismuspläne zu vereiteln. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten Operationen in Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Punjab durch. Große Waffen- und Sprengstoffarsenale wurden ausgehoben und ausgefeilte Telekommunikationsnetzwerke entdeckt. Terroristen wurden verhaftet und Strafverfahren eingeleitet (USDOS 2.6.2016).

Die ausgefeilten rechtlichen Maßnahmen, welche der Fair Trial Act von 2012 und das NACTA den Nachrichtendiensten und Rechtsdurchsetzungsorganen bieten, waren allerdings erst im Prozess der Implementierung. Die verbesserte Gesetzgebung wird bereits angewendet. Das Justizsystem ist allerdings langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, wie auch anderer Kriminalfälle (USDOS 2.6.2016).

Die verschiedenen terroristischen Gruppierungen führten 2015 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan durch, 48 Prozent weniger als im Jahr davor. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 Prozent weniger als 2014, 1443 wurden verletzt, 54 Prozent weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angerhörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Militante. 266 der Terrorakte (über 42 Prozent) zielten ausschließlich auf die Sicherheitskräfte oder die Rechtsdurchsetzungsbehörden, 92 der Attacken richteten sich gegen Zivilisten (15 Prozent), 41 Attacken gegen politische Akteure, 39 gegen Stammesältere, die sich in lokalen Friedenskomitees engagierten. 63 Attacken waren sektiererisch motiviert. Die Zahl der Todesopfer in sektiererischen Terrorakten stieg um 7 Prozent von 255 auf 272. Die Zahl aller sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle sank im Jahr 2015 um 48 Prozent von 2.099 im Jahr 2014 auf 1.097 im Jahr 2015, die Zahl der Todesopfer dabei von 5.308 im Jahr 2014 auf 3.503 für 2015 (PIPS 3.1.2016).

Die Situation verbesserte sich weiterhin im Jahr 2016. Dies lässt sich Großteils auf die extensiven Operationen gegen Militante durch die Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden zurückführen - von den Militäroperationen in der FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Eingriffen in XXXX , den Razzien des Frontier Corps in Belutschistan und den Anti-Terrorismus Operationen der Polizeigeheimdienste in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 1.2017).

Durch die langsame Umsetzung des Nationalen Aktionsplans kann dieser die erreichten Ziele allerdings nicht ergänzen. Außerdem fehlt die Umsetzung der im Plan vorgesehenen "soft"-Komponenten der Terrorismusbekämpfung, der Einsatz von Gewalt und Abschreckung alleine kann die Wurzeln nicht bekämpfen. Die Terrororganisationen zeigen, dass sie ihre durch die Sicherheitskräfte verursachten Verluste durch Re-Gruppierungen oder Neugründungen überwinden können. Die Präsenz von Unterstützern und Verbündeten des der Terrorgruppe Islamischer Staat (Abk. IS; auch: Islamischer Staat in Irak und Syrien, Abk. ISIS) ist eine große Herausforderung für den Staat. Sie verstehen es auch den Nexus innerhalb der Pakistanischen Terrorgruppen zu nutzen und unter deren Mitgliedern zu rekrutieren (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um 28 Prozent auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 Prozent bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 Prozent bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge dieses Jahr gelingen konnten. Die Todesopfer unterteilen sich in 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzungbehörden und 61 Militante (PIPS 1.2017).

48 Prozent der Anschläge zielten auf Personal und Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Ungefähr 20 Prozent der Anschläge im Jahr 2016 zielten auf Zivilisten, ungefähr 6 Prozent auf Stammesmitglieder oder Freiwillige, die sich in Anti-Terror Friedenskomitees engagierten, hauptsächlich in FATA und Khyber Pakhtunkhwa. Ungefähr 8 Prozent der Anschläge waren sektiererisch motiviert (Sunni-Shia), ungefähr 7 Prozent zielten gegen zivile staatliche Infrastruktur und Regierungsvertreter. 20 Anschläge richteten sich gegen politische Führer und politisch tätige, 5 Anschläge gegen religiöse Minderheiten, davon 2 gegen Christen, 2 gegen Hindus und eine gegen Ahmadis (PIPS 1.2017).

Ungefähr 50 Prozent (218) aller Anschläge waren gezielte Tötungen einzelner Personen. Die pakistanischen Taliban, hauptsächlich die Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und lokale mit ihr in Verbindung stehende Taliban-Gruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen, wie die Jamaatul Ahrar oder Lashkar-e-Islam oder IS Unterstützer führten mehr als 62 Prozent aller Anschläge durch, denen 640 Menschenleben zum Opfer fielen. Belutschische nationalistische Gruppierungen führten 127 Anschläge durch, Sindhi Nationalisten 7, zusammen forderten diese nationalistischen Anschläge 164 Todesopfer. 34 Anschläge wurden durch sektiererische Sunni oder Shia Gruppen durchgeführt mit 104 Todesopfern (PIPS 1.2017).

Insgesamt gab es im Jahr 2016 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 749 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt, darunter 95 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 105 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 74 Auseinandersetzungen an der Grenze mit Indien, Afghanistan und Iran und 12 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt. Insgesamt wurden 1.887 Personen bei diesen Vorfällen getötet. Die Zahl der Vorfälle sank damit im Vergleich zu 2015 um 32 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 46 Prozent (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2016 wurden 95 operative Schläge und Razzien durchgeführt in 35 Distrikten oder Regionen Pakistans, 38 davon in Belutschistan, 24 in der FATA, hauptsächlich in Khyber und Nord Waziristan, 15 in XXXX , 13 im Punjab und 5 in Khyber Pakhtunkhwa. 492 Menschen wurden dabei getötet, davon 481 Militante. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015 143 Sicherheitsoperationen durchgeführt in 31 Distrikten mit

1.545 Todesopfern (PIPS 1.2017)

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016). So ist auf föderaler Ebene die institutionelle Struktur einer Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen den Terrorismus bekämpfenden Behörden nicht förderlich. Einige Provinzen zeigen vermehrt Anstrengungen bei der Ausbildung, Ausstattung und Informationsaustausch um Terroristen aufzuspüren, aber in der Strafverfolgung von Terrorismusverdächtigen besteht noch Verbesserungsbedarf, bei anderen Provinzen ist es umgekehrt (USDOS 2.6.2016).

Die Regierung unterhält einige De-Radikalisierungszentren in verschiedenen Teilen des Landes. Diese bieten eine korrigierende religiöse Bildung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie an (USDOS 2.6.2016). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 2.6.2016).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte Fortschritte in Pakistan in der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Pakistans Kriminalisierung von Terrorismusfinanzierung entspricht nun internationalen Standards. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch gelingt es solchen Organisationen in Pakistan ökonomische Ressourcen einzusetzen und Spenden zu lukrieren (USDOS 2.6.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

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AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.3.2017

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BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

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BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016

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Pakistan Security Report. Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 25.11.2016

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USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Pakistan, https://www.state.gov/j/ct/rls/crt/2015/257518.htm, Zugriff 12.11.2016

Regionale Verteilung der Gewalt

Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge mit den meisten Opfern liegt in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (AA 20.3.2017) sowie in der Wirtschaftsmetropole Karachi (AA 30.5.2016). Laut einem lokalen Experten in Pakistan, ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans, gefolgt von Sindh (allerdings sind Teile von Karachi durchaus unsicher). An dritter Stelle liegt Khyber Pakhtunkhwa. Die unsichersten Gegenden sind Belutschistan und FATA (BFA 9.2015).

Wie auch im Jahr 2014 wurde die höchste Zahl an Terroranschlägen in Pakistan im Jahr 2015 aus Belutschistan gemeldet. In 218 Anschlägen wurden 257 Menschen getötet und 329 verletzt. Am meisten Todesopfer allerdings verzeichneten die FATA mit 268 in 149 Anschlägen, worunter allerdings auch 70 Angreifer fallen. In der Provinz Sindh forderten 102 Terroranschläge insgesamt 251 Todesopfer in , davon allein in Karachi 150 Tote in 85 Anschlägen und 101 Tote in 17 Anschlägen im inneren Sindh. Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen. Islamabad war von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen, Gilgit Baltistan verzeichnete 4 Anschläge ohne Todesopfer (PIPS 3.1.2016).

Im Jahr 2016 war Belutschistan wieder die Region von Pakistan mit den höchsten Anschlagszahlen - 151 Anschläge wurden durchgeführt. Sie war auch die Provinz mit den höchsten Opferzahlen, mit 412 Toten. Khyber Pakhtunkhwa war am zweitstärksten von Anschlägen betroffen, 127 Anschläge töteten hier 189 Menschen. Gefolgt wurden diese von der FATA mit 99 Anschlägen und 163 Toten. Sindh war von 54 Anschlägen mit 63 Toten betroffen, allerdings entfielen davon 47 Anschläge mit 60 Toten allein auf XXXX . Im Sindh – XXXX ausgenommen – gingen die Todeszahlen in Bezug zu Terrorismus um 97 Prozent zurück, in Islamabad um 75 Prozent, in XXXX um 60 und in der FATA um 38 Prozent. Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten (PIPS 1.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

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AA - Auswärtiges Amt Deutschland (20.3.2017): Pakistan - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung) http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/PakistanSicherh eit.html, Zugriff 20.3.2015

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BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017.

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

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PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016

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Pakistan Security Report.

Wichtige Terrorgruppen und Zwangsrekrutierungen

Das Jahr 2016 zeigte, dass die operativen Kapazitäten der Aufständischen durch die Militäroperationen weiter geschwächt wurden. Die Gruppierungen unterliegen allerdings einer konstanten Transformation. Während einige an Boden verlieren, dehnen sich andere aus. Die Gruppierungen ringen auch darum, neue Allianzen sowie Allianzen mit ausländischen Terrorgruppen zu bilden, hauptsächlich mit dem Islamic State of Iraq and Syria (ISIS) und Al-Quaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) (PIPS 1.2017).

Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte militante Gruppe in Pakistan. Sie entstand 2007 als loses Bündnis von Deobandi-Gruppen, die an der Pakistanischen Grenze zu Afghanistan operierten. Ursprüngliches Ziel war die Einsetzung der Sharia und die Bekämpfung der Koalitionskräfte in Afghanistan. Später richtete sie sich auch gegen den pakistanischen Staat. Die Anhängerschaft setzt sich hauptsächlich aus Paschtunen der Grenzregion zusammen. Die TTP finanziert sich aus Erpressung, Schmuggel, Drogenhandel und Kidnapping. Es scheint als hätte sie durch die Operation Zarb-e-Azb in Nordwaziristan stark an Boden verloren (EASO 7.2016). Obwohl die TTP mit Problemen zu kämpfen hat, bleibt sie der Hauptakteur der Instabilität im Land. Ein wichtiges Terrain der TTP ist XXXX , besonders für die Finanzierung. Hier versendet sie auch Drohbriefe an Händler/Gewerbetreibende, um Zahlungen zu erzwingen (PIPS 1.2017). Der Vertreter des PIPS erläutert bei der FFM 2013, dass die TTP nicht über eine einheitliche Struktur verfügt und auch die vorhandene Struktur nicht mehr intakt ist. Jede Gruppe hat eigene Operationen (BAA 6.2013). Die TTP wurde stark durch interne Krisen und die militärischen Operation in Nord-Waziristan und Khyber Agency geschwächt. Die internen Krisen hielten diese Organisation aber nicht davon ab, gewaltsame Anschläge durchzuführen (PIPS 4.1.2015). Die Zahl der Anschläge der TTP geht zurück, 2016 führte sie 106 Anschläge mit 193 Toten durch. Allerdings gewinnt ihre Splittergruppe Jamaatul Ahrar an Terrain. Sie ist für 66 Anschläge 2016 verantwortlich, darunter die schwersten des Jahres (PIPS 1.2017).

Neben der TTP, ihren Unter- und Splittergruppen sind auch einige kleinere militante islamistisch motivierte Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa und den FATA aktiv, als lokale Taliban beschrieben (PIPS 1.2017).

Allerdings gebrauchen auch viele kriminelle Gruppen dieses Label. Die meisten dieser Gruppen sind klein und ihre Operationen sind auf ihre Umgebung begrenzt (BAA 6.2013).

Ziel der Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist es, Pakistan in ein Sunnitisches Land zu transformieren. Sie ist in viele Gruppen zersplittert, deren Taktiken und Ziele sich von einem Gebiet zum anderen unterscheiden (SATP o.D.). Ihre Anschläge gingen im Jahr 2016 stark zurück, sie erlitt starke Verluste in der Führerschaft (PIPS 1.2017).

Allerdings gelang es der Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami Terrain zu gewinnen, die viele für einen Nachfolger der LeJ halten. Die Lashkar-e-Islam wurde sehr stark geschwächt durch die Militäroperationen in der Khyber Agency, viele ihrer Mitglieder flohen nach Afghanistan (PIPS 1.2017).

Nationalistische aufständische Gruppen sind hauptsächlich in Belutschistan aktiv, einige auch im Sindh, allerdings sind letztere eher in Sabotageakte involviert und in ihrem Operationsgebiet begrenzt. Die nationalistischen Gruppen wurden stark geschwächt durch die Sicherheitsoperationen und sind mit internen Krisen geplagt, ihre Anschläge gingen zurück. Hauptakteur nationalistischer Gewalt ist die Balochistan Liberation Army, ihre Anschläge gingen allerdings stark zurück, ihre operative Stärke sinkt. Weitere wichtige belutschische Terrororganisationen sind Baloch Republican Army, Lashkar-e-Balochistan, die Balochistan Liberation Front und die United Baloch Army. Das Hauptziel der belutschisch-nationalistischen Terroristen sind staatliche Sicherheitskräfte, viele Anschläge richten sich auch gegen Zivilsten im Allgemeinen, jedoch ein großer Anteil auch in erster Linie gegen Infrastruktur wie Gaspipelines (PIPS 1.2017).

Quellen:

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BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

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EASO – European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Sit

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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