TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/25 I408 2000252-1

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Entscheidungsdatum

25.10.2017

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

I408 2000252-1/34E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. LIBANON, vertreten durch: Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und Migrantenbetreuung gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Vorarlberg vom 08.01.2014, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 FPG iVm § 22a BFA-VG idgF stattgegeben und der Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft von 08.01.2014 bis 17.03. für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung, hat der Bund der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von Euro 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Darüber hinaus wird der Antrag auf Kostenersatz abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2014 wurde über den Beschwerdeführer zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

1.2. Mit ho. Erkenntnis vom 21.01.2014 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde gemäß § 76 Abs. 2 Z 4 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG abgewiesen (I.) und gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Festsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzung vorliegen (III.) und der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz abgewiesen (Spruchpunkt II.) Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (Spruchpunkt IV.)

1.3. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2015, E 4/2014-17, wurde das o.a. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes in Bezug auf Spruchpunkt I. wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung aufgehoben. Zu Spruchpunkt III. wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) verletzt worden ist, weil die Feststellung, dass im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, nicht binnen einer Woche erging. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer durch Spruchpunkt III. weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Insoweit wurde die Beschwerde abgewiesen.

1.4. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.04.2015, Ro 2014/21/0051-6, wurde die Revision gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Erkenntnisses als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt und im Übrigen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hielt sich seit 03.01.2014, aus der Schweiz kommend, illegal in Österreich auf und wurde am 04.01.2014 um 15:30 Uhr von der Polizeiinspektion Dornbirn auf Grund eines Ladendiebstahles festgenommen. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Vorarlberg vom 05.01.2014, Zl. XXXX, wurde eine Anhaltung zur Sicherung der Zurückschiebung gemäß § 45 FPG angeordnet. Eine sofortige Rückübernahme wurde mit Schreiben der KAPO St. Gallen vom 06.01.2014 mit dem Hinweis, dass es um einen Dublin Fall handelt, zurückgewiesen.

Am 08.01.2014 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde zu einer möglichen Schubhaftverhängung statt. Im Zuge dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer Auskunft über seine persönliche Situation sowie über die Gründe seiner Einreise in Österreich und stellte gleichzeitig einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die belangte Behörde verhängte mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 4 FPG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. zur Sicherung der Abschiebung.

Der Beschwerdeführer befand sich vom 08.01.2014 bis 14.02.2014 in Schubhaft und hat am 17.02.2014 das Bundesgebiet verlassen.

Aufgrund der Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung erweist sich die Verhängung der Schubhaft des Beschwerdeführers als gesetzwidrig.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Verfahrensgang (Pkt. I) und den Feststellungen (PKt. II.1) angeführten Dokumenten.

Die Dauer er Schubhaft und der Zeitpunkt der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet ergeben aus den vorliegenden ZMR- und IFA-Ausdrucken

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

Zu Spruchpunkt I. und II.)

Bezugnehmend auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2015, E 4/2014-17 bzw. des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.04.2015, Ro 2014/21/0051, erweist sich die Schubhaft wegen der Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (nämlich der mit Erkenntnis vom selben Tag G 151/2014 u.a. aufgehobenen Abs. 1 und 2 des § 22aBF-VG) als gesetzwidrig.

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann das Bundesamt über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn (Z 1) gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Rückkehrentscheidung erlassen wurde, (Z 2) gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 AsylG 2005 eingeleitet wurde; (Z 3) gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder (Z 4) auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

Der Verwaltungsgerichts hat mit Erkenntnis vom 19.02.2015, Ro 2014/21/0075-5 ausgeführt, dass die Bestimmungen der Z 2 und der Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG für sich betrachtet keine - gesetzlich festgelegten - objektiven Kriterien für die Annahme von (erheblicher) Fluchtgefahr iSd Dublin III-VO enthalten. Vielmehr knüpfe der dort jeweils als Grund für die Anordnung von Schubhaft genannte Umstand im gegebenen Zusammenhang nur an die Führung eines Verfahrens nach der Dublin III-VO an, was für sich genommen deren Art. 28 Abs. 1 widersprechen würde. Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur vor allem zum Tatbestand der Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat reiche daher nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall ist, kommt Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung dieses Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht.

Es war daher in der Sache spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt III.)

Da die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt wurde, ist gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG der BF die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.

In der Beschwerde wurde vom BF beantragt, ihm Kostenersatz im Umfang von § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung als Ersatz des Schriftsatzaufwandes zuzuerkennen.

Da im gegenständlichen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte, war der von der belangten Behörde als unterlegene Partei zu leistende Aufwandersatz auf den Ersatz des Schriftsatzaufwandes des BF in Höhe von 737,60 Euro zu beschränken.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung beruht zudem auf den beiden im Verfahrensgang angeführten höchstgerichtlichen Erkenntnissen. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Anhaltung, Antragsbegehren, Anwendungsbereich, Gesetzesaufhebung,
Kostenersatz, Kostentragung, Rechtsirrtum, Rechtswidrigkeit,
Schubhaft, verfassungswidrig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:I408.2000252.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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