TE OGH 2017/10/18 7Ob161/17b

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Veröffentlicht am 18.10.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Ltd, *****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A***** SE, *****, 2. H***** AG, *****, 3. Z***** plc, *****, 4. A***** Ltd *****, 5. K***** AG, *****, 6. U***** AG, *****, 7. H*****AG, *****, 8. S***** Ltd, *****, sämtliche vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 530.000 EUR sA (erstbeklagte Partei), 636.000 EUR sA (zweitbeklagte Partei), jeweils 212.000 EUR sA (dritt-, viert- und fünftbeklagte Partei), jeweils 106.000 EUR sA (sechst-, siebent- und achtbeklagte Partei), über den Rekurs der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2017, GZ 5 R 53/17a-42, womit das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Jänner 2017, GZ 42 Cg 92/13i-36, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs und die Rekursbeantwortung werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt als Versicherungsnehmerin von den Beklagten – einem Konsortium von Versicherungen – als Teilschuldnern Zahlung aus einem Kaskoversicherungsvertrag. Die versicherte Yacht habe einen Totalschaden erlitten.

Die Beklagten wenden ein, der der Klägerin zuzurechnende K***** U***** habe zumindest grob fahrlässig die Strandung der Yacht herbeigeführt und sämtliche Rettungs- und Bergungsmaßnahmen vereitelt. Er sei der Pflicht zur Erstattung eines wahrheitsgemäßen Schadensberichts nicht nachgekommen und habe es unterlassen, jene Auskunft zu erteilen, die aus Sicht des Versicherers zur Feststellung des Versicherungsfalls und der Leistungspflicht erforderlich sei. Die Beklagten seien wegen zumindest grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls, Verletzung der Schadens-minderungspflicht und Verletzung der Aufklärungspflicht leistungsfrei.

Mit Zwischenurteil erkannte das Erstgericht die Klagebegehren (Erstbeklagte: 530.000 EUR sA; Zweitbeklagte: 636.000 EUR sA; Dritt- bis Fünftbeklagte: jeweils 212.000 EUR sA; Sechst- bis Achtbeklagte: jeweils 106.000 EUR sA) als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Das strittige Verhalten des K***** U***** sei der Klägerin nicht zuzurechnen, weshalb die Deckungspflicht der Beklagten dem Grunde nach zu bejahen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Zwischenurteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Auffassung, K***** U***** sei weder Vertretungsorgan oder Machthaber der Klägerin noch ihr Bevollmächtigter zur Abwicklung des gesamten Versicherungsverhältnisses. Die in Deutschland entwickelte Repräsentantentheorie sei aus dem VersVG nicht ableitbar. K***** U***** sei aber auch nicht mitversichert. Sein angeblich zum Schadenseintritt führendes Fehlverhalten könne der Klägerin daher nicht entgegengehalten werden. Allerdings habe das Erstgericht nicht berücksichtigt, dass K***** U***** zur Abwicklung des Schadenfalls bevollmächtigt sei. Den Einwand der Beklagten, dass er in dieser Funktion der Pflicht zur Erstattung eines wahrheitsgemäßen Schadensberichts nicht nachgekommen sei, habe das Erstgericht nicht weiter geprüft und insbesondere keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung dieses Einwands erlaubten. Das angefochtene Zwischenurteil sei daher aufzuheben und dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens in diesem Sinn aufzutragen.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage, ob im Versicherungsvertragsrecht Obliegenheitsverletzungen (Obliegenheit zur Schadensabwendung und -minderung) oder auch faktisches Verhalten (grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls) eines bloß aufgrund Rechtsscheins Bevollmächtigten dem Versicherungsnehmer zuzurechnen seien, noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss wendet sich der Rekurs der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin begehrt, den Rekurs zurückzuweisen; hilfsweise ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

1. Ein Zwischenurteil nach § 393 Abs 1 ZPO muss nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dem Grunde nach über sämtliche Ansprüche und Einwendungen absprechen. Hat das Berufungsgericht ein solches Zwischenurteil – aus welchen Gründen immer –mangels Vorliegens der erörterten Voraussetzungen – wie hier – aufgehoben, so ist dieser Beschluss auch dann absolut unanfechtbar, wenn es die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof aussprach (8 ObA 5/15s, 1 Ob 178/04i, 3 Ob 270/02f, je mwN; RIS-Justiz RS0036970).

Die Frage nach der „inhaltlichen Richtigkeit“ eines Zwischenurteils über den Anspruchsgrund kann daher erst dann aufgeworfen werden, wenn seine Erlassung zulässig war und damit – ausgehend von Feststellungen zu allen maßgebenden streitigen Tatsachen – über die erhobenen Ansprüche und Einwendungen dem Grunde nach abgesprochen wurde (8 ObA 5/15s, 1 Ob 178/04i).

Das Rechtsmittel war daher als absolut unzulässig zurückzuweisen.

2. Das Verfahren über ein absolut unzulässiges Rechtsmittel ist nicht zweiseitig (8 ObA 5/15s, 1 Ob 178/04i). Daher ist auch die Rekursbeantwortung der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E119786

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00161.17B.1018.000

Im RIS seit

13.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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