TE OGH 2017/10/24 15Os71/17f

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.10.2017
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Akram A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Abdelgani K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 24. Jänner 2017, GZ 27 Hv 122/16a-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Schuld- und Freisprüche Mitangeklagter enthaltenden Urteil wurde Abdelgani K***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 (richtig:) dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (A./1./) sowie des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 „Abs 1, Abs 2“ siebenter Fall und Abs 4 erster und zweiter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach haben – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz – zwischen Frühjahr 2016 und 23. September 2016 in I***** und an anderen Orten

A./ vorschriftswidrig Suchtgift eingeführt, und zwar

1./ „Akram A*****, Amin M***** und Jawad Al E***** gemeinsam mit den gesondert verfolgten Mahmoud B*****, Mohamed Az*****, Mohammed D*****, Younes Da***** und weiteren Unbekannten als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) einen unbekannten Suchtgiftboten dazu bestimmt, Abdelgani K***** durch die Übergabe von Geldbeträgen in Italien dazu beigetragen, dass Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das Fünfundzwanzigfache erheblich übersteigenden Gesamtmenge, und zwar zumindest 15.620 Gramm Cannabisharz mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 8 % Delta-9-THC (1.249 Gramm reines Delta-9-THC), nach Österreich eingeführt wird“;

[A./2./ und 3./…]

B./ „Abdelgani K***** [wissentlich; US 13 f] Vermögenswerte, die aus einem Verbrechen eines anderen herrühren, nämlich aus den von Akram A*****, Amin M*****, Jawad Al E*****, Mahmoud B***** und Unbekannten begangenen Verbrechen des Suchtgifthandels nach zumindest § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG herrührende Bargelderlöse, einem Dritten übertragen, indem er insgesamt [richtig:] 43.400 Euro zwischen Februar und Ende Juni 2016 heimlich über die Grenze nach Italien zu Mittätern für neue Suchtgiftbestellungen verbrachte bzw am 16./17. Juli 2016 50.970 Euro und 2.400 Euro dorthin zu verbringen versuchte, somit Bargeldbeträge in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB).“

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch B./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****; sie verfehlt ihr Ziel.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a, teilweise auch Z 10) strebt einen Schuldspruch nach – ausschließlich – dem Verbrechen des Suchtgifthandels (A./1./) an und behauptet, bei dem Verbrechen der Geldwäscherei (B./) handle es sich im vorliegenden Fall bloß um eine straflose Vortat, weil damit der nachfolgende Suchtgifthandel erst ermöglicht werde.

Dabei wird die angestrebte Konsequenz von Scheinkonkurrenz jedoch nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet (RIS-Justiz RS0116565). Weshalb die angesprochenen Tatbestände im vorliegenden Fall – trotz ihrer gesetzessystematischen Stellung und ungeachtet grundsätzlich gleichgelagerter schädlicher Neigung bei Delikten gegen fremdes Vermögen einerseits und gewinnträchtigem Suchtgifthandel andererseits (vgl RIS-Justiz RS0087884) – unter Berücksichtigung der besonderen Regelungsziele der Geldwäscherei (vgl Kirchbacher in WK2 StGB § 165 Rz 3), nämlich der Unverwertbarkeit kriminell kontaminierten Vermögens und damit des Schutzes der Sauberkeit des Finanz- und Wirtschaftsverkehrs sowie der Rechtspflege, ausschließlich dasselbe Rechtsgut schützen sollen (vgl allgemein zu den Voraussetzungen des Scheinkonkurrenztyps der straflosen Vortat Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 68; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB4 § 28 Rz 49), erklärt der Beschwerdeführer nämlich nicht.

Ebenso wenig legt der Nichtigkeitswerber begründet dar, weshalb die – auf einem gesonderten Willensentschluss (vgl US 13 f und 25 f) beruhende – Geldwäscherei keine über den folgenden Suchtgiftschmuggel (§ 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG; A./1./) hinausgehende Rechtsgutbeeinträchtigung bewirkt haben sollte (vgl RIS-Justiz RS0091440; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 68).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO ist zum Schuldspruch wegen § 165 „Abs 1, Abs 2“ siebenter Fall und Abs 4 erster und zweiter Fall StGB (B./) Folgendes zu bemerken:

Abs 1 und Abs 2 des § 165 StGB enthalten (jeweils) rechtlich gleichwertige Begehungsweisen und statuieren daher (jeweils) ein alternatives Mischdelikt.

Anderes gilt im Verhältnis dieser beiden Bestimmungen zueinander: Abs 1 erfasst nur Verhaltensweisen, die schon per se verdächtig sind („verbirgt“, „verschleiert“), und lässt (daher) bedingten Vorsatz genügen. Die in Abs 2 genannten Handlungen dagegen sind – für sich genommen – solche des gewöhnlichen Wirtschaftslebens; insoweit verlangt das Gesetz (hinsichtlich ihrer Begehung in Bezug auf kontaminierte Vermögenswerte) Wissentlichkeit. Damit werden Begehungsformen von unterschiedlichem Sinn- und Wertgehalt normiert, die als kumulatives Mischdelikt aufzufassen sind. Begehungen nach Abs 1 und solche nach Abs 2 begründen demnach verschiedene strafbare Handlungen, die miteinander echt konkurrieren können (RIS-Justiz RS0129615 [T1 bis T3]).

Das Erstgericht ging – den Feststellungen zufolge  – nur von Tathandlungen iSd § 165 Abs 2 StGB aus, sodass die Anführung des Abs 1 leg cit im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) offensichtlich bloß irrtümlich erfolgte (vgl Lendl, WK-StPO § 260 Rz 32).

Darüber hinaus vermögen die Urteilsannahmen dem objektiven Grundtatbestand des § 165 Abs 2 siebenter Fall StGB („einem Dritten überträgt“) subsumierbare Tathandlungen des Angeklagten K***** nur in Ansehung eines Geldbetrags von insgesamt 43.400 Euro zu tragen (US 11 f), während es hinsichtlich des weiteren Geldbetrags in der Höhe von insgesamt 53.370 Euro – der dem Tatplan gemäß „nach Italien“ verbracht „und dort einem Dritten […] übertragen“ werden sollte (US 14), aber bereits zuvor in Innsbruck sichergestellt wurde (US 12 f) – noch zu keiner der Ausführung dieser Tat (zeitlich und örtlich) unmittelbar vorangehenden Handlung (§ 15 Abs 2 StGB; vgl Durl/Schütz in Leukauf/Steiniger, StGB4 § 15 Rz 6 ff) gekommen ist, sodass das Versuchsstadium noch nicht erreicht wurde. In Ansehung der Konstatierungen zum Tatbild des § 165 Abs 2 siebenter Fall StGB mangelt es der Annahme der Wertqualifikation des § 165 Abs 4 erster Fall StGB insoweit an einer tragfähigen Grundlage.

Ausgehend von der Gesamtheit der Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer bei sämtlichen für den Schuldspruch B./ relevanten Tathandlungen, stets im Wissen, „dass es sich bei dem von ihm transportierten Geld um Erlöse aus Verbrechen, nämlich aus Suchtgiftgeschäften nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG handelt“ (US 13), „in der Funktion eines Geldkuriers“ agierte, als solcher die aus Verbrechen herrührenden Vermögensbestandteile (Bargeld in der Höhe von 43.400 Euro) „von I***** nach Italien (Turin) transportierte und dort unbekannten Personen übergab“ (US 11) und sich in der Nacht vom 16. zum 17. Juli 2016 zu einer weiteren Übergabe „beim vereinbarten Treffpunkt“ in I***** einfand, wo er – nachdem ihm zunächst 2.400 Euro übergeben worden waren und er bereits Vorbereitungen traf, „um weiteres Geld, nämlich 50.790 Euro“ unter der Rückbank seines Fahrzeugs „zu verstecken“ – „auftragsgemäß ca eine Stunde auf die Geldübergabe“ wartete (wobei es zur Übergabe bloß deshalb nicht kam, weil dieser Geldbetrag unmittelbar zuvor in I***** beim Mitangeklagten Al E***** sichergestellt wurde; US 12), sind aber die (zu B./) zur Last gelegten Taten – angesichts des damit verbundenen oder zeitlich und örtlich unmittelbar bevorstehenden Erlangens von faktischer Verfügungsmacht (Kirchbacher in WK² StGB § 165 Rz 18a) – ohne weiteres (auch) der alternativen Begehungsweise (RIS-Justiz RS0129615) des § 165 Abs 2 erster Fall StGB („an sich bringt“) subsumierbar, sodass auch die Qualifikation des § 165 Abs 4 erster Fall StGB auf tragfähigen Urteilsannahmen beruht (vgl RIS-Justiz RS0116655 [T11]; Kirchbacher in WK² StGB § 165 Rz 27).

Hingegen haftet dem Schuldspruch B./ bezüglich der Annahme der Qualifikation nach § 165 Abs 4 zweiter Fall StGB ein Subsumtionsfehler mangels ausreichender Feststellungen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) zur Begehung der Geldwäscherei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die sich zur fortgesetzten Geldwäscherei verbunden hat, an. Den Entscheidungsgründen ist nämlich bloß zu entnehmen, dass die von den Angeklagten gebildete kriminelle Vereinigung der Zielsetzung diente, dass von all ihren Mitgliedern „Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz (§ 28a SMG) begangen werden“ (vgl US 9 f). Da sich dieser Fehler bei K***** aber weder auf die Strafrahmenbildung noch bei der Strafzumessung auswirkte, war insoweit mangels konkreten Nachteils für den Angeklagten von einem amtswegigen Vorgehen Abstand zu nehmen.

Das Oberlandesgericht ist bei der Entscheidung über die Berufung angesichts dieser Klarstellung nicht an die fehlerhafte Subsumtion gebunden (RIS-Justiz RS0118870); ebenso wenig das Erstgericht bei auf dem rechtskräftigen Urteil beruhenden Beschlüssen und Verfügungen, wie zB der Ausstellung der Strafkarte (§ 3 StRegG; RIS-Justiz RS0129614).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E119779

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0150OS00071.17F.1024.000

Im RIS seit

13.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten