Gbk 2015/5/3 GBK III/167/15

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Veröffentlicht am 03.05.2015
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Norm

§31 Abs1 iVm §32 Abs1 GlBG

Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Diskriminierung von Männern durch geschlechtsspezifische Preisgestaltung

Text

Senat III der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

Der Senat III der Gleichbehandlungskommission (GBK) beim Bundesministerium für Bildung und Frauen gelangte am 3. Juni 2015 über den am 24. Februar 2015 eingelangten Antrag betreffend die Überprüfung einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, durch die Antragsgegnerin

X KG

gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz (in der Folge GlBG; idF BGBl. I Nr. 34/2015) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz (BGBl. I Nr. 107/2013) iVm § 11 Gleichbehandlungskommissions-GO (idF BGBl. II Nr. 275/2013) zur Auffassung, dass

durch die X KG eine unmittelbare Diskriminierung des Antragstellers aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 GlBG erfolgt ist.

Der Sachverhalt stellte sich laut Antrag im Wesentlichen wie folgt dar:

Der Antragsteller habe am … eine von der Antragsgegnerin veranstaltete „Flatrate-Party“ besucht. Die zu bezahlenden Eintrittspreise seien gemäß dem dort aufgelegten Flyer für Männer und Frauen unterschiedlich gewesen. Männer hätten € 20,- und Frauen € 15,- zu bezahlen gehabt. Als Begründung sei dem Antragsteller eine geschlechterstereotype Annahme mitgeteilt worden, nämlich, dass Männer nun mal mehr als Frauen trinken und auch mehr vertragen würden.

Deshalb fordere der Antragsteller die Abstellung dieser Diskriminierung und einen ideellen Schadenersatz in der Höhe von € 1000,-.

Von der Antragsgegnerin langte zu den Vorwürfen am … im Wesentlichen folgende Stellungnahme ein:

Grundsätzlich seien die von der Antragsgegnerin gestalteten Preise auf der Getränkekarte für beide Geschlechter gleich. Um auf den Wunsch mehrerer Gäste, „Aktionen im Next zu machen“, Rücksicht zu nehmen, habe die Antragsgegnerin unter anderem die Überlegung angestellt, die Aktion gemäß dem Flyer durchzuführen.

Bei der Preisgestaltung habe sich die Antragsgegnerin auf jahrelange Erfahrung in der Gastronomie und auf Recherchen im Internet gestützt. Demnach herrsche die Meinung vor, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Frauen weniger vertragen und trinken würden als Männer.

Die Antragsgegnerin habe keine Diskriminierungsabsicht sondern eine adäquate Preisgestaltung im Sinn gehabt. Dies auch deshalb, damit sich der Einkauf und Verkauf der Waren in einem wirtschaftlichen Rahmen belaufe.

Um diesem Vorfall Rechnung zu tragen, werde die Antragsgegnerin aber bei der nächsten Aktion von Frauen und Männern einen Eintritt von € 15,- verlangen und beide Geschlechter würden das Angebot gleichermaßen wahrnehmen können. Des Weiteren werde diese Aktion danach eingestellt.

In der Sitzung der GBK am … wurden der Antragsteller und Herr Y als Vertreter der Antragsgegnerin befragt:

Der Antragsteller erläuterte in der Befragung, dass er im Dezember im Café X gewesen sei und aufgrund des Flyers Männer € 20,- und Frauen nur € 15,- für ein „All you can drink“-Angebot zu zahlen gehabt hätten.

Er habe sich deswegen ungleich behandelt gefühlt. Abgesehen davon, dass er gar nicht so viel trinke, habe er mehr bezahlen müssen. Am … und … habe er sich per Email an das Café X gewandt, diese seien aber ignoriert worden.

Grundsätzlich bestehe Vergleichsbereitschaft. Dies habe er der Antragsgegnerin auch mitgeteilt. Der Antragsteller habe zunächst € 300,- gefordert, nun liege dieser Betrag bei € 750,-.

Der Vertreter der Antragsgegnerin erläuterte in der Befragung, dass er der Geschäftsführer der Antragsgegnerin sei. Um auf den Wunsch mehrerer Gäste, „Aktionen im X zu machen“, Rücksicht zu nehmen, habe er unter anderem die Überlegung angestellt, die Aktion gemäß dem Flyer durchzuführen. Grundsätzlich seien aber die von der Antragsgegnerin gestalteten Preise auf der Getränkekarte für beide Geschlechter gleich.

Bei der Preisgestaltung habe er sich auf seine jahrelange Erfahrung in der Gastronomie und auf Recherchen im Internet gestützt, weshalb er die Meinung vertreten habe, es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Frauen weniger vertragen und trinken würden als Männer.

Die Antragsgegnerin habe keine Diskriminierungsabsicht sondern eine adäquate Preisgestaltung im Sinn gehabt. Dies auch deshalb, damit sich der Einkauf und Verkauf der Waren in einem wirtschaftlichen Rahmen belaufe. Der Befragte habe mit dieser Aktion nicht das Anlocken von Frauen im Sinn gehabt, um mit diesen auch Männer anzulocken. Das Geschlechterverhältnis sei auch während der Aktion ausgeglichen gewesen. Ebenso wenig habe es irgendwelche sonstige Beschwerden von Personen über diese Aktion gegeben. Um diesem Vorfall aber Rechnung zu tragen, habe er diese Aktion mit Ende März … eingestellt.

Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Der Senat III hatte den Fall einer unmittelbaren Diskriminierung gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1. zu prüfen, nämlich, ob der geschlechtsspezifisch unterschiedliche Preis für das Angebot „All you can drink“ bzw. „Flat-Rate“ (Burschen: € 20,-, Mädels: € 15,-) eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes durch eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt oder dies aus anderen, vom Gleichbehandlungsgesetz nicht sanktionierten Gründen erfolgte und der Antragsgegnerin der Beweis darüber im Verfahren gelungen ist.

Die relevanten Gesetzesstellen des hier zu behandelnden Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) bestimmen Folgendes:

§ 30. (1) Für das Merkmal des Geschlechts gelten die Bestimmungen dieses Abschnittes für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, sofern dies in die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes fällt.

        

§ 31. (1) Auf Grund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit darf niemand unmittelbar oder mittelbar beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, diskriminiert werden. Diskriminierungen von Frauen auf Grund von Schwangerschaft oder Mutterschaft sind unmittelbare Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts.

§ 32. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 31 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

§ 38.

(1) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 31 hat die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

(3) Insoweit sich im Streitfall die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 31 oder 35 beruft, hat er/sie diesen glaubhaft zu machen. Dem/der Beklagten obliegt es bei Berufung auf § 31 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 32 Abs. 2 oder des § 33 vorliegt. Bei Berufung auf § 35 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Die Antragsgegnerin hat mehrmals eine sogenannte „All you can drink“ bzw. „Flat-Rate“ Aktion in ihrem Lokal angeboten. Um diese Aktion in Anspruch nehmen zu können, haben Männer € 20,- und Frauen € 15,- zu bezahlen gehabt.

Aufgrund des vorliegenden Antrags beim Senat III der Gleichbehandlungskommission hat die Antragsgegnerin nur noch einmal im März … eine solche Aktion veranstaltet, allerdings bei gleichem Preis für beide Geschlechter (€ 15,-). Danach ist diese Aktion seitens der Antragsgegnerin eingestellt worden.

Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hat erwogen:

Der Senat III bejahte in seiner Sitzung vom 3. Juni 2015 die Frage einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 leg.cit.

Vom Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung gemäß § 32 Abs. 1 leg.cit. ist auszugehen, wenn eine unterschiedliche Behandlung von Personen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, in direktem oder ausdrücklichem Bezug auf das Geschlecht erfolgt.

Die Angebote der Antragsgegnerin sind als Dienstleistung im Sinne des § 30 leg.cit., die der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, zu qualifizieren. Indem Frauen für die Inanspruchnahme der Aktion „All you can drink“ bzw. „Flat-Rate“ € 15,- zu bezahlen hatten, wurden Männer, die einen Preis in der Höhe von € 20,- zu bezahlen hatten, gemäß § 32 Abs. 1 leg.cit. in einer vergleichbaren Situation gegenüber Frauen weniger günstig behandelt.

Die Geschäftspolitik der geschlechterunterschiedlichen Preisgestaltung wird von der Antragsgegnerin im Wesentlichen damit begründet, dass Männer durchschnittlich mehr als Frauen konsumieren würden. Diese – auf den Erfahrungswerten der Antragsgegnerin und wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende – Kalkulation würde diese unterschiedliche Preisgestaltung notwendig machen.

Der EuGH untersagt in seinem Urteil in der Rechtssache C-236/09, „Test-Achats“, Praktiken, bei denen die Verwendung des Faktors Geschlecht bei der Berechnung von Prämien und Leistungen in Versicherungsverträgen, zu individuellen Unterschieden in den Prämien und Leistungen führt, sogar wenn diese statistisch belegbar sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Berücksichtigung des Geschlechts bei der Risikobewertung generell verboten wäre. Ein solches Vorgehen ist erlaubt, wenn es um die Berechnung von Prämien und Leistungen in ihrer Gesamtheit geht, solange dies nicht zu individuellen Unterschieden führt.

Analog zum gegenständlichen Sachverhalt bedeutet dies, dass eine interne Mischkalkulation aufgrund eines vermuteten geschlechtsbezogenen Konsumationsverhaltens zur Berechnung der voraussichtlichen Kosten grundsätzlich möglich ist. Der – in diesem Fall allerdings stereotyp verwendete – Faktor Geschlecht darf somit zwar bei der Preiskalkulation einfließen, darf aber im Endeffekt nicht zu geschlechtsspezifischen Unterschieden beim einzelnen Gast – konkret zu nach dem Geschlecht unterschiedlichen Preisen für die dieselbe Leistung – führen.

Darüber hinaus knüpft das Gleichbehandlungsgesetz nur an den formalen äußeren Tatbestand an, dass eben ein Geschlecht in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt. Durch das Bezahlen eines um € 5,- höheren Preises für dieselbe Leistung, ist eine weniger günstige Behandlung der Männer gegeben.

Die Ausnahmebestimmung des § 33 leg.cit. kommt nicht zur Anwendung, da das Leistungsangebot der freien Konsumation nach Bezahlen des Preises, für beide Geschlechter gleich ist und dieses nicht ausschließlich oder überwiegend nur einem Geschlecht bereitgestellt wird.

Der Antragsgegnerin ist es nach Ansicht des Senates III daher nicht gelungen, den Vorwurf der Diskriminierung gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 leg.cit. zu entkräften. Gemäß § 38 Abs. 3 leg.cit. obliegt es dem/der Antragsgegner/in zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Antragsgegner/in glaubhaft gemachtes und vom Gleichbehandlungsgesetz nicht sanktioniertes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war.

Für die Antragsgegnerin positiv zu werten ist einerseits die Einstellung dieser Aktion, nachdem ihr bekannt wurde, dass diese einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz darstellen könnte und andererseits ihre Vergleichsbereitschaft.

Die dem Antragsteller seitens der Antragsgegnerin als Vergleichsbetrag angebotenen € 200,- erschienen dem Senat, bezogen auf den tatsächlichen Schaden in der Höhe von € 5,- und der vergleichsweise geringen Kränkung des Antragstellers, mehr als angemessen.

Der Senat III kam zur Auffassung, dass durch die X KG eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes durch eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz vorliegt.

Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hält es daher für notwendig, dass die Antragsgegnerin, weiterhin das Gleichbehandlungsgesetz respektiert und auch in Hinkunft alle Menschen, ungeachtet ihres Geschlechts, gleich behandelt.

Wien, im Juni 2015

Mag. Robert Brunner

(Vorsitzender)

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2017
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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