Norm
§31 Abs1 iVm §32 Abs1 GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Unmittelbare Diskriminierung von Männern durch eigenen FrauenbereichText
Senat III der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission (GBK) beim Bundesministerium für Bildung und Frauen gelangte am 26. November 2015 über den am 4. Mai 2015 eingelangten Antrag von Herrn A betreffend die Überprüfung einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, durch die Antragsgegnerin
X GmbH
gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz (in der Folge GlBG; idF BGBl. I Nr. 34/2015) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz (idF BGBl. I Nr. 107/2013) iVm § 11 Gleichbehandlungskommissions-GO (idF BGBl. II Nr. 275/2013) zur Auffassung, dass
durch die X GmbH eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, gemäß § 32 Abs. 1 GlBG nicht vorliegt.
Der Sachverhalt stellte sich laut Antrag wie folgt dar:
Der Antragsteller bringt zusammengefasst vor, dass die Zurverfügungstellung eines eigenen Frauenbereiches in den von der Antragsgegnerin betriebenen Fitnesscentern eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des männlichen Geschlechts darstelle, da Männer dadurch weniger „Fitnessmöglichkeiten“ hätten und es keinen eigenen Männerbereich gebe.
Von der Antragsgegnerin langte zu den Vorwürfen am … im Wesentlichen folgende Stellungnahme bei Senat III ein:
Gemäß § 32 GlBG liege eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund eines in § 31 GlBG genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahre, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Gemäß § 33 GlBG sei die Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen ausschließlich oder überwiegend für Personen eines Geschlechts keine Diskriminierung, wenn dies dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche, also durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt sei und die Mittel zur Erreichung dieses Ziel angemessen und erforderlich seien.
Gemäß § 34 Gleichbehandlungsgesetz seien die zur Förderung der Gleichstellung getroffenen Maßnahmen, mit denen Benachteiligungen aufgrund eines in § 31 GlBG genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen würden, keine Diskriminierung im Sinne dieses Gesetzes.
Die Antragsgegnerin stelle eigene Trainingsbereiche für Damen zur Verfügung, da diese unter anderem mit speziell auf Frauen abgestimmte Kraftgeräten ausgestattet seien, und in diesen Bereichen darüber hinaus auf Frauen zugeschnittene Übungsprogramme durchgeführt würden. Eine „vergleichbare Situation“ im Sinne des § 32 Abs. 1 GlBG liege nicht vor, da die auf die speziellen physischen Bedürfnisse von Frauen zugeschnittenen Geräte per se nicht den Trainingsbedürfnissen der Männer entsprächen, Männer hingegen keine speziellen Geräte benötigen würden, um sämtliche Trainingsziele zu erreichen. Für Männer wäre ein Training an den speziell für Damen entwickelten Geräten in sportlicher und physiologischer Hinsicht völlig uninteressant. Sämtliche Trainingsziele der Männer könnten selbstverständlich mit den beiden Geschlechtern zur Verfügung gestellten Fitnessgeräten erreicht werden.
Dass mit der Zurverfügungstellung von eigenen Fitnessstudios bzw. Trainingsbereichen für Frauen einem gesamtgesellschaftlichen Bedürfnis Rechnung getragen würde, sodass auch aus diesem Grund der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werde, zeige auch das Bestehen von zumindest fünf auf Frauen spezialisierten Fitnessstudios allein im Raum Wien.
Damit solle keinesfalls eine Benachteiligung der Männer herbeigeführt, vielmehr speziellen körperlichen Bedürfnissen der Frauen Rechnung getragen werden, vom Arbeiten an „Problemzonen“ über Kurse und Trainingseinheiten speziell für Frauen. Da in den Fitnessstudios der Antragsgegnerin darüber hinaus zunehmend Frauen mit kulturellen und religiösen Wertvorstellungen trainieren wollten, die ein gemeinsames Training mit Männern nicht zulassen würden, entspräche die Zurverfügungstellung separater Frauenbereiche auch diesem gesamtgesellschaftlichen Bedürfnis.
Nicht zuletzt diene ein separater Frauenbereich darüber hinaus dem Schutz der Trainierenden vor sexueller Belästigung. Ein eigener Frauenbereich solle es weiblichen Trainierenden daher auch ermöglichen, der sexuellen Belästigung durch männliche Trainierende zu entgehen.
Zusammenfassend liege keine unmittelbare Diskriminierung im Sinne des § 32 Abs. 1 GlBG vor. Die Zurverfügungstellung eines eigenen Frauenbereichs entspräche, betrachte man die gesamtösterreichische Situation, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, und sei durch ein rechtmäßiges Ziel, nämlich die Zurverfügungstellung von Trainingsgeräten, zugeschnitten auf weibliche Trainierende, sowie deren Schutz vor sexueller Belästigung, jedenfalls angemessen und erforderlich.
In den Sitzungen des Senates III am … wurden der Antragsteller und Herr Y, als Vertreter der Antragsgegnerin, befragt:
Der Antragsteller erläuterte in seiner Befragung am … im Wesentlichen, dass die Antragsgegnerin in ihren Fitnessstudios eigene Frauenbereiche anbiete, zu denen Männer keinen Zutritt hätten. Eigene Bereiche für Männer würden jedoch nicht angeboten. Diese Bereiche würden ein Drittel der Gesamtfläche der Studios einnehmen. Trotzdem müssten Männer den gleichen Monatsbeitrag wie Frauen leisten.
Es sei eine geschlechterstereotype Annahme, wenn die Antragsgegnerin behaupte, dass Frauen Problemzonen hätten und schutzwürdig seien, Männer aber nicht. Auch das Bereitstellen von Geräten speziell für Frauen sei eine geschlechterstereotype Annahme. Des Weiteren könne bei dieser Vorgehensweise nicht von Frauenförderung gesprochen werden.
Der Antragsteller habe zwar von der Antragsgegnerin nie explizit einen eigenen Männerbereich verlangt, fühle sich aber dadurch, dass ihm trotz Bezahlung des gleichen Monatsbeitrages weniger Fläche zur Verfügung stünde, in einer vergleichbaren Situation aufgrund seines Geschlecht ungünstiger behandelt.
Herr Y erläuterte in seiner Befragung am … im Wesentlichen, dass er Marketingleiter der Dachgesellschaft sei, zu welcher die Antragsgegnerin als Tochtergesellschaft gehöre.
Die Fitnessstudios der Antragsgegnerin würden seit … existieren. Im Zuge der Entwicklung der Studios hätten sich Kundenbedürfnisse ergeben, an denen man sich orientiert habe. Es habe sehr viele Beschwerden von Kundinnen gegeben, die über Belästigungen oder grundsätzlich über ein Unwohlsein durch intensives Beobachtetwerden durch andere Kunden geklagt hätten. Ein weiterer Grund sei gewesen, dass Besucherinnen mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen dadurch der Besuch eines Fitnessstudios erleichtert würde.
Deswegen seien in den Studios eigene Frauenbereiche eingerichtet worden, welche durchschnittlich 10% der Gesamtfläche eines Studios ausmachen würden. Der Frauenbereich sei immer an die Frauengarderobe angegliedert und es sei daher nicht notwendig, den allgemeinen Bereich betreten zu müssen.
Hinzu komme, dass die Ergonomie der Trainingsgeräte dem Körperbau eines Mannes viel mehr entspreche. Die Frauenbereiche seien daher auch mit Geräten ausgestattet, deren Ergonomie dem Körperbau von Frauen entspreche. Darunter würden etwa kleine Kurzhanteln fallen oder Geräte, welche in ihrem Radius ein wenig enger seien.
Der eigene Frauenbereich eines Studios würde den Trainingserfolg eines Mannes in keiner Weise einschränken. Einem Mann würden alle zur Erfüllung seines Trainingsziels notwendigen Geräte zur Verfügung stehen.
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Senat III hatte den Fall einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 GlBG zu prüfen, nämlich, ob Männer durch Einrichtung eigener Frauenbereiche in den Fitnessstudios der Antragsgegnerin beim Zugang zu Dienstleistungen aufgrund des Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfahren haben als Frauen.
Die relevanten Gesetzesstellen des hier zu behandelnden Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) bestimmen Folgendes:
§ 30. (1) Für das Merkmal des Geschlechts gelten die Bestimmungen dieses Abschnittes für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, sofern dies in die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes fällt.
§ 31. (1) Auf Grund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit darf niemand unmittelbar oder mittelbar beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, diskriminiert werden. Diskriminierungen von Frauen auf Grund von Schwangerschaft oder Mutterschaft sind unmittelbare Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts.
§ 32. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 31 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
(1) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 31 hat die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
(3) Insoweit sich im Streitfall die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 31 oder 35 beruft, hat er/sie diesen glaubhaft zu machen. Dem/der Beklagten obliegt es bei Berufung auf § 31 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 32 Abs. 2 oder des § 33 vorliegt. Bei Berufung auf § 35 obliegt es dem/der Antragsgegner/in zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Die Antragsgegnerin betreibt Fitnessstudios, in denen es neben allgemein zugänglichen Trainingsbereichen für beide Geschlechter auch Bereiche gibt, welche nur Frauen zugänglich sind. Durchschnittlich nehmen diese Frauenbereiche ca. 10% der Gesamtfläche des jeweiligen Studios ein.
Die Frauenbereiche sind unter anderem mit speziell auf Frauen abgestimmten Kraftgeräten ausgestattet und es werden in diesen auf Frauen zugeschnittene Übungsprogramme durchgeführt. Darüber hinaus sind die Frauenbereiche direkt über die Frauengarderoben erreichbar.
Der Monatsbeitrag für die Benutzung der Fitnessstudios ist für beide Geschlechter gleich hoch.
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hat erwogen:
Der Senat III verneinte in seiner Sitzung vom 26. November 2015 die Frage einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, durch die Antragsgegnerin iSd § 32 Abs. 1 leg.cit.
Die Antragsgegnerin betreibt zahlreiche Fitnessstudios, welche gegen Entgelt allgemein zugänglich sind. Diese sind im Sinne des § 30 Abs. 1 leg.cit. als Dienstleistung, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, zu qualifizieren.
Vom Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß § 32 Abs. 1 leg.cit. ist auszugehen, wenn eine weniger günstige Behandlung von Personen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, in direktem oder ausdrücklichem Bezug auf das Geschlecht erfolgt.
Die Antragsgegnerin stellt in ihren Fitnessstudios Teilbereiche ausschließlich Frauen zur Verfügung. Nicht verifiziert werden konnte, dass alle im Frauenbereich der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Trainingsgeräte ausschließlich auf die speziellen physischen Bedürfnisse von Frauen abgestimmt sind und diese somit von Männern in sportlicher und physiologischer Hinsicht überhaupt nicht benutzbar wären. Die Vergleichbarkeit der Situation ist daher gegeben, da Männern allein aufgrund des Geschlechts der Zugang zu Frauenbereichen untersagt wird und sie nur deswegen nicht die gesamte zur Verfügung stehende Trainingsfläche nutzen können.
Dies bedeutet zunächst, dass Männer, insbesondere durch die Leistung des gleichen Monatsbeitrags, eine weniger günstige Behandlung als Frauen erfahren und deshalb eine Ungleichbehandlung von Männern gegenüber Frauen vorliegt.
Es ist daher weiter zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung unter die Ausnahmebestimmung des § 33 leg.cit. zu subsumieren ist. Gemäß § 33 leg.cit. ist die Bereitstellung von Gütern oder Dienstleistungen ausschließlich oder überwiegend für ein Geschlecht, somit eine geschlechtermäßige Ungleichbehandlung, dann keine Diskriminierung, wenn diese (Ungleich)behandlung durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind.
In Erwägungsgrund 16 der Richtlinie 2004/113/EG wird unter anderem der Schutz der Privatsphäre und des sittlichen Empfindens als ein legitimes Ziel genannt, wonach eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen gerechtfertigt sein kann.
Die Antragsgegnerin konnte überzeugend darlegen, dass die Bereitstellung von Frauenbereichen - unter den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten - das geeignetste und auch ein erforderliches Mittel zur Hintanhaltung von Belästigungen im Rahmen der Erbringung ihrer Dienstleistung darstellt.
Die Bereitstellung von Frauenbereichen ist nach Ansicht des Senates III geeignet, den Schutz der Privatsphäre und des sittlichen Empfindens zu erreichen. Frauen wird die Möglichkeit geboten, sich an einen Ort zurückzuziehen, an dem keine Belästigungen durch Männer erfolgen können. Dass diese Bereiche darüber hinaus auch mit speziell auf Frauen abgestimmten Trainingsgeräten ausgestattet sind und darin auf Frauen zugeschnittene Übungsprogramme stattfinden, unterstreicht das rechtmäßige Ziel dieser Einrichtungen.
Auch ist das Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen. Dazu wird festgestellt, dass Angemessenheit sowohl nach quantitativen als auch nach qualitativen Kriterien geprüft werden kann. Die Angemessenheit resultiert im gegenständlichen Fall daraus, dass durch die Einrichtung von Frauenbereichen – welche ca. 10 % der Gesamtfläche eines Studios einnehmen – Männern kein gravierender Nachteil entsteht. Würden die Flächen der Frauenbereiche auch für Männer zur Verfügung stehen, ließe sich daraus noch nicht ableiten, dass – gerade bei einem, wie der Antragsteller in seiner Befragung erwähnte, großen Andrang an Besuchern und Besucherinnen – der sofortige und ungehinderte Zugang zu den Trainingsgeräten gegeben wäre. Zudem kann darin keine Einschränkung hinsichtlich der Erreichung von Trainingszielen von Männern erblickt werden.
Schließlich ist die Einrichtung von Frauenbereichen auch erforderlich, um Frauen einen adäquaten Schutz vor Belästigungen bzw. der Privatsphäre zu gewährleisten.
Der Senat III kam daher zur Auffassung, dass die Antragsgegnerin keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes durch eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz zu verantworten hat.
Wien, im November 2015
Mag. Robert Brunner
(Vorsitzender)
Zuletzt aktualisiert am
10.11.2017