Norm
§31 Abs1 iVm §35 Abs1 GlBGDiskriminierungsgrund
Ethnische ZugehörigkeitDiskriminierungstatbestand
Belästigung bei der Inanspruchnahme einer DienstleistungText
Senat III der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission (GBK) beim Bundesministerium für Bildung und Frauen gelangte am 21. Jänner 2016 über den am 29. Mai 2015 eingelangten Antrag von Herrn A (in der Folge „Antragsteller“), betreffend die Überprüfung einer Belästigung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, durch den Antragsgegner
Herrn X
gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 35 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz (in der Folge GlBG; idF BGBl. I Nr. 34/2015) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz (idF BGBl. I Nr. 107/2013) iVm § 11 Gleichbehandlungskommissions-GO (idF BGBl. II Nr. 275/2013) zur Auffassung, dass
durch den Antragsgegner keine Belästigung des Antragstellers aufgrund seiner ethnischen Herkunft gemäß § 35 Abs. 1 GlBG vorliegt.
Der Sachverhalt stellte sich laut Antrag im Wesentlichen wie folgt dar:
Am Sonntag, den … habe der Antragsteller im Zusammenhang mit einem Schiunfall mit Bänderriss das UKH ... aufgesucht. Er sei in der Erstaufnahme von einem Arzt untersucht worden, welcher ihn nach verschiedenen Untersuchungen in das Gipszimmer geschickt habe, um dort eine Schiene angepasst zu bekommen.
Der Antragsteller sei in einem Rollstuhl gesessen, den er nicht selbst habe bewegen können und habe daher von einer Person geschoben werden müssen. Er sei daher von einer Person zum Gipszimmer gebracht worden und habe dort allein vor dem Eingang gewartet. Nach einiger Zeit sei der Antragsteller von einem Mitarbeiter im Gipszimmer aufgerufen worden. Später habe sich herausgestellt, dass es sich dabei um den Antragsgegner gehandelt habe.
Der Antragsgegner sei aus dem Gipszimmer gekommen und habe zum Antragsteller gesagt: „Kumm eina“. Er habe nicht gegrüßt und auch nicht „bitte“ gesagt. Insgesamt habe der Antragsteller bereits zu diesem Zeitpunkt den Eindruck gehabt, dass sich der Antragsgegner sehr unfreundlich gegenüber dem Antragsteller verhalte.
Der Antragsteller habe darauf hingewiesen, dass er nicht hineinkommen könne, da er den Rollstuhl nicht selbst bewegen könne. Der Antragsgegner habe ein genervtes Gesicht gemacht und habe den Antragsteller in den Behandlungsraum geschoben.
Im Gipszimmer habe der Antragsgegner gesagt: „Steh auf“. Der Antragsteller sei sich sicher, dass der Antragsgegner ihn geduzt habe. In der Folge habe der Antragsgegner die Schiene angepasst und sei kurz aus dem Raum gegangen. Als er wieder zurückgekommen sei, habe er dem Antragsteller einen Zettel gegeben und gesagt: „Das ist zum Einzahlen.“
Der Antragsteller habe nicht gewusst, was genau er zu zahlen habe und habe deshalb fragend gesagt: „Ach so, das ist zu zahlen?“ Daraufhin sei der Antragsgegner sehr nahe (20-30 cm) zum Gesicht des Antragstellers gekommen und habe mit lauter Stimme gesagt: „In Österreich is net ois gratis!“ Der Antragsteller habe erwidert: „Entschuldigung, ich habe nur gefragt.“ Daraufhin habe der Antragsgegner wiederholt: „In Österreich is net ois gratis!“
Der Antragsteller habe sich darüber sehr geärgert. Es habe sich daraufhin ein kurzes Streitgespräch ergeben, das mit der Äußerung des Antragsgegners „Lass mich in Ruhe!“ geendet habe und dieser mit einer wegwerfenden Handbewegung den Raum verlassen habe. Der Antragsteller habe dem Antragsgegner nachgerufen: „Was immer das war - Sie mich auch!“
Von der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners langte zu den Vorwürfen am … im Wesentlichen folgende Stellungnahme bei Senat III ein:
Der Antragsgegner sei bereits seit dem Jahr 1990 als OP und Gipsassistent (vormals OP-Gehilfe) im Unfallkrankenhaus ... (UKH) beschäftigt und weise seit jeher ein tadelloses dienstliches Verhalten auf. Er habe weder seine Dienstpflichten verletzt noch sei er bisher mit Beschwerden welcher Art immer, bezogen auf sein dienstliches Verhalten gegenüber seiner Kollegenschaft sowie gegenüber den Patientinnen und Patienten des UKH oder gegenüber deren Angehörigen konfrontiert worden. lm Besonderen sei dem Antragsgegner bisher nicht im Ansatz vorgeworfen worden, irgendjemanden in seinem beruflichen und privaten Umfeld wegen der ethnischen Zugehörigkeit oder überhaupt diskriminiert oder belästigt zu haben.
Am … habe der Antragsgegner im sogenannten Gipszimmer des UKH Dienst gehabt, als er gegen 18:00 Uhr im elektronischen Weg eine ärztliche Behandlungsanweisung betreffend den Antragsteller erhalten habe.
Der Antragsgegner habe die Gipsbehandlung des Antragstellers wie üblich mit dem Aufruf des Antragstellers über den Gipszimmer-PC - mit einem solchen Aufruf erscheine im Wartebereich am Bildschirm die Aufforderung „Bitte Eintreten Raum …“ - begonnen. Nachdem der Antragsteller trotz dieses Aufrufes nicht im Gipszimmer erschienen sei, habe der Antragsgegner die Tür zum Wartebereich geöffnet und habe einen im Rollstuhl sitzenden Herren vorgefunden. Er habe diesen gefragt, ob er der Antragsteller sei, was dieser bejaht habe.
Der Antragsgegner sei mit dem Antragsteller ins Gipszimmer gefahren, um dort die ärztlich angeordnete Behandlung durchzuführen. Danach habe er aus dem Lagerraum die ärztlich angeordnete Knieorthese geholt und diese laut ärztlicher Anweisung auf die entsprechenden Grade eingestellt. Er habe hierzu den Antragsteller gebeten, sein verletztes Bein freizumachen, um ihm die Knieorthese auf sein rechtes Bein anlegen zu können. Der Antragsteller sei daraufhin aufgestanden, sodass der Antragsgegner in der Lage gewesen sei, ihm die Orthese fachgerecht anzulegen.
In weiterer Folge habe der Antragsgegner im Übernahmebestätigungsschein noch die Daten des Antragstellers ausgefüllt und habe ihn um seine Unterschrift gebeten. Der Antragsgegner habe den Antragsteller bei dieser Gelegenheit, wie vorgesehen, darüber informiert, dass die Orthese zwar in seinem Eigentum stehe, er aber den Selbstbehalt per Erlagschein zu bezahlen habe und ihm die Rechnung nach Hause übermittelt werde.
Als solcher Art die Rede davon gewesen sei, dass der Antragsteller einen Selbstbehalt zu bezahlen habe, sei die Stimmung gekippt und der Antragsteller habe ungehalten gefragt: „Für die Schiene ist was zu bezahlen?“. Diese Frage habe der Antragsgegner bejaht und ohne jede Emotion und betont sachlich ergänzt, dass in Österreich leider nicht alles gratis sei.
Daraufhin sei der Antragsteller laut geworden und habe den Antragsgegner angeschrien, ob er denn das auch zu Österreichern sagen würde. Der Antragsgegner sei betont ruhig geblieben, habe diese Frage bejaht und habe den Antragsteller ersucht, dieser möge aufhören ihn anzuschreien. Darauf habe der Antragsteller mit der sofortigen Ankündigung reagiert, er werde sich über den Antragsgegner beschweren.
Der Antragsgegner sei weiterhin ruhig geblieben und habe dem Antragsteller geantwortet, dass dies sein gutes Recht sei und er habe ihm auch seinen Namen, ohne dazu vom Antragsteller aufgefordert worden zu sein, genannt.
Der Antragsgegner habe sich sodann in den Nebenraum begeben, um für den Antragsteller den Patientenausweis auszudrucken. Während er in den Nebenraum gegangen sei, sei der Antragsteller völlig entgleist und habe ihm nachgeschrien: „Die Österreicher können nur Waffen produzieren und dann ins Ausland verkaufen“.
Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, habe der Antragsgegner dem Antragsteller den Behandlungsschein ausgefolgt und daraufhin wortlos den Raum verlassen.
In weiterer Folge habe der Antragsteller bereits am … beim Qualitätsmanager des UKH eine Beschwerde gegen den Antragsgegner eingebracht. Diese Beschwerde sei erfasst worden und bei diesem Anlass habe der Antragsteller dem Qualitätsmanager mitgeteilt, bereits am darauf folgenden Tag einen Gesprächstermin bei der Antidiskriminierungsstelle ... vereinbart zu haben. Der Qualitätsmanager habe bereits im Rahmen dieses Gespräches im Namen der kollegialen Führung sein Bedauern über die vom Antragsteller empfundene Diskriminierung ausgesprochen.
Am … habe unter Leitung der Antidiskriminierungsstelle ein Gespräch stattgefunden, an welchem der Antragsteller, der Antragsgegner, der Qualitätsmanager und die Leiterin des Pflegedienstes des UKH teilgenommen hätten. Der Antragsgegner habe im Rahmen dieses Gespräches mit Nachdruck festgehalten, dass er niemals die Absicht gehabt habe, den Antragsteller in welcher Art und Weise immer zu diskriminieren oder zu beleidigen, sondern dass er aus seiner Sicht seine Arbeit korrekt verrichtet habe. Der Antragsgegner habe hierbei klargestellt, den Antragsteller niemals geduzt zu haben und er habe auch den weiteren Vorwurf des Antragstellers, dass er diesen beim Aufsuchen des Gipszimmers nicht unterstützt hätte, widerlegt, da das Gegenteil der Fall gewesen sei.
Aus diesem Anlass habe der Antragsteller weitere Anwürfe gegen das UKH erhoben, und zwar „Außen hui, innen pfui“, welche von Seiten der Vertreter des UKH zurückgewiesen worden seien.
Trotz des einstündigen Gesprächs und der unmissverständlichen Erklärungen der VertreterInnen des UKH und des Antragsgegners habe sich der Antragsteller weiterhin betont unversöhnlich gezeigt und habe ostentativ die Annahme jeglicher Entschuldigung verweigert.
In der Sitzung der GBK am … wurden der Antragsteller, der Antragsgegner, Herr Mag. O, Herr P und Frau Q als Auskunftspersonen befragt:
Der Antragsteller erläuterte in seiner Befragung im Wesentlichen, dass er nach der Behandlung durch einen Arzt des UKH auf einen Rollstuhl gesetzt und von einer Schwester zum Raum … geschoben worden sei. Sie habe ihn vor der Tür abgestellt und habe gesagt, dass er aufgerufen werde.
Nach einigen Minuten sei die Tür aufgegangen und der Antragsgegner habe zu ihm gesagt: „Kumm eina“. Erstens habe der Antragsteller den Rollstuhl nicht selbst bewegen können, sondern hätte geschoben werden müssen und zweitens habe er auch Knieschmerzen gehabt und habe nicht gehen können. Der Antragsgegner habe gesehen, dass der Antragsteller in einem Rollstuhl sitze, habe aber vom Antragsteller erst gebeten werden müssen, dass er ihn in das Zimmer schiebe. Dabei habe der Antragsgegner ein „schiefes Gesicht“ gemacht.
Im Raum habe der Antragsgegner begonnen den Antragsteller zu duzen („steh auf“, „setz dich hin“), was dieser als unangebracht empfunden habe.
Der Antragsgegner habe dem Antragsteller nach Anpassen der Orthese ohne Erklärung einen Erlagschein gegeben, worauf der Antragsteller gefragt habe, ob das zu bezahlen sei. Das habe dem Antragsgegner offensichtlich gereicht und er habe dem Antragsteller ins Gesicht gesagt: „In Österreich ist nicht alles gratis“. Daraufhin habe der Antragsteller gemeint, dass er so nicht mit sich reden lasse und dies eine Frechheit sei. Während der Antragsteller noch gesprochen habe, habe der Antragsgegner schimpfend den Raum verlassen. Da der Antragsteller nicht alles verstanden habe, habe er gesagt: „Egal, was Sie gesagt haben, Sie mich auch“.
Der Antragsgegner erläuterte in seiner Befragung im Wesentlichen, dass er an diesem Tag um ca. 18.00 Uhr eine elektronische Anweisung für eine Gipsbehandlung bekommen habe. Er habe den Patienten aufgerufen und in der Zwischenzeit den Unfallhergang, die Diagnose und die Behandlung durchgelesen. Da der Patient nicht erschienen sei, sei er in den Warteraum gegangen, wo ein Herr in einem Rollstuhl gesessen sei. Dass der Patient in einem Sitzwagen zu ihm kommen würde, sei ihm nicht angekündigt worden. Der Antragsgegner habe den Patienten gegrüßt und gefragt, ob er der Antragsteller sei. Nachdem er das bejaht habe, habe er den Antragsteller in das Behandlungszimmer geschoben und sich seinen Fuß angesehen.
Danach sei er in das Lager gegangen und habe die vom Arzt verschriebene Knieorthese geholt und sie am Antragsteller eingestellt. Damit sei eigentlich die Behandlung abgeschlossen gewesen. Nach dem gemeinsamen Ausfüllen des Übernahmescheins habe der Antragsgegner dem Antragsteller noch erläutert, dass für diese Knieorthese ein Selbstbehalt zu bezahlen und sie damit sein Eigentum sei.
Auf diese Erläuterung sei die Stimmung gekippt und der Antragsteller habe emotionsgeladen gefragt: „Für diese Orthese ist etwas zu bezahlen?“ Der Antragsgegner habe ruhig geantwortet: „Ja, leider, in Österreich ist leider nicht alles gratis“. Auf diese Antwort hin habe der Antragsteller den Antragsgegner angeschrien und ihn gefragt, ob er dies auch zu Österreichern sagen würde. Dies habe der Antragsgegner bejaht und der Antragsteller habe gefragt, wieviel zu bezahlen sei. Der Antragsgegner habe den Antragsteller gebeten, ihn nicht anzuschreien, ansonsten er den diensthabenden Oberarzt holen müsse.
Der Antragsteller sei daraufhin noch emotionaler geworden und habe gemeint, dass er sich über den Antragsgegner beschweren würde. Der Antragsgegner habe dazu bemerkt, dass dies sein Recht sei und habe dem Antragsteller seinen Namen genannt. Da die Stimmung schon gekippt gewesen sei, sei der Antragsgegner in den Nebenraum gegangen, um für den Antragsteller den Ambulanzzettel auszudrucken. Dabei habe der Antragsteller dem Antragsgegner nachgeschrien „Die Österreicher können nur Waffen produzieren und ins Ausland verkaufen!“ Der Antragsgegner habe dann mit dem Antragsteller nicht mehr weiter reden wollen, habe ihm den Ambulanzzettel hingelegt und den Raum verlassen.
Der Antragsgegner habe den Antragsteller – so wie alle Patienten – nicht geduzt. Das gebühre die Wertschätzung und Achtung anderer Personen und sei auch für eine gewisse Distanz nötig. Auch spreche er mit Patienten grundsätzlich Hochdeutsch und nicht im Dialekt, um Missverständnisse zu vermeiden.
Herr Mag. O erläuterte in seiner Befragung im Wesentlichen, dass er ein Mitarbeiter der Antidiskriminierungsstelle … sei. Der Antragsteller sei zu ihnen gekommen und habe sich beschwert. Daraus habe sich ein Beratungsprozess entwickelt, in dem es auch mit dem UKH ... zu einem Schlichtungsgespräch gekommen sei. Die Erwartung des Antragstellers sei dabei die Einsicht des Antragsgegners gewesen, dass eine Diskriminierung stattgefunden habe. Zu dieser Einsicht sei es aber bei dem Schlichtungsgespräch nicht gekommen.
Der Antragsgegner habe sich zwar entschuldigt, aber in einer für den Antragsteller nicht akzeptablen Form. Der Antragsgegner habe gesagt: „Sollte sich der Antragsteller verletzt gefühlt haben, dann entschuldige ich mich dafür“. Es sei nicht erkennbar gewesen, dass der Antragsgegner es wirklich eingesehen habe, dass eine Diskriminierung stattgefunden habe. Es sei auch noch die Aussage gefallen: „Ich bin mir keiner Schuld bewusst“.
Herr P erläuterte in seiner Befragung im Wesentlichen, dass er der Qualitätsmanager des UKH ... sei. Er sei sowohl erster Ansprechpartner in diesem Fall gewesen als auch bei diesem Schlichtungsgespräch anwesend gewesen. Der Antragsteller habe ihn telefonisch kontaktiert und zunächst allgemeine Vorwürfe ins Treffen gebracht, so auch die Aussage „Außen hui, innen Pfui“. Diese sei auch später noch einmal gefallen. Des Weiteren habe der Antragsteller geschildert, dass er mit der Behandlung sehr unzufrieden gewesen sei. Der Antragsteller sei dabei sehr vehement und fordernd aufgetreten. Im Endeffekt habe der Befragte aber das Gefühl gehabt, dass sie in Summe ein gutes Gespräch gehabt hätten. Der Befragte habe im Namen der Anstalt sein Bedauern ausgedrückt und diesen Vorfall aufgenommen. Sie seien dann so verblieben, ob der Befragte noch etwas für den Antragsteller tun könne.
Das sei aber nicht der Fall gewesen, da der Antragsteller bereits am Tag des Erstkontaktes einen Termin mit der Antidiskriminierungsstelle Steiermark vereinbart habe. Somit sei der Anstalt die Möglichkeit genommen worden, auf die Beschwerde zu reagieren.
Mit der Antidiskriminierungsstelle sei in der Folge ein Termin für ein Schlichtungsgespräch vereinbart worden. Neben dem Befragten seien bei diesem der Antragsteller, der Antragsgegner, die Pflegedienstleitung und Herr Mag. O anwesend gewesen. Es habe in diesem Gespräch aber keine Annäherung der beiden Seiten gegeben. Der Antragsgegner habe alle Vorwürfe des Antragstellers zurückgewiesen. Es sei vom Befragten wiederum das Bedauern ausgesprochen worden und ein klarer Appell an die Parteien ergangen, man möge die Sache durch Handschlag beenden. Auch habe der Antragsgegner eingestanden, dass die Aussage, dass in Österreich nicht alles gratis sei, nicht passend gewesen sei und von jemandem, der eine Geschichte wie der Antragsteller mitbringe, als Beleidigung aufgefasst werden könne. Es sei vom Antragsgegner eine Entschuldigung ausgesprochen worden, welche der Antragsteller aber nicht angenommen habe.
Frau Q erläuterte in ihrer Befragung im Wesentlichen, dass sie die Leiterin des Pflegedienstes und somit oberste Vorgesetzte des Antragsgegners sei. Zuvor sei sie auch unmittelbare Vorgesetzte des Antragsgegners gewesen und kenne ihn daher schon sehr lange. Daher wisse sie auch, dass der Antragsgegner Patienten niemals duze. Er duze nicht einmal Jugendliche.
Aufgrund der Beschwerde des Antragstellers habe Herr Mag. O mit ihr Kontakt aufgenommen. Im Haus sei es üblich, dass bei Beschwerden auch die Beteiligten befragt würden. Dadurch sei die Befragte sofort mit einem Schlichtungsgespräch einverstanden gewesen, da sie natürlich auch dem Antragsteller die Möglichkeit der Schilderung der Vorwürfe habe geben wollen.
Der Antragsgegner habe sich bei dem Antragsteller entschuldigt und ausgeführt, dass es nicht in seinem Sinne gewesen sei, ihn irgendwie zu beleidigen oder gar zu diskriminieren. Und falls es bei ihm so angekommen sei, tue es ihm leid. Diese Entschuldigung sei vom Antragsteller nicht angenommen worden.
Auch die Befragte habe dem Antragsteller ihr Bedauern ausgedrückt und ihn gebeten mitzuteilen, was er sich erwarte um den Vorfall zu bereinigen. Er fühle sich angegriffen und diskriminiert und dies könne nicht mit einer nicht ernst gemeinten Entschuldigung abgetan werden. Seitens des Antragstellers sei ansonsten aber keine Antwort oder Begründung gekommen.
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Senat III hatte den Fall einer Belästigung des Antragstellers gemäß § 35 Abs. 1 leg.cit. zu prüfen, nämlich, ob dieser im Rahmen der Inanspruchnahme der Behandlungsdienstleistung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit durch den Antragsgegner belästigt wurde.
Die relevanten Gesetzesstellen des hier zu behandelnden Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) bestimmen Folgendes:
§ 30. (2) Für das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit gelten die Bestimmungen dieses Abschnittes für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, sowie für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses
1. beim Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
2. bei sozialen Vergünstigungen,
3. bei der Bildung,
sofern dies in die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes fällt.
§ 31. (1) Auf Grund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit darf niemand unmittelbar oder mittelbar beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, diskriminiert werden. Diskriminierungen von Frauen auf Grund von Schwangerschaft oder Mutterschaft sind unmittelbare Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts.
§ 32. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 31 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
2. ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person geschaffen wird, gelten als Diskriminierung.
(1) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 31 hat die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
(3) Insoweit sich im Streitfall die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 31 oder 35 beruft, hat er/sie diesen glaubhaft zu machen. Dem/der Beklagten obliegt es bei Berufung auf § 31 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 32 Abs. 2 oder des § 33 vorliegt. Bei Berufung auf § 35 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Antragsteller musste unfallbedingt am … das UKH ... zur Versorgung eines Bänderrisses aufsuchen. Nach der Erstversorgung durch einen Arzt wurde der Antragsteller, in einem Rollstuhl/Sitzwagen sitzend, von einer Person zur Anpassung einer Knieorthese in den Wartebereich vor dem Gipszimmer geschoben.
Nicht festgestellt werden konnte, ob der Antragsgegner den Antragsteller zur Behandlung im Gipszimmer über den im Wartebereich angebrachten Bildschirm aufgerufen hat. Allerdings hätte der Antragsteller, aufgrund seiner Bewegungseinschränkung und in einem nicht von ihm bewegbaren Sitzwagen verweilend, diesem Aufruf ohnehin nicht Folge leisten können.
Der Antragsgegner hat nach einiger Zeit die Tür zum Gipszimmer geöffnet, den Antragsteller nach seinem Namen gefragt und ihn zur Behandlung in das Gipszimmer geschoben, um dort die ärztlich angeordnete Behandlung durchzuführen. Danach hat er aus dem Lagerraum die ärztlich angeordnete Knieorthese geholt und diese laut ärztlicher Anweisung auf die entsprechenden Grade eingestellt und am Bein des Antragstellers angelegt.
In weiterer Folge hat der Antragsgegner im Übernahmebestätigungsschein noch die Daten des Antragstellers ausgefüllt und diesen um seine Unterschrift gebeten. Der Antragsgegner hat den Antragsteller bei dieser Gelegenheit darüber informiert, dass die Orthese zwar in seinem Eigentum stehe, dass er aber den Selbstbehalt per Erlagschein zu bezahlen habe und ihm die Rechnung nach Hause übermittelt werde.
Die Information über den Selbstbehalt hat den Antragsteller zur Frage veranlasst, ob für die Schiene etwas zu bezahlen sei. Diese Frage hat der Antragsgegner bejaht und ergänzt, dass in Österreich leider nicht alles gratis sei. Diese Antwort hat den Antragsteller sehr verärgert und die schon angespannte Situation zwischen den Beteiligten weiter eskalieren lassen.
Der Antragsgegner hat sich dann in den Nebenraum begeben, um für den Antragsteller einen Patientenausweis auszudrucken. Während er in den Nebenraum gegangen ist, hat der Antragsteller ihm nachgerufen: „Die Österreicher können nur Waffen produzieren und dann ins Ausland verkaufen“.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller danach seinen Behandlungsschein ausgefolgt und daraufhin den Raum verlassen.
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hat erwogen:
Der Antragsteller nahm eine ärztliche Behandlungsdienstleistung in Anspruch, welche der Öffentlichkeit zur Verfügung steht und daher gemäß § 30 Abs. 1 leg.cit. vom Geltungsbereich des Gleichbehandlungsgesetzes umfasst ist.
Der Senat III verneinte in seiner Sitzung vom 21. Jänner 2016 die Frage einer Belästigung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit des Antragstellers durch den Antragsgegner iSd § 35 Abs. 1 leg.cit.
Belästigungen im Sinne des § 35 Abs. 1 leg.cit. sind unerwünschte, unangebrachte bzw. anstößige Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit der ethnischen Zugehörigkeit einer Person stehen und die die Verletzung der Würde einer Person bezwecken oder bewirken und damit ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person schaffen.
Dazu wird auf das subjektive Empfinden der betroffenen Person abgestellt, nämlich, ob sie oder er persönlich ein nach objektiven Kriterien zu beurteilendes, die Würde verletzendes Verhalten als unangebracht, unerwünscht oder anstößig empfindet.
Gelingt einer Person die Glaubhaftmachung einer Belästigung nach § 35 Abs. 1 leg.cit., so verlagert sich die Beweislast gemäß § 38 Abs. 3 leg.cit. auf den/die mutmaßliche/n Belästiger/in. Diesem/Dieser obliegt dann der Beweis, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr „glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen“. Bei einer Gegenüberstellung der Tatsachen, die vom/von der Betroffenen bescheinigt wurden, mit den Tatsachen, die der/die die Belästigung Bestreitende vorbringt, muss also der Senat letztlich das Tatsachenvorbringen des/der Bestreitenden mit hoher Wahrscheinlichkeit für zutreffend halten, um eine Belästigung zu verneinen.
Zunächst ist festzuhalten, dass Senat III im Rahmen der von den AntragstellerInnen glaubhaft zu machenden Umstände einer Belästigung, grundsätzlich eine sehr niedrige Schwelle ansetzt. Dennoch muss der vorliegende Fall an der Grenze zur gelungenen Glaubhaftmachung angesiedelt werden. Aus dem Antrag ist die Voraussetzung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer ethnisch konnotierten Belästigung, nämlich nicht unmittelbar abzuleiten, sondern nur unter interpretativer Zugrundelegung weiterer, im Antrag nicht näher ausgeführter, Umstände hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen den Äußerungen des Antragsgegners und der ethnischen Herkunft des Antragstellers.
Auch aus den Aussagen in den Befragungen ergab sich ein konträres Bild, was Inhalt und zugrundeliegendes Motiv in der Kommunikation zwischen Antragsteller und Antragsgegner im Rahmen der Behandlung angeht. Die Vorwürfe des Antragstellers hinsichtlich einer ethnisch konnotierten Belästigung bzw. Schlechterbehandlung aufgrund der Herkunft konnten durch ihn aber nicht weiter substantiiert werden.
Senat III kam zur Überzeugung, dass die beschriebene Behandlungssituation von Anfang an konfliktbeladen war und hier zwei ausgeprägte Persönlichkeiten aufeinander trafen. Tonfall und Habitus des Antragsgegners waren sicherlich nicht besonders freundlich und die Aussage, dass in Österreich nicht alles gratis sei, trug auch nicht zur Deeskalierung der Situation bei. Insofern muss dem Antragsgegner mangelnde Sensibilität im Umgang mit dem Antragsteller vorgeworfen werden.
Jedoch konnten vom Senat III keinerlei ethnisch motivierten Hintergründe für das Verhalten des Antragsgegners erkannt werden. Aufgrund seiner Aussagen und des persönlichen Eindrucks, den Senat III vom Antragsgegner gewann, ist davon auszugehen, dass jedwede Person, jedweder Herkunft, von ihm so behandelt worden wäre. Die Grenze eines die Würde des Antragstellers verletzenden Verhaltens wurde vom Antragsteller nicht überschritten.
Daran schließt die Überzeugung des Senates, dass der Antragsgegner den Antragsteller im Rahmen ihres Aufeinandertreffens nicht rassistisch beschimpft hat. Nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren gelangte der erkennende Senat aufgrund der in der mündlichen Befragung getätigten Aussagen der Auskunftspersonen zur Auffassung, dass der Antragsgegner überzeugend darlegen konnte, den Antragsteller nicht belästigt zu haben. Es konnte keine mit der ethnischen Zugehörigkeit des Antragstellers im Zusammenhang stehende verpönte Verhaltensweise durch den Antragsgegner erkannt werden. Dem Antragsgegner ist es nach Ansicht des Senates III daher gelungen, den Vorwurf der Belästigung des Antragstellers gemäß § 35 Abs. 1 leg.cit. zu entkräften.
Dessen ungeachtet legt der Senat dem Antragsgegner dennoch nahe, künftig den Bedürfnissen der Patienten – insbesondere im Hinblick auf die Zielsetzung des Gleichbehandlungsgesetzes zur Herstellung einer diskriminierungsfreien Umwelt – mit noch mehr Sensibilität und Aufmerksamkeit entgegenzutreten und in konfliktgeladenen Situationen noch gezielter das Gespräch zu suchen und Aufklärung herbeizuführen.
Der Senat III kam daher zur Auffassung, dass durch den Antragsgegner keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes durch eine Belästigung des Antragstellers aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit gemäß § 35 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz vorliegt.
Wien, im Jänner 2016
Mag. Robert Brunner
(Vorsitzender)
Zuletzt aktualisiert am
10.11.2017