TE Lvwg Erkenntnis 2017/10/12 VGW-141/028/474/2017

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Veröffentlicht am 12.10.2017
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Entscheidungsdatum

12.10.2017

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien
20/01 Allgemein bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

WMG §24
ABGB §549
ABGB §1280

Text

                          

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Zotter über die Beschwerde der Frau X. L., vertreten durch Herrn C. Z., Wien, S.-straße, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 30.11.2016, Zl. MA 40-386161/14, in einer Angelegenheit nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG), zu Recht erkannt:

 

I.

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II.

Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Magistrat der Stadt Wien der nunmehrigen Beschwerdeführerin die Verpflichtung auferlegt, binnen zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides die für den Zeitraum von 19.04.2013 bis 05.06.2016 für den verstorbenen Ehemann der Beschwerdeführerin Li. Z. aufgewendete Kosten für Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von 1.930,41 Euro zu ersetzen. Begründend wird ausgeführt, dem Verstorbenen Li. Z. seien vom 19.04.2013 bis 05.06.2016 Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zuerkannt worden. Dadurch seien dem Land Wien als Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in den letzten zehn Jahren der Hilfegewährung Kosten in der Höhe von 14.042,92 Euro entstanden. Der Kostenersatzanspruch sei im Verlassenschaftsverfahren als Forderung gegen den Nachlass bzw. die erbantrittserklärten Erbinnen und Erben angemeldet worden und finde in der Höhe von 5.791,22 Euro im Nachlass Deckung. Daher sei die Beschwerdeführerin (neben anderen Erben) zum Kostenersatz in der Höhe von 1.930,41 Euro zu verpflichten gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Beantragt wird die Prüfung bzw. die Herabsetzung der Forderung. In der Kalkulation würden knapp 15.000 Euro aus dem Genossenschaftsanteil der Wohnung, die die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann angemietet hatte, als Aktiva angerechnet. Diese stünden allerdings nicht zur Verfügung, da die Beschwerdeführerin diese Wohnung nach wie vor bewohne. Außerdem sei der Genossenschaftsanteil mittels eines Darlehens der Kinder finanziert worden. Dies könne anhand von Auszügen belegt werden. Weiters seien zwei Rechnungen als Passiva dazugekommen, welche nicht berücksichtigt worden seien. Die Beschwerdeführerin lebe von der Witwenpension, die sehr bescheiden sei.

Der Beschwerde sind Rechnungen über Bestattungskosten, Fundamentarbeiten und einen Grabstein angeschlossen.

Im Beschwerdeverfahren hat der Magistrat der Stadt Wien als belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Der Vertreter der Beschwerdeführerin gab zu Protokoll, im Endeffekt sei es so, dass nunmehr das Darlehen für die Beschaffung der Wohnung nicht mehr zur Gänze zurückbezahlt werde und das Geld für die Forderung der MA 40 real nicht zur Verfügung stehe, da der vererbte Wohnungsanteil als Aktivum gelte. Dieser könne nicht realisiert werden, da die Wohnung dem Wohnbedürfnis der Beschwerdeführerin diene. Im Ergebnis müsste die von der MA 40 erhobene Forderung aus eigenen Mitteln der Erben beglichen werden.

Aufgrund des Akteninhaltes und des im Verfahren erstatteten Vorbringens steht nachfolgender Sachverhalt fest:

Der Magistrat der Stadt Wien hat dem am 05.06.2016 verstorbenen Herrn Li. Z. im Zeitraum 19.04.2013 bis 05.06.2016 Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung von 14.042,92 Euro ausbezahlt. Die Beschwerdeführerin ist die erbliche Witwe des Genannten. Sie gab - wie ihre drei Kinder - nach dem Erblasser eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Als gesetzlicher Erbin wurden ihr nach dem Verstorbenen ein Drittel des Nachlasses eingeantwortet (Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes ... zur Zl. ...). Im Verlassenschaftsverfahren erfolgte eine Inventarisierung des Nachlasses. Danach beträgt die Summe der Nachlassaktiva 30.327,29 Euro. Neben einem Bausparvertrag (7.753,57 Euro) und einem Kontoguthaben (6.778,06 Euro) ist darin der Hälfteanteil eines Finanzierungsbeitragsguthabens bei der Ci. GmbH im Wert von 15.427,14 Euro enthalten. Dabei handelt es sich um 50 % des Grund- und Baukostenbeitrages, der am 12.2.2015 zur Erlangung der vom Verstorbenen und der Beschwerdeführerin angemieteten Wohnung, entrichtet wurde. Diese Wohnung dient weiterhin dem dringenden Wohnbedürfnis der Beschwerdeführerin. Als Nachlasspassiva wurden Bestattungskosten von 16.942,70 Euro, eine Darlehensforderung von 13.055,31 Euro sowie die Sozialhilfeforderung der MA 40 von 14.042,92 Euro festgestellt. Unbestritten blieb im Verfahren, dass die festgestellten Sozialhilfeleistungen an den verstorbenen Ehemann der Beschwerdeführerin geleistet wurden.

Dieser Sachverhalt folgt im Wesentlichen aus dem beigeschafften Verlassenschaftsakt des BG .... Die Tatsache, dass die angeführte Wohnung weiterhin dem dringenden Wohnbedürfnis der Beschwerdeführerin dient, stützt sich auf das diesbezüglich glaubwürdige Vorbringen in der mündlichen Verhandlung.

Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) lauten:

§ 24 (1) Für Kosten, die dem Land Wien als Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch die Zuerkennung von Leistungen zur Mindestsicherung entstehen, ist dem Land Wien als Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Ersatz zu leisten.
(2) Ersatzpflichtig sind alle anspruchsberechtigten Hilfe suchenden oder empfangenden Personen, soweit sie zu verwertbarem Vermögen oder Einkommen, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stammt, gelangen. Es sind jene Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch Hilfegewährungen in den letzten drei Jahren der Hilfeleistung entstanden sind. Stichtag für die Berechnung der Frist ist der letzte Tag des Jahres in dem Leistungen an die Ersatzpflichtige oder den Ersatzpflichtigen geflossen sind.
(3) Über die Verpflichtung zum Kostenersatz ist mit Bescheid zu entscheiden. Die Behörde ist berechtigt, die Aufrechnung gegen Ansprüche auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu verfügen.
(4) Ersatzpflichtig sind darüber hinaus die erbserklärten Erbinnen und Erben nach dem Tod der in Abs. 2 genannten Personen. Die Ersatzforderung wird mit dem Tag des Todes fällig. Soweit eine Zahlung aus dem Nachlass nicht erlangt werden kann, erlischt die Forderung. Weitere Ersatzforderungen gegen Erbinnen und Erben nach Einantwortung sind nicht zulässig. Es sind jene Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durch Hilfegewährungen in den letzten zehn Jahren der Hilfeleistung entstanden sind. Stichtag für die Berechnung der Frist ist der letzte Tag des Jahres, in dem Leistungen an die Ersatzpflichtigen geflossen sind.
(5) Ersatz ist im Umfang der durch die Hilfegewährung an die Bedarfsgemeinschaft entstandenen Kosten zu leisten. Alle anspruchsberechtigten Personen, denen als Bedarfsgemeinschaft Hilfe zuerkannt wurde, sind solidarisch zum Ersatz der Kosten verpflichtet.
(6) Der Kostenersatzanspruch des Trägers der Bedarfsorientierten Mindestsicherung verjährt drei Jahre nach Kenntnis der Umstände, die die Ersatzpflicht begründen.

Gemäß § 549 ABGB gehören zu den auf einer Verlassenschaft haftenden Lasten auch die Kosten für ein ortsübliches und den Lebensverhältnissen sowie dem Vermögen des Verstorbenen angemessenes Begräbnis.

Gemäß § 1280 ABGB zählt alles, was der Erbe aus dem Erbrecht erhält, zur Verlassenschaft. Alle Aufwendungen, die er selbst für den Antritt der Erbschaft oder für die Verlassenschaft gemacht hat, werden hingegen von der Verlassenschaft abgezogen. Dazu gehören die bezahlten Schulden, die schon abgeführten Vermächtnisse, Steuern, Abgaben und Gerichtsgebühren und wenn nicht ausdrücklich was anderes vereinbart wurde, auch die Begräbniskosten.

Nach der Anordnung des § 24 Abs. 4 WMG ist die Beschwerdeführerin als erbantrittserklärte Erbin nach dem Tod der Hilfe empfangenden Person zum Kostenersatz insoweit verpflichtet, als eine Zahlung aus dem Nachlass erlangt werden kann. Darüber hinausgehende Forderungen erlöschen.

Die belangte Behörde hat die Ersatzforderung gegenüber der Beschwerdeführerin wie folgt berechnet: Von der Summe der Nachlassenaktiva (30.327, 29 Euro) hat sie 1.795,44 Euro für Gebühren des Gerichtskommissärs, 345 Euro für Gebühren des Sachverständigen (Erstellung des Inventars), 69 Euro für Gerichtsgebühren und 16.942,70 Euro für Bestattungskosten inklusive Nebenkosten abgezogen. Die Restsumme der Aktiva von 11.175,15 Euro hat sie sodann anteilig auf die Darlehensforderung von 13.055,31 Euro (48,18%) und die Forderung der MA 40 von 14.042,92 Euro (51,82%) aufgeteilt, sodass sich hinsichtlich der Forderung der MA 40 eine Befriedigungsquote von 5.791,22 Euro und hinsichtlich der Darlehensforderung von 5.383,93 Euro ergibt. Die Forderung von 5.791,22 Euro wurde demnach der Beschwerdeführerin als erblicher Witwe mit einem Erbanteil von einem Drittel mit 1.930,41 Euro und den drei Kindern mit einem Erbanteil von je zwei Neuntel mit je 1.286,94 Euro zum Ersatz vorgeschrieben.

Bei der Berechnung hat die belangte Behörde von den Aktiva entsprechend der Anordnung des § 1280 ABGB die Gebühren des Gerichtskommissärs und des Sachverständigen, die Gerichtsgebühren und die Bestattungskosten in Abzug gebracht. Im Beschwerdeverfahren wurde nunmehr darüber hinaus geltend gemacht, dass das in den Nachlassaktiva enthaltene Finanzierungsbeitragsguthaben für die vom Verstorbenen und der Beschwerdeführerin angemieteten Wohnung in realiter nicht zur Verfügung steht. Dieses Vorbringen führt der Beschwerde zum Erfolg. Es ist davon auszugehen, dass dieses Guthaben nur realisiert werden kann, wenn der zugrunde liegende Mietvertrag aufgelöst wird. Dies ist jedoch insoweit nicht verlangen, als die Wohnung weiterhin dem dringenden Wohnbedarf der Beschwerdeführerin dient, die selbst nur über ein geringes Einkommen verfügt. Bei Beantwortung der Frage, ob die Zahlung der Ersatzforderung aus dem Nachlass erlangt werden kann, darf dieses Guthaben in Höhe von 15.427,14 Euro daher nicht berücksichtigt werden. Als diesbezüglich heranzuziehende Grundlage verbleibt daher nur eine Summe von 14.900,15 Euro. Daraus können schon die Gebühren des Gerichtskommissärs (1.795,44 Euro), die Gebühren des Sachverständigen (345 Euro), die Gerichtsgebühren (69 Euro) und die Bestattungskosten inklusive Nebenkosten (16.942,70 Euro) nicht zur Gänze gedeckt werden, was zur Folge hat, dass die Zahlung der Ersatzforderung der MA 40 gemäß § 24 Abs. 3 WMG aus dem Nachlass nicht erlangt werden kann und zur Gänze erloschen ist.

Folgte man der Auffassung der belangten Behörde, wäre die Beschwerdeführerin im Ergebnis dazu verhalten, den Kostenersatz nicht aus dem Nachlass, sondern aus eigenen Mitteln zu bestreiten, was § 24 Abs. 4 WMG ausdrücklich nicht vorsieht (siehe § 24 Abs. 4 vierter Satz WMG).

Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist zulässig, da eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit ersichtlich besteht keine Rechtsprechung zu der Frage, wie hinsichtlich des Kostenersatzes zu verfahren ist, wenn in die Nachlassaktiva Werte einfließen, die aktuell nicht verwertbare Gegenstände betreffen. Im Erkenntnis vom 29.3.2017, 2016/10/0146, war diese Frage vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beantworten, weil es infolge der Höhe des vererbten Vermögens auf die Frage der Verwertbarkeit einer vom Erben genutzten Wohnung fallbezogen nicht ankam.

Schlagworte

Mindestsicherung; Kostenersatz; Ablebensfall; Wohnung; Genossenschaftsanteil; Nachlassaktiva; aktuell nicht verwertbare Gegenstände

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.141.028.474.2017

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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