TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/25 L516 2173650-1

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Veröffentlicht am 25.10.2017
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Entscheidungsdatum

25.10.2017

Norm

BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §13 Abs1

Spruch

L516 2173650-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH – ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017, Zahl 1081333603-151027279, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser gemäß § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG ersatzlos behoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gemäß § 13 Abs 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 06.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 05.09.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.

2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) gemäß § 8 AsylG ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gegen diesen eine Rückkehrentscheidung § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Das BFA sprach zudem aus, dass für die freiwillige Ausreise keine Frist bestehe (Spruchpunkt IV). Das BFA erließ zudem gem § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI) und sprach aus, dass der Beschwerdeführer gem § 13 Abs 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 08.07.2017 verloren habe (Spruchpunkt VII).

3. Mit Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

4. Der Beschwerdeführer hat gegen den Bescheid des BFA am 27.09.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 18.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise am 06.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, befindet sich seither im laufenden Asylverfahren und erhält seither Leistung aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde.

1.2. Der Beschwerdeführer wurde von einem österreichischen Landesgericht mit seit 08.07.2017 rechtskräftigem Urteil vom 04.07.2017 gemäß § 223 (2), § 224 StGB bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt. Der Verurteilung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 13.04.2017 einen als falsch bzw verfälscht qualifizierten ausländischen Führerschein im Rechtsverkehr gebraucht hat.

1.3. Das BFA traf im angefochtenen Bescheid die Feststellung, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, und stützte diese Feststellung in der Beweiswürdigung ausschließlich auf die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers (Bescheid, S 11, 55). Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides begründete das BFA die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wie folgt:

"Wie oben ausgeführt, liegt in Ihrem Fall Ziffer 2 vor. So wurde vom Bundesamt festgestellt, dass Sie aufgrund eines Vergehens nach dem StGB rechtskräftig verurteilt wurden. Der vorliegende Straftatbestand, sowie die negative Zukunftsprognose, die sich aus Ihrem bisherigen persönlichen Verhalten im Bundesgebiet ergibt, rechtfertigen die Annahme, dass Ihr Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. So wurde vom Bundesamt festgestellt, dass Sie zusätzlich aufgrund Ihrer Mittellosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen. Für die Behörde steht fest, dass für Sie bei Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben ist. Sie bedürfen daher nicht des Schutzes Österreichs. Es ist in Ihrem Fall davon auszugehen, dass die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Interesse eines geordneten Fremdenwesens geboten ist. Da Ihrem Antrag auf internationalen Schutz keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist und Ihnen auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat droht, ist es Ihnen zumutbar, den Ausgang Ihres Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Ihr Interesse auf einen Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens tritt hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück." [Bescheid, S 63]

2. Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zum Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung sowie dazu, dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung erhält ergeben sich aus dem Strafregister der Republik Österreich im Einklang mit den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA am 05.09.2017 (Aktenseite (AS 88) sowie dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS)).

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Ersatzlose Behebung von Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides

Rechtsgrundlage

3.1. Gemäß § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG kann einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.1. Nach der Regierungsvorlage zu § 18 Abs 1 BFA-VG erfolgt die Bestimmung der Ziffer 2 in Umsetzung des Art 46 Abs 6 lit a iVm Art 31 Abs 8 lit j der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes.

3.2. Laut den weiteren Erläuterungen zu § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG "geht es bei der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach dieser Ziffer um die Aufrechterhaltung insbesondere der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, so dass auf die entsprechende Auslegung und Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Frist für die freiwillige Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei Rückkehrentscheidungen zurückgegriffen werden kann." (RV 582 XXV. GP)

3.3. Soweit daher in den Erläuterungen für die Anwendung der Ziffer 2, wie dargelegt, ausdrücklich die Auslegung und Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Frist für die freiwillige Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei Rückkehrentscheidungen als relevant erachtet wird, ist auf das Urteil des Gerichtshofes Europäischen Union (EuGH) vom 11.06.2015 in der Rechtssache Zh und O, C-554/13 zur Auslegung des Art 7 Abs 4 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) zu verweisen. Der EuGH hat in jener Entscheidung festgestellt, dass ein Mitgliedstaat gehalten ist, den Begriff "Gefahr für die öffentliche Ordnung" im Sinne von Art 7 Abs 4 der Richtlinie 2008/115 im Einzelfall zu beurteilen, um zu prüfen, ob das persönliche Verhalten des betreffenden Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Stützt sich ein Mitgliedstaat auf eine allgemeine Praxis oder irgendeine Vermutung, um eine solche Gefahr festzustellen, ohne dass das persönliche Verhalten des Drittstaatsangehörigen und die Gefahr, die dieses Verhalten für die öffentliche Ordnung darstellt, gebührend berücksichtigt werden, verkennt er die Anforderungen an eine individuelle Prüfung des in Rede stehenden Falles und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Daraus folgt, dass der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger verdächtigt wird, eine nach nationalem Recht strafbare Handlung begangen zu haben, oder wegen einer solchen Tat strafrechtlich verurteilt wurde, allein nicht rechtfertigen kann, dass dieser Drittstaatsangehörige als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne von Art 7 Abs 4 der Richtlinie 2008/115 anzusehen ist (EuGH 11.06.2015, Zh und O, C-554/13, EU:C:2015:377, Rz 50).

3.4. Der EuGH hat in der soeben zitierten Entscheidung des Weiteren festgestellt, dass der Begriff Gefahr für die öffentliche Ordnung, wie er in Art 7 Abs 4 der Rückführungsrichtlinie vorgesehen ist, jedenfalls voraussetzt, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Daraus folgt, dass im Rahmen der Beurteilung dieses Begriffs jedes tatsächliche oder rechtliche Kriterium zur Situation des betreffenden Drittstaatsangehörigen maßgeblich ist, das geeignet ist, die Frage zu klären, ob sein persönliches Verhalten eine solche Bedrohung begründet. Folglich gehören im Fall eines Drittstaatsangehörigen, der verdächtigt wird, eine nach nationalem Recht strafbare Handlung begangen zu haben, oder der wegen einer solchen Tat strafrechtlich verurteilt wurde, die Art und die Schwere dieser Tat sowie der Zeitablauf seit ihrer Begehung zu den insoweit maßgeblichen Kriterien (ebenda, Rz 60-62).

3.5. Fallbezogen begründet das BFA die Heranziehung von § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG mit der vorliegenden strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Gebrauchs eines falschen bzw gefälschten ausländischen Führerscheins und einer vom BFA angenommenen, jedoch nicht weiter dargelegten "negative[n] Zukunftsprognose, die sich aus [seinem] bisherigen persönlichen Verhalten im Bundesgebiet ergibt.". Abgesehen von der strafrechtlichen Verurteilung wirft das BFA dem Beschwerdeführer kein Verhalten vor, auf das sich die negative Zukunftsprognose stützten könnte. Der Umstand der Verurteilung kann jedoch nach der zuvor zitierten Rechtsprechung des EuGH allein nicht rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit anzusehen ist. Der konkreten Verurteilung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 13.04.2017 einen als falsch bzw verfälscht qualifizierten ausländischen Führerschein im Rechtsverkehr gebraucht hat, und der Beschwerdeführer wurde bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe tatsächlich lediglich zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer keine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

3.6. Soweit das BFA darüber hinaus – im Rahmen der rechtlichen Beurteilung – ausführt, dass der Beschwerdeführer "zusätzlich aufgrund [seiner] Mittellosigkeit eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle[n]", ist festzuhalten, dass das bloße Vorliegen von Mittelosigkeit allein keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Fallbezogen hat das BFA im angefochtenen Bescheid selbst zudem festgestellt, dass der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde erhält (Bescheid, S 10) und der Verwaltungsgerichtshof hat in Zusammenhang mit einer früheren Regelung ausgesprochen, dass einem Gesetzgeber, wenn dieser die Förderungswürdigkeit bestimmter Asylwerber während des Asylverfahrens anerkannt hat, nicht unterstellt werden kann, er hätte gleichzeitig die sofortige Beendigung von deren Aufenthalt als im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten angeordnet (VwGH 21.12.2004, 2004/21/0083). Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf den vorliegenden Fall übertragbar.

3.7. Da das BFA somit nicht dargelegt hat, dass der Beschwerdeführer eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, erweist sich die vom BFA auf § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG gestützte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde daher als verfehlt.

3.8. Es war daher der Spruchteil V des angefochtenen Bescheides spruchgemäß ersatzlos zu beheben.

3.9. Im gegenständlichen Verfahren war ein Vorgehen gemäß § 59 Abs 1 letzter Satz AVG zulässig, da die Entscheidung über Spruchpunkt V spruchreif war und die Trennung – auf Grund der Folgen einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für den Betroffenen – auch zweckmäßig erscheint.

3.10. Über die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I bis IV sowie VI bis VII des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu B)

Revision

3.11. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.12. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, ersatzlose
Behebung, Feststellungsentscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:L516.2173650.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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