RS Vfgh 2017/9/28 E1006/2017

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Veröffentlicht am 28.09.2017
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Index

L6650 Flurverfassung

Norm

B-VG Art83 Abs2
Tir FlVLG 1996 §37 Abs7, §72, §73, §86d

Leitsatz

Kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Zurückweisung des Antrags einer Gemeindegutsagrargemeinschaft und von Mitgliedern derselben auf Entschädigung wegen Legalenteignung durch die Flurverfassungsgesetz-Novellen 2010 und 2014; keine Zuständigkeit der Agrarbehörde mangels Vorliegens einer Streitigkeit zwischen den Antragstellern und der Gemeinde

Rechtssatz

Aufhebung des §86d Tir FlVLG 1996 (TFLG 1996) idF LGBl 70/2014 mit E v 13.10.2016, G219/2015, unter Fristsetzung bis 31.12.2017.

Ein unter Fristsetzung aufgehobenes Gesetz steht während dieses Zeitraumes einem verfassungsrechtlich einwandfreien Bestandteil der Rechtsordnung gleich; die als verfassungswidrig erkannte Gesetzesstelle kann nicht neuerlich Gegenstand eines Gesetzesprüfungsverfahrens sein (vgl VfSlg 17332/2004 mwN).

Die Einschreiter (eine Gemeindegutsagrargemeinschaft und Mitglieder derselben) begehren mit ihrem Antrag von der Gemeinde Umhausen (als "Erscheinungsform" des österreichischen Staates, dem der Landesgesetzgeber das Vermögen der Antragsteller zugewendet habe) eine Enteignungsentschädigung wegen (behaupteter entschädigungsloser) Legalenteignung durch die TFLG 1996-Novellen 2010 (LGBl 7/2010) und 2014 (LGBl 70/2014).

Damit liegt aber keine Streitigkeit zwischen den Antragstellern und der Gemeinde Umhausen vor, sondern die Einschreiter behaupten, der Tiroler Landesgesetzgeber habe ein verfassungswidriges (weil eine entschädigungslose Enteignung vorsehendes) Gesetz erlassen. Für eine solche "Streitigkeit" sieht §37 Abs7 TFLG 1996 jedoch keine Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Entscheidung vor. Ebensowenig ergibt sich deren Zuständigkeit aus §72 leg cit (abgesehen vom Nicht-Vorliegen eines der darin aufgezählten Verfahren, liegt insbesondere auch keine Streitigkeit über Eigentum und Besitz vor [vgl Abs5 lita]) oder §73 leg cit (insbesondere ist nicht strittig, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist [vgl litc]). Die Agrarbehörde ist für den gestellten Antrag auch gemäß §86d Abs2 leg cit schon deshalb nicht zuständig, weil keiner der in §86d Abs1 lita, b und c leg cit taxativ aufgezählten Fälle einer vermögensrechtlichen Auseinandersetzung über vermögenswerte Ansprüche aus dem Mitgliedschaftsverhältnis und auf Grund des Mitgliedschaftsverhältnisses zwischen einer Gemeindegutsagrargemeinschaft, den Nutzungsberechtigten und der substanzberechtigten Gemeinde vorliegt, die vor dem Ablauf des Tages der Kundmachung des Gesetzes LGBl 70/2014 (30.06.2014) entstanden sind. Schließlich scheidet eine analoge Anwendung des §86d Abs2 leg cit schon deswegen aus, weil keine planwidrige Lücke vorliegt.

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Bodenreform, Flurverfassung, Enteignung, Entschädigung, Agrarbehörden, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:E1006.2017

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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