Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Brenn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Ferdinand Dietrich und Mag. Michaela Puhm in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** T*****, vertreten durch Mag. Günter Novak-Kaiser Rechtsanwalt GmbH in Murau, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach T***** A*****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen 5.000 EUR sA und Rechnungslegung, über den Rekurs und die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Oktober 2016, GZ 6 Ra 46/16f-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. April 2016, GZ 25 Cga 106/15t-13, teilweise aufgehoben und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der Revision wird Folge gegeben.
2. Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert und in der Sache zu Recht erkannt, dass sie unter Einbeziehung des bereits in Rechtskraft erwachsenen Zuspruchs als Teilurteil und Beschluss insgesamt lautet:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 696,16 EUR brutto samt 8 % Zinsen ab 21. 3. 2015 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
2. Das Stufenklagebegehren auf Vorlage der Arbeitszeitaufzeichnungen für den Zeitraum vom 11. 8. 2011 bis 11. 3. 2015 sowie Zahlung eines nach erfolgter Rechnungslegung noch zu beziffernden Betrags wird, soweit dieser 2.273,76 EUR brutto samt Zinsen übersteigt, abgewiesen.
3. Im Übrigen, nämlich hinsichtlich des Begehrens auf Zahlung von 2.273,76 EUR samt Anhang wird die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben und die Arbeitsrechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.“
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 11. 8. 2011 bis 11. 3. 2015 bei der Beklagten bzw deren Rechtsvorgänger als Arbeiterin in einem Fleischereiunternehmen in Vollzeit mit einem Monatslohn von 1.640,91 EUR brutto beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch berechtigten vorzeitigen Austritt. Am 18. 3. 2015 forderte die Klägerin die Beklagte schriftlich zur Vorlage aller Arbeitszeitaufzeichnungen seit ihrem Eintritt auf.
Mit ihrer am 10. 9. 2015 eingebrachten Stufenklage begehrt die Klägerin:
1. die Vorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses und
2. die Zahlung der sich aufgrund dieser Aufzeichnungen ergebenden Kündigungsentschädigung „in voller Höhe, zumindest aber 696,16 EUR“, weiters „die nicht vergüteten Überstunden „in voller Höhe, zumindest im Betrag von 2.273,76 EUR“ je samt Zinsen, „wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur gemäß Punkt 1. des Urteilsspruchs erfolgten Rechnungslegung vorbehalten“ bleibe.
Die Klägerin hat vorgebracht, sie habe Dienstags von 7:00 bis 13:00 Uhr, von Mittwoch bis Freitag von 7:00 bis 13:00 Uhr und von 14:30 bis 19:30 Uhr bzw 20:00 Uhr sowie an Samstagen von 6:30 bis 12:30 Uhr und von 13:00 bis 15:30 Uhr bei der Beklagten gearbeitet, dies seien pro Woche „50 bis 52 Stunden“ (Anm.: ohne Begründung der rechnerischen Differenz zu den angegebenen Dienstzeiten). Im Durchschnitt habe die Klägerin 10 Überstunden pro Woche geleistet. Zusätzliche Stunden habe sie an jedem 24. 12. und 31. 12., ferner an Montagen in der jährlichen Karwoche gearbeitet.
Wie alle Mitarbeiter habe die Klägerin die geleisteten Arbeitsstunden auf einem Kalender im Betrieb der Beklagten notiert. Die Überstunden seien am Monatsende von der Chefin abgerechnet und bar bezahlt worden, aber nicht auf den Gehaltsabrechnungen aufgeschienen.
Die Beklagte habe die Überstunden nicht vollständig bezahlt, da sie die Rechtsauffassung vertreten habe, dass die an Feiertagen nicht geleistete Arbeit den Mitarbeitern als Minusstunden anzurechnen sei, die sie mit den geleisteten Überstunden ausgleichen müssten. Auch die Stunden, in denen der Betrieb am Begräbnistag des Betriebsinhabers geschlossen war, seien als Minusstunden abgezogen worden. Für die Feiertage in der Zeit vom 25. 12. 2014 bis 6. 1. 2015 seien die zunächst abgezogenen Stunden aber nach Rücksprache mit dem Steuerberater nachbezahlt worden.
Die Beklagte sei trotz Aufforderung vom 18. 3. 2015 ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Ausfolgung der Arbeitszeitaufzeichnungen nicht nachgekommen. Vor deren Erhalt sei der Klägerin eine Konkretisierung ihres Begehrens nicht möglich. Sie gehe „vorläufig“ von 80 unbezahlten Überstunden pro Jahr aus, die für insgesamt drei Jahre ein Überstundenentgelt von 2.273,76 EUR (nur Grundlohn, ohne Überstundenzuschläge) rechtfertigen würden.
Die Beklagte anerkannte in der Verhandlungstagsatzung einen Anspruch der Klägerin auf eine restliche Kündigungsentschädigung in Höhe von 696,16 EUR brutto, bestehend aus Grundlohn und anteiligen Sonderzahlungen. Im Übrigen sei die Klagserzählung völlig unschlüssig. Der Klägerin wäre eine konkrete Bezifferung eines Leistungsbegehrens schon nach ihrem eigenen Vorbringen ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, sodass eine Stufenklage unzulässig sei. Es seien tatsächlich keine Überstundenentgelte offen; die Klägerin habe es verabsäumt, von der behaupteten Mindestsumme die von ihr zugestandenen, den geforderten Betrag übersteigenden monatlichen Zahlungen abzuziehen.
Selbst wenn aber Überstundenentgelt in der Vergangenheit offen geblieben wäre, seien die Ansprüche nach § 20 Z 2 des Kollektivvertrags für das Fleischergewerbe (im Folgenden: KV) mangels Geltendmachung binnen 3 Monaten nach Entstehen bzw Bekanntwerden verfallen.
Das Erstgericht sprach der Klägerin (unbekämpft) 616,96 EUR brutto an Kündigungsentschädigung zu und wies das gesamte Manifestationsbegehren sowie „das Eventualbegehren“ auf Zahlung von 2.273,76 EUR brutto sA ab.
Schon nach den Urkunden und Klagsbehauptungen erweise sich der Verfallseinwand als berechtigt, weitere Beweisaufnahmen seien darum entbehrlich gewesen. Die Klägerin habe regelmäßige Lohnabrechnungen erhalten, damit sei jeweils die dreimonatige Reklamationsfrist in Gang gesetzt worden. Darüber hinaus bestehe kein privatrechtlicher Anspruch auf Rechnungslegung, weil die Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen nach dem AZG eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung sei. Es wäre der Klägerin leicht möglich gewesen, die ihr laut Klagserzählung ohnehin bekannte Anzahl der Überstunden konkret anzugeben.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Klägerin teilweise Folge und verpflichtete die Beklagte zur Vorlage der Arbeitszeitaufzeichnungen für den Zeitraum von 1. 1. bis 11. 3. 2015. Im Umfang des übrigen Stufenklagebegehrens und des „allfälligen Eventualbegehrens“ hob es das erstgerichtliche Urteil zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
Gemäß § 26 Abs 8 AZG in der seit 1. 1. 2015 geltenden Fassung habe jeder Arbeitnehmer, der dies nachweislich geltend mache, einen direkten Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Vorlage der Arbeitszeitaufzeichnungen. Komme der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, seien allfällige Verfallsfristen nach § 26 Abs 9 Z 1 AZG gehemmt.
Im Unterschied zur früheren Rechtslage, nach der lediglich eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen bestanden habe, gelte nunmehr für die Zeit ab 1. 1. 2015 eine gesetzliche Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer, die auch die Möglichkeit der Stufenklage eröffne. Arbeitszeitaufzeichnungen seien bei der Geltendmachung von Überstunden zweifellos hilfreich.
Die Änderung des § 26 Abs 8 AZG sei aber offenkundig in erster Instanz weder vom Gericht noch von den Parteien bedacht worden, sodass es zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung der Aufhebung bedürfe, um der Klägerin eventuell weiteres Vorbringen zu ermöglichen. Insbesondere werde sie klarzustellen haben, ob sie sich – wie im Urteilsantrag formuliert – die Bezifferung des Überstundenentgelts iSd Art XLII EGZPO zur Gänze vorbehalten habe oder, wovon das Erstgericht erkennbar ausgegangen sei, ein Eventualzahlungsbegehren erheben habe wollen. Im letzteren Fall könne der Verfall dieses Zahlungsanspruchs iSd § 26 Abs 8 AZG aF mangels hinreichender Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden.
Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss und die ordentliche Revision für zulässig, weil die höchstgerichtliche Rechtsprechung über die (Un-)Zulässigkeit von Stufenklagen zur Berechnung von Dienstnehmeransprüchen nach der Änderung des § 26 Abs 8 AZG einer Klarstellung bedürfe.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revision und der Rekurs der Beklagten, mit denen sie die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils anstrebt. Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die getrennt eingebrachten Rechtsmittel sind zulässig (zur Ausnahme vom Grundsatz der Einmaligkeit in dieser Konstellation: RIS-Justiz RS0040202 [T9]), weil das Berufungsgericht in seiner Entscheidungsbegründung teilweise von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen ist.
Die Revision ist auch berechtigt. Der Rekurs ist teilweise berechtigt.
1. Revision
1.1. Gemäß Art XLII EGZPO kann derjenige, der nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Vermögen oder Schulden anzugeben verpflichtet ist, oder wer von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens Kenntnis hat, mittels Urteils dazu verhalten werden, allenfalls unter Vorlage eines Verzeichnisses des Vermögens oder der Schulden anzugeben, was ihm von diesem Vermögen, von den Schulden oder von der Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens bekannt ist, und einen Eid dahin zu leisten, dass seine Angaben richtig und vollständig sind.
Zur Klage ist befugt, wer ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Vermögens oder des Schuldenstandes hat. Wenn mit der Klage auf eidliche Angabe des Vermögens die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, das der Beklagte aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, die der Kläger beansprucht, vorbehalten werden, bis die eidliche Angabe über das Vermögen gemacht wurde.
1.2. Über den engeren Wortlaut hinaus wird Art XLII EGZPO auch auf privatrechtliche Rechnungslegungs- und Auskunftsansprüche in Bezug auf Vermögen angewandt (RIS-Justiz RS0034968; RS0034907 [T4]). Bei Vertragsverhältnissen besteht eine Verpflichtung zur Rechnungslegung insbesondere überall dort, wo es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang des Vermögens im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen, und diese Auskunft dem Verpflichteten überdies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zugemutet werden kann (vgl RIS-Justiz RS0035050; RS0035140 [T1]). Die Begründetheit eines eingeklagten Auskunftsanspruchs ist unter Rückgriff auf das geltend gemachte materielle Aufklärungsrecht jeweils im Einzelfall zu ermitteln (vgl Konecny in Fasching/Konecny³ II/1, Art XLII EGZPO, Rz 24).
1.3. Dabei ist der Zweck der Manifestationspflicht zu beachten, und zwar den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Leistungsansprüche gegen den Auskunftspflichtigen festzustellen und geltend zu machen, die er ohne Rechnungslegung nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten geltend machen könnte (RIS-Justiz RS0106851; RS0034907; 10 Ob 47/07w). Das Rechnungslegungsbegehren steht im Fall der Stufenklage mit dem Zahlungsanspruch in einem engen prozessualen Zusammenhang.
Eine gesonderte Aufklärung wird daher nicht geschuldet, wenn dem Kläger dasjenige, was er über die Stufenklage in Erfahrung bringen möchte, ohnehin bekannt ist (RIS-Justiz RS0034907; RS0034866 [T2]), oder wenn die begehrte Auskunft offenkundig nicht geeignet ist, die Geltendmachung der Leistungsansprüche zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern.
1.4. Bei der Beurteilung, ob die Stufenklage in diesem Sinn zulässig ist, muss vom Klagsvorbringen ausgegangen werden.
Die Klägerin begehrt die Vorlage „der Arbeitszeitaufzeichnungen“ für die gesamte Dauer ihres Dienstverhältnisses.
Nach § 26 Abs 1 AZG hat der Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen. Aus Arbeitszeitaufzeichnungen – im Fall der Klägerin laufende Kalendereintragungen – geht daher die zeitliche Lage und die Anzahl der täglichen Arbeitsstunden hervor.
Die Klägerin gesteht zu, dass die solcherart aufgezeichneten Stunden grundsätzlich monatlich abgerechnet und bezahlt wurden. Nur wenn wegen Feiertagen (bzw einmalig wegen Betriebssperre) Arbeitsstunden entfallen seien, seien diese als Minusstunden von den Überstunden abgezogen und diese Überstunden somit nicht bezahlt worden.
1.5. Von diesem Klagsvorbringen ausgehend fehlen hier aber die Voraussetzungen für eine Stufenklage, weil es den begehrten Arbeitszeitaufzeichnungen iSd § 26 Abs 1 AZG schon an der abstrakten Eignung fehlt, die Bezifferung des Leistungsbegehrens zu ermöglichen oder zumindest zu erleichtern. Weder geht aus bloßen Aufzeichnungen der geleisteten Stunden hervor, welche davon bezahlt wurden, noch welche wovon abgezogen wurden.
Auch soweit die Klägerin mit ihrem Rechnungslegungsbegehren auf die Berechnung des Überstundendurchschnitts zur Kündigungsentschädigung abzielt, ist ihr Vorbringen in sich widersprüchlich. Die Behauptung konkreter täglicher Arbeitszeiten und eines regelmäßigen wöchentlichen Überstundendurchschnitts ist mit der gleichzeitigen Behauptung, eben diesen Überstundendurchschnitt nicht errechnen zu können, unvereinbar. Ist aber ein Überstundendurchschnitt ohnehin bekannt, dann kann die Kündigungsentschädigung sofort und ohne den unnötigen Umweg einer Stufenklage berechnet werden.
1.6. Für die offenen Überstundenentgelte der Vergangenheit gilt das Gleiche. Da Arbeitszeitaufzeichnungen nach dem eigenen, für die Beurteilung maßgeblichen Vorbringen der Klägerin nichts zur Konkretisierung der offenen Überstunden beitragen könnten, kommt es hier gar nicht darauf an, ob nach § 26 AZG aF für die Zeit vor dem 1. 1. 2015 ein klagbarer Anspruch auf Vorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen möglich gewesen wäre.
Im Übrigen wendet die Beklagte zutreffend ein, dass der Klägerin nach ihrer eigenen Darstellung die Bezifferung abgezogener Feiertagsstunden ohne weiteres möglich gewesen wäre. Welche Feiertage der Entgeltfortzahlung unterliegen, ist in § 6 KV geregelt. Die Lage dieser Feiertage innerhalb der Woche konnte jedem Kalender entnommen werden, die Anzahl der entfallenen Stunden hätte sich aus dem bekannten Dienstplan der Klägerin ergeben.
1.7. Die Klägerin bestritt zuletzt auch gar nicht mehr, dass sie imstande gewesen wäre, die offene Überstundenanzahl zu konkretisieren. Sie begründete ihr Auskunftsbegehren aber damit, dass sie nicht wisse, ob darüber hinaus Nacht- oder Sonntagszuschläge zu den abgezogenen Überstunden gebührt hätten.
Auch in diesem Punkt ist aber das Klagsvorbringen unschlüssig. Sonntagsarbeit wurde gar nicht behauptet, die Arbeitszeiten reichten laut Klagsvorbringen jeweils von Dienstag bis Samstag. Ebensowenig wurde die Leistung von Nachtstunden gemäß § 7 KV (also zwischen 20:00 Uhr und 5:00 Uhr) behauptet, abgesehen von den (ohnedies bekannten und daher berechenbaren) Ausnahmen am 24. 12. und 31. 12. jeden Jahres.
1.8. Welcher zusätzliche, für die Konkretisierung des Klagebegehrens hilfreiche Erkenntnisgewinn aus Arbeitszeitaufzeichnungen zu erwarten wäre, ist daher nicht nachvollziehbar.
Eine allfällige detaillierte Überstunden-abrechnung iSd § 78 Abs 5 EStG 1988, aus der allenfalls die Anzahl und Zuschlagsart der bezahlten Überstunden zu erkennen wäre, ist wiederum nicht Gegenstand des Klagebegehrens.
Insgesamt erweist sich das Rechnungslegungsbegehren als zur Gänze unberechtigt. In diesem Fall ist gleichzeitig das vorbehaltene Zahlungsbegehren abzuweisen.
1.9. Ein auf § 26 Abs 8 AZG gestütztes selbstständiges Herausgabebegehren kann der Klage nicht entnommen werden, weshalb hier dessen Voraussetzungen und Rückwirkung nicht weiter zu erörtern sind.
2. Rekurs
2.1. Das Berufungsgericht hat die teilweise Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung für notwendig erachtet, weil die Klägerin offenbar die erst ab 1. 1. 2015 eingetretene Änderung des § 26 Abs 8 AZG nicht berücksichtigt habe und ihr noch Gelegenheit gegeben werden müsse, ergänzendes Vorbringen zu erstatten.
Auf diese Erörterung kommt es aus den oben dargelegten Gründen nicht mehr an.
2.2. Soweit die teilweise Aufhebung des Ersturteils vom Berufungsgericht mit der Notwendigkeit begründet wurde, das vermutlich gestellte Eventualbegehren einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen, wendet die Rekurswerberin grundsätzlich richtig ein, dass eine Unschlüssigkeit der Klage, die sie bereits in erster Instanz gerügt habe, nicht durch nachträgliche Umdeutung des Klagebegehrens und der Rechtsmittelerklärung saniert werden könne.
Tatsächlich enthält die Klage – wie das Berufungsgericht auch ausgeführt hat – kein, jedenfalls aber kein eindeutig formuliertes Eventualbegehren. Das Begehren auf „Zahlung der Überstunden in voller Höhe, zumindest im Betrag von 2.273,76 EUR“ unter gleichzeitigem Vorbehalt der ziffernmäßigen Festsetzung des Zahlungsbegehrens ist vielmehr undeutlich, sodass sich ein Auslegungsproblem stellt.
Im Zweifel ist die Frage, welchen urteilsmäßigen Ausspruch die klagende Partei anstrebt, nicht allein aus dem missglückten Wortlaut des von ihr formulierten Urteilsbegehrens zu beantworten, sondern es ist zu berücksichtigen, was nach dem gesamten Vorbringen ersichtlich gewollt und angestrebt wird. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das Klagebegehren so zu verstehen wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist; das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Begehren richtig zu fassen (RIS-Justiz RS0037440). Maßgeblich ist, welchen Ausspruch des Gerichts der Kläger im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen seinem Sinngehalt nach begehrt (RIS-Justiz RS0041165 [T3]).
Misst man hier dem im Klagebegehren enthaltenen Konkretisierungsvorbehalt entscheidende Bedeutung zu, wäre von einer einfachen Stufenklage auszugehen, bei der sich die Klägerin bis zur Erfüllung des Manifestationsbegehrens noch auf gar kein konkretes Zahlungsbegehren festgelegt hätte. Diese Auslegung steht mit der Formulierung in Konflikt, dass die Klägerin die bezifferten Beträge „mindestens“ beansprucht.
Demgegenüber ist das Erstgericht erkennbar davon ausgegangen, dass die bezifferten Beträge ein Eventualzahlungsbegehren für den Fall darstellen, dass der Stufenklage nicht stattgegeben werden sollte. Gegen diese Auslegung spricht ebenfalls die Verwendung des Wortes „mindestens“ und der weitere Inhalt der Klagserzählung, der bei diesen Beträgen von einem unabhängig vom Ergebnis des Auskunftsbegehrens jedenfalls bestehenden, unbedingten Anspruch ausgeht.
Es ist auch zulässig, neben einer Stufenklage ein konkretes, unbedingtes Zahlungsbegehren zu erheben und die Rechnungslegung lediglich zur Konkretisierung eines allenfalls darüber hinausgehenden Anspruchs zu begehren. Berücksichtigt man hier die Klagserzählung, hat die Klägerin ihre betraglich fixierte Kündigungsentschädigung ganz ohne durchschnittlichen Überstundenanteil berechnet und das Überstundenentgelt für die Vergangenheit ohne Überstundenzuschlag. Auf die Sinnhaftigkeit dieser Berechnung ist nicht weiter einzugehen. Jedenfalls wird damit zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin sich unabhängig vom Stufenklagebegehren bereits in der Lage sah, diese Teilforderungen zu errechnen und sie auch unbedingt zuerkannt haben wollte.
2.3. Soweit das Erstgericht dem Zahlungsbegehren rechtskräftig teilweise stattgegeben hat, kommt es darauf, ob dieses richtig als Haupt- oder Eventualbegehren zu verstehen war, nicht mehr an.
Die Abweisung des im Ersturteil so bezeichneten „Eventualbegehrens“ wurde als solche von der Klägerin in ihrer Berufung nicht bekämpft. Weder in den Berufungsausführungen noch im Rechtsmittelantrag ist ein Eventualbegehren erwähnt. Da es sich bei der verunglückt formulierten Forderung auf Zahlung von „mindestens 2.273,76 EUR sA“ aber richtigerweise nicht um ein Eventualbegehren, sondern einen Teil des Hauptbegehrens handelt, war dessen Abweisung von der Anfechtungserklärung im Berufungsverfahren („in seinem gesamten klagsabweisenden Umfang“) noch erfasst. Das Berufungsgericht durfte darüber ohne Eingriff in eine Teilrechtskraft des Ersturteils entscheiden.
2.4. Das Berufungsgericht hat die Verfahrensergänzung bezüglich dieses Zahlungsbegehrens mit der Begründung für erforderlich erachtet, dass die rudimentären Feststellungen zur Beurteilung des vom Erstgericht herangezogenen Abweisungsgrundes des Verfalls nicht ausreichen, weil die Klägerin eine die Frist hemmende Unzumutbarkeit der früheren Geltendmachung iSd § 26 Abs 8 AZG aF behauptet und dazu Beweise angeboten habe, deren Aufnahme ausstehe. Die Frage der Unzumutbarkeit sei nicht mit der Frage der Berechtigung der Stufenklage zu verwechseln. Sollte aufgrund der ergänzten Feststellungen eine Unzumutbarkeit zu bejahen sein, wäre die Verfallsfrist bis zum Wegfall des Hindernisses gehemmt.
Diese Ausführungen sind zutreffend. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht grundsätzlich richtig, erachtet das Berufungsgericht aber die Tatsachengrundlagen noch für ergänzungsbedürftig, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179 [T20]).
Textnummer
E119757European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00002.17B.0928.000Im RIS seit
10.11.2017Zuletzt aktualisiert am
05.06.2018