TE OGH 2017/9/28 8Ob5/17v

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Veröffentlicht am 28.09.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn sowie die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj D* G*, geboren am * 2002, und mj N* G*, geboren am * 2000, Antragsteller T* R* H*, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der mj Antragsgegner, beide vertreten durch Mag. Maria Theresia Schimek, Rechtsanwältin in Amstetten, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 22. November 2016, AZ 23 R 494/16v und 23 R 495/16s, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom 23. September 2016, GZ 22 Pu 55/14t-118, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden, soweit damit die Unterhaltsbeiträge der mj Kinder beginnend ab 1. Oktober 2015 und 1. Dezember 2015 herabgesetzt wurden sowie der Erhöhungsantrag der mj N* abgewiesen wurde, aufgehoben und die Außerstreitsache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller war als Vater seiner Kinder N* und D* zuletzt aufgrund des erstgerichtlichen Beschlusses vom 10. 7. 2015 zur Leistung eines Geldunterhalts in Höhe von jeweils 345 EUR vom 1. 8. 2014 bis 30. 11. 2014 und von jeweils 455 EUR ab 1. 12. 2014 verpflichtet. Dieser Unterhaltsfestsetzung lag ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des selbstständig tätigen Vaters von 2.702 EUR bis 30. 11. 2014 und von 2.765 EUR ab 1. 12. 2014 zu Grunde.

Am 16. 10. 2015 beantragte der Vater wegen erheblicher Verschlechterung seiner Einkommens- und Vermögenssituation die Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung ab dem 1. 10. 2015 auf je monatlich 240 EUR.

Das Erstgericht gab dem Antrag unter Abweisung des Mehrbegehrens teilweise Folge und setzte die Unterhaltsbeiträge des Vaters ab dem 1. 10. 2015 auf monatlich 280 EUR für jedes Kind bzw für die mj N* ab 1. 1. 2016 auf 310 EUR herab. Aufgrund einer (vom Rekursgericht in einem vorangegangenen Unterhalts-
festsetzungsverfahren zwischen den Parteien erkannten) negativen Tendenz des selbstständigen Einkommens des Vaters sei kein Dreijahresdurchschnitt heranzuziehen, sondern nur die durchschnittliche monatliche Bemessungsgrundlage des Jahres 2015 von 1.561 EUR netto.

Das Rekursgericht gab dem Rechtsmittel der Kinder, mit dem die Bemessung aufgrund des väterlichen Durchschnittseinkommens der letzten drei Jahren angestrebt wurde, keine Folge. Die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage eines Selbstständigen aufgrund eines dreijährigen Einkommensdurchschnitts sei für die Zukunft dann nicht gerechtfertigt, wenn sie ein verzerrtes Bild seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ergeben würde. Dies gelte nicht nur bei einer zu erwartenden Verbesserung des Einkommens, sondern auch im umgekehrten Fall. Da höchstgerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage noch nicht bestehe, sei der ordentliche Revisionsrekurs zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Kinder ist zulässig, weil die Entscheidungen der Vorinstanzen mit einem sekundären Feststellungsmangel behaftet sind, der eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht ermöglicht.

Es entspricht der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass bei schwankendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen das in einem längeren Beobachtungszeitraum erzielte Durchschnittseinkommen als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen ist. Es liegt in diesen Fällen in der Natur der Sache, dass die Festsetzung der Bemessungsgrundlage für die Zukunft nur eine annähernde, auf den vorhandenen Entscheidungsgrundlagen basierende Schätzung sein kann. Bei der Unterhaltsbemessung für die Zukunft ist immer maßgebend, ob das in der Vergangenheit erzielte Einkommen darauf schließen lässt, dass der Unterhaltspflichtige auch weiterhin ein Einkommen in ähnlicher Höhe erzielen werde (3 Ob 395/97b; 7 Ob 52/98t; 4 Ob 102/99z; 4 Ob 194/11z).

Den Rechtsmittelwerbern ist auch beizupflichten, dass die Judikatur von diesen Grundlagen ausgehend zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage selbstständiger Einzelunternehmer in der Regel das Durchschnittseinkommen der drei letzten vorangegangenen Wirtschaftsjahre heranzieht (RIS-Justiz RS0053251).

Allerdings hat die Unterhaltsbemessung stets aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu erfolgen. Weichen diese erheblich vom Normfall ab, dann kann ausnahmsweise auch eine Abweichung von der ständigen Methode geboten sein, um ein sachgerechtes Ergebnis zu erzielen.

Bei schwankenden Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit ist immer auf die konkreten Indikatoren für die Unternehmensaussichten Bedacht zu nehmen (EFSlg 67.924; 3 Ob 395/97b). Die Betrachtung der letzten drei vor der Unterhaltsbemessung liegenden, abgeschlossenen Wirtschaftsjahre kann das Bild der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners etwa in der Phase des Unternehmensaufbaus verfälschen, wenn dem geringeren Anfangseinkommen ein viel zu hohes Gewicht für die Zukunft beigemessen wird, obwohl bereits von einer gesicherten Erwerbsbasis mit steigenden Einnahmen auszugehen ist (RIS-Justiz RS0121842; 10 Ob 8/07k). Richtig hat das Rekursgericht erkannt, dass es auch im umgekehrten Fall zu einer solchen Verfälschung kommen kann, wenn eine anhaltend sinkende Tendenz der Einkünfte feststeht und aufgrund dessen nicht zu erwarten ist, dass der Dreijahresdurchschnitt in den Folgejahren wieder erreicht werden kann.

Ob der im Regelfall heranzuziehende dreijährige Durchrechnungszeitraum im besonders gelagerten Einzelfall zur Gewinnung eines verlässlichen Ergebnisses ausreicht und ob das im Dreijahresdurchschnitt erzielte Einkommen vom Unterhaltspflichtigen voraussichtlich auch in der Zukunft erzielt werden kann, stellt eine Tatfrage dar (RIS-Justiz RS0053251 [T2]).

Auf Grundlage der Feststellungen der Vorinstanzen lässt sich jedoch, wie der Revisionsrekurs im Ergebnis zutreffend argumentiert, hier noch keine abschließende rechtliche Beurteilung treffen.

Das Erstgericht hat eine negative Tendenz des Einkommens des Antragstellers überhaupt nicht festgestellt, sondern nur in seiner rechtlichen Beurteilung auf eine solche Meinung des Rekursgerichts in einem früheren Verfahren verwiesen, in dem diese Frage nicht entscheidungswesentlich war.

Das Rekursgericht hat darüber hinaus noch auf ein im Akt erliegendes Sachverständigengutachten über die Wirtschaftsjahre 2012 bis 2014 Bezug genommen, in dem auf eine fallende Tendenz des Einkommens in diesem Zeitraum hingewiesen werde.

Dem steht entgegen, dass die letzte, unbekämpft rechtskräftige Festsetzung des Kindesunterhalts mit Beschluss vom 10. 7. 2015 auf Grundlage eines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens des Vaters von 2.702 EUR bis 30. 11. 2014 und von 2.765 EUR ab 1. 12. 2014 erfolgte, woraus sich eine geringfügige Steigerung, jedenfalls aber keine sinkende Tendenz ablesen lässt.

Auch ausgehend vom Vorbringen der Revisionsrekurswerber, die für das Jahr 2014 ein monatliches Nettoeinkommen des Vaters in Höhe von nur 1.033 EUR eingeräumt haben, wäre es 2015 mit einem unstrittigen Durchschnitt von 1.561 EUR wieder zu einer Besserung der Einkommenssituation (um immerhin rund 50 %) gekommen.

Die allzu knapp festgestellte Sachverhaltsgrundlage lässt daher noch keine fundierte Beurteilung zu, ob dem Einkommenstief der Jahre 2014 und 2015 tatsächlich eine voraussichtlich länger anhaltende Krise zugrunde lag, sodass mit der Erzielung des Einkommensdurchschnitts der drei letzten Jahre in Hinkunft nicht mehr gerechnet werden kann. Um diese Aussage treffen zu können, sind nähere Feststellungen darüber erforderlich, welche Ursachen die negative Entwicklung hatte, ob es Umsatzrückgänge oder andere gewinnmindernde Ereignisse gegeben hat, wie darauf unternehmerisch reagiert wurde und wie sich die Auftragslage längerfristig seither entwickelt hat. Der Verweis auf eine „allgemeine wirtschaftliche Krise“ ist ohne näheren Bezug zur Art des Unternehmens des Vaters, dessen Kundenstruktur und allfälliger Konkurrenzsituation noch keine ausreichend nachvollziehbare Begründung.

Ob zur erforderlichen Vertiefung der Entscheidungsgrundlage die Parteienvernehmung des Antragstellers ausreicht oder noch eine Gutachtensergänzung erforderlich ist, bleibt dem Ermessen des Erstgerichts vorbehalten.

Schlagworte

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Textnummer

E119777

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:E119777

Im RIS seit

10.11.2017

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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