Entscheidungsdatum
28.09.2017Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §59Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Dr. Lehner über die Beschwerde des E. K., vertreten durch RA, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24.06.2016, Zl. MA35/IV - K 172/2016, mit welchem das Ansuchen vom 18. November 2013 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 17. Juli 2017,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und dem Beschwerdeführer, E. K., geboren am ...1971 in B., Nigeria, gemäß § 20 Abs. 1 iVm § 11a Abs. 6 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass dieser innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband (der Bundesrepublik Nigeria) nachweist.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Gang des Verfahrens angefochtener Bescheid und Beschwerde
Mit Antrag vom 18. November 2003, eingelangt am 19. November 2003, begehrte der Antragsteller die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft unter der Identität N. Ba., geboren am ...1980 in A. (Sudan).
Mit Bescheid vom 9. Juni 2010, Zl. MA 35/IV – B 616/2007, wies die belangte Behörde diesen Antrag des Beschwerdeführers ab. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 5. Juli 2010 zugestellt. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2010/01/0049, abgewiesen.
Mit Antrag vom 18. November 2013, eingelangt am 18. November 2013, begehrte der Antragsteller erneut die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft.
In der Folge erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 24. Juni 2016, Zl. MA 35/IV – K 172/2016 mit dem folgenden Spruch:
„Das Ansuchen des Herrn E. K., geboren am ...1971 in B./Bundesrepublik Nigeria, alias N. Ba., geboren am ...1980 in A./Republik Sudan, um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 19. November 2003 wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgewiesen.“
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers keine Gewähr dafür bietet, dass er weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet. Dabei berücksichtigte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer wissentlich über Jahre falsche Angaben hinsichtlich seiner Person gemacht hat, dass er der belangten Behörde eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt hat und dass der Beschwerdeführer seit 2011 sieben Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Taxilenker begangen hat. Zugunsten des Beschwerdeführers wurde dessen lange Aufenthaltsdauer in Österreich gewertet.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 29. Juni 2016 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2016 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien.
Mit Schreiben vom 28. März 2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.
Am 17. Juli 2017 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer eingehend befragt wurde.
II. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer heißt E. K. und wurde am ...1971 in B. (Bundesrepublik Nigeria) geboren. Er ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria. Der Beschwerdeführer war bis zum Zeitpunkt seiner Antragstellung am 18. November 2013 unverheiratet und hatte keine Kinder. Am ... 2015 heiratete der Beschwerdeführer seine nunmehrige Ehefrau O. K.. Am ...2015 wurde das eheliche Kind M. K. geboren.
Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 1997 unter dem Namen N. Ba. nach Österreich ein und gab sich als sudanesischer Staatsangehöriger aus. Seitdem lebt er durchgehend in Österreich. Erst im Jahr 2016 gab er erstmals gegenüber der belangten Behörde seine wahre Identität bekannt. Am 7. Dezember 2005 wurde dem Beschwerdeführer ein bis 6. Dezember 2015 gültiger Niederlassungsnachweis ausgestellt. Am 23. Oktober 2015 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EU erteilt.
Gegen den Beschwerdeführer liegt keine ungetilgte rechtskräftige Verurteilung wegen einer Vorsatztat vor. Ebensowenig ist der Beschwerdeführer wegen eines Finanzvergehens zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Auch ist gegen ihn kein Strafverfahren bei einem inländischen Gericht anhängig.
Der Beschwerdeführer hat seit 2011 drei Verwaltungsübertretungen begangen:
Unter der Geschäftszahl S .../2011 des Polizeikommissariates ... liegt eine Vormerkung hinsichtlich der Übertretung des § 52 Z 24 StVO vor, wegen der der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe i.H.v EUR 70 verpflichtet worden ist. Zur genauen Tathandlung konnte das Verwaltungsgericht Wien keine Feststellungen treffen da der betreffende Akt nach Auskunft der LPD Wien bereits skartiert ist.
Der Beschwerdeführer hat am 9. Juni 2014 um 14:59 Uhr in Wien, S.-gasse, als Lenker eines Kraftfahrzeuges den Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens „Fahrverbot“ befahren. Aufgrund dieser Tathandlung wurde der Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 21. Juli 2014, VStV/..., zur Leistung einer Geldstrafe i.H.v. EUR 76 verpflichtet.
Der Beschwerdeführer hat am 30. August 2015 und 12:25 Uhr in Wien, ..., am dort befindlichen Taxistand Platz als Lenker eines Fahrzeuges ein Schallzeichen abgegeben, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert hat. Aufgrund dieser Tathandlung wurde der Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 9. September 2015, VStV/... zur Leistung einer Geldstrafe i.H.v. EUR 76 verpflichtet.
Der Beschwerdeführer hat in dem Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt um seine falsche Identität zu bescheinigen. Das in der Folge eingeleitete Strafverfahren wegen Urkundenfälschung wurde nach Zahlung eines Geldbetrages gemäß § 200 Abs. 5 StPO diversionell erledigt.
Der Beschwerdeführer wurde am 29. September 2000 vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien schuldig gesprochen, von Mitte 1996 bis Herbst 1998 Haschisch wiederholt für den eigenen Konsum erworben und besessen und in der Zeit von April 1999 bis 27. Juli 1999 3g Heroin und Kokain an unbekannte Abnehmer verkauft zu haben. Wegen dieser Taten wurde der Beschwerdeführer zu zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
Seit seiner Entlassung aus der Haft war der Beschwerdeführer durchgehend beschäftigt. Nach dem Abschluss einer Schlosserlehre war er für einen Autohersteller und später bis heute als Taxilenker beschäftigt.
Gegen den Beschwerdeführer wurden weder fremdenpolizeiliche Maßnahmen erlassen noch ist ein Verfahren zur Erlassung einer solchen Maßnahme anhängig.
Der Beschwerdeführer erzielte in den Monaten November 2010 bis Oktober 2013 Einnahmen in der Höhe von EUR 35.921,13, während er Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 12.528,00 zu tragen hatte.
Der Beschwerdeführer hat in den geltend gemachten Monaten keine Sozialhilfeleistungen bezogen.
Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2.
Er hat am 25. Juni 1999 die Externistenprüfung über die vierte Klasse Hauptschule (8. Schulstufe) abgelegt und wurde im Gegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ mit „Sehr gut“ beurteilt.
III. Beweiswürdigung
Die Identität, das Geburtsdatum und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten beglaubigten Geburtsbescheinigung der staatlichen Bevölkerungskommission in B. vom 27. Jänner 2015 sowie dem vorgelegten gültigen Reisepass, ausgestellt von der nigerianischen Botschaft in Wien am 2. Februar 2015. Die vorgelegte Geburtsurkunde wurde von einem Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft in Abuja auf ihre Echtheit und Richtigkeit geprüft, wie die Botschaft gegenüber dem Verwaltungsgericht Wien im Schreiben vom 23. Juli 2017 und vom 27. Juli 2017 bestätigt. Im Zuge der Überprüfung wurde nicht nur die ausstellende Behörde aufgesucht sondern auch die in B. lebende Schwester des Beschwerdeführers persönlich befragt.
Der Familienstand des Beschwerdeführers ergibt sich aus dessen Angaben, der vorgelegten Eheurkunde, ausgestellt vom Innenministerium der slowakischen Republik am 30. April 2014, sowie der vorgelegten Geburtsurkunde, ausgestellt vom Matrikelamt der Stadt Ni. am 12. Jänner 2016.
Der erstmalige Aufenthalt des Beschwerdeführers ergibt sich aus der im November 1997 erfolgten Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz. Der durchgehende Aufenthalt im Bundesgebiet ergibt sich nicht nur aus den vorliegenden Wohnsitzmeldungen sondern auch aus der seit 1999 durchgehenden Meldung bei der Sozialversicherung die eine durchgehende Beschäftigung in Österreich belegen. Die erteilten Aufenthaltstitel ergeben sich aus der im Akt der belangten Behörde einliegenden Dokumentation sowie aus den Informationen des zentralen Fremdenregisters.
Die Feststellungen zu den ungetilgten rechtskräftigen Verurteilungen sowie zur Anhängigkeit von Strafverfahren ergibt sich aus den Daten des Strafregisters, dem vorgelegten polizeilichen Führungszeugnis aus Nigeria, vom 25 April 2017, dem im Wege des ECRIS eingeholten Strafregisterauszuges aus den Niederlanden, der Information der Landespolizeidirektion Wien vom 4. Mai 2017, sowie den Angaben des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer begangenen Verwaltungsübertretungen stützen sich auf die Auskunft der Landespolizeidirektion Wien sowie auf die vom Verwaltungsgericht Wien eingesehen Akten der Verwaltungsstrafverfahren. Zu den im angefochtenen Bescheid angeführten angebliche begangenen Verwaltungsübertretungen die beim Verkehrsamt Wien unter den GZen S .../12 und S .../13 vermerkt sein sollen konnte das Verwaltungsgericht Wien keine Feststellungen treffen. Die Vormerkungen wurden weder von der LPD Wien auf Anfrage des Verwaltungsgerichtes Wien bekannt gegeben noch konnte das Verkehrsamt entsprechende Akten ausfindig machen. Im Akt der belangten Behörde finden sich nicht einmal entsprechende Strafbescheide.
Die Feststellungen zur Urkundenfälschung ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und den entsprechenden Unterlagen im Akt der belangten Behörde sowie aus der Verständigung der Staatsanwaltschaft Wien vom Rücktritt von der Verfolgung nach Zahlung eines Geldbetrages vom 8. Juli 2015.
Die Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 2000 ergibt sich aus dem im Akt der belangten Behörde einliegenden Protokollvermerk mit gekürzter Urteilsausfertigung. Die Beschäftigung des Beschwerdeführers ergibt sich aus seiner Aussage im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien und den damit übereinstimmenden Meldungen zur Sozialversicherung.
Der fremdenpolizeiliche Status des Erstbeschwerdeführers ergibt sich aus Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister und dem Schengener Informationssystem sowie aus einer Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. Juni 2017.
Die Einnahmen des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vorgelegten Einkommensteuerbescheiden. Die Ausgaben ergeben sich aus dem vorgelegten Mietvertrag, den vorgelegten Mietvorschreibungen, einer Selbstauskunft durch den Kreditschutzverband 1870 und einem Schreiben der Bank Austria über die Kreditsaldierung vom 16. Oktober 2013.
Dass der Beschwerdeführer in den geltend gemachten Monaten keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen hat, ergibt sich aus den im Akt der belangten Behörde einliegenden Abfragen aus den Datenbeständen der MA 40.
Der Nachweis der Sprachkenntnisse wurde durch Vorlage eines Zertifikates Deutsch Niveau B2 ausgestellt vom ÖSD am 12. Mai 2013 erbracht.
Die Externistenprüfung gilt aufgrund des vorgelegten Zeugnisses vom 25. Juni 1999 als erwiesen.
IV. Erwägungen
1. Gegenstand des Erkenntnisses
Das Verwaltungsgericht hat grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden und somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (VwGH 30.3.2017, Ro 2015/03/0036). Jede Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, welche - allenfalls unter Rückgriff auf den Inhalt bzw. Abspruch eines (in Beschwerde gezogenen) verwaltungsbehördlichen Bescheides - die Angelegenheit erledigt, die zunächst von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, tritt an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides. Dies ist bei der Gestaltung sowohl des Spruches als auch der Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu berücksichtigen (VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032, mwN). Alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens haben einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft. Was Gegenstand eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides einer Behörde ist, bestimmt sich ausschließlich nach dem Inhalt des Spruches des Bescheides. Nur er erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und legt dadurch die Grenzen der Rechtskraft fest. Die Bescheidbegründung spielt nur insoweit eine Rolle, als (auch) sie zu der (nach den für Gesetze maßgebenden Regeln vorzunehmenden) Auslegung (Deutung), nicht aber zur Ergänzung eines in sich unklaren Spruches heranzuziehen ist (VwGH 27.4.2017, Ra 2017/07/0028 mit Hinweis auf E vom 27. November 2014, 2012/08/0138, mwN). Im Zweifel ist der Spruch gesetzeskonform auszulegen (VwGH 5.9.1995, 95/08/0236).
Der Spruch des bekämpften Bescheides hat den folgenden Inhalt:
„Das Ansuchen des Herrn E. K., geboren am ...1971 in B./Bundesrepublik Nigeria, alias N. Ba., geboren am ...1980 in A./Republik Sudan, um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom 19. November 2003 wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG abgewiesen.“
Die von der belangten Behörde vorgelegten Akten legen offen, dass es kein Ansuchen vom 19. November 2003 gibt. Tatsächlich gibt es einen mit 18. November 2003 datierten Antrag des Beschwerdeführers, der mit einem Eingangsstempel der belangten Behörde vom 19. November 2003 versehen ist. Es ist nicht ersichtlich, wie dieser Antrag an die Behörde herangetragen wurde, da eine Niederschrift aber erst am 5. Februar 2004 aufgenommen wurde liegt die Vermutung nahe, dass der Antrag postalische übersendet wurde. Über diesen Antrag vom 18. November 2003 hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 9. Juni 2010, Zl. MA 35/IV – B 616/2007 abgesprochen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
Daneben gibt es einen Antrag vom 18. November 2013, der im Zuge einer Vorsprache vor der belangten Behörde eingebracht wurde wie eine Niederschrift vom selben Tag nahelegt. Dieser Antrag war – zumindest bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides – unerledigt.
Der von der belangten Behörde formulierte Spruch bezieht sich also auf ein Ansuchen, wobei das Datum des Ansuchens nicht korrekt wiedergegeben ist. Da der Beschwerdeführer zwei Ansuchen gestellt hat ist der Spruch insoweit unklar. Würde man den Spruch so verstehen, dass mit dem Bescheid über den Antrag des Beschwerdeführers vom 18. November 2003 abgesprochen wurde, so würde der Bescheid über eine bereits rechtskräftig entschiedene Sache absprechen und wäre daher offensichtlich rechtswidrig. Da der Spruch im Zweifel gesetzeskonform auszulegen ist, kommt ein solches Verständnis nicht in Betracht. Der Spruch des angefochtenen Bescheides ist daher so zu verstehen, dass über das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 18. November 2013 abgesprochen wird.
2. In der Sache
Gemäß § 11a Abs. 6 Z 1 StbG ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 StbG die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er, abweichend von § 10a Abs. 1 Z 1 StbG, einen Nachweis über Deutschkenntnisse gemäß dem B2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) erbringt.
Die belangte Behörde hat den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, dass er die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht erfüllt. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers, insbesondere die Vorlage einer gefälschten Geburtsurkunde im Zuge des Verfahrens zur Verleihung der Österreichischen Staatsbürgerschaft sowie die begangenen Verwaltungsübertretungen, würde keine Gewähr dafür bieten, dass er weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährde. Das Verwaltungsgericht Wien teilt diese rechtliche Beurteilung nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass die Verwendung einer falschen Identität im Zuge eines Staatsbürgerschaftsverfahrens bei der Beurteilung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG zwar grundsätzlich von Bedeutung sein kann, dass aber nicht jede Verwendung einer falschen Identität zu einer negativen Beurteilung gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG führt (vgl. VwGH 19.10.2011, 2008/01/0778). Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters festgestellt, dass selbst eine strafrechtliche Verurteilung wegen des Fälschens einer besonders geschützten Urkunde nicht den Schluss zulässt, dass der Betreffende keine bejahende Einstellung gegenüber der Republik Österreich hat (VwGH 12.3.2002, 2001/01/0430). In diesem Erkenntnis hat der Gerichtshof zudem betont, dass aus der Fälschung einer besonders geschützten Urkunde alleine nicht abgeleitet werden kann, dass der Betreffende eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt. Diese Rechtsansicht hat der Gerichtshof auch in seinem Erkenntnis vom 25.3.2003, 2001/01/0515 zum Ausdruck gebracht, indem er darlegte, dass die Verwendung einer besonders geschützten Urkunde zwar eine Handlung darstellt, die im Zuge einer Beurteilung gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 zu berücksichtigen ist, dass aber diese Handlung nicht zwingend dazu führt, dass diese Beurteilung negative auszufallen hat. Vielmehr ist dieser Umstand so wie das übrige Verhalten des Betreffenden in der Gesamtbetrachtung zu würdigen.
Das Verwaltungsgericht Wien, sieht es als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Verfahrens zur Verleihung der Staatsbürgerschaft eine gefälschte Geburtsurkunde vorgelegt hat. Der Beschwerdeführer hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch bestätigt. Das Verwaltungsgericht Wien kann aber nicht erkennen, dass der Beschwerdeführer durch diese Handlung einen Vorteil für sein Verfahren hätte erzielen können. Vielmehr wäre die Angabe seiner wahren Identität unter Vorlage seiner richtigen Urkunden zu seinem Vorteil gewesen, wie das nunmehr abgeschlossene Ermittlungsverfahren ergeben hat. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer unter seiner richtigen Identität Handlungen gesetzt hätte, die ein Hindernis für die Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellen würden. Dem Verwaltungsgericht Wien scheint es naheliegend, dass es für den Beschwerdeführer, der seit etwa zwanzig Jahren in Österreich mit einer falschen Identität lebte und sich mit dieser Identität ein neues Leben aufgebaut hat, schwieriger war, diese Identität aufzugeben als eine gefälschte Urkunde vorzulegen. Schließlich hat es der Beschwerdeführer unter seiner falschen Identität geschafft sich rechtmäßig in Österreich niederzulassen und sowohl dauerhaft als auch durchgehend beschäftigt zu sein. Es ist auffallend, dass der Beschwerdeführer auch gegenüber der belangten Behörde den Schritt zur Offenbarung seiner wahren Identität machte (mit Schriftsatz vom 22. Jänner 2016), nachdem er wenige Monate davor seine nunmehrige Ehefrau geheiratet hatte (am ... 2015) und seine Tochter geboren wurde (am ...2015). Dass der Beschwerdeführer bereit war, nach der Gründung einer Familie, den Fehler der Verwendung einer gefälschten Urkunde einzugestehen und seine wahre Identität preiszugeben spricht bei einer Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer.
Dass der Beschwerdeführer wegen relativ geringfügiger Drogendelikte im Jahr 2000 zu einer Haftstrafe verurteilt wurde hat für das Verwaltungsgericht Wien nur noch sehr geringe Bedeutung. Der weitere Werdegang des Beschwerdeführers zeigt, dass er sich stets darum bemühte seinen Lebensunterhalt selbstständig und rechtmäßig zu besorgen. Es ist durchaus außergewöhnlich, dass es der Beschwerdeführer schaffte unmittelbar nach seiner Haftentlassung sein Leben in so geregelte Bahnen zu lenken, dass er seine schulische Ausbildung bzw. eine Lehre abschließen und in der Folge einer durchgehenden Beschäftigung nachgehen konnte.
Die von der belangten Behörde ebenfalls als entscheidungswesentlich genannten Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers sind ebenfalls differenzierter zu betrachten, als dies von der belangten Behörde gemacht wurde. Die unter der Geschäftszahl S .../2011 protokollierte Verwaltungsübertretung liegt nicht nur schon relativ lange zurück, der Verwaltungsstrafakt wurde von der verfahrensführenden Behörde auch bereits skartiert, sodass für das erkennende Gericht nicht mehr nachvollzogen werden kann, welche Tathandlung der Bestrafung zugrunde lag. Der Bestrafung im Verfahren zur Geschäftszahl VStV/... (grundloses Hupen) lag jedenfalls keine Handlung zu Grunde, die eine Gefährdung der Öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellte. Auch die Tathandlung die zur Bestrafung im Verfahren mit der Geschäftszahl VStV/... führte stellt keine besonders schwerwiegende Verwaltungsübertretung dar. Der Beschwerdeführer hat zwar ein Fahrverbotsschild missachtet, das Fahrverbot wurde aber um zahlreiche Ausnahmen ergänzt („Anreiner sowie Zufahrt zu den genehmigten Stellplätzen u. Mo.-Sa. (werkt.) v. 6-10.30 Zufahrt zur Ladetätigkeit gestattet“), sodass das unberechtigte Durchfahren nicht mit einer Gefährdung der Verkehrssicherheit einhergegangen sein dürfte.
Nach Durchsicht der herbeigeschafften Straf- und Verwaltungsstrafakten, der Akten der belangten Behörde und nach ausführlicher Befragung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung kommt das Verwaltungsgericht Wien zu der Ansicht, dass das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers Gewähr dafür bietet, dass er weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMKR genannte öffentliche Interessen gefährdet. Dafür spricht vor allem der außergewöhnliche Werdegang des Beschwerdeführers nach seiner Entlassung aus der Haft und seiner vorbildlichen Integration, wovon nicht nur seine Sprachkenntnisse sondern auch sein berufliches Fortkommen zeugen. Dass der Beschwerdeführer jahrelang unter einer falschen Identität in Österreich gelebt hat, ist für das Verwaltungsgericht Wien für sich genommen ohne besondere Bedeutung. Dass der Beschwerdeführer zum Schutz dieser Identität bereit war eine gefälschte Urkunde in einem Verwaltungsverfahren zu verwenden wirft zwar einen Schatten auf sein Gesamtverhalten, wiegt aber die positiven Aspekte seines bisherigen Verhaltens nicht auf. Auch die vom Beschwerdeführer in den letzten Jahren begangenen Veraltungsübertretungen sind weder so zahlreich noch so schwerwiegend, dass eine negative Gefährdungsprognose iSv § 10 Abs. 1 Z 6 StbG angezeigt ist.
Da das von der belangten Behörde angenommene Verleihungshindernis nicht vorliegt, hat das Verwaltungsgericht Wien zu prüfen, ob die übrigen Verleihungsvoraussetzungen vorliegen und in der Sache selbst zu entscheiden:
Der Beschwerdeführer hält sich seit 1997 durchgehend in Österreich auf. Zumindest seit 2005 ist sein Aufenthalt auch durchgehend rechtmäßig, da ihm ein Niederlassungsnachweis ausgestellt wurde. Vor dem Ablauf dieses Titels wurde ihm im Oktober 2015 der Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EU erteilt. Der Beschwerdeführer erfüllt daher die Mindestaufenthaltsvoraussetzungen des § 11a Abs. 6 Z 1 StbG.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG hat der Lebensunterhalt des Antragstellers hinreichend gesichert zu sein. Dies ist dann der Fall wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 StbG erfüllt sind.
Der Lebensunterhalt ist gemäß § 10 Abs. 5 StbG dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen und Kreditbelastungen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes.
Der Beschwerdeführer hatte in den 36 Monaten vor Antragstellung (November 2010 bis Oktober 2013) eigene Einkünfte in der Höhe von EUR 35.921,13. Diesen Einkünften standen regelmäßige Aufwendungen für Miete und Kreditrückzahlungen iHv insgesamt EUR 12.528,00 gegenüber. Unter Berücksichtigung der freien Station gemäß § 292 Abs. 3 ASVG verbleiben Aufwendungen in der Höhe von EUR 3.184,28. Bringt man diese in Abzug zu den Einkünften, verblieben dem Beschwerdeführerin im geltend gemachten Zeitraum EUR 32.736,85 zur Bestreitung des Lebensunterhaltes.
Dem sind die Summe der Richtsätze gemäß § 293 ASVG jener 36 Monate gegenüberzustellen, die unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt gelegen waren. Die Summe der maßgeblichen Richtsätze für unverheiratete Personen von November 2010 bis Oktober 2013 beträgt EUR 29.242,92. Da die Summe der dem Beschwerdeführer in den geltend gemachten Monaten zur Verfügung stehenden Einkünfte die Summe der maßgeblichen Richtsätze überschreitet und er während der geltend gemachten Monate keine Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, ist der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers als gesichert iSd § 10 Abs. 1 Z 7 StbG anzusehen.
Die für eine Verleihung gemäß § 11a Abs. 6 Z 1 StbG notwendigen Deutschkenntnisse auf der Niveaustufe B2 hat der Beschwerdeführer mit der Vorlage des Zeugnisses des ÖSD der Niveaustufe B2 nachgewiesen.
Die für jegliche Verleihung gemäß § 10a Abs. 1 Z 2 StbG notwendigen Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der sich daraus ableitbaren Grundprinzipien sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes gilt gemäß § 10a Abs. 4a StbG als erbracht, da der Beschwerdeführer einen Schulabschluss im Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ auf dem Niveau des Lehrplans der Hauptschule in der 4. Klasse nachgewiesen hat.
Erteilungshindernisse gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 bis 5 und 8, Abs. 2 und 3 StbG sind im Rahmen der Ermittlungen der belangten Behörde und des in weiterer Folge vom Verwaltungsgericht Wien geführten Beweisverfahrens nicht hervorgekommen.
Gemäß § 20 Abs. 1 StbG ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft einem Fremden zunächst für den Fall zuzusichern, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn er nicht staatenlos ist, da weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 Anwendung finden und ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte.
Gemäß § 29 der Verfassung der Bundesrepublik Nigeria kann jeder Staatsbürger einen Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft stellen. Es wurde kein Vorbringen dahingehend erstattet und es haben sich im Verfahren keine Hinweise ergeben, dass es dem Beschwerdeführer unmöglich oder unzumutbar sei, einen entsprechenden Antrag einzubringen.
Somit war dem Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zunächst unter der Bedingung zuzusichern, dass er binnen zwei Jahren ab Rechtskraft entweder den Nachweis des Verzichts auf die nigerianische Staatsangehörigkeit erbringt oder die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit des Ausscheidens aus dem Staatsverband gemäß § 20 Abs. 1 und 3 iVm § 10 Abs. 3 StbG nachweist.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verleihungshindernis, Erteilungsvoraussetzungen, falsche Identität, Gefährdung öffentlicher Interessen, GefährdungsprognoseAnmerkung
VwGH v. 30.4.2018, Ra 2017/01/0417European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.152.022.4650.2017Zuletzt aktualisiert am
11.06.2018