Entscheidungsdatum
23.10.2017Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L519 2172136-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Isabella ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2017, Zl. 1111517600-160531839, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 3 VwGVG,
Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Pakistan und brachte am 14.4.2016 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.
I.2. Zu seinem Fluchtgrund brachte der BF im Wesentlichen vor, er sei Schiit und habe Probleme mit den Wahabiten. Diese hätten die Schiiten bei einer religiösen Versammlung am 15.12.2013 beschossen und mit dem Umbringen bedroht. Die Wahabiten würden vom Richter unterstützt. Der BF sei auch telefonisch bedroht und zuhause aufgesucht worden.
I.3. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Die belangte Behörde gelangte im Rahmen der Beweiswürdigung hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten zur Erkenntnis, dass die gegen den BF gerichteten Bedrohungen lediglich von einigen Leuten aus dem Nachbardorf ausgegangen seien. Im Fall der Wahrunterstellung sei anzumerken, dass das Ausmaß dieser Bedrohung keineswegs eine Dimension erreiche, die geeignet erscheint, unter einen Tatbestand der GFK subsumiert werden zu können. Zudem würde dem BF in einem derartigen Fall eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen. Außerdem sei zu bemerken, dass es in Pakistan zu keinen Massenverfolgungen oder ständigen Gewaltexzessen gegen die schiitische Bevölkerung kommt. Dass Schiiten in Pakistan nicht ausgegrenzt oder verfolgt werden, werde auch dadurch untermauert, dass Schiiten in der Regierung, im Staatsdienst, den Sicherheitskräften und in den bedeutenden religiösen Instanzen des Landes, dem Council of Islamic Ideology und den Scharia Gerichten vertreten sind.
Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben in Österreich würde nicht vorliegen.
1.4. Gegen den angefochtenen Bescheid wurden innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft und der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt sei. Die vom BF vorgebrachte Verfolgung aus religiösen Gründen sei entgegen der Auffassung der belangten Behörde sehr wohl asylrelevant. Außerdem stehe dem BF keine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Er habe auch keine Möglichkeit, sich an die örtliche Polizei zu wenden.
I.5. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde.
1. Feststellungen:
Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen, weshalb dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht hinreichend feststand. Hinsichtlich des Verfahrensganges und festzustellenden Sachverhaltes wird auf die unter Punkt I getroffenen Ausführungen verwiesen.
2. Beweiswürdigung:
Der für die gegenständliche Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Bis zum 31.12.2013 war es dem Asylgerichtshof und davor dem Unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 66 Abs 2 AVG möglich, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft war, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erschien. Abs 3 leg cit legte fest, dass der Asylgerichtshof die mündliche Verhandlung und unmittelbarer Beweisaufnahme auch selbst durchführen konnte, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden war.
Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom 21.11.2002, 2002/20/0315 und 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im zuletzt genannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt, dass bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte auch berücksichtigt werden muss, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Der Gesetzgeber hat zur Sicherung der Qualität des Asylverfahrens einen Instanzenzug vorgesehen, der zum Unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt. Es kommt dem Unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art 129c Abs 1 B-VG) zu. Diese wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, da es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen.
Im bereits zitierten Erkenntnis vom 21.11.2002, 2000/20/0084, sowie im Erkenntnis vom 22.12.2002, 2000/20/0236, weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass - auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens - eine ernsthaft Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich bei derselben Behörde enden solle. Ein Vorgehen gemäß § 66 Abs 2 AVG ermöglicht es daher, dem Abbau einer echten Zweiinstanzlichkeit des Verfahrens und der Aushöhlung der Funktion des unabhängigen Bundesasylsenates als Kontrollinstanz entgegenzuwirken.
Zu § 28 Abs. 3 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich meritorisch zu entscheiden haben, eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen jedoch insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als - eine - Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern - auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt - auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
3.2. Einzelfallbezogen ergibt sich hieraus Folgendes:
3.2.1. Der BF hat beim BFA diverse Schriftstücke, darunter Polizeibriefe, einen Arztbefund, ein Schreiben eines Vice-Chairman, die Sterbeurkunde seines Vaters, etc. vorgelegt (AS 95 bis 108), welche vom BFA nicht einmal einer Übersetzung geschweige denn einer Überprüfung im Herkunftsstaat unterzogen wurden.
Im fortgesetzten Verfahren wird es erforderlich sein, diese Schriftstücke übersetzen und gegebenenfalls im Herkunftsstaat zu überprüfen lassen. Anschließend bedarf es einer eingehenden Erörterung der Beweismittel bzw. der Erhebungsergebnisse mit dem BF im Rahmen einer weiteren Einvernahme.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich die belangte Behörde mit dem Beweismitteln dann nicht weiter auseinanderzusetzen gehabt hätte, wenn ihnen kein taugliches Beweisthema zu Grunde liegen würden, was dann der Fall wäre, wenn das Beweisthema nicht sachverhaltserheblich ist (VwGH 24.1.1996, 94/13/0152; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174) oder es sich um einen Erkundungsbeweis handeln würde (Hengstschläger - Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN). Dass im gegenständlichen Fall von diesen Voraussetzungen auszugehen wäre, wurde von der belangten Behörde nicht dargelegt und ist auch für das ho. Gericht nicht erkennbar.
Selbstredend steht es der Behörde frei, bzw. besteht für die Behörde die Verpflichtung, das Beweisthema eines vorgelegten Bescheinigungsmittels -etwa durch entsprechende Befragung des BF - zu erkunden und in jenem Fall, in dem es sich um kein taugliches Beweismittel handelt, dessen Übersetzung zu unterlassen. Dies hat sie jedoch in nachvollziehbarer Weise zu begründen und ist jedenfalls hinsichtlich der Unterlagen zu einer behördlichen bzw. gerichtlichen Verfolgung des BF nicht gegeben, da diese Unterlagen das Vorbringen des BF in einem wesentlichen Teil bestätigen könnten.
3.2.2. Zur Glaubwürdigkeit und Relevanz der Angaben des BF verkennt das BVwG nicht, dass Anhaltspukte dafür vorliegen, dass die Fluchtgründe nicht asylrelevant bzw. nicht glaubwürdig sind. Es ist jedoch am Rande darauf hinzuweisen, dass die dem Bescheid zugrunde liegende Beweiswürdigung an sich nicht geeignet ist, eine Unglaubwürdigkeit des BF zu belegen. Es reicht nicht, festzustellen, dass sich der BF auf keinen Konventionsgrund beziehe. Vielmehr ist seinem Vorbringen sehr wohl zu entnehmen, dass er als Schiit von Wahabiten angegriffen worden sei.
Auf jeden Fall sind im gegenständlichen Fall weitere Ermittlungstätigkeiten im oa. Umfang zu setzen und hat dann die belangte Behörde entsprechende Feststellungen zu treffen, welche der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen sind. Ohne nähere Erörterung und insbesondere Übersetzung und Würdigung der relevanten vorgelegten Schriftstücke und einer Aufschlüsselung, vollständigen Übersetzung bzw. etwaigen Ergänzung der Anfragebeantwortung kann jedoch der Sachverhalt nicht entsprechend festgestellt werden.
3.3. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist der Sachverhalt jedenfalls derart mangelhaft ermittelt, dass gleichsam erstmalig ordnungsgemäße Ermittlungen und Feststellungen erfolgen müssten. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht somit nicht fest.
Mangels eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens seitens der belangten Behörde fehlt dem Bundesverwaltungsgericht jedenfalls eine ausreichende Beurteilungsgrundlage für die Lösung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz vorliegen.
Die belangte Behörde unterließ vor allem eine ordnungsgemäße Auseinandersetzung mit den vorgelegten Beweismitteln. Ein derartiges Verhalten ist nur dann denkbar, wenn sich bereits aus dem bisherigen Verfahrenshergang ergeben hätte, dass sich die jeweiligen Beweismittel auf ein untaugliches Beweisthema beziehen oder es sonst auf den Inhalt nicht ankommt, was im gegenständlichen Fall jedoch weder aus dem angefochtenen Bescheid, noch aus dem sonstigen Akteninhalt hervorgeht. Vielmehr legte die belangte Behörde nicht dar, weshalb die Beweismitten nicht zu berücksichtigen wären.
Im Zuge des weiteren Verfahrens wird sich die belangte Behörde daher mit dem Vorbringen und insbesondere den in Vorlage gebrachten Beweismittel sowie dem ordnungsgemäß vorliegenden Rechercheergebnis detailliert auseinander zu setzen und die übersetzten Beweismittel sowie das Rechercheergebnis im Herkunftsland mit dem BF im Rahmen einer Einvernahme zu erörtern haben.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der maßgebliche Sachverhalt feststeht und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Es ist in erster Linie die Aufgabe der Verwaltungsbehörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und diese Aufgabe nicht etwa an die Rechtsmittelinstanz auszulagern.
Anzumerken ist abschließend, dass der Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes samt den damit vorgelegten Unterlagen nunmehr Teil des von der belangten Behörde zu berücksichtigenden Sachverhaltes ist und sich die belangte Behörde mit den dort gemachten verfahrensrelevanten Einwendungen auseinanderzusetzen haben wird.
Da also der maßgebliche Sachverhalt im Fall des BF noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielshaft Erk. d. VwGH v. 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482; Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bescheinigungsmittel, Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:L519.2172136.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.11.2017