TE Bvwg Beschluss 2017/10/24 W229 2173695-1

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Veröffentlicht am 24.10.2017
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Entscheidungsdatum

24.10.2017

Norm

AlVG §38
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

W229 2173695-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Elisabeth WUTZL als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX vom 27.09.2017 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Rahmen der Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 28.08.2017, GZ XXXX , beschlossen:

A) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a

VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 28.08.2017, GZ XXXX , sprach das AMS gem. § 10 iVm. § 38 AlVG den Verlust der Notstandshilfe des nunmehrigen Antragstellers im Zeitraum vom 19.06.2017 – 30.07.2017 aus. Nachsicht wurde nicht erteilt. In der Begründung wird ausgeführt, der nunmehrige Antragsteller habe die von der regionalen Geschäftsstelle Mödling vermittelte und zumutbare Beschäftigung als Lagerarbeiter/ Staplerfahrer beim Dienstgeber XXXX nicht angenommen und eine Arbeitsaufnahme vereitelt. Gründe für eine Nachsicht liegen nicht vor.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in der er die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrte sowie darauf hinwies, dass seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zukomme. Weiters beantragte er die Einvernahme von Zeugen. Neben Ausführungen zu seiner persönlichen Situation und Mobbingvorwürfen gegen einen Mitarbeiter des AMS brachte der Antragsteller in seiner Beschwerde vor, dass der Vorwurf, er habe eine zumutbare Stelle als Lagerarbeiter/ Staplerfahrer beim Dienstgeber XXXX nicht angenommen und habe eine Arbeitsaufnahme vereitelt unrichtig sei. Die Firma XXXX sei ein Privatvermittler, der Stellen vermittle und offensichtlich nicht selbst als Dienstgeber auftrete. Auch weist er in der Beschwerde auf Schwierigkeit mit öffentlichen Mittel bzw. hohe Kosten (Monatskarte) hin. Da die XXXX offenbar ein Privatvermittler sei, habe das Stellenangebot bei ihm sofort Aversionen erweckt. Er habe während der letzten drei Jahre immer solche Privatvermittler angeboten bekommen, die schlussendlich für ihn nur Kosten verursacht hätten. Weiters wies er in der Beschwerde auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hin, wonach die Vermittlung zu zumutbarer Arbeit ausschließlich durch die Regionalgeschäftsstelle des AMS zu erfolgen habe. Schließlich wies der nunmehrige Antragsteller in seiner Beschwerde darauf hin, dass er aufgrund einer Operation nicht mehr als 5 kg schwere Sachen heben könne.

3. Am 27.09.2017 beantragte der Antragsteller die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Beschwerde, eines Vorlageantrages und zur Vertretung bei der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im erforderlichen Umfang, jedenfalls durch Beigebung eines Rechtsanwalts, unter Anschluss eines Vermögensverzeichnisses. Im Verfahrenshilfeantrag verwies er auf seine bereits beim AMS eingebrachte Beschwerde.

4. Mit Schreiben vom 16.10.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde sowie die Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag samt einer Stellungnahme hierzu vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der verfahrensgegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensgang.

2. Beweiswürdigung:

Die im Verfahrensgang enthaltenen Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsakten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gem. § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice durch einen Senat. Gem. § 9 BVwGG leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Insofern obliegt die Entscheidung über die Gewährung von Verfahrenshilfe der Vorsitzenden Richterin.

Zu A) Abweisung des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe:

3.2. Die im vorliegenden Fall anzuwendende Rechtsvorschrift des VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, lautet:

"Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt."

3.3.1. Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (s. dazu auch VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032).

3.3.2. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte (vgl. VfSlg. 19.989/2015), die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden.

3.4. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (vgl. 1255 BlgNR 25. GP, 2 ff.).

3.4.1. Seine Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden stellte der Antragsteller durch seine eigenständig eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 20.09.2017 unter Beweis, welche sämtlichen Formvorschriften entspricht und in der er eine individuelle und umfassende Begründung betreffend die Rechtswidrigkeit des Bescheides abgab.

Eine Komplexität des Falles in der Weise, dass der Antragsteller nach etwaiger Beschwerdevorentscheidung durch die Behörde zur Abfassung eines Vorlageantrages, der gem. § 15 VwGVG keiner weiteren Begründung bedarf, oder in einer etwaigen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anwaltlich vertreten sein müsste, ist nicht gegeben, da es vorliegend nicht um die Lösung einer komplexen Rechtsfrage, sondern vielmehr um die Ermittlung des konkreten Sachverhaltes insbesondere den Umständen rund um das in Rede stehende Stellenangebot geht, welche unter Mitwirkung des Antragsteller zu erfolgen hat. Es ist auch vor dem Hintergrund der bereits erhobenen Beschwerde nicht zu erkennen, dass der Antragsteller die wahren Verhältnisse vor der belangten Behörde bzw. dem erkennenden Gericht nicht ohne anwaltlichen Beistand darzulegen vermag.

3.4.2. Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung erforderlich machen, sind somit nicht zu erwarten. Eine erforderliche Manuduktion in einer etwaigen Verhandlung, z.B. wann die Aussage verweigert werden darf, erfolgt durch die erkennende Richterin, weshalb der Antragsteller durch die Nichtbeigebung eines Rechtsanwaltes auch dahingehend keinerlei Nachteile erfährt.

3.4.3. Aussagen zu etwaigen Erfolgsaussichten können derzeit nicht getroffen werden.

3.4.4. Zur Bedeutung der Angelegenheit für den Antragsteller ist festzustellen, dass diese zweifelsohne als groß einzustufen ist, da es sich bei der Notstandshilfe um eine Versorgungsleistung handelt.

3.5. Verfahrenshilfe ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG nur dann vorgesehen, wenn beide Voraussetzungen, nämlich dass diese geboten ist und die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, kumulativ vorliegen.

3.6. Aus den obigen Feststellungen ergibt sich, dass im vorliegenden Fall Verfahrenshilfe zur Vertretung bei der Verhandlung auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht geboten ist. Somit erübrigt sich eine Prüfung, ob die Antragstellerin außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten zu können.

3.7. Aus demselben Grund ist auch nicht mehr zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint und liegen somit die Voraussetzungen zur Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vor.

3.8. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, es an einer Rechtsprechung fehlt oder die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen ist.

Im vorliegenden Fall ist die Revision zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8a VwGVG fehlt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Revision zulässig, Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W229.2173695.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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