TE Lvwg Erkenntnis 2017/7/10 VGW-242/081/RP18/9386/2017

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Veröffentlicht am 10.07.2017
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Entscheidungsdatum

10.07.2017

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §14 Abs1
WMG §15 Abs1

Text

                                                                                                              

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Landesrechtspfleger Tiller über die Beschwerde des Herrn J. D., Wien, R.-Gasse, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- u. Gesundheitsrecht, Region …, Sozialzentrum …, vom 06.06.2017, Zahl MA 40 - SH/2017/1682954-001, mit welchem auf Grund einer Änderung gemäß §§ 7, 8, 9, 10, 12, 14 und 15 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) idgF, iZm §§ 1, 2, 3 und 4 der Verordnung der Wiener Landesregierung zum Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (WMG-VO) idgF I.) die zuletzt mit Bescheid vom 02.12.2016, Zl. MA40 - SH/2016/01049159-001 zuerkannte Leistung mit 30.06.2017 eingestellt wurde und II.) eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs zuerkannt wurde,

zu Recht e r k a n n t:

Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Zum Gang des Verfahrens

Am 01.12.2016 beantragte J. D., geboren 1961, eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Grundbetrages zur Deckung des Wohnbedarfs (Mindestsicherung). Mit Bescheid vom 02.12.2016 wurde dem Antragsteller diese Leistung zuerkannt.

Aufgrund der Abfrage des Arbeitsmarktservices (AMS) stellte die zuständige Behörde fest, dass der Antragsteller bis 05.04.2017 arbeitssuchend gemeldet war, dann aber vom AMS abgemeldet wurde. In der Folge erlies die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, in dem die dem Antragsteller zuerkannte Leistung für den Zeitraum ab 01.07.2017 um 100% gekürzt wurde. Die belangte Behörde begründete diese Kürzung mit den Bestimmungen des § 15 WMG, der Antragsteller habe seine Arbeitskraft nicht zur Verfügung gestellt.

In seiner Beschwerde brachte der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge kurz: BF) im Wesentlichen vor, dass er seit 31.3.2017 im Krankenstand sei und am 9.8.2017 eine Operation habe.

Eine Nachschau des erkennenden Gerichts in den Betreuungsinformationen des AMS ergab, dass ein Irrtum des AMS hinsichtlich der Ausschlußfrist vorgelegen sei und für die Terminversäumnis inzwischen eine Haftbestätigung vorgelegt worden sei. Herr D. sei seit 05.04.2017 laufend im Krankenstand.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 4 Abs. 1 WMG hat Anspruch auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung hat, wer

1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,

2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,

3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,

4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.

Nach § 5 Abs. 1 WMG stehen Leistungen nach diesem Gesetz grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.

Zu Folge § 6 Z 1 und 2 WMG haben Hilfe suchende oder empfangende Personen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zur Abwendung und Beseitigung der Notlage ihre Arbeitskraft einzusetzen und an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen.

Gemäß § 7 Abs. 1 WMG haben volljährige Personen bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 und 2 Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs haben. Der Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs kann nur gemeinsam geltend gemacht werden und steht volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zu. Die Abdeckung des Bedarfs von zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen Personen erfolgt durch Zuerkennung des maßgeblichen Mindeststandards an die anspruchberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft, der sie angehören.

Gemäß § 8 Abs. 1 WMG erfolgt die Bemessung der Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs auf Grund der Mindeststandards gemäß Abs. 2, die bei volljährigen Personen auch einen Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs im Ausmaß von 25 vH des jeweiligen Mindeststandards enthalten.

Zu Folge § 8 Abs. 2 Z 1aWMG betragen die Mindeststandards 100 vH des Ausgleichszulagenrichtsatzes nach § 293 Abs. 1 lit. a sublit. b ASVG abzüglich des Beitrages für die Krankenversicherung für volljährige alleinstehende Personen und volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Wohngemeinschaft leben.

Gemäß § 9 Abs. 1 WMG wird ein über den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs nach § 8 Abs. 1 hinausgehender Bedarf an die anspruchsberechtigten Personen als Bedarfsgemeinschaft in Form einer monatlichen Geldleistung (Mietbeihilfe) zuerkannt, wenn dieser nachweislich weder durch eigene Mittel noch durch Leistungen Dritter gedeckt werden kann. Die Mietbeihilfe gebührt ab dem auf die Antragstellung folgenden Monat.

Auf den Mindeststandard ist das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen (§ 10 Abs. 1 WMG).

Gemäß § 14 Abs. 1 WMG sind Hilfe suchende oder empfangende Personen verpflichtet, zumutbare Beschäftigungen anzunehmen, sich nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen und von sich aus alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen. Diese Pflichten bestehen insbesondere auch dann, wenn mit einer ausgeübten Beschäftigung der Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht gedeckt werden kann oder das volle Beschäftigungsausmaß nicht erreicht wird. Wenn die Hilfe suchende oder empfangende Person nach angemessener Frist keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen kann, ist sie verpflichtet, auch Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, die nicht unmittelbar ihrer beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen, die ihr jedoch im Hinblick auf diese zugemutet werden können. Bei weiter andauernder Arbeitslosigkeit ist sie verpflichtet, andere Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, auch wenn sie nicht der beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen.

Gemäß § 15 Abs. 1 WMG ist der im Rahmen der Bemessung auf sie entfallende Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhalts stufenweise bis zu 50 vH zu kürzen, wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person ihre Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise oder nicht so gut wie möglich einsetzt oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen nicht entsprechend mitwirkt. Bei fortgesetzter beharrlicher Weigerung, die Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen, ist eine weitergehende Kürzung bis zu 100 vH zulässig.

Das Verwaltungsgericht hat folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt festgestellt:

Der BF ist gemäß § 4 WMG berechtigt, Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien zu beziehen. Mit Bescheid vom 02.12.2016 wurde ihm von der belangten Behörde eine Leistung zur Deckung des Wohnbedarfs und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs für den Zeitraum 01.01.2017 bis 31.12.2017 zuerkannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.06.2017 wurde die zuerkannte Leistung mit 30.06.2017 eingestellt und für den Zeitraum bis 31.12.2017 neu bemessen.

Der Bf befindet sich seit 05.04.2017 im Krankenstand und war von 14.03.2017 bis 20.03.2017 in Haft, sodass er Termine beim AMS nicht wahrnehmen konnte.

In rechtlicher Hinsicht wurde dazu erwogen:

Nach § 15 WMG darf die Bedarfsorientierte Mindestsicherung gekürzt werden, wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person ihre Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise oder nicht so gut wie möglich einsetzt oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen nicht entsprechend mitwirkt.

Die belangte Behörde ging, nach dem Akteninhalt rechtskonform, davon aus, dass der BF, der von 16.03.2017 bis 23.03.2017 und ab 06.04.2017 nicht mehr arbeitssuchend gemeldet war, zwar eine Leistung erhält, aber nach § 15 WMG die Kürzung durchzuführen wäre. Diese Kürzung betraf (nach vorhergehenden Kürzungen 07 2015 um 25% und 08+09 2014 um 50%) ab 01.07.2017 100 %.

Inzwischen hat der BF eine Haftbestätigung vorgelegt, dass er von 14.03.2017 bis 20.03.2017 in Haft befindlich war und daher AMS Termine nicht wahrnehmen konnte. Weiters hilet das AMS in den Betreuungsinformationen fest, dass es sich bei der Ausschlussfrist um einen Irrtum seitens des AMS gehandelt habe.

In rechtlicher Hinsicht ist dieser Vorgang daher so zu bewerten, dass der BF sich nicht, und keinesfalls fortgesetzt beharrlich, geweigert hat, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen.

Nach dem festgestellten Sachverhalt trifft den BF keine Schuld an der fehlenden Meldung „arbeitsuchend“ und ist aufgrund der Rechtslage eine Kürzung bis zu 100 % daher nicht zulässig.

Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführte fehlende Vormerkung beim AMS liegt nicht vor. Der angefochtene Bescheid war ersatzlos zu beheben, da auch keine Gründe für eine geringere Kürzung vorliegen.

Abschließend ist anzumerken, dass im Falle weiterer Arbeitsunfähigkeitsmeldungen ein fachärztliches Gutachten der MA 15 einzuholen sein wird.

Belehrung

Gegen dieses Erkenntnis besteht gemäß § 54 VwGVG die Möglichkeit der Erhebung einer Vorstellung bei der zuständigen Richterin des Verwaltungsgerichts Wien. Die Vorstellung ist schriftlich innerhalb von zwei Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses einzubringen.

Landesrechtspfleger

Tiller

Schlagworte

Mindestsicherung; Krankenstand, Haft, Kürzung der Leistung unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.081.RP18.9386.2017

Zuletzt aktualisiert am

08.11.2017
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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