Entscheidungsdatum
12.07.2017Index
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §16 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Landesrechtspfleger Dolas über die Beschwerde des Herrn F. A., Wien, P.-Gasse, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- u. Gesundheitsrecht, Region…, Sozialzentrum…für den …Bezirk, vom 12.05.2017, Zahl MA 40 - SH/2017/1606096-001, mit welchem der Antrag vom 14.03.2017 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) gemäß §§ 4, 7, 9, 10, 12 und 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) idgF abgewiesen wurde,
zu Recht e r k a n n t:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Soziales, Sozial- u. Gesundheitsrecht, Region…, Sozialzentrum… für den …Bezirk, vom 12.05.2017 zur Zahl MA 40 - SH/2017/1606096-001, wurde der Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers vom 14.03.2017 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) gemäß §§ 4, 7, 9, 10, 12 und 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) idgF abgewiesen.
Begründend führte die Behörde zusammengefasst sinngemäß aus, der Beschwerdeführer sei auf Grund seines Antrages mit Schreiben vom 23.3.2017 unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes aufgefordert worden, der Behörde bis spätestens 14.4.2017 für die Beurteilung seines Anspruches unerlässliche Unterlagen beizubringen bzw. Angaben zu machen. Konkret sei er aufgefordert worden der Behörde die Nachweise über die Geltendmachung seiner Ansprüche auf AMS-Leistungen vorzulegen, habe dieser Aufforderung jedoch nicht fristgerecht entsprochen. Da die Behörde aus diesem Grunde außer Stande gesetzt gewesen sei, die für die Bemessung der Leistung rechtserheblichen Tatsachen festzustellen, seien diese Unterlagen somit als unerlässlich im Sinne des § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes zu qualifizieren und wäre der verfahrenseinleitende Antrag daher abzuweisen gewesen.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass es zu einem Missverständnis zwischen dem AMS und seinem Arbeitgeber gekommen sei, da er zwei geringfügige Beschäftigungen in einem Monat gehabt habe. Dies entspreche nicht ganz der Wahrheit, aber sei mittlerweile das Problem gelöst worden und seien die AMS-Bezüge im Nachhinein ausbezahlt worden.
Der Verwaltungsakt wurde am 28.6.2017 dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vorgelegt.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Zum Verfahrensgang:
Der 1987 geborene Beschwerdeführer ist im Besitz des Aufenthaltstitels Daueraufenthalt - EU, ist mit Frau N. A., geb. 1981 (Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte Plus) verheiratet und bildet mit ihr sowie den minderjährigen Kindern E. A., geb. 2008 und Z. A., geb. 2011 (beide Aufenthaltstitel Daueraufenthalt – EU), eine Bedarfsgemeinschaft nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz und begehrte mit Antrag vom 14.3.2017 die Zuerkennung von Leistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes sowie Mietbeihilfe nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz.
Diesem Antrag wurde der Bescheid der Magistratsabteilung 50 vom 1.7.2016 über den Bezug von Wohnbeihilfe, eine Mitteilung des AMS über den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers für den Zeitraum von 21.2.2017 bis 18.9.2017, die Bestätigung der Vormerkung zur Arbeitssuche seiner Gattin, Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, die Bestätigung des Finanzamtes über den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, Gehaltsabrechnungen des Beschwerdeführers vom November 2016 bis Februar 2017 sowie eine Bestätigung der Meldung des Beschwerdeführers zur Wiener Gebietskrankenkasse betreffend seiner geringfügigen Beschäftigung ab 23.2.2017.
Eine am 23.3.2017 durchgeführte behördliche Abfrage in der Datenbank AMS Behördenportal ergab, dass der Beschwerdeführer ab dem 21.2.2017 und seine Gattin ab dem 18.1.2017 beim AMS als arbeitslos vorgemerkt wurde.
Mit Schreiben vom 23.3.2017 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bis spätestens 14.4.2017 die Nachweise über die Beantragung/Geltendmachung seiner AMS-Leistungen, eine Schulbesuchsbestätigung bzw. Kindergartenbesuchsbestätigung seiner beiden Kinder und weiters eine aktuelle Mietvorschreibung/Mietaufschlüsselung der Behörde vorzulegen. In diesem Schreiben wurde ausdrücklich auf die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bei der Durchführung des Ermittlungsverfahrens hingewiesen und wurde er außerdem darauf aufmerksam gemacht, dass nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist die Leistung nach § 16 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes abgelehnt oder eingestellt werden würde. Auch auf das Unterbleiben einer Nachzahlung für die Zeit der Einstellung oder Ablehnung wurde hingewiesen.
Am 14.4.2017 wurde der Behörde per Telefax die Mitteilung des AMS über den Leistungsanspruchs des Beschwerdeführers vom 14.3.2017 (täglich 13,94 Euro) eine weitere diesbezügliche Mitteilung des AMS vom 28.2.2017, die Schul- und Kindergartenbesuchsbestätigungen für die Kinder E. und Z. A., die Gehaltsabrechnung für März 2017 und letztlich eine Mietzinsaufschlüsselung vom 10.4.2017 übermittelt.
Weitere behördliche Abfragen am 12.5.2017 in den Datenbanken AMS Behördenportal und AJ-Web Auskunftsverfahren ergaben, dass der Beschwerdeführer vom 21.2.2017 bis 7.4.2017 und wieder ab 15.4.2017 beim AMS Vormerkungen als arbeitslos aufweist sowie auch als geringfügig beschäftigter Arbeiter vom 23.2.2017 bis 5.4.2017 bei der Firma At. GmbH und ab 18.4.2017 bis laufend bei der Firma M. GmbH zur Sozialversicherung angemeldet war.
In der Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.5.2017.
Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
Rechtlich folgt daraus:
Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz) hat Anspruch auf Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung, wer
1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,
2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,
3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,
4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.
Gemäß § 5 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes stehen Leistungen nach diesem Gesetz stehen grundsätzlich nur österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern zu.
Gemäß § 5 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sind den österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern folgende Personen gleichgestellt, wenn sie sich rechtmäßig im Inland aufhalten und die Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges erfolgt ist:
1. Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, denen dieser Status nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005) zuerkannt wurde;
2. Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates oder der Schweiz, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) erhalten bleibt oder sie das Recht auf Daueraufenthalt nach § 53a NAG erworben haben und deren Familienangehörige;
3. Personen mit einem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger", denen dieser Aufenthaltstitel nach § 45 oder § 48 NAG erteilt wurde oder deren vor In-Kraft-Treten des NAG erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigung als solche gemäß § 81 Abs. 2 NAG in Verbindung mit der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung - NAG-DV) weiter gilt;
4. Personen mit einem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, denen eine Niederlassungsbewilligung nach § 49 NAG erteilt wurde.
Gemäß § 6 Z 4 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes haben Hilfe suchende oder empfangende Personen Ansprüche, die der Deckung des Bedarfs nach diesem Gesetz dienen, nachhaltig zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos, unzumutbar oder mit einem unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbunden ist.
Gemäß § 6 Z 6 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes haben Hilfe suchende oder empfangende Personen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ihre Mitwirkungspflichten im Verfahren und während des Bezuges von Leistungen zu erfüllen.
Gemäß § 10 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist auf den Mindeststandard das Einkommen der Person, für die der jeweilige Mindeststandard gilt, anzurechnen.
Gemäß § 10 Abs. 4 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sind gesetzliche oder vertragliche und der Höhe nach bestimmte Ansprüche der Hilfe suchenden Person auf Leistungen, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, auch dann anzurechnen, wenn die Hilfe suchende Person diese nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich) verfolgt, sofern die Geltendmachung weder offenbar aussichtslos noch unzumutbar ist. Dies ist von der unterhaltsberechtigten Person oder ihrer gesetzlichen Vertretung glaubhaft zu machen.
Gemäß § 16 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist, wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person trotz Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Frist und nachweislichem Hinweis auf die Rechtsfolgen ohne triftigen Grund nicht rechtzeitig mitwirkt, indem sie
1. die zur Durchführung des Verfahrens von der Behörde verlangten Angaben nicht macht oder
2. die von der Behörde verlangten Unterlagen nicht vorlegt oder
3. soweit nicht für die Anrechnung die statistisch errechneten Durchschnittsbedarfssätze herangezogen werden können, gesetzliche oder vertragliche Ansprüche, die der zumindest teilweisen Deckung der Bedarfe nach § 3 dienen, nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich), verfolgt, wobei eine offenbar aussichtslose, unzumutbare oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbundene Geltendmachung von Ansprüchen nicht verlangt werden kann, die Leistung einzustellen oder abzulehnen. Eine Nachzahlung für die Zeit der Einstellung oder Ablehnung unterbleibt. Ein triftiger Verhinderungsgrund ist von der Hilfe suchenden oder empfangenden Person glaubhaft zu machen und entsprechend zu bescheinigen.
Anträge auf die Zuerkennung von Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind u.a. dann abzulehnen bzw. einzustellen, wenn die Hilfe suchende Person unter Setzung einer angemessenen Frist und nachweislichem Hinweis auf die Rechtsfolgen ohne triftigen Grund nicht rechtzeitig mitwirkt, indem sie die von der Behörde verlangten Unterlagen nicht vorlegt bzw. gesetzliche oder vertragliche Ansprüche, die zumindest teilweise der Deckung des Bedarfs nach § 3 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes dienen, nicht nachhaltig, auch behördlich (gerichtlich) verfolgt, wobei eine offenbar aussichtslose, unzumutbare oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbundene Geltendmachung von Ansprüchen nicht verlangt werden kann.
Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 23.3.2017 zur Vorlage der oben angeführten Unterlagen aufgefordert. Diesen Aufträgen, insbesondere der Vorlage von Nachweisen über die Beantragung der Geltendmachung der AMS-Leistungen des Beschwerdeführers, wurde innerhalb der gesetzten Frist vollständig Folge geleistet.
Es ist nicht erkennbar, warum die belangte Behörde trotz im Akt aufliegender Mitteilungen des AMS vom 14.3.2017 und vom 28.2.2017 über die Leistungsansprüche des Beschwerdeführers – diese sind bei der Behörde am 14.4.2017, also innerhalb der erteilten Frist eingelangt - davon ausging, dass diese Unterlagen nicht (fristgerecht) vorgelegt wurden.
Sohin ist der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungsobliegenheit nach § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes vollständig nachgekommen.
Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde aus den Rücksichten des § 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes erfolgte daher zu Unrecht.
Eine Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht Wien erschien deshalb als nicht möglich, da Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der angefochtene Bescheid ist und sich dieser trotz formeller Zitierung der §§ 4, 7, 9, 10, 12 und 16 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ausschließlich auf die nicht erfolgte Vorlage von Unterlagen und somit auf den Ablehnungsgrund des § 16 leg. cit. stützte.
Im Falle einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts über Bestand und Höhe des Anspruches des Beschwerdeführers auf Leistungen der Mindestsicherung, würden andere Sachverhaltsfragen und Normen zum Tragen kommen und würde das Verwaltungsgericht daher nicht mehr in derselben Sache entscheiden wie die Verwaltungsbehörde im angefochtenen Bescheid und somit über einen anderen Prozessgegenstand.
Die Verwaltungsbehörde wird daher im fortgesetzten Verfahren nunmehr über den Antrag des Beschwerdeführers vom 14.3.2017 auf Zuerkennung von Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (neuerlich) zu entscheiden haben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Mindestsicherung; Stattgabe, Aufhebung; Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht nachvollziehbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.023.RP03.9070.2017Zuletzt aktualisiert am
08.11.2017