Entscheidungsdatum
24.07.2017Index
L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung WienNorm
WMG §14 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Landesrechtspflegerin Bannauer-Mathis über die Beschwerde des Frau S. K. gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 11.05.2017, Zl. SH/2017/1599654-001, in einer Angelegenheit des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG),
zu Recht e r k a n n t:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde insofern stattgegeben, als der Bedarfsgemeinschaft eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs von 01.06.2017 bis 30.06.2017 in Höhe von € 732,31 zuerkannt wird.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, vom 11.05.2017, Zl. SH/2017/1599654-001, wurde die zuletzt mit Bescheid vom 10.03.2017, Zl. SH/2017/1380637-001 zuerkannte Leistung mit 31.05.2017 eingestellt, eine Leistung von 01.06.2017 bis 30.06.2017 in Höhe von € 614,44 sowie Mietbeihilfe in Höhe von € 14,11 zuerkannt. Begründend wurde ausgeführt, dass Frau S. K. nicht beim AMS gemeldet war, weshalb die Mindestsicherung zu kürzen gewesen sei. Gemäß den Bestimmungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sei sie zum Einsatz der Arbeitskraft verpflichtet und habe ihre Arbeitswilligkeit entsprechend nachzuweisen. Es seien weder Tatsachen vorgebracht noch Unterlagen vorgelegt worden, die glaubhaft machen würden, dass trotz Arbeitsfähigkeit die Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs voll eingesetzt werden. Der Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhalts sei daher für folgendes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu kürzen: S. K., 1971, für den Zeitraum von 01.06.2017 bis 31.07.2017 um 50 %; A. S., 1969, für den Zeitraum von 01.10.2016 bis 31.10.2016 um 25 %.
Dagegen richtet sich die frist- und formgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher zusammengefasst vorgebracht wurde, dass es unverständlich sei, vorbeugend eine Kürzung des Mindeststandards anzusetzen. Es werde daher eine Richtigstellung des gemeinten Zeitraumes gefordert. Der angefochtene Bescheid beschreibe eine erstmalige Kürzung des Mindeststandards um 50 %. Ein Bescheid der Magistratsabteilung 40 sehe weder eine Kürzung des Mindeststandards zur Deckung des Lebensunterhalts um 25 %, noch eine Kürzung um 50 % vor. Bei erstmaliger Weigerung der Arbeitswilligkeit sei eine Kürzung des Mindeststandards um 25 % vorgesehen, gegebenenfalls bei anhaltender Weigerung oder im Wiederholungsfall eine Kürzung um 50 %. Da der Mindeststandard bei erstmaliger Kürzung um 50 % reduziert worden sei, werde um das Absehen der Kürzung von 50 % ersucht.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde sowie den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Das Gesetz zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz – WMG), LGBl. Nr. 38/2010 in der geltenden Fassung lautet auszugsweise wie folgt:
„Ziele und Grundsätze
§ 1. (1) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung hat zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden sowie die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.
(2) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung erfolgt durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie von den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.
(3) Die Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.
(4) Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung dient der Beseitigung einer bestehenden Notlage. Sie erfolgt auch vorbeugend, wenn dadurch einer drohenden Notlage entgegengewirkt werden kann. Eine Fortsetzung ist solange möglich, als dies notwendig ist, um die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Hilfeleistung zu sichern. Die Mindestsicherung hat rechtzeitig einzusetzen. Eine Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit ist nicht möglich.
Pflichten der Hilfe suchenden oder empfangenden Personen
§ 6. Hilfe suchende oder empfangende Personen haben nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen
1. zur Abwendung und Beseitigung der Notlage ihre Arbeitskraft einzusetzen,
2. an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen,
3. eigene Mittel vorsorglich und zweckmäßig einzusetzen,
4. Ansprüche, die der Deckung der Bedarfe nach diesem Gesetz dienen, nachhaltig zu verfolgen, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos, unzumutbar oder mit unverhältnismäßigem Kostenrisiko verbunden ist,
5. zuerkannte Leistungen zweckentsprechend, das heißt zur Abdeckung der Bedarfe für die sie zuerkannt wurden, zu verwenden und
6. ihre Mitwirkungspflichten im Verfahren und während des Bezuges von Leistungen zu erfüllen.
Einsatz der Arbeitskraft
Mitwirkung an arbeitsintegrativen Maßnahmen
§ 14. (1) Hilfe suchende oder empfangende Personen sind verpflichtet, zumutbare Beschäftigungen anzunehmen, sich nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen und von sich aus alle zumutbaren Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen. Diese Pflichten bestehen insbesondere auch dann, wenn mit einer ausgeübten Beschäftigung der Lebensunterhalt und Wohnbedarf nicht gedeckt werden kann oder das volle Beschäftigungsausmaß nicht erreicht wird. Wenn die Hilfe suchende oder empfangende Person nach angemessener Frist keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen kann, ist sie verpflichtet, auch Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, die nicht unmittelbar ihrer beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen, die ihr jedoch im Hinblick auf diese zugemutet werden können. Bei weiter andauernder Arbeitslosigkeit ist sie verpflichtet, andere Arbeitsmöglichkeiten zu ergreifen, auch wenn sie nicht der beruflichen Eignung und Vorbildung entsprechen.
…
Kürzung der Leistungen
§ 15. (1) Wenn eine Hilfe suchende oder empfangende Person ihre Arbeitskraft nicht in zumutbarer Weise oder nicht so gut wie möglich einsetzt oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen nicht entsprechend mitwirkt, ist der im Rahmen der Bemessung auf sie entfallende Mindeststandard zur Deckung des Lebensunterhalts stufenweise bis zu 50 vH zu kürzen. Bei fortgesetzter beharrlicher Weigerung, die Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen oder an arbeitsintegrativen Maßnahmen teilzunehmen, ist eine weitergehende Kürzung bis zu 100 vH zulässig.“
Auf Grund des Akteninhaltes steht folgender Sachverhalt fest:
Der Bedarfsgemeinschaft A. S. und S. K. sowie den sonstigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft G. K. und M. S. wurde zuletzt mit Bescheid vom 10.03.2017 (AS. 81) Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Höhe von monatlich € 1.032,84 sowie Mietbeihilfe von monatlich € 14,11 für den Zeitraum 01.04.2017 bis 30.06.2017 zuerkannt. Nach Bekanntgabe einer Änderungsmeldung am 18.04.2017 (AS. 96) sowie der nachweislichen Aufforderung gemäß § 16 WMG samt Belehrung über den Einsatz der Arbeitskraft gemäß § 15 WMG vom 26.04.2017 (AS. 112) wurde durch die belangte Behörde festgestellt, dass Frau S. K. nicht zur Arbeitssuche beim Arbeitsmarktservice gemeldet ist.
Sodann wurde der nunmehr bekämpfte Bescheid vom 11.05.2017, Zl. MA 40 – SH/2017/1599654-001 erlassen und für den Zeitraum 01.06.2017 bis 30.06.2017 eine Kürzung des Mindeststandards um 50 % bei Frau S. K. durchgeführt.
Rechtliche Beurteilung:
Vorauszuschicken ist, dass sich die Kürzung des Mindeststandards – so wie im Spruch des Bescheides angeführt - lediglich auf den Zeitraum 01.06.2017 bis 30.06.2017 bezieht. Die weitere Kürzung für den Zeitraum 01.07.2017 bis 31.07.2017 wird lediglich in der Begründung des Bescheides angeführt und hat damit keine rechtliche Relevanz.
Hinsichtlich des Beschwerdevorbringens betreffend die Kürzung um 50 % des Mindeststandards war dieses berechtigt und führt die Beschwerde zum Erfolg.
Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass eine Kürzung von 25 % des Mindeststandards im Oktober 2016 bei Herrn A. S. durchgeführt wurde.
Nach Art. 14 Abs. 4 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über eine bundesweite Bedarfsorientierte Mindestsicherung, können Leistungen nach den Art. 10 bis 12 der Vereinbarung gekürzt werden, wenn trotz schriftlicher Ermahnung keine Bereitschaft zu einem zumutbaren Einsatz der Arbeitskraft besteht. Dies darf grundsätzlich nur stufenweise und maximal um bis zu 50% erfolgen, eine weitergehende Kürzung oder ein völliger Entfall ist nur ausnahmsweise und in besonderen Fällen zulässig.
In den Erläuterungen zu der Vereinbarung (677 BlgNR XXIV. GP, S. 18) wird explizit darauf hingewiesen, dass die Kürzungsmöglichkeit von einer vorherigen schriftlichen Ermahnung abhängig gemacht wird.
Die Behörde hat in ihrem Aufforderungsschreiben vom 26.04.2017, welches sowohl an Herrn A. S. als auch Frau S. K. gerichtet war, explizit auf das Erfordernis über den Einsatz der Arbeitskraft und die Folgen bei einer Weigerung hingewiesen. Damit ist eindeutig klargestellt, dass die Behörde die Aufforderung zur Meldung der Arbeitssuche an beide Personen gerichtet hat. Es war jedoch lediglich Herr A. S. nachweislich beim AMS Wien als arbeitssuchend gemeldet. Eine Meldung von Frau S. K. zur Arbeitssuche lag nicht vor (und liegt laut AMS-Portalauszug vom 24.07.2017 bis dato nicht vor).
Da bei Herrn A. S. im Oktober 2016 eine Kürzung des Mindeststandards zur Deckung des Lebensunterhalts von 25 % durchgeführt, wurde, kann dies nicht dazu führen, dass bei Frau S. K. als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sofort mit einer 50 %igen Kürzung bei fehlender Meldung der Arbeitssuche vorgegangen werden darf. Dies lässt sich auch nicht dem Gesetzeswortlaut entnehmen, da hier von der Person (welche ihre Arbeitskraft nicht einsetzt) gesprochen wird und nicht von den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft.
Es war daher der Beschwerde insofern Folge zu geben, als statt einer 50 %igen Kürzung eine 25 %ige Kürzung des Mindeststandards durchzuführen war.
Da die Sach- und Rechtslage ausreichend geklärt ist und eine Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.
Schlagworte
Mindestsicherung; Einsatz der Arbeitskraft, Kürzung stufenweise, Mitglied der BedarfsgemeinschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.242.003.RP08.7812.2017Zuletzt aktualisiert am
08.11.2017