Entscheidungsdatum
31.08.2017Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG §7 Abs4Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Szep über die Beschwerde der Frau S. G., geb. 1987, StA. Bosnien Herzegowina, Wien, G.-gasse, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 30.05.2017, Zahl MA 35-9/2980542-05, mit welchem der Antrag vom 31.01.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG (BGBl 100/2005) iVm § 8 Z 7 lit. b NAG - Durchführungsverordnung (BGBl. II 451/2005) iVm § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes, BGBl. I Nr. 120/2002, und § 19 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG (BGBl. 100/2015) abgewiesen wurde, den
BESCHLUSS
gefasst:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 i.V.m. § 31 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Sozialzentrum ..., vom 30. Mai 2017, Zahl MA 35-9/2980542-05, wurde der Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 31. Jänner 2017 auf Verlängerung des Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierender“ mangels Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen abgewiesen.
Dieser nunmehr angefochtene Bescheid vom 30. Mai 2017 enthält eine richtige und vollständige Rechtsmittelbelehrung und wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch vom 1. Juni 2017 beim Postamt ... Wien hinterlegt und ab dem 2. Juni 2017 zur Abholung bereitgehalten.
Die Rechtsmittelfrist begann daher am Freitag, dem 2. Juni 2017 und endete mit Ablauf des Freitags, den 30. Juni 2017.
Die vorliegende Beschwerde wurde jedoch trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung erst am Montag, dem 10. Juli 2017 per Telefax eingebracht.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2017 brachte das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerdeführerin die offensichtliche Verspätung ihres Rechtsmittels zur Kenntnis und bot ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass im Falle einer etwaigen Abwesenheit von der Abgabestelle während des Zustellvorganges, diese zu präzisieren und durch Vorlage von Bescheinigungsmitteln glaubhaft zu machen wäre.
Mit Eingabe vom 2. August 2017 legte die Rechtsmittelwerberin Nachstehendes dar:
„Offensichtlich ist, dass die Rechtsmittelfrist am 02.06.2017 begann und am 30.06.2017 endete. Aufgrund mehrmaliger Nachfrage bei der Behörde und ihrer zuständigen Mitarbeiterin, Frau T. wurde meiner Rechtsvertreterin versichert, dass die Rechtsmittelfrist auf sechs Wochen erstreckt wurde.
Auf Grund dessen hat meine Rechtsvertreterin in den Kanzleikalender den 11.07.2017 als Fristende eingetragen. Demnach wäre die Beschwerde, welche am 10.07.2017 per Fax eingebracht wurde, fristgemäß.
Frau A. war am 30.05.2017 für den Bescheiderlass die zuständige Sachbearbeiterin. Die Ansprechpartnerin bzgl. der Unterlagenanforderung am 13.07.2017 war Frau T.. Die telefonische Auskunft der Fristerstreckung erhielt meine Rechtsvertreterin von Frau T..
Nach Erhalt des Vorhaltes der Verspätung, zugestellt am 02.08.2017 wollte sich meine Rechtsvertreterin umgehend mit Frau T. in Verbindung setzen, doch wurde sie mehrmals in die Warteschleife verbunden, so dass meine Rechtsvertreterin mit Frau A. sprechen konnte. Diese hat meine Rechtsvertreterin darüber informiert, dass es keine Fristerstreckung geben kann und Frau T. diesbezüglich keine Befugnis hatte.
Der Vorhalt von Frau A. ist richtig, dass meine Rechtsvertreterin, bzw. Konzipienten wissen hätte müssen, dass es im verwaltungsrechtlichen Verfahren keine Fristerstreckung gibt. Allerdings ist meine Rechtsvertreterin seit 01.06.2017 in der Kanzlei beschäftigt und hat diese diesbezüglich auf die Aussage von Frau T. vertraut.
Beweise:
PV;
Zeugin Frau T.;
Unterlagenanforderung vom 13.07.2017;
Bescheid vom 30.05.2017;
Beschwerde vom 10.07.2017.
Die Einschreiterin stellt daher den
ANTRAG
die Beschwerde vom 10.07.2017 wegen Verspätung nicht zurückzuweisen.“
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.
§ 17 Abs. 1 Zustellgesetz (ZustG) lautet:
Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
§ 17 Abs. 3 ZustG lautet:
Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereit gehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
Gemäß § 33 Abs. 4 AVG können durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Fristen, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden.
Auf Grund des Akteninhaltes steht fest, dass der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin am 2. Juni 2017 durch Hinterlegung zugestellt wurde. Dass sie an diesem Tag ortsabwesend war und somit wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, wurde von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet. Da im gegenständlichen Fall Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zustellmangels nicht hervorgekommen sind, ist davon auszugehen, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist.
Die vierwöchige Rechtsmittelfrist, welche gemäß § 33 Abs. 4 AVG nicht erstreckbar ist, begann daher am 2. Juni 2017 und endete am 30. Juni 2017.
Des Weiteren steht unbestrittenermaßen fest, dass die anwaltlich vertretene Rechtsmittelwerberin die Beschwerde am 10. Juli 2017 eingebracht hat.
Zu den diesbezüglichen Einwendungen der Beschwerdeführerin, wonach der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin von einer Mitarbeiterin der belangten Behörde versichert worden sei, dass die Rechtsmittelfrist auf sechs Wochen erstreckt worden wäre, sodass diese in den Kanzleikalender den 11. Juli 2017 als Fristende eingetragen habe, ist darauf hinzuweisen, dass die Berufungsfrist eine zwingende, auch durch Behörden nicht erstreckbare gesetzliche Frist ist und nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes selbst eine unrichtige Rechtsauskunft darüber seitens der Behörde keine Erstreckung derselben zu erwirken vermag (vgl. VwGH vom 30. Juni 2004, Zl. 2004/09/0073). Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch auf die Beschwerdefrist anzuwenden. Gesetzliche Fristen sind somit im Allgemeinen unveränderlich und können von der Behörde - auch auf Antrag der Partei - nicht erstreckt werden. Dieser Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesetzes wird gemäß § 61 Abs. 3 AVG im Interesse der Partei lediglich dann durchbrochen, wenn im Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist für ein ordentliches Rechtsmittel angegeben ist (vgl. VwGH vom 27. September 2001, Zl. 2001/20/0435). Weiters judiziert das Höchstgericht, dass sowohl der Fall des § 61 Abs. 3 AVG als auch der ihm gleich gehaltene Fall des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses vom 3. Juli 1963, 0998/62, VwSlg 6065 A/1963, Fristverlängerungen betreffen, die von der Behörde in einer bestimmten förmlichen Weise - im Fall des § 61 Abs. 3 AVG: als Bestandteil eines Bescheides, im Vorerkenntnis: als Teil einer von der Behörde aufgenommenen Niederschrift, einer öffentlichen Urkunde - gewährt wurden. Bewirkt nun eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung (über eine zu lange Rechtsmittelfrist) in einem Bescheid, dass die im Gesetz sonst vorgesehene Frist nicht gilt, so wurde diese Rechtsfolge in der Judikatur für formlose unrichtige Auskünfte über die Dauer der Rechtsmittelfrist stets verneint (vgl. VwGH vom 23. März 1994, 94/01/0242, VwGH vom 14. Dezember 1994, 94/01/0761; VwGH vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/05/0247). In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass dem Verwaltungsakt weder eine Niederschrift über die behauptete Verlängerung der Beschwerdefrist zu entnehmen ist, noch findet sich ein Aktenvermerk über einen solchen Vorgang, noch ist er sonst dokumentiert. Eine allenfalls formlos mündlich erteilte, rechtswidrige Verlängerung der Beschwerdefrist führt aber – wie eben dargelegt - nicht zu deren Erstreckung; die Beschwerdeführerin kann daraus keine Rechtsfolgen für sich ableiten.
Soweit die Rechtsmittelwerberin moniert, dass der Vorhalt richtig wäre, dass die Rechtsvertreterin bzw. Konzipientin hätte wissen müssen, dass es im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keine Fristerstreckung gibt, die Rechtsvertreterin allerdings erst seit 1. Juni 2017 in der Kanzlei beschäftigt wäre und diesbezüglich auf die Aussage der Mitarbeiterin der belangte Behörde vertraut habe, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Anwalt, der eine Beschwerde bzw. eine Beschwerdeergänzung mit einer unrichtigen Angabe über den Zustelltag des angefochtenen Bescheides absendet, die besondere Sorgfaltspflicht, die ihm kraft seines Berufes obliegt, verletzt hat. Hierbei hat er Umstände, die der Anwendung dieser Sorgfalt entgegenstanden, zu beweisen (vgl. VwGH vom 18. Dezember 1998, Zl. 98/02/0390). Im vorliegenden Fall wäre es daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien Aufgabe eines sorgfältigen Rechtsvertreters gewesen, die Handlungen seiner angeblich erst ab 1. Juni 2017 bei ihm angestellten Konzipientin nachzuprüfen und somit selbst auf die Rechtzeitigkeit der Einbringung des Rechtsmittels zu achten.
Es ist somit erwiesen, dass der angefochtene Bescheid am 2. Juni 2017 ordnungsgemäß zugestellt und die vorliegende Beschwerde erst nach Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht wurde. Die gegenständliche Beschwerde erweist sich somit als verspätet.
Voraussetzung für die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ist allein die Versäumung der Rechtsmittelfrist und nicht auch ein Verschulden des Rechtsmittelwerbers an der Verspätung (vgl. VwGH 11.7.1988, Zl. 88/10/0113).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es im Falle der verspäteten Einbringung eines Rechtsmittels der erkennenden Behörde verwehrt, auf das Vorbringen einzugehen und eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. VwGH 27.3.1990, Zl. 89/08/0173).
Die Beschwerde war daher ohne Eingehen auf die Beschwerdeausführungen als verspätet zurückzuweisen.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden, da die Beschwerde zurückzuweisen war.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist, gesetzliche Frist, erstreckbare Frist, unrichtige RechtsauskunftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.081.9875.2017Zuletzt aktualisiert am
08.11.2017