Entscheidungsdatum
20.10.2017Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W132 2103914-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark vom XXXX , betreffend die Abweisung der Anträge auf Hilfeleistungen in Form von Ersatz des Verdienstentganges (Spruchpunkt I.) und Übernahme der Selbstkosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung (Spruchpunkt II.) gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 3 und § 4 Abs. 5 Verbrechensopfergesetz (VOG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer hat am 01.03.2013 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung nunmehr:
Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG gestellt und bezüglich des Tatherganges in den Jahren von ca. 1963 bis ca. 1968 auf die Unterlagen beim Gewaltschutzzentrum verwiesen.
1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde der Bericht der Anlaufstelle an die Opferschutzkommission des Landes Steiermark betreffend den Beschwerdeführer von April 2013 mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Beschwerdeführer zunächst bei seiner Großmutter aufgewachsen sei und sich aufgrund deren höheren Alters an seine Mutter gewandt habe, die ihn jedoch nicht aufgenommen habe. Daher habe er mittels Autostopp nach Oberösterreich zu seinem Vater fahren wollen, sei jedoch in Wien gelandet. Dort sei er von der Polizei aufgehalten und ins Polizeianhaltezentrum überstellt und anschließend direkt in das Jugendheim Steyr-Gleink verbracht worden. Er habe sich dort von 1958 bis 1962 aufgehalten, wobei er Opfer von körperlicher und sexueller Gewalt geworden sei. Im Jahr 1962 sei er in das Landesjugendheim Rosenhof in Graz überstellt worden. Da er zu diesem Zeitpunkt die Hauptschule bereits beendet hätte, habe er ab da arbeiten müssen. Auch hier habe körperliche Gewalt an der Tagesordnung gestanden. Er habe einmal versucht aus diesem Heim zu flüchten, sei jedoch von der Polizei zurückgebracht worden. Im Zeitraum von 1963 bis 1967/1968 sei er im Landesjugendheim Hartberg untergebracht gewesen. Dort habe er eine Lehre zum Gärtner beginnen müssen, wobei es hierbei mehr körperliche Gewalt gegeben habe, als das er etwas gelernt habe. Anschließend habe er auch eine Lehre als Schneider beginnen müssen, wobei ihm hier von einem Erzieher mit einem Bambusstecken die Fingerkuppe des linken Zeigefingers abgetrennt worden sei. Diesbezüglich sei er nicht sogleich in ein Krankenhaus gebracht worden, sondern sei ihm vom Heimarzt lediglich ein Salbenverband gemacht worden. Erst nach zwei Wochen sei er aufgrund beginnender Eiterung in ein Krankenhaus gebracht worden. Von einer Erzieherin seien ihm auch der Schlüsselbund sowie Hausschuhe nachgeworfen worden. Er habe auch auf einem Bauernhof aushelfen müssen und sei vom Bauern geschlagen worden, wenn er nicht schnell genug gearbeitet habe. Wenn die Heimkinder in der Nacht nach Bettruhe noch beim Tratschen erwischt worden seien, habe es auch Schläge gegeben und die Kinder hätten eine Stunde vor dem offenen Fenster Strafe stehen müssen. Es sei generell körperliche Gewalt gegen die Heimkinder ausgeübt worden, wenn eine Leistung am Tag nicht gepasst habe. Die Kinder hätten nur in Gruppen das Heim verlassen dürfen, wobei sie von einem Erzieher begleitet worden seien und spezielle Heimkleidung hätten tragen müssen. Er habe dreimal versucht aus dem Heim zu entkommen, sei jedoch jedes Mal von der Polizei zurückgebracht worden. Er sei aufgrund seiner Fluchtversuche wieder geschlagen worden und ihm sei eine Glatze geschoren worden. Ende 1967, Anfang 1968 sei er aus dem Heim entlassen worden und zum Militär gegangen. Er habe bis zu seiner Pensionierung gearbeitet. Er müsse ständig an die Zeit in den Heimen denken und könne die Geschehnisse nicht vergessen, auch da er durch die fehlende Fingerkuppe ständig daran erinnert würde.
1.2. Es wurde von der belangten Behörde auch ein Meldebogen der Ombudsstelle Graz-Seckau, basierend auf dem persönlichen Gespräch vom 04.12.2012 über den Heimaufenthalt in der Landeserziehungsanstalt Steyr-Gleink eingeholt. Der Beschwerdeführer hat angegeben, immer noch an depressiven Episoden und nächtlichen Alpträumen zu leiden, sowie dass sein Vertrauen in die Menschen stark erschüttert sei.
1.3. Die belangte Behörde holte weiters vom Amt für Jugend und Familie Graz Kopien aus dem Akt XXXX ein, nämlich den Beschluss des Jugendgerichtes Graz vom 18.02.1964 bezüglich der Einweisung des Beschwerdeführers in eine vorläufige Fürsorgeeinrichtung und den Beschluss des Jugendgerichtes Graz vom 27.10.1964 bezüglich die Umwandlung der vorläufigen Fürsorgeerziehung in eine Fürsorgeerziehung nach § 29 JWG sowie die Bestätigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Landeskrankenhaus Hartberg vom 01.06.1965 für die Zeit vom 18.05.1965 bis 27.05.1965.
1.4. Die belangte Behörde erbat vom AMS Graz Ost die Übermittlung des Betreuungsaktes. Da der Beschwerdeführer jedoch bereits eine Berufsunfähigkeitspension bezog und seit Dezember 2007 nicht mehr beim AMS vorgemerkt war, konnten keine Unterlagen übermittelt werden. Das AMS Graz Ost teilte der belangten Behörde am 17.04.2014 mit, dass der Beschwerdeführer nach der Betreuungsvereinbarung vom 02.10.2006 zuletzt als Objektleiter Reinigungsdienst beschäftigt gewesen sei. Laut der Betreuungsvereinbarung vom 05.07.2007 sei er zuletzt bei der Firma Eismann als Fahrverkäufer tätig gewesen. Diese Eintragungen würden auf die Angaben des Beschwerdeführers bei seinen Vorsprachen beruhen. Ob ein Lehrabschluss vorliege, könne nicht verifiziert werden.
1.5. Die belangte Behörde holte auch von der Pensionsversicherungsanstalt, Landestelle Steiermark, den Bescheid über die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab 01.12.2007, das dazu erstellte ärztliche Gesamtgutachten Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin vom 03.01.2008, den Antrag auf Invaliditätspension vom 06.11.2007, eine Gesprächsnotiz der Pensionsversicherungsanstalt mit der GKK vom 04.04.2006 und den Antrag auf Einleitung des Datenergänzungsverfahrens vom 11.11.2005 ein.
2. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17.04.2014 gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen vier Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer hat keine Einwendungen vorgebracht.
3. Die belangte Behörde hat von Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie, ein Sachverständigengutachten basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.05.2014, mit dem Ergebnis eingeholt, dass eine leichtgradige depressive Erkrankung vorliegend sei. Die Gesundheitsschädigungen seien vorrangig im Zusammenhang mit seiner Lebenssituation, sowohl in körperlicher, als auch finanzieller Hinsicht zu verstehen. Das gegenständliche Verbrechen sei zwar schwerwiegend, jedoch den derzeitigen Leidenszustand nur gering anteilig bedingend zu bewerten. Eine psychotherapeutische Behandlung sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig und sei vom Beschwerdeführer auch nicht erwünscht gewesen.
4. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 03.07.2014 gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des erweiterten Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen vier Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer hat keine Einwendungen vorgebracht.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Anträge auf Hilfeleistungen in Form von Ersatz des Verdienstentganges (Spruchpunkt I.) und Übernahme der Selbstkosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung (Spruchpunkt II.) gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 3 und § 4 Abs. 5 VOG mit der Begründung abgewiesen, dass einerseits ein verbrechenskausaler Verdienstentgang zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne. Andererseits sei eine psychotherapeutische Behandlung beim Beschwerdeführer nicht notwendig und von diesem auch nicht erwünscht.
Die Angaben des Beschwerdeführers, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und die gesetzlichen Bestimmungen würdigend, wird unter Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen ausgeführt, dass bezüglich des Verdienstentganges keine Anhaltspunkte vorlägen, dass jene gesundheitlichen Beeinträchtigungen, welche zur Anerkennung der Berufsunfähigkeitspension geführt hätten, auf die Erlebnisse des Heimaufenthaltes zurückzuführen bzw. durch diese verursacht worden seien. Es seien auch keine Anhaltspunkte zu entnehmen, inwieweit sich der fiktive Berufsverlauf ohne die während der Heimunterbringung erlittenen Erlebnisse anders gestaltet hätte. Bezüglich der Heilfürsorge in Form von psychotherapeutischer Krankenbehandlung läge einerseits keine Kausalität vor, andererseits sei weder eine psychotherapeutische Krankenbehandlung notwendig, noch sei diese vom Beschwerdeführer erwünscht gewesen.
6. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er keine Verständigung bezüglich des Parteiengehöres bekommen habe. Er habe gegenüber dem Sachverständigen auch nicht die vom Sachverständigen angebotene psychotherapeutische Behandlung abgelehnt. Ihm seien durch den Heimaufenthalt drei Jahre seines Lebens gestohlen worden, er habe dort ohne Lohn schwere Arbeiten verrichten müssen und habe dadurch auch Anrechnungszeiten bei der PVA verloren. Er habe nach dem Heimaufenthalt lernen müssen, wieder ein normales Leben zu führen.
6.1. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht die Versicherungszeiten des Beschwerdeführers bis zum 31.12.1971 mit dem Ergebnis eingeholt, dass er in den Jahren 1965 bis zum Antritt des Präsenzdienstes im Jänner 1968 Versicherungszeiten erworben hat, also sowohl als Lehrling als auch als Arbeiter in den Jahren des Heimaufenthaltes.
6.2. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurde ausgeführt, dass die Beschwerde im Wesentlichen damit begründet wird, dass der Beschwerdeführer, dadurch dass er während des Heimaufenthaltes in Hartberg ohne Lohn habe arbeiten müsse und dadurch anrechenbare Versicherungsmonate für die Pension verloren habe, einen Verdienstentgang erlitten habe, wozu das Bundesverwaltungsgericht von der Pensionsversicherungsanstalt eine Aufstellung der für die Berufsunfähigkeitspension angerechneten Versicherungsmonate eingeholt hat, welches in der Beilage zur Kenntnis gebracht wurde. Demnach hat der Beschwerdeführer in den Jahren 1965 bis zum Antritt des Präsenzdienstes im Jänner 1968 Versicherungszeiten erworben, also sowohl als Lehrling als auch als Arbeiter in den Jahren des Heimaufenthaltes.
Zusammenfassend wird dargelegt, dass die Berufsunfähigkeitspension nicht in Zusammenhang mit den Heimaufenthalten steht, weil die Prüfung des der Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension zugrunde gelegten Sachverständigengutachtens ergeben hat, dass folgende Leidenszustände dafür maßgebend waren:
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Deutlichen Sehschwäche beidseits bei Grauem Star rechts und Zustand nach Operation eines Grauen Stars links
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Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen, ohne Wurzelirritation, mit Funktionseinschränkungen
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Belastungsschmerzen beide Schulter- und Kniegelenke bei degenerativen Veränderungen
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reaktive Verstimmung – ohne Therapie mäßiger Krankheitswert
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Zustand nach mehrfacher Rippenfraktur links.
Zur beantragten Kostenübernahme für Psychotherapie wurde darauf hingewiesen, dass dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten und dem im Zuge des Berufsunfähigkeitspensionsverfahrens erstellten Sachverständigenbeweis nach, der Krankheitswert des psychischen Leidens lediglich leichtgradig ist und keiner psychotherapeutischen Behandlung bedarf, sowie dass vom Land Steiermark Therapieeinheiten bis zu einem Betrag von € 5.000 zuerkannt wurden.
Ergänzend wurde diesem Schreiben ein Informationsblatt zum Heimopferrentengesetzt beigelegt.
Weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer haben Einwendungen erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, wurde am XXXX geboren und hat sich bis 07.0.1964 in der Pflege und Erziehung seiner Großmutter in Graz befunden. Am 07.02.1964 hat er sich per Autostopp nach Wien begeben und wurde vorübergehend im Polizeijugendheim Wien untergebracht. Am 18.02.1964 wurde der Beschwerdeführer vorübergehend im Jugendraum der Polizeidirektion und dann bis 04.09.1964 im Caritas Heim Steyr-Gleink untergebracht. Am 04.09.1964 wurde er in das Landesjugendheim Hartberg überstellt.
Der Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG ist am 01.03.2013 bei der belangten Behörde eingelangt.
1.2. Der Beschwerdeführer bezieht seit 01.12.2007 eine Berufsunfähigkeitspension der Pensionsversicherungsanstalt.
Maßgebend für die Zuerkennung waren folgende Leidenszustände:
-
Deutlichen Sehschwäche beidseits bei Grauem Star rechts und Zustand nach Operation eines Grauen Stars links
-
Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen, ohne Wurzelirritation, mit Funktionseinschränkungen
-
Belastungsschmerzen beide Schulter- und Kniegelenke bei degenerativen Veränderungen
-
reaktive Verstimmung – ohne Therapie mäßiger Krankheitswert
-
Zustand nach mehrfacher Rippenfraktur links.
Der Beschwerdeführer hat als im Zuge der Heimunterbringungen durch Gewaltanwendung erlittene Gesundheitsschädigung "Verlust einer Fingerkuppe" angegeben. Die Berufsunfähigkeitspension beruht nicht auf dem geltend gemachten Leiden "Verlust einer Fingerkuppe". Durch den "Verlust einer Fingerkuppe" entsteht dem Beschwerdeführer kein Verdienstentgang.
Der mäßige Krankheitswert des psychischen Leidens bedingt keinen psychotherapeutischen Behandlungsbedarf.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien, unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt
Zu 1.2.) Die Feststellungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – auf den Bericht der Anlaufstelle an die Opferschutzkommission des Landes Steiermark betreffend den Beschwerdeführer von April 2013, den Meldebogen der Ombudsstelle Graz-Seckau, basierend auf dem persönlichen Gespräch mit dem Beschwerdeführer vom 04.12.2012, den Beschluss des Jugendgerichtes Graz vom 18.02.1964 bezüglich der Einweisung des Beschwerdeführers in eine vorläufige Fürsorgeeinrichtung, den Beschluss des Jugendgerichtes Graz vom 27.10.1964 bezüglich die Umwandlung der vorläufigen Fürsorgeerziehung in eine Fürsorgeerziehung nach § 29 JWG, die Bestätigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Landeskrankenhaus Hartberg vom 01.06.1965 für die Zeit vom 18.05.1965 bis 27.05.1965, den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt über die Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab 01.12.2007, das dazu erstellte ärztliche Gesamtgutachten Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin vom 03.01.2008, das auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 21.05.2014 basierende Sachverständigengutachten Dris. XXXX und den Nachweis über die vom Beschwerdeführer erworbenen Versicherungszeiten.
Die Angaben des Beschwerdeführers betreffend entgangene Versicherungszeiten konnten demnach nicht objektiviert werden.
Die Sachverständigengutachten sind vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen. Diese stehen auch im Einklang mit den vorgelegten und eingeholten Beweismitteln. Die Sachverständigengutachten stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Der Beschwerdeführer ist den - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten nicht substantiiert entgegengetreten.
Der Inhalt der Ermittlungsergebnisse wurde von den Verfahrensparteien im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.
(§ 1 Abs. 1 VOG auszugsweise)
Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn
1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder
2. durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird.
(§ 1 Abs. 3 VOG auszugsweise)
Als Hilfeleistungen sind u.a. vorgesehen:
1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;
2. Heilfürsorge
(§ 2 VOG auszugsweise)
Hilfe nach § 2 Z 1 ist monatlich jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 3) als Verdienst entgangen ist oder künftighin entgeht. (§ 3 Abs. 1 VOG auszugsweise)
Erbringt der Träger der Krankenversicherung auf Grund der Satzung dem Opfer oder dem Hinterbliebenen einen Kostenzuschuß für psychotherapeutische Krankenbehandlung infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1, so sind die Kosten für die vom Träger der Krankenversicherung bewilligte Anzahl der Sitzungen, die das Opfer selbst zu tragen hat, bis zur Höhe des dreifachen Betrages des Kostenzuschusses des Trägers der Krankenversicherung zu übernehmen. (§ 4 Abs. 5 VOG auszugsweise)
Leistungen nach § 2 Z 1, 7 und 9 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen sechs Monaten nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf der jeweils vorgesehenen Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Anträge auf Leistungen gemäß §§ 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist. (§ 10 Abs. 1 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 40/2009)
Im Lichte der Gesetzesmaterialien (GP XIII RV 40. S. 8) zum VOG 1972, die auf das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) verweisen, ist es nicht rechtswidrig, wenn sich die Behörde auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum KOVG 1957 beruft und davon ausgeht, dass eine ausreichende Wahrscheinlichkeit iSd. § 1 Abs. 1 VOG 1972 erst gegeben ist, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat spricht (Hinweis E vom 19. Oktober 2005, 2002/09/0132, zu § 4 Abs. 1 KVOG 1957, demzufolge "Wahrscheinlichkeit" dafür, dass die festgestellte Gesundheitsschädigung auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist, dann gegeben ist, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht). (VwGH vom 21.11.2013, Zl. 2011/11/0205, vom 26.04.2013, Zl. 2012/11/0001)
Diesen Grad der geforderten Wahrscheinlichkeit konnten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht begründen.
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung, ob ein Ersatz des Verdienstentganges gebührt, ist, ob ein Kausalzusammenhang zwischen den Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Vorfällen im Rahmen der Heimunterbringung besteht. Da der gegenständliche Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG am 01.03.2013, und somit nach Ablauf der Frist gemäß 10 Abs. 1 VOG gestellt worden ist, waren die beruflichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ab April 2013 zu prüfen.
Der Beschwerdeführer bezieht seit 01.12.2007 eine Berufsunfähigkeitspension. Die Arbeitsunfähigkeit gründet sich jedoch – vom Beschwerdeführer unbestritten – auf akausale Leidenszustände. Somit kann das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges im fiktiven schadensfreien Verlauf zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
Das Vorbringen entgangener Versicherungszeiten konnte nicht objektiviert werden.
Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt ist das Beschwerdevorbringen auch nicht geeignet darzutun, dass der Beschwerdeführer einer Psychotherapie bedarf, weil der Krankheitswert des psychischen Leidens lediglich leichtgradig ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern bzw. Beweismittel vorzulegen. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit den Ermittlungsergebnissen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt – nicht geeignet, relevante Bedenken hervorzurufen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)
Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, ob bzw. inwiefern er im Rahmen einer Befragung ein Vorbringen erstatten könnte, welches die Ermittlungsergebnisse in einem anderen Licht erscheinen lassen oder neue, bisher unbeachtete, entscheidungsrelevante, Sachverhaltselemente hervorbrächte.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Die Entscheidung hängt einerseits von Tatsachenfragen ab. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zu § 3 VOG stützen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.
Schlagworte
Berufsunfähigkeitspension, Kausalzusammenhang,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:W132.2103914.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.11.2017